Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 29.01.2020 - 4 K
381/18 = SIS 22 00 56
aufgehoben.
Die Sache wird an das Thüringer
Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erhielt von seinen Eltern alle Geschäftsanteile
an einer GmbH geschenkt, und zwar durch Verträge vom
18.12.2003 und 02.04.2007 und zuletzt von seinem Vater den
verbliebenen Anteil von 42,31 % durch Vertrag vom 03.02.2009. Die
GmbH war Eigentümerin eines am 18.09.2008 erworbenen
Grundstücks. Der Notar hatte die Beteiligten bei der
Beurkundung des Vertrags vom 03.02.2009 darüber belehrt, dass
eine Grunderwerbsteuerpflicht bestehe, falls die GmbH Grundbesitz
habe und der Vertrag eine Anteilsvereinigung bewirke. Er wies
darauf hin, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA
- ) eine beglaubigte Abschrift des Vertrags erhalte. Die Anzeige
des Notars, adressiert an die Körperschaftsteuerstelle des FA,
ging am 13.02.2009 beim FA ein. Ein Hinweis auf Grundbesitz der
GmbH oder eine Bitte um Weiterleitung an die
Grunderwerbsteuerstelle war der Anzeige des Notars nicht
beigefügt worden. Der Kläger und sein Vater zeigten die
Schenkung der GmbH-Anteile nicht dem FA an.
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Im Jahre 2017 veräußerte der
Kläger 51 % seiner Anteile an der GmbH an einen Dritten.
Aufgrund der Veräußerungsanzeige erhielt das FA Kenntnis
von den Schenkungen der GmbH-Anteile an den Kläger. Es setzte
erstmals mit Bescheid vom 04.08.2017 Grunderwerbsteuer für
eine Anteilsvereinigung vom 03.02.2009 im Sinne von § 1 Abs. 3
Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (GrEStG) fest. Dabei wurde die Steuerbefreiung nach §
3 Nr. 2 GrEStG für das Grundstück mit einem Anteil von
42,31 % gewährt. Der hiergegen erhobene Einspruch war
erfolglos. Der Bescheid wurde aus hier nicht
streitgegenständlichen Gründen noch mehrmals
geändert.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit
der sich der Kläger auf den Eintritt der
Festsetzungsverjährung berief, abgewiesen. Der Kläger
habe keine Anzeige nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG, der
Notar keine ordnungsgemäße Anzeige nach § 18 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 GrEStG erstattet. Die Festsetzungsfrist habe daher
nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) am
01.01.2013 begonnen und betrage wegen leichtfertiger
Steuerverkürzung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO fünf
Jahre. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei daher noch vor Ablauf der
Festsetzungsfrist ergangen. Angesichts seines kaufmännischen
Hintergrunds sowie des in dem Vertrag vom 03.02.2009 enthaltenen
Hinweises auf die Grunderwerbsteuerpflicht hätte der
Kläger sich bei einem qualifizierten Dritten nach seinen
Anzeigepflichten erkundigen müssen. Das FG-Urteil ist in EFG
2022, 220 = SIS 22 00 56
veröffentlicht.
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Mit der Revision macht der Kläger eine
Verletzung von § 169 Abs. 2 Satz 2, § 378 AO geltend und
beruft sich auf die Festsetzungsverjährung. Es gelte ein
subjektiver Leichtfertigkeitsbegriff, sodass auf die
persönlichen Fähigkeiten des Täters im konkreten
Fall abzustellen sei. Diesem Grundsatz sowie dem Schuldprinzip
widerspreche es, einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab
für Kaufleute auch dann anzulegen, wenn das
steuerauslösende Rechtsgeschäft nicht zur
kaufmännischen Tätigkeit des Steuerpflichtigen
gehöre. Unter dem zutreffenden normalen Sorgfaltsmaßstab
habe der Kläger bei seinem hier privaten Rechtsgeschäft
nicht leichtfertig gehandelt. Er habe sich zudem auf den Notar
verlassen dürfen, zumal selbst für Fachkundige die
verschiedenen parallelen Anzeigepflichten kaum nachvollziehbar
seien.
