Die Revision des Klägers wird als
unbegründet zurückgewiesen und die Feststellungsklage
abgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter der … GmbH
(Insolvenzschuldnerin).
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Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom
15.11.2018 erwarb die A-GmbH ein Grundstück zu einem Kaufpreis
von … EUR. Der Kaufpreis sollte frühestens am
29.03.2019 fällig sein. Die A-GmbH war am 12.11.2018
gegründet worden. Gründungsgesellschafter zu je einem
Drittel waren die Insolvenzschuldnerin, die B-GmbH und die
C-GmbH.
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3
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Das zuständige Finanzamt setzte mit
Bescheid vom 12.12.2018 gegenüber der A-GmbH für den
Erwerb des Grundbesitzes Grunderwerbsteuer in Höhe von
… EUR fest.
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Die B-GmbH und die C-GmbH
veräußerten mit notariell beurkundetem
Gesellschaftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 12.04.2019 ihre
Geschäftsanteile an der A-GmbH zu einem Kaufpreis von je
… EUR an die Insolvenzschuldnerin. Zu diesem Zeitpunkt war
der Kaufpreis für das Grundstück noch nicht gezahlt und
die A-GmbH noch nicht als Eigentümerin des Grundstücks im
Grundbuch eingetragen.
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Wenige Tage vor dem Anteilskauf hatte die
Insolvenzschuldnerin mit der X-GmbH einen Treuhandauftrag und
Darlehensvertrag zur Finanzierung des Kaufpreises geschlossen.
Darin erteilte die X-GmbH der Insolvenzschuldnerin den Auftrag, die
Anteile der B-GmbH und der C-GmbH an der A-GmbH im eigenen Namen,
aber auf Rechnung für die X-GmbH zu erwerben. Die X-GmbH war
nach dem Vertrag berechtigt, Ansprüche in beliebiger Höhe
aus diesem Treuhandauftrag an einen Immobilienfonds
abzutreten.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) setzte aufgrund des Vertrags vom 12.04.2019
wegen einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen
Fassung (GrEStG) mit Bescheid vom 07.07.2020 gegenüber der
Insolvenzschuldnerin Grunderwerbsteuer in Höhe von …
EUR fest. Die Bemessungsgrundlage schätzte das FA
vorläufig auf … EUR und wies darauf hin, dass als
Bemessungsgrundlage der gesondert festzustellende Grundbesitzwert
nach § 8 Abs. 2 GrEStG maßgebend sei.
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Gegen den Bescheid wandte sich die
Insolvenzschuldnerin mit dem Einspruch, den das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 23.11.2020 als unbegründet
zurückwies. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene
Klage ab. Die Entscheidung ist in EFG 2022, 1136
veröffentlicht.
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Dagegen richtete sich die ursprünglich
von der Insolvenzschuldnerin erhobene Revision. Im Laufe des
Revisionsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der
Kläger zum Insolvenzverwalter bestimmt. Der Kläger hat
als Insolvenzverwalter der zur Tabelle angemeldeten
Grunderwerbsteuerforderung widersprochen und das Revisionsverfahren
aufgenommen. Er vertritt die Auffassung, die angemeldete
Grunderwerbsteuerforderung sei unberechtigt, da der Tatbestand des
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllt sei. Die von der
Insolvenzschuldnerin treuhänderisch gehaltenen Anteile seien
für steuerliche Zwecke dem Treugeber, der X-GmbH, zuzurechnen.
Anderenfalls käme es aufgrund der Rechtsprechung zum
mittelbaren Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft
zu einer doppelten Zurechnung des Grundstücks sowohl beim
Treuhänder als auch beim Treugeber. Würde man die Anteile
für grunderwerbsteuerliche Zwecke nicht allein dem Treugeber
zurechnen, stünde dies auch im Gegensatz zum Zivilrecht, das
im Falle einer Erwerbstreuhand - anders als bei einer
Vereinbarungstreuhand - das Treugut dem Treugeber zurechne.
Dasselbe gelte im Handelsrecht für kommissionsähnliche
Geschäfte und auch im Insolvenzrecht.
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Darüber hinaus sei die A-GmbH zur Zeit
des treuhänderischen Erwerbs der Anteile (noch) nicht
grundbesitzend im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gewesen.
Das Grundstück sei nach Abschluss des Kaufvertrags noch nicht
in das Vermögen der A-GmbH gelangt. Der Erwerb sei nicht
endgültig gewesen, da der Immobilienkaufvertrag bis zur
endgültigen Kaufpreiszahlung ein Rücktrittsrecht des
Verkäufers enthalten habe.
