A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union
werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts in
Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem den Fahrschulunterricht zum Erwerb der
Fahrerlaubnisklassen B und C1?
2. Sollte Frage 1 zu bejahen sein:
Kann sich die Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit
vergleichbarer Zielsetzung im Sinne von Artikel 132 Absatz 1
Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem aus den gesetzlichen
Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und die Erteilung
der Fahrlehr- und der Fahrschulerlaubnis im Gesetz über das
Fahrlehrerwesen vom 25.8.1969 (Bundesgesetzblatt I 1969, 1336),
zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28.11.2016
(Bundesgesetzblatt I 2016, 2722, Fahrlehrergesetz) und dem
Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung von Fahrschülern zu
sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten
Verkehrsteilnehmern ergeben?
3. Sollte Frage 2 zu verneinen sein:
Setzt der Begriff des „Privatlehrers“ in Artikel
132 Absatz 1 Buchstabe j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem voraus,
dass es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Einzelunternehmer
handelt?
4. Sollten Fragen 2 und 3 zu verneinen sein:
Wird ein Unterrichtender immer dann bereits als
„Privatlehrer“ im Sinne des Artikels 132 Absatz
1 Buchstabe j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem tätig, wenn er
für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt oder
sind an das Merkmal „Privatlehrer“ weitere
Anforderungen zu stellen?
B. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union ausgesetzt.
1
|
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob die von der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) ausgeführten Fahrschulleistungen, die ihre
Kunden zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Fahrzeuge mit
zulässiger Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 Kilogramm - kg
- und gebaut und ausgelegt zur Beförderung von nicht mehr als
acht Personen außer dem Fahrzeugführer) und C1
(Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3.500
kg aber nicht mehr als 7.500 kg und gebaut und ausgelegt zur
Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem
Fahrzeugführer) im Streitjahr (2010) in Anspruch genommen
haben, nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i und j der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit
sind.
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|
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2
|
Die Klägerin betreibt in der
Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
eine Fahrschule. In den von ihr ausgestellten Rechnungen wies sie
keine Umsatzsteuer gesondert aus. Für das Streitjahr
erklärte sie zunächst steuerpflichtige Umsätze. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte der
Umsatzsteuererklärung der Klägerin. Mit Schreiben vom
22.12.2014 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuer auf 0 EUR
herabzusetzen. Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage
blieben ohne Erfolg. Das Urteil ist in EFG 2016, 1481 = SIS 16 16 29 veröffentlicht worden.
|
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3
|
Zur Begründung seines Urteils
führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, eine
Steuerbefreiung nach § 4 Nummer 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) komme nicht in Betracht, weil
bei den hier streitigen Leistungen im Zusammenhang mit den
Fahrerlaubnisklassen B und C1 die Fahrerlaubnis nicht als
Anerkennungsnachweis als berufsbildende Einrichtung in Betracht
komme. Die Befreiung nach § 4 Nummer 21 Buchstabe b UStG
scheitere bereits daran, dass die Klägerin ihre Leistungen
unmittelbar an ihre Schüler und nicht an die in § 4
Nummer 21 Buchstabe b UStG genannten Einrichtungen
erbringe.
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4
|
Die Klägerin könne sich auch
nicht mit Erfolg auf Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j MwStSystRL
berufen. Die einheitliche Leistung der Klägerin bestehe aus
der theoretischen Schulung und dem praktischen Fahrunterricht.
Dabei handele es sich nicht um Schul- oder Hochschulunterricht,
weil der praktische Fahrunterricht nach der im Streitjahr 2010
geltenden Empfehlung zur Verkehrserziehung in der Schule (Beschluss
der Kultusministerkonferenz vom 7.7.1972 in der Fassung des
Beschlusses vom 17.6.1994) weder erforderlicher noch
wünschenswerter Bestandteil des Schul- oder
Hochschulunterrichts sei.
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|
|
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5
|
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision, mit der sie Verletzung materiellen Rechts geltend
macht. Gesetzgeberisches Ziel der Fahrschulausbildung sei es,
verantwortungsvolle und umsichtige Verkehrsteilnehmer auszubilden.