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Der Kläger beantragt,
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die Vorentscheidung, die Bescheide vom
04.08.2017, 08.09.2017, 10.10.2017 sowie die Einspruchsentscheidung
vom 17.05.2018 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Kläger habe leichtfertig
gehandelt, da er sich weder bei dem Notar noch anderweitig im
Hinblick auf seine steuerlichen Pflichten habe beraten lassen.
Abgesehen davon, dass das auf die Gesellschafterstellung bezogene
Rechtsgeschäft als solches Teil der kaufmännischen
Tätigkeit sei, hätte der Kläger selbst nach dem
für alle Steuerpflichtigen geltenden Sorgfaltsmaßstab
wegen des expliziten Hinweises auf die Grunderwerbsteuerpflicht
diese und die daraus resultierende Anzeigepflicht erkennen
müssen.
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II. Die Revision ist begründet mit der
Maßgabe, dass das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
- ). Der Bundesfinanzhof (BFH) kann nicht abschließend
beurteilen, ob am 04.08.2017, dem Zeitpunkt der ersten
Steuerfestsetzung, die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen und
gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Steuerfestsetzung
nicht mehr zulässig war. Das FG hat die im Streitfall
dafür entscheidende Frage, ob sich die Festsetzungsfrist
aufgrund einer leichtfertigen Steuerverkürzung des
Klägers nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO auf
fünf Jahre verlängert hat, aufgrund unzutreffender
Maßstäbe bejaht. Es steht nicht fest, ob die
Entscheidung sich im Ergebnis gleichwohl als richtig erweist
(§ 126 Abs. 4 FGO). Dem FG obliegt nach § 118 Abs. 2 FGO
die erneute Würdigung des Sachverhalts.
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1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine
Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist
beträgt für die Grunderwerbsteuer nach § 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 AO grundsätzlich vier Jahre und verlängert
sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO auf fünf
Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist.
Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist
mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder
eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Die
Grunderwerbsteuer entsteht außer in den Fällen des
§ 14 GrEStG gemäß § 38 AO grundsätzlich
dann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die
Leistungspflicht knüpft (BFH-Urteil vom 12.10.2022 - II R
7/20, BFHE 277, 489, BStBl II 2023, 402 = SIS 23 01 63, Rz 23).
Dieser Tatbestand ist der jeweilige nach § 1 GrEStG
steuerpflichtige Erwerbsvorgang (vgl. Schuster in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 38 AO Rz 50; Drüen in
Tipke/Kruse, § 38 AO Rz 14).
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Ist jedoch eine Anzeige zu erstatten, beginnt
die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr.
1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie eingereicht wird,
spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das
auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
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a) Zu der Anzeigepflicht im Sinne des §
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehört auch die Anzeigepflicht der
Beteiligten aus § 19 GrEStG. Für die Anzeigepflicht der
Gerichte, Behörden und Notare aus § 18 GrEStG gilt §
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zwar nicht unmittelbar (BFH-Urteile vom
16.02.1994 - II R 125/90, BFHE 174, 185, BStBl II 1994, 866 = SIS 94 15 38, unter II.2.b und vom 06.07.2005 - II R 9/04, BFHE 210,
65, BStBl II 2005, 780 = SIS 05 39 35, unter II.2.c). Hat aber
einer der Verpflichteten eine ordnungsgemäße Anzeige an
das zuständige Finanzamt erstattet, so schiebt die
Nichterfüllung der Anzeigepflicht des anderen Verpflichteten
die Festsetzungsfrist nicht mehr hinaus (BFH-Urteile vom 21.06.1995
- II R 11/92, BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802 = SIS 95 23 25,
unter II.2. und vom 06.07.2005 - II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II
2005, 780 = SIS 05 39 35, unter II.2.c).
