Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 01.02.2019 - 4 K 58/15 =
SIS 19 04 59 insoweit aufgehoben,
als der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
des Energiesteuergesetzes betroffen ist, und die Klage insoweit
abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision als
unbegründet zurückgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Verfahrens tragen
der Beklagte 46 % und die Klägerin 54 %.
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I. Streitig ist, ob der Klägerin und
Revisionsbeklagten (Klägerin) Energiesteuerentlastungen
für die Monate August bis November 2010 zustehen.
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Die Klägerin reichte über Jahre
hinweg regelmäßig monatliche Steueranmeldungen nach dem
Energiesteuergesetz in der für die streitgegenständlichen
Zeiträume geltenden Fassung (EnergieStG) beim Beklagten und
Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA - ) ein und beantragte
gleichzeitig monatliche Steuerentlastungen nach §§ 51, 53
und 54 EnergieStG. Die Schreiben versandte die Klägerin mit
einfachem Brief. Das HZA erteilte über die
Entlastungsanträge keine schriftlichen Steuerbescheide,
sondern überwies die Entlastungen direkt auf das stets gleiche
Bankkonto der Klägerin.
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3
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Ein Eingang der Entlastungsanträge
für die Monate August bis November 2010 konnte beim HZA nicht
festgestellt werden; infolgedessen erstattete dieses der
Klägerin die betreffenden Entlastungsbeträge
nicht.
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Im Rahmen einer Außenprüfung
übergab die Klägerin circa Mitte des Jahres 2011 den
Außenprüfern einen Ordner „Steueranmeldung 2010
für Zollprüfung“, in welchem die
vollständigen Steueranmeldungen und
Steuerentlastungsanträge des Kalenderjahres 2010 monatlich
geordnet und durch Trennblätter sortiert in Kopie abgeheftet
waren. Nachdem der Außenprüfer die Klägerin am
27.04.2012 darüber informiert hatte, dass deren
Entlastungsanträge für die streitgegenständlichen
Monate nicht im Original beim HZA eingegangen seien, stellte diese
mit Schreiben vom 07.05.2012 neue Entlastungsanträge und
beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach
§ 110 der Abgabenordnung (AO). Die Anträge nach § 51
EnergieStG beliefen sich auf insgesamt … EUR, nach § 53
EnergieStG insgesamt auf … EUR sowie nach § 54
EnergieStG auf insgesamt … EUR.
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Das HZA lehnte diese
Entlastungsanträge und die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand ab.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hatte
die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Übergabe des
Ordners „Steueranmeldung 2010 für
Zollprüfung“ mit den darin enthaltenden
Kopien der Entlastungsanträge als form- und fristgerechte
Antragstellung an.
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Auf die Beschwerde des HZA hat der Senat
die Revision zugelassen.
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Das HZA vertritt die Auffassung, die
Übergabe des Ordners stelle keinen Entlastungsantrag dar. Ob
in der - unstreitig erfolgten - Übergabe des Ordners eine
Willenserklärung zu sehen sei, sei eine Rechts- und keine
Tatsachenfrage. In der Übergabe des Ordners liege lediglich
eine Mitwirkungshandlung im Rahmen der Außenprüfung, es
fehle jedoch der Antragswille. Dass ein solcher nicht bestanden
habe, räume auch die Klägerin ein. Spätere
Erkenntnisse seien nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich
sei, ob der Empfänger - das HZA - nach Treu und Glauben und
mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Willenserklärung
habe annehmen dürfen.
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9
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Wenn man einen solchen
Erklärungswillen jedoch annehme, dann sei der Antrag nicht
formgerecht gestellt worden, weil lediglich Kopien eingereicht
worden seien. Die Rechtsprechung zur Anerkennung von Telefaxen sei
auf den Streitfall nicht übertragbar. Mangels form- und
fristgerechter Anträge seien die Steuerentlastungen zu
versagen. Dies widerspreche auch nicht dem Unionsrecht, weil das
Entlastungsverfahren gemäß Art. 9 der - für die
Streitzeiträume noch anwendbaren - Richtlinie 2008/118/EG des
Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem
und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der
Europäischen Union - ABlEU - 2009, Nr. L 9, 12)
nationalrechtlich ausgestaltet sei. Die streitige Steuerentlastung
nach § 51 EnergieStG beruhe nicht auf Art. 14 der Richtlinie
2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der
gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom -
Energiesteuerrichtlinie - (ABlEU 2003, Nr. L 283, 51) i.d.F. der
Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung
der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der
Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und
Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom
durch Zypern (ABlEU 2004, Nr. L 157, 100) - EnergieStRL -, sondern
auf Art. 2 Abs. 4 EnergieStRL
(Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer,
Stromsteuer, § 51 Rz 8; Möhlenkamp/Milewski,
Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 51 Rz 1).