Der praktische Fahrunterricht sei dabei nur ein Aspekt.
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6
|
Im Übrigen deckten sich die praktische
Fahrschulausbildung und die Fahrsicherheitstrainings unter anderem
des ADAC in ihren Zielsetzungen. Es verstoße gegen den
Neutralitätsgrundsatz diese vergleichbaren Leistungen
unterschiedlich zu besteuern.
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7
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.
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8
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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9
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II. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die im Tenor unter A. bezeichneten
Fragen zur Auslegung der MwStSystRL vor und setzt das Verfahren bis
zur Entscheidung des EuGH aus.
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10
|
1. Rechtlicher Rahmen
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11
|
a) Unionsrecht
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12
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Gemäß Artikel 132 Absatz 1
MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von
der Steuer:
„ ...
|
|
i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen,
Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie
berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des
öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind,
oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat
anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
|
|
j) von Privatlehrern erteilter Schul- und
Hochschulunterricht; ...“.
|
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13
|
Artikel 134 MwStSystRL sieht vor:
|
|
“In folgenden Fällen sind
Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der
Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l,
m und n ausgeschlossen:
|
|
a) sie sind für die Umsätze,
für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht
unerlässlich;
|
|
b) sie sind im Wesentlichen dazu bestimmt, der
Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu
verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von
der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt
werden.“
|
|
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14
|
Artikel 4 der Richtlinie 2006/126/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über
den Führerschein (Neufassung) lautet:
|
|
“Klassen, Begriffsbestimmungen und
Mindestalter
|
|
1. Der Führerschein nach Artikel 1
berechtigt zum Führen von Kraftfahrzeugen der nachstehend
definierten Klassen. Er kann ab dem für die einzelnen Klassen
angegebenen Mindestalter ausgestellt werden. Als
„Kraftfahrzeug“ gilt jedes auf der Straße
mit eigener Kraft verkehrende Fahrzeug mit Antriebsmotor mit
Ausnahme von Schienenfahrzeugen.
|
|
...
|
|
4. Kraftwagen
|
|
... b) Klasse B:
|
|
Kraftwagen mit einer zulässigen
Gesamtmasse von höchstens 3500 kg, die zur Beförderung
von nicht mehr als acht Personen außer dem
Fahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind; hinter Kraftwagen
dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer zulässigen
Gesamtmasse von nicht mehr als 750 kg mitgeführt werden.
|
|
...
|
|
d) Klasse C1:
|
|
nicht unter die Klassen D oder D1 fallende
Kraftwagen, deren zulässige Gesamtmasse mehr als 3500 kg,
jedoch nicht mehr als 7500 kg beträgt, und die zur
Beförderung von nicht mehr als acht Personen außer dem
Kraftfahrzeugführer ausgelegt und gebaut sind; hinter
Kraftwagen dieser Klasse darf ein Anhänger mit einer
zulässigen Gesamtmasse von höchstens 750 kg
mitgeführt werden;“
|
|
|
|
15
|
b) Nationales Recht
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|
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16
|
Gemäß § 4 Nummer 21 UStG sind
von den unter § 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG fallenden
Umsätzen steuerfrei:
|
|
“a)
|
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck
dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
|
|
aa)
|
wenn sie als Ersatzschulen gemäß
Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach
Landesrecht erlaubt sind oder
|
|
bb)
|
wenn die zuständige Landesbehörde
bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende
Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,
|
|
b)
|
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck
dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
|
|
aa)
|
an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und
70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen
allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder
|
|
bb)
|
an privaten Schulen und anderen
allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese
die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen.“
|
|
|
17
|
Das Gesetz über das Fahrlehrerwesen vom
25.8.1969 (Bundesgesetzblatt—BGBl—I 1969, 1336) zuletzt
geändert durch das Gesetz vom 28.11.2016 (BGBl I 2016, 2722,
Fahrlehrergesetz—FahrlG - ) sieht für den Erwerb der
Fahrlehrerlaubnis und der Fahrschulerlaubnis unter anderem folgende
Regelungen vor:
|
|
“§ 1 Erfordernis und Inhalt der
Fahrlehrerlaubnis
|
|
(1) Wer Personen ausbildet, die eine Erlaubnis
zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 2 des
Straßenverkehrsgesetzes erwerben wollen (Fahrschüler),
bedarf der Fahrlehrerlaubnis. ... ... ... . Die Klassen entsprechen
der Einteilung der Fahrerlaubnis nach Artikel 4 der Richtlinie
2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
20.12.2006 über den Führerschein (Neufassung) (Amtsblatt
der Europäischen Union - ABlEU - L 403 vom 30.12.2006, S.