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Die zur Tabelle angemeldete Forderung sei
zudem auch der Höhe nach fehlerhaft. Zwar bemesse sich die
Steuer grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8
Abs. 1 GrEStG). In Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG komme es
auf den Kaufpreis des Grundstücks aber nicht an. Vielmehr
richte sich die Gegenleistung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
GrEStG nach dem nach §§ 157, 176 ff. des
Bewertungsgesetzes (BewG) festzustellenden Grundstückswert.
Dieser Wert stimme mit dem Kaufpreis nicht zwingend überein.
Das FG habe das Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) aussetzen und zunächst das Bewertungsverfahren abwarten
müssen.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass der Widerspruch gegen
die vom Beklagten im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldete
Forderung über Grunderwerbsteuer in Höhe von … EUR
begründet ist.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Der Kläger war berechtigt, den nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreit
(§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 der
Zivilprozessordnung) aufzunehmen.
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Macht das Finanzamt einen festgesetzten, aber
noch nicht erfüllten Steuer- oder Haftungsanspruch als
Insolvenzforderung geltend und hat der Insolvenzverwalter im
Prüfungstermin der angemeldeten Forderung widersprochen,
ergibt sich die Befugnis zur Aufnahme des zunächst
unterbrochenen Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter aus
§ 87 i.V.m. § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 der
Insolvenzordnung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
21.09.2017 - VIII R 59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 14 ff., m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz
53; Klein/Werth, AO, 18. Aufl., § 251 Rz 31). Streitgegenstand
ist nicht (mehr) die Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Steuerbescheids, sondern die Feststellung, ob die zur Tabelle
angemeldete Forderung dem Grunde und der Höhe nach
begründet und der Widerspruch dagegen berechtigt ist. Dabei
handelt es sich um eine zulässige, weil sachdienliche
Klageänderung (§ 67 FGO).
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III. Die Feststellungsklage ist
unbegründet. Die zur Insolvenztabelle angemeldete
Grunderwerbsteuerforderung ist dem Grunde und der Höhe nach
berechtigt und der Widerspruch des Klägers gegen die Forderung
unbegründet.
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1. Die Insolvenzschuldnerin hat durch den
Erwerb der Anteile im Auftrag der X-GmbH die Anteile an der A-GmbH
im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unmittelbar in ihrer Hand
vereinigt.
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a) Gehört zum Vermögen einer
Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer ein Rechtsgeschäft,
das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile
der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung
unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile
der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden
würden. Der Tatbestand erfasst die infolge der Vereinigung der
Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand spezifisch
grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von
Grundstücken. Die Vorschrift will die Sachherrschaft erfassen,
die jemand hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks aufgrund
der rechtlichen Verfügungsmacht über die
Gesellschaftsanteile erlangt (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteil vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252 = SIS 24 13 40, Rz 25, m.w.N.).
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b) Die Anteilsvereinigung im Sinne des §
1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann dadurch erfolgen, dass sich die Anteile
in der Hand des Erwerbers teils unmittelbar und teils mittelbar
vereinigen (BFH-Urteil vom 04.03.2020 - II R 2/17, BFHE 270, 240,
BStBl II 2020, 511 = SIS 20 06 97, Rz 15). Der Erwerber erwirbt
einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar, wenn
er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird
(BFH-Urteil vom 27.09.2017 - II R 41/15, BFHE 260, 94, BStBl II
2018, 667 = SIS 17 24 63, Rz 14). Dies gilt auch für einen
Treuhänder, der die sich in seiner Hand vereinigenden Anteile
der grundbesitzenden Gesellschaft für Rechnung seines
Auftraggebers (Treugeber) erwirbt (Erwerbstreuhand; vgl.
Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz,
20. Aufl., § 1 Rz 128). Er kann Erwerber im Sinne des § 1
Abs. 3 GrEStG sein (BFH-Urteil vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV
2024, 1252 = SIS 24 13 40, Rz 26; vgl. Gleich lautende Erlasse der
obersten Finanzbehörden der Länder zu
Erwerbsvorgängen im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG im
Zusammenhang mit Treuhandgeschäften und Auftragserwerben bzw.
Geschäftsbesorgungen vom 19.09.2018, BStBl I 2018, 1074 = SIS 18 15 48, Tz. 3.1.; Meßbacher-Hönsch in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 1167). Der
Treuhänder ist dann unmittelbarer und der Treugeber
mittelbarer Gesellschafter (vgl. BFH-Urteile vom 03.03.2015 - II R
30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 16 und
vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252 = SIS 24 13 40, Rz
26).