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b) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 4
Satz 1 GrEStG müssen Steuerschuldner an das für die
Besteuerung zuständige Finanzamt Anzeige über
Geschäfte im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erstatten.
Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob und inwieweit die
Beteiligten wussten, dass der Rechtsvorgang der Grunderwerbsteuer
unterliegt und insoweit eine Anzeigepflicht besteht. Die
Anzeigepflicht ist objektiver Natur und besteht unabhängig von
subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige
Verpflichteten (BFH-Urteil vom 29.07.2009 - II R 58/07, BFH/NV
2010, 63 = SIS 09 37 33, unter II.2.b bb). Die Anlaufhemmung nach
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO kann deshalb unabhängig von
subjektiven Merkmalen eintreten (BFH-Urteil vom 27.09.2017 - II R
41/15, BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667 = SIS 17 24 63, Rz 39).
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c) Nach § 18 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
GrEStG haben Notare innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung
dem zuständigen Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten
über von ihnen beurkundete Vorgänge, die die
Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft
betreffen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein im
Geltungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes liegendes
Grundstück gehört.
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aa) Die Anzeige ist nach § 18 Abs. 5
GrEStG an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt zu
richten und muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH
grundsätzlich an die Grunderwerbsteuerstelle des
zuständigen Finanzamts übermittelt werden oder sich
zumindest nach ihrem Inhalt eindeutig an die
Grunderwerbsteuerstelle richten. Dazu ist erforderlich, dass die
Anzeige als eine solche nach dem Grunderwerbsteuergesetz
gekennzeichnet ist und ihrem Inhalt nach ohne weitere
Sachprüfung - insbesondere ohne dass es insoweit einer
näheren Aufklärung über den Anlass der Anzeige und
ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz bedürfte - an die
Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist (BFH-Urteile vom
21.06.1995 - II R 11/92, BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802 = SIS 95 23 25, unter II.2.; vom 01.12.2004 - II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365
= SIS 05 32 77, unter II.4.; vom 11.06.2008 - II R 55/06, BFH/NV
2008, 1876 = SIS 08 38 33, unter II.2.a; vom 03.03.2015 - II R
30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 25 und
vom 22.05.2019 - II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 =
SIS 19 15 55, Rz 20).
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bb) Wird die Anzeige nicht entsprechend
adressiert, erfüllt sie die Anforderungen des § 170 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht. Zwar beginnt die Festsetzungsfrist im
Sinne von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch dann mit Abgabe
der Anzeige, wenn die Anzeige teilweise unvollständig oder
unrichtig ist. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die
Erklärung derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf
das Nichteinreichen der Anzeige hinausläuft. Dies hängt
nach dem Normzweck der Vorschrift davon ab, ob insoweit die der
Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit
verkürzt wurde (BFH-Urteil vom 23.05.2012 - II R 56/10 =
SIS 12 24 23, Rz 12). Eine weder
ausdrücklich noch inhaltlich an die Grunderwerbsteuerstelle
gerichtete Anzeige kommt einem Nichteinreichen der Anzeige in
diesem Sinne gleich (vgl. die Sachverhalte in den BFH-Urteilen vom
21.06.1995 - II R 11/92, BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802 = SIS 95 23 25; vom 01.12.2004 - II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365 = SIS 05 32 77; vom 11.06.2008 - II R 55/06, BFH/NV 2008, 1876 = SIS 08 38 33;
vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 =
SIS 15 11 54; vom 29.10.2008 - II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832 = SIS 09 32 78 und vom 23.05.2012 - II R 56/10 = SIS 12 24 23). Eine Anzeige, die lediglich
potentiell die Möglichkeit für ein
Grunderwerbsteuer-Festsetzungsverfahren eröffnet, der für
die Verwaltung der Grunderwerbsteuer zuständigen
Organisationseinheit der Finanzbehörde aber keine positive
Kenntnis vermittelt, reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 29.10.2008 -
II R 9/08, BFH/NV 2009, 1832 = SIS 09 32 78, unter II.1.b).