18).
|
|
...
... ...
|
|
(3) Jede Fahrlehrerlaubnis berechtigt zur
Durchführung des allgemeinen Teils des theoretischen
Unterrichts.
|
|
(4) Von der Fahrlehrerlaubnis darf nur
zusammen mit der Fahrschulerlaubnis oder im Rahmen eines
Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem
Inhaber einer Fahrschule Gebrauch gemacht werden.
|
|
...
... ...
|
|
§ 2 Voraussetzungen der
Fahrlehrerlaubnis
|
|
(1) Die Fahrlehrerlaubnis wird erteilt, wenn der Bewerber
|
|
1.
|
mindestens 22 Jahre alt ist,
|
|
2.
|
geistig, körperlich und fachlich geeignet
ist und keine Tatsachen vorliegen, die ihn für den
Fahrlehrerberuf als unzuverlässig erscheinen lassen,
|
|
3.
|
mindestens eine abgeschlossene
Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf nach
abgeschlossener Hauptschulbildung oder eine gleichwertige
Vorbildung besitzt,
|
|
4.
|
die Fahrerlaubnis der Klassen A2, BE und CE
und, sofern die Fahrlehrerlaubnis für die Klasse A oder die
Klasse DE erteilt werden soll, jeweils auch die Fahrerlaubnis der
Klasse A oder der Klasse DE besitzt,
|
|
5.
|
über eine ausreichende Fahrpraxis auf
Kraftfahrzeugen der Klasse verfügt, für die die
Fahrlehrerlaubnis erteilt werden soll,
|
|
6.
|
innerhalb der letzten drei Jahre zum
Fahrlehrer ausgebildet worden ist,
|
|
7.
|
die fachliche Eignung in einer Prüfung
nach § 4 nachgewiesen hat und
|
|
8.
|
über die für die Ausübung der
Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen
Sprache verfügt.
|
|
...
... ...
|
|
Das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrates Anforderungen an die geistige und körperliche
Eignung der Bewerber (Satz 1 Nr. 2) festlegen.
|
|
...
... ...
|
|
§ 4 Fahrlehrerprüfung
|
|
(1) Die Prüfung muss den Nachweis
erbringen, dass der Bewerber um die Fahrlehrerlaubnis die fachliche
Eignung zur Ausbildung von Fahrschülern besitzt. Der Bewerber
hat
|
|
1.
|
gründliche Kenntnisse
|
|
a)
|
der Verkehrspädagogik
einschließlich der Didaktik,
|
|
b)
|
der Verkehrsverhaltenslehre
einschließlich der Gefahrenlehre,
|
|
c)
|
der maßgebenden gesetzlichen
Vorschriften,
|
|
d)
|
der umweltbewussten und energiesparenden
Fahrweise,
|
|
e)
|
der Fahrphysik,
|
|
2.
|
ausreichende Kenntnisse der
Kraftfahrzeugtechnik sowie
|
|
3.
|
die Fähigkeit und Fertigkeit, sachlich
richtig, auf die Ziele der Fahrschülerausbildung bezogen und
methodisch überlegt unterrichten zu können,
|
|
nachzuweisen.
|
|
...
... ...
|
|
(3) Das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur wird ermächtigt, im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium für Bildung und Forschung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten
über die Prüfung, insbesondere über
Zulassungsvoraussetzungen, Inhalt, Gliederung, Verfahren,
Rücktritt, Bewertung, Entscheidung und Wiederholung, zu
regeln.
|
|
...