Darüber hinaus hätten die Mitgliedstaaten nach Art. 14
EnergieStRL die Möglichkeit, die „Voraussetzungen ...
zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher
Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und
-vermeidung oder Missbrauch“ festzulegen.
Davon sei das Antragsverfahren gedeckt.
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Das HZA beantragt,
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das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das FG habe festgestellt, dass die
Übergabe der Kopien als Willenserklärung der
Klägerin zu werten sei. Es liege weder ein Verstoß gegen
Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze vor, sodass diese
Feststellung für den Bundesfinanzhof (BFH) bindend sei (§
118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der BFH habe
bereits mehrfach ausgeführt, dass Willenserklärungen
grundsätzlich Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen
seien.
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Im Übrigen käme es auf einen
Erklärungswillen beziehungsweise auf ein
Erklärungsbewusstsein der Klägerin nicht an. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) führe das Fehlen
eines solchen Bewusstseins nicht zur Unwirksamkeit der
Erklärung, sondern lediglich zu deren Anfechtbarkeit. Für
einen objektiven Empfänger sei analog §§ 133, 157
des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erkennbar gewesen, dass
die Klägerin konkludent die Erklärung habe abgeben
wollen, in dem aus ihren Unterlagen ersichtlichen Umfang die
Steuerentlastungen zu beanspruchen.
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Dass es sich um Kopien gehandelt habe, sei
unschädlich, weil erkennbar kein unautorisierter Entwurf
vorgelegen habe.
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Auch ohne einen rechtzeitigen Antrag seien
die materiell-rechtlich unstreitig zustehenden Steuerentlastungen
wegen des unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu gewähren.
Hierzu verweist die Klägerin auf die Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).
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Letztlich ergäbe sich auch aus dem
Grundsatz von Treu und Glauben, dass die begehrten
Steuerentlastungen nicht wegen eines angeblichen Formfehlers
versagt werden dürften. Das HZA habe seine Fürsorge- und
Betreuungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt, indem
es sich nicht bei dieser erkundigt habe, ob für die
streitgegenständlichen Monate keine Entlastungsanträge
gestellt werden sollten. Das gelte umso mehr, als das HZA keine
Steuervergütungsbescheide zu erlassen pflegte. Dass der
Außenprüfer den übergebenen Ordner erst im April
2012 überprüft habe, dürfe nicht zu Lasten der
Klägerin gehen.
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Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom
08.06.2021 - VII R 44/19 (BFHE 272, 568 = SIS 21 14 49) ein
Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, das dieser wie
folgt beantwortet hat:
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„Der Effektivitätsgrundsatz und
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als
allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sind wie folgt
auszulegen:
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Im Rahmen der Umsetzung einer Bestimmung
wie Art. 5 vierter Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96/EG des
Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen
Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und
elektrischem Strom, wonach die Mitgliedstaaten unter bestimmten
Voraussetzungen gestaffelte Steuersätze anwenden können,
bei denen zwischen betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung
der von dieser Richtlinie erfassten Energieerzeugnisse bzw. von
elektrischem Strom unterschieden wird, stehen diese Grundsätze
einer nationalen Regelung entgegen, nach der die zuständigen
Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf
Steuerentlastung, der innerhalb der im nationalen Recht
vorgesehenen Frist für die Festsetzung der betreffenden Steuer
gestellt wurde, automatisch und ausnahmslos ablehnen müssen,
allein weil der Antragsteller die im nationalen Recht für eine
solche Antragstellung festgelegte Frist nicht eingehalten
hat.“
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Anknüpfend hieran trägt das HZA
weiter vor, dass die bestehenden Antragsfristen im Streitfall mit
den unionsrechtlichen Grundsätzen vereinbar seien. Im
Zusammenhang mit dem Grundsatz der Neutralität sei zu
beachten, dass eine aus verschiedenen Gründen im Einzelfall
mögliche An- oder Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist keinen
Einfluss auf die Gewährung der Steuerentlastung haben
dürfe. Im Streitfall wäre die Klägerin allein
deshalb begünstigt, weil durch die Anordnung der
Außenprüfung der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt
sei. Darin liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der
Neutralität und der Rechtssicherheit.
