1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union
wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Gilt der unionsrechtliche
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch für die
fakultative Steuerermäßigung nach Art. 5 Satz 1 vierter
Gedankenstrich RL 2003/96 mit der Folge, dass der Mitgliedstaat die
Steuerermäßigung nach Ablauf der in seinem Recht
geregelten Antragsfrist nicht verweigern darf, wenn im Zeitpunkt
des Eingangs des Antrags bei der zuständigen Behörde noch
keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist?
2. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union über die
Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes,
stellte beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA
- ) Anträge auf Energiesteuerentlastung für die Monate
August bis November 2010 nach § 54 Abs. 1 des
Energiesteuergesetzes (EnergieStG) unter Verwendung des
vorgeschriebenen amtlichen Vordrucks. Diese Anträge gingen
erst im Mai 2012 beim HZA ein; währenddessen hatte im Jahr
2011 eine Außenprüfung bei der Klägerin
begonnen.
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Es ist unstreitig, dass die Klägerin
während des gesamten Jahres 2010, abgesehen von der
Antragstellung, alle Voraussetzungen für eine Steuerentlastung
gemäß § 54 Abs. 1 EnergieStG erfüllte.
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Das HZA lehnte die Entlastung von der
Energiesteuer ab. Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage
Erfolg. Dagegen wendet sich das HZA im Revisionsverfahren.
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II. Der Senat setzt das bei ihm anhängige
Revisionsverfahren aus (§ 121 Satz 1 in Verbindung mit
(i.V.m.) § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß
Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung
vor:
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Gilt der unionsrechtliche
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch für die
fakultative Steuerermäßigung nach Art. 5 Satz 1 vierter
Gedankenstrich RL 2003/96 mit der Folge, dass der Mitgliedstaat die
Steuerermäßigung nach Ablauf der in seinem Recht
geregelten Antragsfrist nicht verweigern darf, wenn im Zeitpunkt
des Eingangs des Antrags bei der zuständigen Behörde noch
keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist?
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III. Nach Auffassung des Senats kommt es
für die Entscheidung des Streitfalls auf Vorschriften der
Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung
der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von
Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der
Europäischen Union - ABlEU - Nr. L 283/51, in der Fassung nach
der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur
Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die
Möglichkeit der Anwendung vorübergehender
Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf
Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, ABlEU Nr. L 157/100 - RL
2003/96 - ) an. Bei der Auslegung dieser Richtlinie bestehen
Zweifel, die für den Streitfall entscheidungserheblich
sind:
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Anzuwendendes Unionsrecht:
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Art. 5 RL 2003/96:
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Die Mitgliedstaaten können unter
Steueraufsicht gestaffelte Steuersätze anwenden, soweit diese
die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge
nicht unterschreiten und mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind,
und zwar in den folgenden Fällen:
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-
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[...]
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-
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es wird bei den in den Art. 9 und 10 genannten
Energieerzeugnissen bzw. dem elektrischen Strom zwischen
betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung unterschieden.
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Art. 6 RL 2003/96:
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Den Mitgliedstaaten steht es frei, die in
dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen oder
Steuerermäßigungen zu gewähren, und zwar
entweder:
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a) direkt
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b) über einen gestaffelten Steuersatz
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oder
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c) indem sie die entrichteten Steuern
vollständig oder teilweise erstatten.
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Anzuwendendes nationales
Recht:
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§ 54 EnergieStG Steuerentlastung für
Unternehmen:
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(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag
gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach
§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1, 3 bis 5 versteuert worden sind und
von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne des
§ 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes oder von einem Unternehmen
der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Nr. 5 des
Stromsteuergesetzes zu betrieblichen Zwecken verheizt oder in
begünstigten Anlagen nach § 3 verwendet worden sind. Eine
Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von
Wärme verwendet worden sind, wird jedoch nur gewährt,
soweit die erzeugte Wärme nachweislich durch ein Unternehmen
des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und
Forstwirtschaft genutzt worden ist.
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(2) bis (4) [...]
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§ 100 der Verordnung zur
Durchführung des Energiesteuergesetzes (EnergieStV)
Steuerentlastung für Unternehmen:
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(1) Die Steuerentlastung nach § 54 des
Gesetzes ist bei dem für den Antragsteller zuständigen
HZA mit einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck
für alle Energieerzeugnisse zu beantragen, die innerhalb eines
Entlastungsabschnitts verwendet worden sind. Der Antragsteller hat
in der Anmeldung alle für die Bemessung der Steuerentlastung
erforderlichen Angaben zu machen und die Steuerentlastung selbst zu
berechnen. Die Steuerentlastung wird nur gewährt, wenn der
Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres, das auf das
Kalenderjahr folgt, in dem die Energieerzeugnisse verwendet worden
sind, beim HZA gestellt wird.