... ...
|
|
|
|
§ 10 Erfordernis und Inhalt der Fahrschulerlaubnis
|
|
(1) Wer als selbständiger Fahrlehrer Fahrschüler
ausbildet oder durch von ihm beschäftigte Fahrlehrer ausbilden
lässt, bedarf der Fahrschulerlaubnis.
|
|
...
... ...
|
|
§ 11 Voraussetzungen der Fahrschulerlaubnis
|
|
(1) Die Fahrschulerlaubnis wird erteilt,
wenn
|
|
1.
|
der Bewerber mindestens 25 Jahre alt ist und
keine Tatsachen vorliegen, die ihn für die Führung einer
Fahrschule als unzuverlässig erscheinen lassen,
|
|
2.
|
keine Tatsachen vorliegen, welche die Annahme
rechtfertigen, daß der Bewerber die Pflichten nach § 16
nicht erfüllen kann,
|
|
3.
|
der Bewerber die Fahrlehrerlaubnis für
die Klasse besitzt, für die er die Fahrschulerlaubnis
beantragt,
|
|
4.
|
der Bewerber mindestens zwei Jahre lang im
Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Inhaber
einer Fahrschulerlaubnis hauptberuflich als Fahrlehrer tätig
war,
|
|
5.
|
der Bewerber an einem Lehrgang von mindestens
70 Stunden zu 45 Minuten über Fahrschulbetriebswirtschaft
teilgenommen hat,
|
|
6.
|
der Bewerber den erforderlichen
Unterrichtsraum, die erforderlichen Lehrmittel und die zur
Fahrausbildung in der betreffenden Fahrerlaubnisklasse bestimmten
Lehrfahrzeuge zur Verfügung hat.
|
|
...
... ...
|
|
(4) Das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrates Einzelheiten der Voraussetzungen der
Fahrschulerlaubnis und des Betriebs einer Fahrschule, insbesondere
die Anforderungen an Unterrichtsräume, Lehrmittel und
Lehrfahrzeuge sowie der Überwachung der Fahrschulen.
|
|
...
... ...
|
|
§ 13 Erteilung der Fahrschulerlaubnis,
Erlaubnisurkunde
|
|
(1) Die Fahrschulerlaubnis wird durch
Aushändigung oder Zustellung der Erlaubnisurkunde erteilt. Bei
Vorliegen der Voraussetzungen des § 11a gilt § 5 Abs. 4
und 5 entsprechend.
|
|
...
... ...“.
|
|
|
18
|
Die im Streitjahr 2010 noch nicht in Kraft
getretene Fahrschüler-Ausbildungsordnung vom 19.6.2012 (BGBl I
2012, 1318), zuletzt durch Gesetz vom 21.12.2016 (BGBl I 2016,
3083), bestimmt unter anderem:
|
|
“§ 1 Ziel und Inhalt der
Ausbildung
|
|
(1) Ziel der Ausbildung ist die
Befähigung zum sicheren, verantwortungsvollen und
umweltbewussten Verkehrsteilnehmer. Ziel der Ausbildung ist
außerdem die Vorbereitung auf die
Fahrerlaubnisprüfung.
|
|
(2) Die Ausbildung hat ein Verkehrsverhalten
zu vermitteln, das
|
|
1. Fähigkeiten und Fertigkeiten, um das
Fahrzeug auch in schwierigen Verkehrssituationen zu
beherrschen,
|
|
2. Kenntnis, Verständnis und Anwendung
der Verkehrsvorschriften,
|
|
3. Fähigkeiten und Fertigkeiten zur
Wahrnehmung und Kontrolle von Gefahren einschließlich ihrer
Vermeidung und Abwehr,
|
|
4. Wissen über die Auswirkungen von
Fahrfehlern und eine realistische Selbsteinschätzung,
|
|
5. Bereitschaft und Fähigkeit zum
rücksichtsvollen und partnerschaftlichen Verhalten und das
Bewusstsein für die Bedeutung von Emotionen beim Fahren
und
|
|
6. Verantwortung für Leben und
Gesundheit, Umwelt und Eigentum einschließt.