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II. Die Revision des HZA ist teilweise
begründet. Soweit der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG betroffen ist, führt sie zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Im Übrigen wird die Revision nach
§ 126 Abs. 4 FGO zurückgewiesen.
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Denn das FG hat zwar zu Unrecht angenommen,
dass die Klägerin fristgerechte Anträge auf
Steuerentlastung nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG
gestellt hat. Aber es hat im Ergebnis zu Recht der Klage
bezüglich der Entlastungsanträge nach §§ 53 und
54 EnergieStG stattgegeben, weil die unionsrechtlichen
Grundsätze der Effektivität und der
Verhältnismäßigkeit einer Versagung der
Steuerentlastung entgegenstehen, die allein auf einen
verspäteten Antrag gestützt wird.
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1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig,
dass die Klägerin in den streitgegenständlichen
Zeiträumen die Tatbestandsvoraussetzungen für die
Energiesteuerentlastung - soweit nicht die Antragstellung betroffen
ist - erfüllt hat.
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2. Die Klägerin hat keine fristgerechten
Anträge auf Energiesteuerentlastung nach §§ 51, 53
und 54 EnergieStG gestellt.
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a) Gemäß § 95 Abs. 1 der
Energiesteuer-Durchführungsverordnung in der für die
streitgegenständlichen Zeiträume geltenden Fassung
(EnergieStV) ist die Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG bei
dem für den Antragsteller zuständigen Hauptzollamt mit
einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck für
alle Energieerzeugnisse zu beantragen, die innerhalb eines
Entlastungsabschnitts verwendet worden sind. Der Antragsteller hat
in der Anmeldung alle für die Bemessung der Steuerentlastung
erforderlichen Angaben zu machen und die Steuerentlastung selbst zu
berechnen. Die Steuerentlastung wird nur gewährt, wenn der
Antrag spätestens bis zum 31.12. des Jahres, das auf das
Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerentlastungsanspruch entstanden
ist, beim Hauptzollamt gestellt wird.
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Inhaltlich identische
Tatbestandsvoraussetzungen enthalten § 98 Abs. 1 EnergieStV
für die Steuerentlastung nach § 53 EnergieStG und §
100 Abs. 1 EnergieStV für die Steuerentlastung nach § 54
EnergieStG.
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b) Nach den bindenden Feststellungen des FG
sind bis zum 31.12.2011 Urschriften der Anträge nicht
nachweislich beim HZA eingegangen. Auch in der Übergabe des
Ordners „Steueranmeldung 2010 für
Zollprüfung“ an das HZA durch die
Klägerin im Sommer 2011 im Rahmen der Außenprüfung
liegt keine Antragstellung.
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aa) Anträge auf Energiesteuerentlastung
nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG i.V.m. §§ 95,
98 und 100 EnergieStV sind empfangsbedürftige
Willenserklärungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
BGB, die entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen sind.
Maßgeblich ist, wie die Erklärung vom Empfänger
nach ihrem objektiven Erklärungswert verstanden werden musste
(vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2012 - III R 95/08 = SIS 12 24 83, Rz 42). Hierbei kann
gegebenenfalls auch auf Umstände zurückgegriffen werden,
die außerhalb der auszulegenden Erklärung liegen und
einen Rückschluss auf den vom Antragsteller erklärten
Willen erlauben. Es können jedoch nur solche Umstände
berücksichtigt werden, die für den Empfänger im
Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren
(BFH-Urteil vom 03.02.2000 - III R 4/97, BFH/NV 2000, 888 = SIS 00 56 98). Die Erklärung muss auslegungsbedürftig sein,
woran es fehlt, wenn sie nach dem Wortlaut und Zweck einen
eindeutigen Inhalt hat (BFH-Urteil vom 24.05.2012 - III R 95/08 =
SIS 12 24 83, Rz 43). § 133
BGB gibt eine Auslegung vor, die den mit der Erklärung
angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht
sinnlos macht. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des
Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden.
Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage
des Erklärenden nicht außer Acht lassen (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2013 - 2 C 23.12, BVerwGE 148,
217, Rz 16, m.w.N.).
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27
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bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat
das FG festgestellt, dass die Übergabe des maßgeblichen
Ordners im Rahmen der Außenprüfung eine erneute
Antragstellung für den Fall des Nichteingangs der
Originalanträge war. An diese Feststellungen ist der Senat
jedoch nicht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
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(1) Zwar gehört die Auslegung von
Verträgen und Willenserklärungen zum Bereich der
tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH
gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den
Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht
gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das
heißt jedenfalls möglich ist. Das Revisionsgericht
prüft somit lediglich, ob das FG die gesetzlichen
Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze
beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen
Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend
gewürdigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2013 - IV R 28/10 =
SIS 13 28 21; vom 17.05.2017 - II
R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966 = SIS 17 11 78, Rz 26 und
vom 29.11.2017 - I R 7/16, BFHE 260, 334, BStBl II 2019, 738 = SIS 18 06 20, Rz 30).
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(2) Im Streitfall hat das FG aber gegen die
gesetzlichen Auslegungsregeln verstoßen. Bei der
Übergabe des Ordners handelt es sich nicht um eine
Willenserklärung, sondern lediglich um eine
Mitwirkungshandlung der Klägerin im Rahmen der
Außenprüfung nach § 200 Abs. 1 AO.
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30
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Die Klägerin ging bei Übergabe des
fraglichen Ordners davon aus, dass die Originalanträge bereits
beim HZA eingegangen waren, und wollte zu diesem Zeitpunkt keinen
Antrag stellen. Sie hatte folglich keinen Erklärungswillen;
dies hat das HZA auch so erkannt.
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31
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Soweit das FG ausführt, ein
Entlastungsantrag sei als empfangsbedürftige
Verfahrenserklärung gegenüber der zuständigen
Zollbehörde erforderlichenfalls entsprechend §§ 133,
157 BGB auszulegen, und hierfür sei entscheidend, wie das
Zollamt als Erklärungsempfänger den Antrag nach seinem
objektiven Erklärungswert habe verstehen müssen,
übersieht es, dass keine Auslegung in Betracht kommt, wenn der
Handelnde keinen Erklärungswillen hat und der Empfänger -
also hier der Außenprüfer - dies auch erkennt. Einem
tatsächlichen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein oder
Rechtsbindungswillen können die Wirkungen einer
Willenserklärung nämlich nur dann beigelegt werden, wenn
- zum Schutz des redlichen Rechtsverkehrs - ein Zurechnungsgrund
vorhanden ist. Ein solcher ist nur gegeben, wenn der sich in
missverständlicher Weise Verhaltende bei Anwendung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden
können, dass die in seinem Verhalten liegende
Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als
Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der
Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl.
BGH-Urteil vom 09.11.2011 - IV ZR 251/08, Rz 42). Danach kommt eine
Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert nur in Betracht,
wenn die beteiligten Parteien sich nicht inhaltlich verstanden
haben (vgl. demgegenüber die Grundsätze der „falsa
demonstratio non nocet“ bei einer
Falschbezeichnung des übereinstimmend Gewollten; BGH-Urteil
vom 29.01.2015 - IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83, Rz 21). Nach diesen
Grundsätzen ist die Übergabe des Ordners nicht
auslegungsfähig. Denn die Klägerin hatte in diesem Moment
kein Erklärungsbewusstsein - ihr waren die fehlenden
Anträge zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt und sie wollte
durch die Übergabe des Ordners mit den darin enthaltenen
Antragskopien offensichtlich ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen der
Außenprüfung nachkommen - und auch der
Außenprüfer hat in der Übergabe keine
Antragstellung, sondern eine bloße Mitwirkungshandlung
gesehen.
