Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.2.2016 6 K 1482/13
Z wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte am 25.3.2011 nach
§ 10 Abs. 1 des Stromsteuergesetzes (StromStG) für das
Jahr 2010 eine Entlastung von der Stromsteuer, die der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - )
antragsgemäß mit Bescheid vom 14.4.2011
gewährte.
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Mit Verschmelzungsvertrag vom ...7.2010 war
die X-GmbH (GmbH) rückwirkend zum 1.1.2010 vollständig
auf die Klägerin verschmolzen und die Verschmelzung im
September 2010 in das Handelsregister eingetragen worden. Mit
Wirkung vom 31.8.2010 hatte die Klägerin den zuvor durch
Verschmelzung erworbenen Produktionsbetrieb der GmbH im Wege der
Einzelrechtsnachfolge an die Y-GmbH veräußert.
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Mit der Begründung, beim bisher
gestellten Entlastungsantrag seien die von der GmbH verwendeten
Strommengen sowie die von der GmbH entrichteten
Rentenversicherungsbeiträge unberücksichtigt geblieben,
beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 27.4.2012,
eingegangen beim HZA am 3.5.2012, die Korrektur des am 25.3.2011
gestellten Antrags. Unter Hinweis auf den Eintritt der
Festsetzungsverjährung lehnte das HZA den als „Korrektur
des zusammenfassenden Antrags nach § 10 StromStG für das
Jahr 2010“ bezeichneten Antrag ab. Einspruch und Klage hatten
keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) urteilte, die
Klägerin habe den Antrag für die von der GmbH bis zum
...9.2010 verbrauchten Strommengen nicht rechtzeitig gestellt. Im
Streitfall habe die Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr
2010 mit Ablauf des 31.12.2010 begonnen und mit Ablauf des
31.12.2011 geendet. Eine Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr.
1 oder § 170 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) komme nicht in
Betracht. Insbesondere sei der Vergütungsantrag keine
Steueranmeldung, für deren Abgabe eine gesetzliche
Verpflichtung bestehe. Nicht entscheidend sei, dass die
Klägerin den Antrag nicht ausdrücklich als
Rechtsnachfolgerin der GmbH gestellt habe. Unbeachtlich sei auch,
zu welchem Stichtag die Verschmelzung wirksam geworden sei. Sofern
der Korrektur-Antrag vom 27.4.2012 als Antrag auf Änderung der
Erstbescheidung ausgelegt werden könnte, komme eine
Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 oder § 173 Abs. 1
Nr. 2 AO aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht in
Betracht. Eine Auslegung des Entlastungsantrags vom 25.3.2011
führe zu dem Ergebnis, dass dieser nicht die von der GmbH
verbrauchten Strommengen erfasst habe, so dass eine
Steuerentlastung auf dieser Grundlage nicht gewährt werden
könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die GmbH in der
Auflistung der Betriebe bzw. Betriebsteile nicht genannt worden
sei. Darüber hinaus seien auch die von der GmbH verbrauchten
Strommengen nicht angegeben worden. Die Einbeziehung dieser
Strommengen wäre jedoch möglich gewesen, denn der
Verschmelzungsvertrag sei bereits im Juli 2010 geschlossen
worden.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, das FG habe die Regelungen über den Beginn der
Festsetzungsverjährung in § 170 AO unzutreffend
ausgelegt. Im Zeitpunkt des Änderungsantrags vom 3.5.2012 sei
noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die
sinngemäße Anwendung der für die Steuerfestsetzung
geltenden Vorschriften (§ 155 Abs. 5 AO) erfordere die
Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 170 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO. Die daneben in § 18 der
Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) festgelegte
Antragsfrist könne an diesem Ergebnis nichts ändern. Denn
auf dem Verordnungswege ohne ausdrückliche Ermächtigung
festgelegte Antragsfristen könnten nicht als Ausschlussfristen
ausgestaltet werden. Die Frage nach der Rechtsqualität der in
der StromStV geregelten Antragsfristen habe der Bundesfinanzhof
(BFH) in seinen Entscheidungen vom 24.1.2008 VII R 3/07 (BFHE 220,
214, BStBl II 2008, 462 = SIS 08 15 08), vom 1.7.2008 VII R 37/07
(BFH/NV 2008, 2062 = SIS 08 41 66) und vom 12.5.2009 VII R 5/08
(BFH/NV 2009, 1602 = SIS 09 29 26) noch nicht eindeutig
beantwortet. Im Übrigen sei im Streitfall der
Änderungsantrag nach § 170 Abs. 3 AO noch vor Ablauf der
Festsetzungsfrist gestellt worden. Denn im Zeitpunkt der Stellung
des Änderungsantrags habe bereits eine Festsetzung der
Stromsteuerentlastung für 2010 vorgelegen. Weder aus §
170 Abs. 3 noch aus § 164 Abs. 4 AO lasse sich ein
Anhaltspunkt dafür herleiten, dass bei der Berechnung der
Festsetzungsfrist im Rahmen des § 164 Abs. 4 Satz 1 AO allein
auf die für die erstmalige Festsetzung geltende
„allgemeine“ Festsetzungsfrist abzustellen sei. Im
Streitfall habe das FG verkannt, dass es um die Änderung einer
bereits erfolgten Steuerfestsetzung gehe, so dass der
Anwendungsbereich des § 170 Abs. 3 AO eröffnet sei.