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d) Nach diesen Grundsätzen begann die
Festsetzungsfrist im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2012. Die
Steuer war mit der Anteilsübertragung im Jahre 2009
entstanden, sodass die dreijährige Anlaufhemmung des §
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2012 endete. Bis
zu diesem Zeitpunkt war für die Anteilsübertragung keine
wirksame Anzeige beim FA eingereicht worden. Der Notar hatte den
Vorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt, weil er die
Anzeige nur an die Körperschaftsteuerstelle adressiert hatte,
der Kläger selbst hatte gar keine Anzeige beim FA abgegeben.
Die vierjährige reguläre Festsetzungsfrist endete demnach
mit Ablauf des Kalenderjahres 2016.
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2. Der angefochtene Bescheid vom 04.08.2017
wäre danach nur dann innerhalb offener Festsetzungsfrist
ergangen, wenn diese sich aufgrund einer leichtfertigen
Steuerverkürzung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2
Alternative 2 AO auf fünf Jahre verlängert
hätte.
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a) Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung
im Sinne von § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO vorliegt,
bestimmt sich bei Prüfung der Festsetzungsverjährung nach
§ 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung), da § 169
AO diesbezüglich keine Legaldefinition enthält.
Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von
der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre
(§ 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO) und somit vom Vorliegen
einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab, müssen zur
Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und
subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO erfüllt
sein. Die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Straf-
beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrechts sind materiell-rechtlich
wie im Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitenrecht zu
beurteilen, jedoch nach den Verfahrensvorschriften der
Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen
(BFH-Urteile vom 02.04.2014 - VIII R 38/13, BFHE 245, 295, BStBl II
2014, 698 = SIS 14 20 97, Rz 51; vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE
249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 39 und vom
12.07.2016 - II R 42/14, BFHE 254, 105, BStBl II 2016, 868 = SIS 16 18 60, Rz 13). Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt
ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der
Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs.
1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Dazu zählt, die
Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche
Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und dadurch Steuern zu
verkürzen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Steuern sind
namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller
Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 378
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Wer einer
Anzeigepflicht nicht nachkommt, lässt im Allgemeinen
Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche
Tatsachen in Unkenntnis und kann deshalb grundsätzlich eine
leichtfertige Steuerverkürzung begehen. Hingegen ist der Notar
im Hinblick auf die ihn treffende Anzeigepflicht aus § 18
GrEStG nicht tauglicher Täter einer leichtfertigen
Steuerverkürzung. Er ist insoweit weder Steuerpflichtiger noch
handelt er „bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines
Steuerpflichtigen“, da er mit der Anzeige
nicht eine Pflicht des Steuerschuldners, sondern eine eigene dem
Finanzamt gegenüber bestehende Pflicht erfüllt
(BFH-Urteil vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II
2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 40 bis 42).
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b) Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen
Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben
Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im
Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des
Täters abstellt (BFH-Urteile vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE
249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 44 und vom
17.11.2015 - X R 35/14 = SIS 16 07 08, Rz 26, m.w.N.).
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aa) Ein derartiges Verschulden liegt vor, wenn
ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und
seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen
wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen
sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu
genügen. Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des
Steuerpflichtigen erforderlich (BFH-Urteil vom 03.03.2015 - II R
30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 44).
Fehlen besondere persönliche Fähigkeiten im Bereich der
betreffenden Steuern, handelt leichtfertig, wer die Sorgfalt
außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen
Umständen des Falles und seinen persönlichen
Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, und
dem sich deshalb aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern
verkürzt (BFH-Urteile vom 17.11.2011 - IV R 2/09 =
SIS 12 19 04, Rz 46; vom
24.07.2014 - V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955 = SIS 14 23 87, Rz 15 und vom 17.11.2015 - X R 35/14 = SIS 16 07 08, Rz 27, m.w.N.).