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3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
nach § 110 AO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin
ein Verschulden an der Fristversäumung trifft.
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Nach § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige
ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist
gehindert war.
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a) Zwar kommt nach ständiger
Rechtsprechung des BFH eine Wiedereinsetzung in eine abgelaufene
Festsetzungsfrist nicht in Betracht, weil der Entlastungsanspruch
gemäß § 47 AO erloschen ist (vgl. Senatsurteil vom
12.05.2009 - VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602 = SIS 09 29 26, m.w.N.).
Im Streitfall war die Festsetzungsfrist wegen der laufenden
Außenprüfung bei Eingang der neuen
Entlastungsanträge vom 07.05.2012 aber noch nicht
abgelaufen.
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35
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Gemäß § 155 Abs. 4 AO (seit
dem 01.01.2017: § 155 Abs. 5 AO) sind die für die
Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung von
Steuervergütungen sinngemäß anzuwenden. Nach §
169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre
Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt für
Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr
(§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Im Streitfall begann die
Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des
jeweiligen Kalenderjahres, für das die Klägerin die
Steuervergütungen begehrt und in dem die
Vergütungsansprüche durch Verwendung der
Energieerzeugnisse entstanden sind. Die abweichende Regelung des
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 170 Satz 2 AO ist
nicht anzuwenden, weil es in das Belieben des
Entlastungsberechtigten gestellt ist, ob er die
Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen will und er somit nicht
zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet ist (vgl.
Senatsurteil vom 26.09.2017 - VII R 26/16, BFHE 260, 280 = SIS 17 20 13, m.w.N.).
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36
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Folglich begann im Streitfall die
Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 2010 mit Ablauf des
31.12.2010 und hätte mit Ablauf des 31.12.2011 geendet. Sie
war allerdings nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt, weil vor Ablauf
der Festsetzungsfrist mit der Außenprüfung begonnen
worden war und die aufgrund dieser Außenprüfung
ergangenen Bescheide noch nicht unanfechtbar geworden
beziehungsweise nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202
Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate nicht verstrichen waren.
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37
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b) Der Senat lässt dahinstehen, ob die
Fristen in § 95 Abs. 1, § 98 Abs. 1 und § 100 Abs. 1
EnergieStV wiedereinsetzungsfähig sind.
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38
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c) Denn die Klägerin hat die Frist
jedenfalls nicht unverschuldet versäumt.
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39
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt
schuldhaft im Sinne des § 110 AO, wer die für einen
gewissenhaft und sachgemäß handelnden
Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen
zumutbare Sorgfalt nicht beachtet (ständige Rechtsprechung,
vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2017 - VIII R 33/15, BFHE 259, 213, BStBl
II 2018, 69 = SIS 17 21 28, Rz 31, m.w.N.). Einfache
Fahrlässigkeit reicht aus.
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40
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Der Steuerpflichtige muss sich vergewissern,
dass er alles Erforderliche getan hat, um seinen Antrag rechtzeitig
zu stellen (für den Einspruch vgl. BFH-Beschluss vom
24.09.1985 - III B 3/85, BFH/NV 1986, 190; Klein/Rätke, AO,
16. Aufl., § 110 Rz 4).
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41
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bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze
hätte die Klägerin substantiiert vortragen müssen,
dass sie die Versäumung der Antragsfrist nicht verschuldet
hat. Zwar trifft die Klägerin keine in Rechtsvorschriften
normierte Überwachungspflicht hinsichtlich der
Zahlungseingänge; dies entbindet sie jedoch nicht von der
Sorgfalt in ihren eigenen Angelegenheiten. Mit einer
innerbetrieblichen Kontrolle der Zahlungseingänge hätte
ihr auffallen können, dass die streitgegenständlichen
Entlastungsanträge durch das HZA nicht bearbeitet worden
waren. Ein funktionierendes System zur Überprüfung der
Zahlungseingänge hatte die Klägerin nach Aktenlage jedoch
erst später. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass sie eine
Kontrolle zuvor als nicht erforderlich ansah. Weder hat jedenfalls
die Klägerin Umstände vorgetragen, die sie insoweit
entlasten könnten, noch hat das FG - trotz umfangreicher
Ermittlungen und Beweisaufnahmen - Feststellungen getroffen, dass
die Klägerin kein Verschulden an der Fristversäumung
trifft. Auch aus dem finanzgerichtlichen Protokoll der
mündlichen Verhandlung ergeben sich keine entsprechenden
Anhaltspunkte.