|
|
...“
|
|
|
19
|
§ 6 der Verordnung über die
Zulassung von Personen zum Straßenverkehr
(Fahrerlaubnis-Verordnung in der Fassung vom 13.12.2010 (BGBl I
2010, 1980) lautet:
|
|
“(1) Die Fahrerlaubnis wird in folgenden
Klassen erteilt:
|
|
...
|
|
Klasse B: Kraftfahrzeuge – ausgenommen
Krafträder – mit einer zulässigen Gesamtmasse von
nicht mehr als 3.500 kg und mit nicht mehr als acht
Sitzplätzen außer dem Führersitz (auch mit
Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr
als 750 kg oder mit einer zulässigen Gesamtmasse bis zur
Höhe der Leermasse des Zugfahrzeugs, sofern die zulässige
Gesamtmasse der Kombination 3.500 kg nicht übersteigt)
|
|
...
|
|
Klasse C1: Kraftfahrzeuge – ausgenommen
Krafträder – mit einer zulässigen Gesamtmasse von
mehr als 3.500 kg, aber nicht mehr als 7.500 kg und mit nicht mehr
als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz (auch mit
Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr
als 750 kg)“
|
|
|
|
20
|
2. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
|
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21
|
Die Leistungen der Klägerin sind nach
nationalem Recht nicht steuerfrei.
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|
22
|
a) Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung
gemäß § 4 Nummer 21 Buchstabe a UStG liegen nicht
vor (vergleiche Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.3.1974 V
R 54/73 = SIS 74 03 00, Sammlung der Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs - BFHE - 112, 313, Bundessteuerblatt - BStBl - II
1974, 527 zu § 4 Nummer 21 UStG 1967; bestätigt durch
BFH-Urteil vom 10.1.2008 V R 52/06, BFHE 221, 295 = SIS 08 12 03,
Rz 37).
|
|
|
|
|
23
|
aa) Die Merkmale des § 4 Nummer 21
Buchstabe a Doppelbuchstabe aa UStG sind nicht erfüllt, weil
weder eine staatliche Genehmigung gemäß Artikel 7 Absatz
4 des Grundgesetzes (GG) noch eine landesrechtliche Erlaubnis
vorliegt.
|
|
|
|
|
24
|
Die ausschließliche Zuständigkeit
zur Regelung des Privatschulwesens obliegt gemäß
Artikeln 30, 70 ff. GG den Ländern
(Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom
8.6.2011 1 BvR 759/08, NVwZ 2011, 1384, Rz 21; vom 16.4.2004 2 BvR
88/03, HFR 2004, 690 = SIS 04 29 03, Rz 13). Die auf Bundesrecht
beruhende Erteilung der Fahrschulerlaubnis durch Aushändigung
oder Zustellung der Erlaubnisurkunde gemäß § 13
FahrlG ist deshalb keine staatliche Genehmigung als Ersatzschule
nach Artikel 7 Absatz 4 GG und auch keine landesrechtliche
Genehmigung.
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|
|
|
25
|
bb) Es liegt keine Bescheinigung der
zuständigen Landesbehörde im Sinne von § 4 Nummer 21
Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG vor. Ob mit Abschnitt 4.21.2
Absatz 6 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) bei
Fahrschulen für die Leistungen im Rahmen der
Fahrerlaubnisklassen 2 und 3 (bis 31.12.1998) beziehungsweise C,
CE, D, DE, D1, D1E, T und L (ab 1.1.1999) die
Fahrschulerlaubnisurkunde nach § 13 Absatz 1 FahrlG als
Bescheinigung der zuständigen Behörde im Sinne des §
4 Nummer 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG anerkannt werden
kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil es sich im
Streitfall um die nicht in Abschnitt 4.21.2 Absatz 6 Satz 6 UStAE
genannten Leistungen zur Erlangung der Fahrerlaubnisklassen B und
C1 handelt.