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bb) Hat der Steuerpflichtige die
Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche
Tatsachen in Unkenntnis gelassen, so ist bei der Prüfung, ob
Leichtfertigkeit gegeben ist, zu berücksichtigen, dass es dem
Steuerpflichtigen obliegt, sich bei rechtlichen Zweifeln über
seine steuerlichen Pflichten einschließlich der an die
Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten bei
qualifizierten Auskunftspersonen zu erkundigen. Die
Erkundigungspflichten beschränken sich nicht auf die
Steuerpflicht einer Tätigkeit, sondern umfassen auch die an
die Steuerpflicht anknüpfenden Verfahrenspflichten. Wer die
Steuerpflicht seines Verhaltens kennt, ist umso mehr gehalten, sich
um die damit verbundenen Erklärungs- und Anzeigepflichten zu
kümmern (BFH-Urteile vom 19.02.2009 - II R 49/07, BFHE 225, 1,
BStBl II 2009, 932 = SIS 09 20 81, unter II.2.a und vom 03.03.2015
- II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz
45).
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cc) Zu beachten sind auch Ausbildung,
Tätigkeit und Stellung des Steuerpflichtigen. So sind an die
Erkundigungspflichten bei Kaufleuten jedenfalls bei
Rechtsgeschäften, die zu ihrer kaufmännischen
Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen zu stellen
als bei anderen Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 19.02.2009 - II
R 49/07, BFHE 225, 1, BStBl II 2009, 932 = SIS 09 20 81, unter
II.2.a und vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II
2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 45). Das bedeutet allerdings nicht,
dass für den Leichtfertigkeitsvorwurf nicht auf die
persönlichen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen im Bereich
der betreffenden Steuern abzustellen wäre. Die unter II.2.b aa
und bb genannten Voraussetzungen sind auch in diesem Fall zu
prüfen (andere Tendenz bei Krumm in Tipke/Kruse, § 378 AO
Rz 14). Die Erfahrungstatsache, dass der Kaufmann
regelmäßig weitergehende Fähigkeiten als der
Nichtkaufmann besitzt, ist nur eine Ausprägung des
Grundsatzes, dass auf die individuellen Fähigkeiten
abzustellen ist. Er setzt voraus, dass die entsprechenden
vermehrten Fähigkeiten und Kenntnisse, die ein
Problembewusstsein für mögliche Pflichten schaffen und so
erhöhte Erkundigungs- und Sorgfaltspflichten begründen,
auch tatsächlich vorhanden sind. Der Umstand, dass der
Steuerpflichtige über eine bestimmte formale Ausbildung oder
Stellung verfügt, hat Indizwirkung, kann aber für sich
genommen nicht die Leichtfertigkeit im Sinne des § 169 Abs. 2
Satz 2 Alternative 2 AO begründen. Auf die Frage, ob privates
oder geschäftliches Handeln vorliegt, kommt es nach diesen
Kriterien nicht an.
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c) Ob im konkreten Einzelfall Leichtfertigkeit
im Sinne des § 378 Abs. 1 Satz 1 AO vorliegt, ist im
Wesentlichen Tatfrage (BFH-Urteil vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE
249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 46). In der
Revisionsinstanz können die dazu getroffenen Feststellungen
des FG grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden,
ob der Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit und die aus ihm
abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob
die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich des
notwendigen individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und
Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil vom 02.04.2014 - VIII
R 38/13, BFHE 245, 295, BStBl II 2014, 698 = SIS 14 20 97, Rz
52).
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aa) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das FG
hat bei seiner Entscheidung die Maßstäbe, die an den
Begriff der Leichtfertigkeit im Sinne des § 378 AO anzulegen
sind, verkannt.