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42
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4. Die Versäumung der oben genannten
Antragsfristen steht den begehrten Entlastungsansprüchen nach
§§ 53 und 54 EnergieStG, mit deren Normierung der
Gesetzgeber die Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie umgesetzt hat,
jedoch wegen des unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegen. Der
Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG beruht indessen nicht auf Unionsrecht, weswegen auch
kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegen kann.
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43
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a) Bei der Ausübung ihrer Befugnisse
müssen die Mitgliedstaaten die allgemeinen
Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung
der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der
Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit
gehören (EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom 06.09.2012 - C-273/11,
EU:C:2012:547 = SIS 12 25 09, Rz
36 und ROZ-ŒWIT vom 02.06.2016 - C-418/14, EU:C:2016:400 =
SIS 16 11 90, Rz 20). Nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen
Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine
genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und
Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl.
EuGH-Urteile Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 - C-110/98 bis
C-147/98, EU:C:2000:145 = SIS 00 07 04, Rz 54 und Collée vom 27.09.2007 - C-146/05,
EU:C:2007:549, BStBl II 2009, 78 = SIS 08 00 30, Rz 26;
EuGH-Beschluss Transport Service vom 03.03.2004 - C-395/02,
EU:C:2004:118, Rz 29).
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44
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Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile
Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 - C-68/18, EU:C:2019:933 =
SIS 19 16 86 und Turbogás
vom 27.06.2018 - C-90/17, EU:C:2018:498 = SIS 18 10 18) verstößt es gegen
Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen
dadurch sanktioniert wird, dass eine obligatorische
Steuerbegünstigung nach der Energiesteuerrichtlinie verweigert
wird. Denn die nationalen Regelungen dürfen nicht über
das hinausgehen, was erforderlich ist, um eine korrekte und
einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und
Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch zu verhindern
(EuGH-Urteil Polihim-SS vom 02.06.2016 - C-355/14, EU:C:2016:403 = SIS 16 11 89, Rz 62).
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45
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Wie der EuGH mit seinem Urteil Shell
Deutschland Oil vom 22.12.2022 - C-553/21, EU:C:2022:1030 =
SIS 23 00 94 entschieden hat,
gelten die dargestellten Grundsätze auch für fakultative
Steuerbegünstigungen. Der Wirtschaftsteilnehmer, der aufgrund
einer Bestimmung des nationalen Rechts, die von einer solchen
Möglichkeit Gebrauch macht, einem ermäßigten Satz
der betreffenden Steuer unterliegt, dürfe in einer Situation,
die mit derjenigen der Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar ist, die
nach einer zwingenden Bestimmung der Energiesteuerrichtlinie dem
normalen Satz dieser Steuer unterliegen, gemäß dem
Grundsatz der Gleichbehandlung nicht anders behandelt werden als
letztere Wirtschaftsteilnehmer, es sei denn, dass eine solche
Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (EuGH-Urteil Shell
Deutschland Oil vom 22.12.2022 - C-553/21, EU:C:2022:1030 =
SIS 23 00 94, Rz 24). Der EuGH hat
in seiner Entscheidung zudem den Unterschied zwischen der
Antragsfrist und der Festsetzungsfrist betont. Unter Anerkennung
der Festsetzungsfrist führt er aus, dass nicht ersichtlich
sei, dass die Zulassung eines Antrags auf Steuerbefreiung oder
-ermäßigung, der nach Ablauf der Frist für die
Stellung eines solchen Antrags, aber innerhalb der Frist für
die Festsetzung der fraglichen Steuer gestellt wurde, mit dem
Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar wäre, und unter
Berücksichtigung der Systematik und des Zwecks der
Energiesteuerrichtlinie, die auf dem Grundsatz beruhe, dass
Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung
besteuert werden, stehe der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit einer Versagung des
Entlastungsanspruchs entgegen, wenn an der tatsächlichen
Verwendung der Energieerzeugnisse kein Zweifel bestehe (EuGH-Urteil
Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 - C-553/21, EU:C:2022:1030 =
SIS 23 00 94, Rz 34).