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(2) bis (5) [...]
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§ 47 der Abgabenordnung (AO)
Erlöschen:
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Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch
…, Verjährung (§§ 169 bis 171, §§
228 bis 232), [...]
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§ 169 AO Festsetzungsfrist:
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(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre
Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn
die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. [...]
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(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:
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1. ein Jahr für Verbrauchsteuern und
Verbrauchsteuervergütungen,
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2. [...]
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§ 170 AO Beginn der
Festsetzungsfrist:
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(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf
des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine
bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
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(2) bis (7) [...]
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§ 171 AO Ablaufhemmung:
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(1) bis (3a) [...]
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(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit
einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf
Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die
Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die
Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung
der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die
aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide
unanfechtbar geworden sind [...]; eine Ablaufhemmung nach anderen
Vorschriften bleibt unberührt.
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IV. Die rechtliche Würdigung des
Streitfalls ist unionsrechtlich zweifelhaft.
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Es kommt darauf an, ob ein Anspruch der
Klägerin auf Steuerentlastung nach § 54 Abs. 1 Satz 1
Alternative 1 EnergieStG ausgeschlossen ist, weil der nach §
100 Abs. 1 EnergieStV auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck
einzureichende Antrag erst nach Ablauf der in § 100 Abs. 1
Satz 3 EnergieStV geregelten Antragsfrist, jedoch vor Ablauf der
Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO beim HZA eingegangen
ist, oder ob diesem Ausschluss der unionsrechtliche
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegensteht.
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1. Nach Art. 5 RL 2003/96 können die
Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen gestaffelte
Steuersätze vorsehen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn
bei den in Art. 9 und 10 RL 2003/96 genannten Erzeugnissen bzw. bei
dem elektrischen Strom zwischen betrieblicher und nicht
betrieblicher Verwendung unterschieden wird (Art. 5 Satz 1 vierter
Gedankenstrich RL 2003/96). Dabei handelt es sich um ein Wahlrecht
der Mitgliedstaaten und somit um eine fakultative
Steuervergünstigung. Die Gewährung von
Steuerermäßigungen kann gemäß Art. 6 Buchst.
c RL 2003/96 nach Wahl der Mitgliedstaaten auch über eine
vollständige oder teilweise Erstattung von bereits
entrichteten Steuern erfolgen.
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Auf dieser Grundlage hat der deutsche
Gesetzgeber die Steuerentlastung nach § 54 Abs. 1 EnergieStG
eingeführt. Danach wird auf Antrag unter anderem eine
Steuerentlastung gewährt für Energieerzeugnisse, die
nachweislich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 bis 5
EnergieStG versteuert und von einem Unternehmen des Produzierenden
Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes zu
betrieblichen Zwecken verheizt worden sind. Die Gewährung der
Steuerentlastung setzt nach § 100 Abs. 1 EnergieStV
außerdem voraus, dass sie bei dem für den Antragsteller
zuständigen HZA mit einer Anmeldung nach amtlich
vorgeschriebenem Vordruck für alle Energieerzeugnisse
beantragt wird, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums
(Entlastungsabschnitt) verwendet worden sind. Der Antragsteller hat
in der Anmeldung alle für die Bemessung der Steuerentlastung
erforderlichen Angaben zu machen und die Steuerentlastung selbst zu
berechnen. Die Steuerentlastung wird nur gewährt, wenn der
Antrag spätestens bis zum 31.12. des Jahres, das auf das
Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerentlastungsanspruch entstanden
ist, beim Hauptzollamt gestellt wird. Somit hängt die
Entlastung von der Energiesteuer von der rechtzeitigen
Antragstellung ab.
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2. Im Streitfall sind zwar alle
Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 EnergieStG erfüllt.
Unter anderem handelt es sich bei der Klägerin um ein
Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, das die von den
Entlastungsanträgen umfassten Energieerzeugnisse zu
betrieblichen Zwecken verheizt hat.
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a) Der Anspruch der Klägerin auf
Steuerentlastung ist auch nicht infolge des Eintritts der
Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 AO).