Schließlich sei sie gemäß § 45 Abs. 1 AO als
Gesamtrechtsnachfolgerin sowohl materiell- als auch
verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Rechtsstellung der
GmbH als Vorgängerin eingetreten.
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Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des Urteils des FG und der angefochtenen
Verwaltungsentscheidungen das HZA zu verpflichten, die Festsetzung
der nach § 10 StromStG zu gewährenden
Stromsteuerentlastung für das Kalenderjahr 2010 um ... EUR zu
erhöhen.
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Das HZA beantragt die Zurückweisung
der Revision.
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Es ist der Auffassung, der Antrag der
Klägerin vom 3.5.2012 sei aufgrund der verspäteten
Antragstellung und fehlender Angaben in Bezug auf die GmbH und die
von ihr verbrauchten Strommengen als Erstantrag auszulegen, so dass
weder § 170 Abs. 2 Satz 2 noch § 170 Abs. 3 AO Anwendung
finden könnten. Denn Entlastungsanträge nach § 10
StromStG seien keine Steuererklärungen, Steueranmeldungen oder
Anzeigen, für deren Abgabe eine gesetzliche Verpflichtung
bestehe. Somit beginne die Festsetzungsfrist für die
erstmalige Festsetzung der Entlastung nach der Grundregel des
§ 170 Abs. 1 AO. Da es nicht um die Änderung einer
bereits festgesetzten Steuer gehe, komme eine Anwendung des §
170 Abs. 3 AO nicht in Betracht.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil entspricht dem
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht
entschieden, dass der Klägerin aufgrund des Eintritts der
Festsetzungsverjährung hinsichtlich der von der GmbH
verbrauchten Strommengen für das Kalenderjahr 2010 kein
zusätzlicher Entlastungsanspruch nach § 10 Abs. 1
StromStG zusteht.
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1. Nach § 10 Abs. 1 StromStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung wird die Steuer für nachweislich
versteuerten Strom, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes
für betriebliche Zwecke, ausgenommen solche nach § 9 Abs.
2 Nr. 2 StromStG, entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe des
Absatzes 2 erlassen, erstattet oder vergütet, soweit die
Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 512,50 EUR übersteigt.
Erlass-, erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist das
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das den Strom entnommen
hat. Nach § 18 Abs. 1 StromStV in der im streitigen Zeitraum
geltenden Fassung ist die Entlastung für innerhalb eines
Kalenderjahres (Abrechnungszeitraum) entnommenen Strom bis zum 31.
Dezember des folgenden Kalenderjahres schriftlich bei dem
Hauptzollamt zu beantragen, in dessen Bezirk der Antragsteller
seinen Geschäfts- oder Wohnsitz hat.
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Im Streitfall ist die Verwendung des Stroms zu
betrieblichen Zwecken eines Unternehmens des Produzierenden
Gewerbes unstreitig. Zu entscheiden ist lediglich über die
Frage, ob im Zeitpunkt der Antragstellung die einjährige
Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bzw. die in
§ 18 Abs. 1 StromStV normierte Antragsfrist mit der Folge
bereits abgelaufen war, dass der Anspruch aus dem
Steuerschuldverhältnis nach § 47 AO erloschen ist, so
dass ein nachträglicher Entlastungsantrag nicht mehr mit
Erfolg gestellt werden konnte.
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a) Ein nach § 10 Abs. 1 StromStG
entstandener Entlastungsanspruch kann durch Erlass, Erstattung oder
Vergütung der Steuer erfüllt werden. In den Fällen
der Vergütung steht der Entlastungsanspruch demjenigen zu,
der, ohne selbst Steuerschuldner bzw. Anmelder der Steuer sowie
evtl. Adressat entsprechender Steuerbescheide zu sein,
vorversteuerten Strom von einem Versorger bezogen und verwendet hat
und dadurch zum eigentlichen Belastungsträger geworden ist.
Die Gewährung einer Vergütung kommt jedoch nicht mehr in
Betracht, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung bereits
Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Auf die Festsetzung
einer Steuervergütung finden nach § 155 Abs. 5 AO die
für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften
sinngemäße Anwendung. Für Verbrauchsteuern und
Verbrauchsteuervergütungen beträgt die Festsetzungsfrist
ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), wobei die Frist nach
§ 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem
die Steuer entstanden ist. Lediglich für die Fälle, in
denen wie im Streitfall eine Steueranmeldung für Strom
abzugeben ist, enthält § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m.