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aaa) Das FG ist von einem objektiven
Leichtfertigkeitsbegriff ausgegangen. Es definiert mehrfach ein
abstrakt höheres Anforderungsprofil an Kaufleute
(„Besondere Anforderungen werden diesbezüglich an
Kaufleute gestellt, …“, „Bei
Anwendung der für einen ausgebildeten und in der
Geschäftsführung einer GmbH länger aktiv
tätigen Kaufmann notwendigen Sorgfalt
…“, „… bei Anwendung der
kaufmännischen Sorgfaltspflichten für den erfahrenen
Kaufmann …“, FG-Urteil, Rz 40;
„Hätte der Kläger die für einen Kaufmann
erforderliche Sorgfalt ausgeübt,
…“, FG-Urteil, Rz 42). Zwar hat das FG
zusätzlich einen Schluss aus der kaufmännischen
Tätigkeit auf Kenntnisse des Klägers persönlich
formuliert, in dem ein subjektiver Maßstab anklingt
(„… ist der Überzeugung, dass beim Kläger
aufgrund seiner Ausbildung als Betriebswirt … Kenntnisse
vorliegen, die zum Tätigkeitsbereich eines Kaufmannes
gehören. …“, FG-Urteil, Rz 40;
„… verfügt aufgrund seiner Ausbildung über
erhöhte Kenntnisse im kaufmännischen Bereich.
…“, FG-Urteil, Rz 42; „…
trotz seiner kaufmännischen Kenntnisse
…“, FG-Urteil, Rz 43). Ohne
zusätzliche auf das Individuum bezogene Feststellungen ist der
Schluss von gruppenspezifisch typischen Eigenschaften auf
persönliche Fähigkeiten aber lediglich ein objektiver
Maßstab, denn er erschöpft sich in der Erwartung, dass
ein Angehöriger der Gruppe diese Fähigkeit zu haben habe,
ungeachtet der Frage, ob er sie tatsächlich hat. Gleichzeitig
ist er ein denklogischer Fehler, denn Typizität trägt
nicht die Schlussfolgerung auf jeden Einzelfall. Das gilt erst
recht angesichts der Vielgestaltigkeit kaufmännischer
Ausbildungen sowie der Mehrdeutigkeit des Kaufmannsbegriffs
selbst.
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bbb) Das FG hat zwar, um das Wissen des
Klägers in Bezug auf die Grunderwerbsteuerpflicht zu
begründen, auf konkrete Umstände und dessen individuelle
Fähigkeiten abgestellt (die
Alleingeschäftsführerstellung, der Kauf des
Firmengrundstücks im Jahre 2008 sowie der Hinweis auf die
eventuelle Grunderwerbsteuerpflicht für den streitigen
Vorgang, FG-Urteil, Rz 40). Dies trägt den
Leichtfertigkeitsvorwurf jedoch nicht, da dieser sich auf die
grunderwerbsteuerliche Anzeigepflicht des Klägers nach §
19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 4 Satz 1 GrEStG beziehen muss. Diese
besteht zwar unabhängig davon, ob und inwieweit die
Beteiligten erkannt haben, dass der Rechtsvorgang der
Grunderwerbsteuer unterliegt, beziehungsweise wussten, dass
insoweit eine Anzeigepflicht besteht (BFH-Urteil vom 27.09.2017 -
II R 41/15, BFHE 260, 94, BStBl II 2018, 667 = SIS 17 24 63, Rz 39
zur Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und s.
oben unter II.1.b). Für die Frage, ob eine leichtfertige
Steuerverkürzung im Sinne des § 169 Abs. 2 Satz 2
Alternative 2 AO vorliegt, ist jedoch auf die persönlichen
Fähigkeiten des Steuerpflichtigen im Bereich der betreffenden
Steuern, das heißt in Bezug auf die Anzeigepflicht
abzustellen (s. hierzu unter II.2.b aa).
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bb) Eine eigene Beurteilung, ob in dem
Unterlassen der Anzeige durch den Kläger eine leichtfertige
Steuerverkürzung liegt, ist dem BFH verwehrt, da nicht
auszuschließen ist, dass noch weitere Feststellungen zu den
subjektiven Merkmalen der Leichtfertigkeit getroffen werden
können. Aus diesem Grund ist das angefochtene FG-Urteil
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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3. Der Senat entscheidet nach § 121 Satz
1 i.V.m. § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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