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aa) Die Grunderwerbsteuer ist eine
Rechtsverkehrsteuer und knüpft an das Zivilrecht an
(BFH-Urteil vom 29.06.2016 - II R 14/12, BFH/NV 2017, 1 = SIS 16 25 51). Beim Grundstückserwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
ist allein maßgeblich, wer zivilrechtlich den Anspruch auf
Übereignung des Grundstücks erwirbt. Die wirtschaftliche
Betrachtungsweise des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung
(AO) findet in der Grunderwerbsteuer grundsätzlich keine
Anwendung (BFH-Beschluss vom 30.11.2020 - II B 41/20, BFH/NV 2021,
447 = SIS 21 01 96, Rz 9, m.w.N.). Der Treuhänder erwirbt
zivilrechtlich einen Anspruch auf Übereignung des
Grundstücks und spätestens durch die Auflassung das
Eigentum am Grundstück. Bei einer sogenannten Erwerbstreuhand
ist mit dem Erwerb des Grundstücks zugleich (beim
Treuhänder) der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
und (beim Treugeber) der des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt
(vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder zu grundstücksbezogenen Treuhandgeschäften
sowie zu Grundstückserwerben durch Auftragnehmer bzw.
Geschäftsbesorger vom 12.10.2007, BStBl I 2007, 757 = SIS 08 00 50, Tz. 3.1.).
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20
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bb) Dasselbe gilt beim (unmittelbaren)
Anteilserwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Maßgeblich
ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, ob der Erwerber
zivilrechtlich den Anspruch auf Übertragung der Anteile an der
grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt. Vereinigen sich dadurch in
der Hand des Erwerbers die Anteile an der grundbesitzenden
Gesellschaft, wird dieser so behandelt, als habe er die
Grundstücke der Gesellschaft erworben (BFH-Urteile vom
22.05.2019 - II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 = SIS 19 15 55, Rz 12 und vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252 =
SIS 24 13 40, Rz 26).
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cc) Eine abweichende Beurteilung der
sogenannten Erwerbstreuhand in anderen Rechtsgebieten, wie zum
Beispiel im Insolvenzrecht oder im Handelsrecht, steht dieser
Auffassung nicht entgegen. Die vom Kläger in diesem
Zusammenhang zitierte Rechtsprechung führt nicht zu einer
anderen zivilrechtlichen Zurechnung der vom Treuhänder
gehaltenen Anteile, sondern regelt ausgehend von dieser
zivilrechtlichen Zuordnung für bestimmte
Sachverhaltskonstellationen die sich daraus ergebenden
Interessenkonflikte, zum Beispiel zwischen Insolvenzgläubigern
und dem Treugeber. Dies führt nicht zu einer anderen
zivilrechtlichen Zuordnung der im Wege der Erwerbstreuhand
erworbenen Anteile oder Grundstücke bei der Grunderwerbsteuer.
Insoweit sind die Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 1 Nr.
1, Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG gleich zu behandeln.
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dd) Schließlich steht auch die
BFH-Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der mittelbaren Änderung
des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei
Personengesellschaften durch schuldrechtliche Bindungen
hinsichtlich des Anteils am Gesellschaftsvermögen (z.B.
BFH-Urteile vom 09.07.2014 - II R 49/12, BFHE 246, 215, BStBl II
2016, 57 = SIS 14 23 84; vom 25.11.2015 - II R 18/14, BFHE 251,
492, BStBl II 2018, 783 = SIS 16 00 87 und vom 30.08.2017 - II R
39/15, BFHE 260, 87, BStBl II 2018, 786 = SIS 17 22 59) der Annahme
einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbaren
Anteilsvereinigung beim Erwerb durch einen Treuhänder nicht
entgegen (BFH-Urteil vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252
= SIS 24 13 40, Rz 27). Sie ist zu mittelbaren
Erwerbsvorgängen ergangen und enthält keine Aussage zu
der Frage, ob auch in der Hand eines Treuhänders, der
zivilrechtlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen wird,
durch die Übertragung dieser Anteile, die zu einer erstmaligen
Vereinigung von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile
führt, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
unmittelbar verwirklicht werden kann (vgl. BFH-Urteil vom
10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252 = SIS 24 13 40, Rz 27,
28).
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c) Nach diesen Grundsätzen haben sich in
der Hand der Insolvenzschuldnerin als Treuhänderin der X-GmbH
durch den Geschäftsanteils- und Abtretungsvertrag vom
12.04.2019 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 100 % der
Anteile der A-GmbH vereinigt.
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2. Der A-GmbH gehörte im Zeitpunkt des
Anteilserwerbs auch ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs.
3 GrEStG.
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a) Ob ein Grundstück im Sinne des §
1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft
„gehört“, richtet sich weder nach
dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr
die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (BFH-Urteil vom
14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012 = SIS 23 05 17, Rz 24, m.w.N.).