Satz 2 AO eine abweichende Regelung, die im Streitfall allerdings
keine Anwendung findet, weil es in das Belieben des
Entlastungsberechtigten gestellt ist, ob er die
Steuerbegünstigung, d.h. im Streitfall den sog.
Spitzenausgleich, in Anspruch nehmen will, und er somit zur Abgabe
einer Steueranmeldung nicht verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 220, 214, BStBl II 2008, 462 = SIS 08 15 08; Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 170 AO Rz 24). Demnach
beginnt die Festsetzungsfrist bei nach § 10 Abs. 1 StromStG
geltend gemachten Vergütungsansprüchen mit Ablauf
desjenigen Jahres, in dem der Vergütungsanspruch infolge der
Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist
(Senatsurteile vom 8.6.2010 VII R 37/09, BFH/NV 2010, 2122 = SIS 10 32 69, und in BFH/NV 2009, 1602 = SIS 09 29 26).
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b) Voraussetzung für die Begründung
eines Entlastungsanspruchs nach § 10 Abs. 1 StromStG ist die
nachweisliche Versteuerung des bezogenen und für betriebliche
Zwecke dem Netz entnommenen und verwendeten Stroms. Wie der
erkennende Senat zu § 51 Abs. 1 des Energiesteuergesetzes -
EnergieStG - (Senatsurteil vom 20.9.2016 VII R 7/16, BFHE 255, 360
= SIS 16 21 92) und zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG
(Senatsurteil vom 10.1.2017 VII R 26/14, BFHE 257, 285 = SIS 17 06 31) entschieden hat, ist die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals
der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der
Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer
Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von
Energieerzeugnissen abhängig. Vielmehr entsteht der
Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten
Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem
Verbringen von Energieerzeugnissen in einen anderen Mitgliedstaat
bzw. mit der Ausfuhr in ein Drittland, wobei im Falle der
Verwendung von Strom der Vergütungsanspruch mit der Entnahme
des Stroms aus dem Versorgungsnetz entsteht, die
regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms
zusammenfällt.
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c) Nach den von der Klägerin nicht
angegriffenen Feststellungen des FG, die für den erkennenden
Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat die GmbH den von
ihr bezogenen Strom im Jahr 2010 zu betrieblichen Zwecken dem Netz
entnommen und verwendet. Demnach begann die einjährige
Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nach §
170 Abs. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2010 und endete mit Ablauf des
31.12.2011. Im Mai 2012, in dem die Klägerin nach der
Verschmelzung als Rechtsnachfolgerin der GmbH hinsichtlich des von
dieser im Zeitraum von Januar bis August 2010 verbrauchten Stroms
einen Vergütungsantrag gestellt hat, war demnach die
Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Antragstellung bereits
abgelaufen, so dass der für diesen Zeitraum geltend gemachte
Entlastungsanspruch infolge des Eintritts der
Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen ist.
Darüber hinaus war auch die in § 18 Abs. 1 StromStV
normierte Antragsfrist abgelaufen, deren Festlegung der
Verfahrensvereinfachung dient (§ 11 Satz 1 Nr. 10
StromStG).
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2. In dem fristgerecht gestellten Antrag vom
25.3.2011 sind die von der GmbH im Abrechnungszeitraum entnommenen
Strommengen nicht ausgewiesen, wie dies von § 18 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 StromStV verlangt wird. Ausdrücklich weist die
Klägerin in ihrem Antrag vom 3.5.2012 darauf hin, dass im
bisher gestellten Antrag weder die Strommengen noch die
entrichteten Rentenversicherungsbeiträge der GmbH
berücksichtigt worden sind; dies werde mit dem Antrag
nachgeholt. Da die Verschmelzung der GmbH mit der Klägerin im
September 2010 in das Handelsregister eingetragen und somit wirksam
geworden ist, wäre es für die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der GmbH noch möglich gewesen, vor Ablauf
des Jahres 2011 einen fristgerechten Vergütungsantrag für
die von der GmbH verbrauchten Strommengen zu stellen. Von dieser
Möglichkeit hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht.
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Da die Klägerin die in § 18 Abs. 1
StromStV festgelegte Antragsfrist nicht eingehalten und auch keine
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
geltend gemacht hat, kann offen bleiben, ob es sich bei der
Antragsfrist um eine Verfahrensfrist oder Ausschlussfrist handelt.
Auch bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob im Streitfall
§ 170 Abs. 3 AO Anwendung finden könnte und ob es sich
beim Antrag vom 3.5.2012 um einen Erst- oder Änderungsantrag
handelt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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