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b) Nach den vom EuGH entwickelten
Grundsätzen hat die Klägerin im Streitfall - trotz
Versäumung der Antragsfristen - einen Anspruch auf die durch
§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG und § 54 Abs. 1
EnergieStG gewährten Steuerentlastungen. Auf die
Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakultativen
Steuerbegünstigungen kommt es insoweit nicht an.
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Der Einwand des HZA, dies verstieße
gegen den Neutralitätsgrundsatz, verfängt nicht. Dieser
mit dem Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerrecht im Zusammenhang
stehende Grundsatz, nach dem die Umsatzsteuer für den
Unternehmer neutral sein soll (EuGH-Urteil Halifax u.a. vom
21.02.2006 - C-255/02, EU:C:2006:121 = SIS 06 12 87), greift bei einer
Steuerentlastung von Verbrauchsteuern nicht ein, weil ein
Vorsteuerabzug bei den Verbrauchsteuern nicht vorgesehen ist. Bei
der Entlastung von der Energiesteuer handelt es sich
dementsprechend nicht um einen Anspruch, der jedem
Energieerzeugnisse verwendenden Unternehmen zusteht. Vielmehr
werden die Entlastungstatbestände an eine bestimmte Verwendung
der Energieerzeugnisse geknüpft und zudem eng ausgelegt,
sodass es sich folglich bei der Energiesteuer grundsätzlich
nicht um eine für den Verwender neutrale Steuer handelt.
Maßgeblich für die Entlastung ist die tatsächliche
Verwendung der Energieerzeugnisse. Dementsprechend
äußerte sich der EuGH weder im Urteil Petrotel-Lukoil
vom 07.11.2019 - C-68/18, EU:C:2019:933 = SIS 19 16 86 noch im Urteil Turbogás
vom 27.06.2018 - C-90/17, EU:C:2018:498 = SIS 18 10 18 zu einem möglichen
Verschulden des Energieverwenders hinsichtlich eines spät
gestellten Antrags. Denn darauf kam es nicht an.
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Zudem war bei dem vom HZA für die
Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes als
Beispielsentscheidung angeführten EuGH-Urteil Staatssecretaris
van Financiën (Forclusion du droit à déduction)
vom 07.07.2022 - C-194/21, EU:C:2022:535 = SIS 22 11 87, Rz 42 die maßgebliche
(Berichtigungs-)Frist tatsächlich abgelaufen, sodass der
Steuerpflichtige, der einen Vorsteuerabzug nach Ablauf dieser Frist
begehrte, das Abzugsrecht bereits verloren hatte. Es ging dort also
nicht darum, dass dem Antragsteller etwas genommen werden sollte,
was ihm nach nationaler Rechtslage zugestanden hätte.
Dahingehend argumentiert aber das HZA mit dem Einwand der
Neutralität. Denn im vorliegenden Streitfall waren die
Ansprüche auf die Steuerentlastungen nach § 53 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EnergieStG und nach § 54 Abs. 1 EnergieStG - wie
unter II.3.a ausgeführt - noch nicht nach § 47 AO
erloschen; die Festsetzungsfrist war noch nicht abgelaufen.
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c) Die Versäumung der Antragsfrist nach
§ 95 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV führt hingegen zu einem
Ausschluss des Entlastungsanspruchs aus § 51 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. d EnergieStG.
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aa) § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG beruht nicht auf dem Unionsrecht. Denn Art. 2 Abs. 4
EnergieStRL nimmt unter anderem Energieerzeugnisse mit zweierlei
Verwendungszweck vom Geltungsbereich der Richtlinie aus. Es steht
den Mitgliedstaaten somit frei, ob sie diese Verwendungen der
Besteuerung unterwerfen oder nicht (Möhlenkamp/Milewski,
Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 51 Rz 1).