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26
|
b) Auch die Steuerbefreiung nach § 4
Nummer 21 Buchstabe b UStG greift nicht ein. Denn die Klägerin
ist weder eine Hochschule im Sinne der §§ 1 und 70 des
Hochschulrahmengesetzes noch eine öffentliche
allgemeinbildende oder berufsbildende Schule und aus den
Gründen zu II.2.a aa auch keine private Schule oder andere
allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung, die die
Voraussetzungen des § 4 Nummer 21 Buchstabe a UStG
erfüllt.
|
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27
|
3. Zur Rechtslage nach Unionsrecht
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28
|
Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt
es in Betracht, dass sich die Klägerin auf Artikel 132 Absatz
1 Buchstabe i oder j MwStSystRL berufen kann (zur Berufbarkeit
allgemein vergleiche EuGH-Urteil Almos Agrarkülkereskedelmi
vom 15.5.2014 C-337/13, EU:C:2014:328, Rz 31 f.; BFH-Urteil vom
18.8.2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79, Rz 41).
|
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29
|
4. Zur ersten Vorlagefrage
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30
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a) Der Senat neigt zu der Ansicht, dass die
Tätigkeit der Klägerin die leistungsbezogenen
Voraussetzungen sowohl des Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i als
auch des Buchstaben j MwStSystRL erfüllt, weil die
Fahrschulleistung Schulunterricht ist. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass der Begriff des Schul- und
Hochschulunterrichts in Buchstabe i und j MwStSystRL gleich
auszulegen ist (EuGH-Urteil Eulitz vom 28.1.2010 C-473/08,
EU:C:2010:47, Rz 31).
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31
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aa) Der Begriff des Schul- und
Hochschulunterrichts ist in der MwStSystRL nicht definiert. Nach
der Rechtsprechung des EuGH beschränkt er sich aber nicht auf
Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer
Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die
Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern
schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die
Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die
Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden
zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter
bloßer Freizeitgestaltung haben. Die nicht einheitlichen
Sprachfassungen des Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j MwStSystRL
sind dabei dahingehend auszulegen, dass es sich bei Schul- und
Hochschulunterricht um Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von
Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an
Schüler oder Studierende handeln muss (EuGH-Urteile Haderer
vom 14.6.2007 C-445/05, EU:C:2007:344, Rz 26; Eulitz, EU:C:2010:47,
Rz 23, 29, 32).
|
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32
|
bb) Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH
angeschlossen (BFH-Urteile vom 10.8.2016 V R 38/15, BFHE 254, 448 =
SIS 16 21 07, Rz 13; vom 20.3.2014 V R 3/13, BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 17; vom 5.6.2014 V R 19/13, BFHE 245, 433 = SIS 14 21 81,
Rz 17). Der Senat hat die Rechtsprechung des EuGH dabei dahingehend
verstanden, dass sich der Begriff des Schul- und
Hochschulunterrichts auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die
nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat (BFH-Urteil
in BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 19, 20).
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33
|
Unter dieses Merkmal könnte auch der von
der Klägerin erteilte Fahrunterricht fallen, denn der Erwerb
der Fähigkeit und der Befugnis, ein Fahrzeug zu führen,
dient nicht allein der bloßen Freizeitgestaltung, sondern ist
Bestandteil der Lebensführung, weil die Nutzung von Fahrzeugen
zwar auch für private Freizeitzwecke, aber ebenso für
berufliche Zwecke (zum Beispiel Fahrten zur Ausbildungs- oder
Arbeitsstelle oder Fahrten in Ausübung der Arbeit) genutzt
wird und in einigen Berufen zu den Einstellungsvoraussetzungen
zählt (zur Auffassung der Finanzverwaltung vergleiche
Abschnitt 4.21.2 Absatz 6 UStAE; aus dem Schrifttum vergleiche
Bruschke, UR 2017, 289).
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34
|
cc) Nach Auffassung des Senats stehen der
Berufung auf Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i MwStSystRL die
Beschränkungen in Artikel 134 MwStSystRL nicht entgegen. Denn
die Voraussetzungen von Artikel 134 Buchstabe a MwStSystRL liegen
nicht vor: Es geht um die befreiten Dienstleistungen selbst und
nicht um die von der Norm gemeinten Leistungen, die mit der
steuerbefreiten Leistung im Zusammenhang stehen. Die Merkmale des
Artikel 134 Buchstabe b MwStSystRL sind nicht erfüllt, weil
kein Wettbewerb zu nicht begünstigten Unternehmen besteht;
denn im Falle der Anerkennung wären alle anerkannten
Fahrschulen begünstigt.