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b) Ein inländisches Grundstück ist
einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld
für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer
unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug
auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und
die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter
§ 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr
zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück
einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis
einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG
fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat (BFH-Urteil vom
14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012 = SIS 23 05 17, Rz 24, m.w.N.; Meßbacher-Hönsch in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 1075 ff.).
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c) Die A-GmbH hatte mit Kaufvertrag vom
15.11.2018 ein inländisches Grundstück erworben. Der
Grundstückskaufvertrag stand nicht unter einer aufschiebenden
Bedingung. Zugunsten der A-GmbH ist ein zivilrechtlich wirksamer
und durchsetzbarer Anspruch auf Übereignung des
Grundstücks begründet worden. Dieses Rechtsgeschäft
unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
Ab Abschluss des Kaufvertrags war das Grundstück der A-GmbH
grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen. Der Umstand, dass die
Zahlung des Kaufpreises zu diesem Zeitpunkt nicht gesichert war und
der A-GmbH und der Verkäuferin möglicherweise ein
Rücktrittsrecht zustand, ändert nichts an der
Tatbestandsverwirklichung (vgl. Loose in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 16 Rz 9; Pahlke/Pahlke,
Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 16 Rz 2).
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3. Die Grunderwerbsteuerforderung ist auch in
der zur Tabelle angemeldeten Höhe berechtigt. Insoweit war das
Verfahren nicht nach § 74 FGO auszusetzen.
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a) Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG
ist in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG die Steuer nach
den gesondert festzustellenden Grundbesitzwerten im Sinne des
§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG
zu bemessen. Die Insolvenzschuldnerin hatte - von ihrem Standpunkt
zunächst zu Recht - keine Erklärung zu den
Grundbesitzwerten eingereicht und auch keine konkreten Angaben zu
den ihrer Auffassung nach anzusetzenden Werten gemacht. Das FA hat
die Höhe der Grundbesitzwerte geschätzt. Es hat ausgehend
von den festgestellten Einheitswerten darauf abgestellt, dass die
nach §§ 151 ff. BewG festzustellenden Grundbesitzwerte
durchschnittlich das 6 bis 9-fache der festgestellten Einheitswerte
betragen und zunächst einen mittleren Faktor von 7,5
angewendet. Sodann hat es zugunsten der Insolvenzschuldnerin den im
Streitfall niedrigeren Kaufpreis für das von der A-GmbH kurz
vor dem Anteilserwerb erworbene Grundstück aus dem Kaufvertrag
vom 15.11.2018 als Bemessungsgrundlage herangezogen. Weder die
Insolvenzschuldnerin noch der Kläger sind dem inhaltlich
entgegengetreten.
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30
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b) Das Verfahren war nicht nach § 74 FGO
zur Durchführung eines gesonderten Wertfeststellungsverfahrens
auszusetzen. Nach § 74 FGO kann das Gericht die Entscheidung
bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits aussetzen. Die
Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Die
Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten
Klageverfahrens ist regelmäßig geboten und
zweckmäßig, wenn in ihm Besteuerungsgrundlagen streitig
sind, über die in einem besonderen Grundlagenbescheid zu
entscheiden ist. Ausnahmsweise kann jedoch im Einzelfall trotz
ausstehender Entscheidung über einen Grundlagenbescheid eine
Fortführung des Verfahrens ermessensgerecht sein (vgl.
BFH-Beschluss vom 03.08.2000 - III B 179/96, BFHE 192, 255, BStBl
II 2001, 33 = SIS 01 02 22).
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31
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Es kann dahinstehen, ob der Streitfall
überhaupt von § 74 FGO erfasst ist, da nach der
Klageänderung nicht mehr die Rechtmäßigkeit des
ursprünglich angefochtenen Folgebescheids streitig ist,
sondern die Feststellung begehrt wird, dass die zur
Insolvenztabelle angemeldete Forderung dem Grund und der Höhe
nach unberechtigt und der Widerspruch dagegen berechtigt ist. Es
bestehen bereits Bedenken, ob ein gesondertes
Wertfeststellungsverfahren insoweit überhaupt vorgreiflich
wäre. In jedem Fall ist es jedoch aus prozessökonomischen
Gründen ermessensgerecht, das Verfahren nicht nach § 74
FGO auszusetzen, da die Höhe der Bemessungsgrundlage nicht
substantiiert bestritten wurde und weder die Insolvenzschuldnerin
noch der Kläger bislang eine Feststellungserklärung
abgegeben haben (vgl. BFH-Beschluss vom 03.08.2000 - III B 179/96,
BFHE 192, 255, BStBl II 2001, 33 = SIS 01 02 22). Im Rahmen eines
gesonderten Feststellungsverfahrens wäre das zuständige
Finanzamt dann wiederum gehalten, den Wert - gegebenenfalls in der
bisherigen Höhe - zu schätzen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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