Die nationale Regelung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG setzt nicht die Bestimmungen der Energiesteuerrichtlinie
um, sodass kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegen kann (vgl.
Friedenhagen, ZfZ 2022, 130). Dabei ist zu bedenken, dass der EuGH
in seinem Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 - C-553/21,
EU:C:2022:1030 = SIS 23 00 94
ausdrücklich neben dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf den
Effektivitätsgrundsatz abgestellt hat, der verlangt, dass dem
Unionsrecht Geltung zu verschaffen ist und dessen Durchsetzung
nicht praktisch unmöglich gemacht oder
übermäßig erschwert werden darf. Somit kommt es
nach der Rechtsprechung des EuGH eben nicht nur auf die
Verhältnismäßigkeit an. Bei der Entlastungsregel
des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG geht es jedoch -
wie gesehen - nicht um eine Norm des Unionsrechts, der zur Geltung
verholfen werden soll, sondern um eine nationale Vorschrift.
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bb) Zudem ist hinsichtlich des § 51 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG auch der nationale Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit gewahrt.
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Eine staatliche Maßnahme ist danach
verhältnismäßig, wenn sie im Hinblick auf den
verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (s. dazu
im Einzelnen Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 17. Aufl., Art. 20 Rz 116
ff.; Sachs in Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 20 Rz 149 ff.).
Die Proportionalität setzt voraus, dass
Beeinträchtigungen nicht außer Verhältnis zum
verfolgten Zweck stehen, dass sie bei einer Gesamtbewertung
angemessen und deshalb für den Betroffenen zumutbar sind
(Sachs in Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 20 Rz 154). Ausgehend
von dem Zweck der Antragsfrist, Rechtsfrieden zu schaffen und die
Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu gewährleisten, ist
nicht ersichtlich, dass eine einjährige Antragsfrist im
engeren Sinne unzumutbar ist. Im Gegenteil spricht für die
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dass die
Versteuerung der Energieerzeugnisse innerhalb dieses Zeitraums
durchgeführt sein dürfte und die Verwendung der
Energieerzeugnisse ebenfalls abgeschlossen ist.
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5. Soweit schließlich die Klägerin
den Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d
EnergieStG aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten will,
vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar gilt der Grundsatz von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Steuerrecht; aus ihm kann
sich sowohl eine Bindung der Finanzbehörde als auch des
Steuerpflichtigen ergeben. Allerdings setzt dies - neben weiteren
Voraussetzungen - eine Schutzwürdigkeit des Steuerpflichtigen
voraus (BFH-Urteil vom 03.05.1991 - V R 36/90, BFH/NV 1992,
221).
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Daran fehlt es im Streitfall. Das HZA trifft
keine Pflicht nachzuforschen, aus welchen Gründen keine
Entlastungsanträge der Klägerin bei ihm eingegangen sind,
selbst wenn ihm ihr Fehlen aufgefallen wäre. Denn dafür,
dass ein Entlastungsberechtigter keine Entlastungsanträge
stellt, kann es - außer einem Versehen - auch andere
Gründe geben, zum Beispiel solche, die auf den
beihilferechtlichen Vorgaben beruhen. Zudem trifft nach Aktenlage -
wie bereits dargestellt - die Klägerin ein
Organisationsverschulden; Gegenteiliges hat sie nicht vorgetragen.
Das HZA ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben veranlasst, die durch dieses Versäumnis entstandenen
Folgen zu beseitigen.
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Im Übrigen könnte sich selbst bei
einem Vorliegen der behaupteten Pflichtverletzung des HZA
allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergeben,
welcher aber in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte
gehört (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes).
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6. Eine erneute Vorlage an den EuGH hält
der Senat nicht für geboten, weil der erkennende Senat die
hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit den
unionsrechtlichen Grundsätzen der
Verhältnismäßigkeit und der Effektivität durch
die oben genannten EuGH-Entscheidungen als geklärt ansieht
(vgl. EuGH-Urteile CILFIT vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335,
Rz 16 und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom
06.10.2021 - C-561/19, EU:C:2021:799).
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Der sich aus dem nationalen Recht ergebende
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist einer Vorlage
an den EuGH nicht zugänglich.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
136 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.
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