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5. Zur zweiten Vorlagefrage
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Der Senat hat Zweifel, ob die Klägerin
als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung im Sinne von Artikel
132 Absatz 1 Buchstabe i MwStSystRL anerkannt ist.
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a) Der Begriff der Einrichtung ist nach der
Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich weit genug, um auch
private Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht wie die
Klägerin zu umfassen (EuGH-Urteile Les Jardins de Jouvence vom
21.1.2016 C-335/14, EU:C:2016:36, Rz 39; MDDP vom 28.11.2013
C-319/12, EU:C:2013:778, Rz 28; Kingscrest Associates Ltd. und
Montecello Ltd. vom 26.5.2005 C-498/03, EU:C:2005:322, Rz 35). Dem
hat sich der BFH angeschlossen (BFH-Urteile in BFHE 254, 448 = SIS 16 21 07, Rz 16; vom 21.3.2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II
2010, 999 = SIS 07 23 55, Rz 32).
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b) Auch der gewerbliche Charakter einer
Tätigkeit schließt nicht aus, dass es sich dabei um eine
dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit handelt (EuGH-Urteile
Hoffmann vom 3.4.2003 C-144/00, EU:C:2003:192, Rz 38; Kingscrest
Associates Ltd. und Montecello Ltd., EU:C:2005:322, Rz 31). Daher
stehen Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i, 133 und 134 MwStSystRL
einer Steuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von
nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken
erbracht werden, nicht entgegen (EuGH-Urteil MDDP, EU:C:2013:778,
Rz 27, 33). Private Einrichtungen müssen allerdings, um
anerkannt werden zu können, eine vergleichbare Zielsetzung wie
die Einrichtungen des öffentlichen Rechts haben (EuGH-Urteil
MDDP, EU:C:2013:778, Rz 35).
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c) Die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen
Anerkennung im Sozialbereich (Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe g
MwStSystRL) ist grundsätzlich auch auf den Unterrichtsbereich
(Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i MwStSystRL) zu übertragen
(BFH-Urteil in BFHE 254, 448 = SIS 16 21 07, Rz 16; vergleiche auch
BFH-Urteil vom 18.2.2016 V R 46/14, BFHE 253, 421 = SIS 16 09 18,
Rz 47).
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Danach gehören zu den für die
Anerkennung im Rahmen einer Abwägung zu
berücksichtigenden Gesichtspunkten das Bestehen spezifischer
Vorschriften - seien es nationale oder regionale, Rechts- oder
Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im
Bereich der sozialen Sicherheit -, das mit den Tätigkeiten des
betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die
Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen
Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen
Anerkennung kommen sowie der Gesichtspunkt, dass die Kosten der
fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil
von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen
Sicherheit übernommen werden (EuGH-Urteil Zimmermann vom
15.11.2012 C-174/11, EU:C:2012:716, Rz 31; BFH-Urteile in BFHE 254,
448 = SIS 16 21 07, Rz 18; in BFHE 253, 421 = SIS 16 09 18, Rz 30;
in BFHE 245, 433 = SIS 14 21 81, Rz 24; vom 25.4.2013 V R 7/11,
BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976 = SIS 13 20 29, unter II.2.c
aa).
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aa) Bei der Abwägung steht der
Anerkennung nicht entgegen, dass die Kosten vorliegend nicht von
staatlichen Kostenträgern übernommen werden, weil das nur
einer von mehreren Gesichtspunkten ist (EuGH-Urteil Les Jardins de
Jouvence, EU:C:2016:36, Rz 39; BFH-Urteil vom 9.3.2017 V R 39/16 =
SIS 17 08 88).