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Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine
Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht
mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies
gilt entsprechend für die Festsetzung einer
Steuervergütung. Die Festsetzungsfrist beträgt für
Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr
(§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und begann im Streitfall nach
§ 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2010, für das die
Klägerin die Steuervergütungen begehrt und in dem die
Vergütungsansprüche durch Verwendung der
Energieerzeugnisse entstanden sind. Die abweichende Regelung des
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AO ist nicht
anzuwenden, weil es in das Belieben des Entlastungsberechtigten
gestellt ist, ob er die Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen
will, und er somit zur Abgabe einer Steueranmeldung nicht
verpflichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2017 - VII R 26/16,
BFHE 260, 280 = SIS 17 20 13, m.w.N.). Ausgehend von der
einjährigen Festsetzungsfrist hätte diese
grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2011 geendet. Der Ablauf
der Festsetzungsfrist war allerdings nach § 171 Abs. 4 AO
gehemmt, weil bereits vor ihrem Ablauf mit der
Außenprüfung begonnen worden war und die aufgrund dieser
Außenprüfung ergangenen Bescheide noch nicht
unanfechtbar geworden waren. Somit war im Zeitpunkt des Eingangs
der Anträge auf Steuerentlastung beim HZA im Mai 2012 noch
keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
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Diese Festsetzungsfrist dient der
Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Solche Ausschlussfristen
erkennt deshalb auch der EuGH an. Die Möglichkeit, einen
Antrag ohne jede zeitliche Beschränkung zu stellen, liefe dem
Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider, der verlangt, dass die
steuerliche Lage des Steuerpflichtigen in Anbetracht seiner Rechte
und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt
offenbleiben kann (EuGH-Urteil Elsacom vom 21.06.2012 - C-294/11,
EU:C:2012:382, Rz 29, BStBl II 2012, 942 = SIS 12 19 41).
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b) Dennoch wäre der Klägerin die
beantragte Steuerentlastung zu versagen, weil ihre Anträge
nicht innerhalb der Antragsfrist nach § 100 Abs. 1 EnergieStV
beim HZA eingegangen sind. Denn die Anträge auf
Steuerentlastung für die Monate August bis November 2010 sind
erst im Mai 2012 beim zuständigen HZA eingegangen, also nach
Ablauf der bis zum 31.12.2011 laufenden Antragsfrist.
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3. Der vorlegende Senat stellt sich die Frage,
ob die Steuerentlastung nach § 54 Abs. 1 EnergieStG allein
deshalb abgelehnt werden darf, weil die Klägerin die
Antragsfrist versäumt hat, oder ob der unionsrechtliche
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz es gebietet, die
Steuerentlastung dennoch zu gewähren.
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a) Bei der Ausübung ihrer Befugnisse
müssen die Mitgliedstaaten die allgemeinen
Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung
der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der
Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit
zählen (EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom 06.09.2012 - C-273/11,
EU:C:2012:547, HFR 2012, 1121 = SIS 12 25 09, und ROZ-SWIT vom
02.06.2016 - C-418/14, EU:C:2016:400, ZfZ 2017, 73 = SIS 16 11 90).
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen,
um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und
Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl.
EuGH-Urteil Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 - C-110/98 bis C-147/98,
EU:C:2000:145, Rz 52, HFR 2000, 456 = SIS 00 07 04; EuGH-Beschluss
Transport Service vom 03.03.2004 - C-395/02, EU:C:2004:118, Rz 29,
HFR 2005, 370, und EuGH-Urteil Collee vom 27.09.2007 - C-146/05,
EU:C:2007:549, Rz 26, BStBl II 2009, 78 = SIS 08 00 30).
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Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil
Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 - C-68/18, EU:C:2019:933, ZfZ 2019,
383 = SIS 19 16 86) verstößt es gegen Unionsrecht, wenn
die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch
sanktioniert wird, dass eine Steuerbegünstigung nach der RL
2003/96 verweigert wird. Denn die nationalen Regelungen dürfen
nicht über das hinaus gehen, was erforderlich ist, um eine
korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen
und Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch zu
verhindern (EuGH-Urteil Polihim-SS vom 02.06.2016 - C-355/14,
EU:C:2016:403, Rz 62, ZfZ 2016, 196 = SIS 16 11 89).
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b) Der Senat neigt zu der Auffassung, dass der
verspätete Eingang des Antrags bei der zuständigen
Behörde nicht zu einem Wegfall dieses Anspruchs auf Entlastung
von der Energiesteuer führen kann, solange die
Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist.
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aa) Der EuGH hat in seiner Entscheidung
Petrotel-Lukoil (EU:C:2019:933, ZfZ 2019, 383 = SIS 19 16 86)
ausgeführt, dass es gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verstoße, wenn in
Ermangelung eines Antrags auf Einreihung eines verwendeten
Energieerzeugnisses der für Gasöl vorgesehene Steuersatz
automatisch angewandt und beibehalten werde. Diese Entscheidung ist
zu einer obligatorischen Steuerbefreiung ergangen (Art. 21 Abs. 3
RL 2003/96). In seiner Entscheidung wies der EuGH insbesondere
darauf hin, dass sowohl die allgemeine Systematik als auch die
Ziele der RL 2003/96 auf dem Grundsatz beruhten, dass
Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung
besteuert werden (Rz 50 und 53). Dagegen kann die Verletzung
formeller Anforderungen nicht die Besteuerung der Erzeugnisse nach
den in der RL 2003/96 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen in
Frage stellen (Rz 59).
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Nach der Rechtsprechung des Senats ist der
Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer keine
materiell-rechtliche, sondern lediglich eine formelle Voraussetzung
des Steuerentlastungsanspruchs (vgl. etwa Senatsurteile vom
20.09.2016 - VII R 7/16, BFHE 255, 360 = SIS 16 21 92, und vom
18.02.2020 - VII R 39/18, BFHE 268, 391 = SIS 20 10 33, Rz 32,
m.w.N.). Dies könnte dafür sprechen, dass eine
verspätete Antragstellung der Besteuerung eines
Energieerzeugnisses nach seiner tatsächlichen Verwendung (im
Streitfall Verheizen zu betrieblichen Zwecken) nicht entgegensteht.
Allerdings beruht die im Streitfall beantragte Steuerentlastung
gemäß § 54 Abs. 1 EnergieStG auf einer fakultativen
Steuerbegünstigung, weshalb sich das vorlegende Gericht die
Frage stellt, ob die Rechtsprechung des EuGH zu obligatorischen
Steuerbefreiungen auch auf diesen Fall Anwendung findet.
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bb) Nach Ansicht des Senats müssen die
Mitgliedstaaten den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
auch bei der Umsetzung fakultativer Steuervergünstigungen in
nationales Recht beachten, wenn sie sich zu einer solchen Umsetzung
entschließen. Anderenfalls läge eine Ungleichbehandlung
obligatorischer und fakultativer Steuervergünstigungen vor. Es
stellt sich jedoch die Frage, ob unterschiedliche Rechtsgrundlagen
im Unionsrecht eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen
könnten.
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Im Bereich der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(RL 2006/112/EG; ABlEU Nr. L 347/1) hat der EuGH die Einhaltung des
unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
auch für den Fall gefordert, dass ein Mitgliedstaat eine ihm
eingeräumte fakultative, begünstigende Regelungsbefugnis
in nationales Recht umsetze (vgl. EuGH-Urteil CTT - Correios de
Portugal vom 30.04.2020 - C-661/18,
EU:C:2020:335, Rz 34 ff., m.w.N., HFR 2020, 654 = SIS 20 04 77). Auch wenn die Mitgliedstaaten
hinsichtlich der Wahl der Maßnahmen zur Sicherstellung der
genauen Erhebung der Mehrwertsteuer und der Vermeidung von
Steuerhinterziehung einen weiten Gestaltungsspielraum hätten,
müssten sie bei der Ausübung ihrer Befugnisse das
Unionsrecht und dessen allgemeine Grundsätze, insbesondere die
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der
Steuerneutralität und der Rechtssicherheit beachten. Hieraus
könnte zu schlussfolgern sein, dass auch im Bereich der RL
2003/96 eine unterschiedliche Behandlung der obligatorischen und
der fakultativen Steuerentlastungen im Hinblick auf die Einhaltung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht in
Betracht kommt.
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Im Gegensatz dazu hat der Generalanwalt
Szpunar in seinen Schlussanträgen vom 12.05.2021 in der Sache
C-100/20 (EU:C:2021:387) für den Bereich der RL 2003/96 auf
die Unterschiede zwischen obligatorischen und fakultativen
Stromsteuervergünstigungen hingewiesen. Insbesondere stellt
der Generalanwalt klar, dass fakultative Bestimmungen für die
Steuerpflichtigen keine Rechte mit unmittelbarer Wirkung
begründeten, welche die Steuerpflichtigen vor den nationalen
Gerichten geltend machen könnten (Rz 69). Dies könnte
darauf hindeuten, dass es bei fakultativen
Steuervergünstigungen - abgesehen von allgemeinen
Grundsätzen wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung oder dem
Eigentumsrecht (Rz 72 ff. und 82 ff.) - insbesondere auf die
Umsetzung in das nationale Recht ankommt und die Rechtsprechung des
EuGH zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ohne
weiteres zu beachten ist.
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c) Die Vorlagefrage ist
entscheidungserheblich. Sofern die vom Senat vorgelegte Frage
bejaht wird, wäre die Revision des HZA insoweit
unbegründet.
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