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bb) Für eine Anerkennung der
Klägerin durch den Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland
spricht vielmehr, dass der Betrieb einer Fahrschule
gemäß § 4 FahrlG das Bestehen einer
Fahrlehrerprüfung voraussetzt und gemäß
§§ 1, 10 bis 13 FahrlG der Erteilung einer von einer
Vielzahl von Voraussetzungen abhängigen Fahrlehrer- und einer
hiervon getrennten Fahrschulerlaubnis bedarf. Darüber hinaus
besteht ein Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung der
Fahrschüler zu sicheren, verantwortungsvollen und
umweltbewussten Verkehrsteilnehmern. Diese Zielsetzung hat durch
§ 1 Absatz 1 der im Streitjahr 2010 noch nicht in Kraft
getretenen Fahrschüler-Ausbildungsordnung vom 19.6.2012 (BGBl
I 2012, 1318) inzwischen ausdrückliche staatliche Anerkennung
erfahren.
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cc) Gegen eine Anerkennung könnte aber
sprechen, dass der EuGH zur Steuerbefreiung nach Artikel 132 Absatz
1 Buchstabe g MwStSystRL entschieden hat, dass bei der Beurteilung
der Gemeinnützigkeit privater Einheiten mit
Gewinnerzielungsabsicht insbesondere auch die Ziele, die diese
Einheiten in ihrer Gesamtheit verfolgen, und die Beständigkeit
ihres sozialen Engagements zu berücksichtigen sind
(EuGH-Urteile Ordre des barreaux francophones und germanophone und
andere vom 28.7.2016 C-543/14, EU:C:2016:605, Rz 62 ff.;
Kommission/Frankreich vom 17.6.2010 C-492/08, EU:C:2010:348, Rz 45
und 46).
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Könnte man dies auf den hier
einschlägigen Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe i MwStSystRL
übertragen, würde sich die Frage stellen, ob allein die
gesetzlichen Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und
die Fahrlehr- und die Fahrschulerlaubnis sowie das
Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung von Fahrschülern zu
sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten
Verkehrsteilnehmern für die Anerkennung der Klägerin als
Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung im Sinne von Artikel 132
Absatz 1 Buchstabe i MwStSystRL ausreicht.
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6. Zur dritten Vorlagefrage
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Der Senat hat Zweifel, ob die Rechtsform der
Klägerin der Annahme des Merkmals
„Privatlehrer“ im Sinne von Artikel 132 Absatz 1
Buchstabe j MwStSystRL entgegensteht.
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In den bisher vom EuGH und BFH zur
Unterrichtserteilung durch Privatlehrer zu beurteilenden
Sachverhalten hat es sich bei den Steuerpflichtigen jeweils um
Einzelunternehmer gehandelt (vergleiche EuGH-Urteile Haderer,
EU:C:2007:344; Eulitz, EU:C:2010:47; BFH-Urteile vom 27.9.2007 V R
75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323 = SIS 08 02 00; in BFHE
245, 391 = SIS 14 15 62; in BFHE 245, 433 = SIS 14 21 81). Auch
sprachlich legt der Begriff des „Lehrers“ nahe,
dass es sich um eine natürliche Person handelt.
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Andererseits verbietet es der dem gemeinsamen
Mehrwertsteuersystem zugrunde liegende Grundsatz der steuerlichen
Neutralität, der bei der Anwendung der in Artikel 132
MwStSystRL vorgesehenen Befreiungstatbestände zu beachten ist,
dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, bei
der Steuererhebung unterschiedlich behandelt werden (zum Beispiel
EuGH-Urteile Kügler vom 10.9.2002 C-141/00, EU:C:2002:473, 1.
Leitsatz sowie Rz 30; Kingscrest Associates Ltd. und Montecello
Ltd., EU:C:2005:322, Rz 41; vergleiche auch EuGH-Urteile Lajver vom
2.6.2016 C-263/15, EU:C:2016:392).
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7. Zur vierten Vorlagefrage
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Die MwStSystRL definiert den Begriff des
Privatlehrers nicht. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass eine
befreite Unterrichtstätigkeit „privat“
ausgeübt werden muss (BFH-Beschluss vom 18.11.2015 XI B 61/15,
BFH/NV 2016, 435 = SIS 16 02 73, Rz 22). Der EuGH hat hierzu
entschieden, dass Schul- oder Hochschulunterricht dann im Sinne von
Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j MwStSystRL von
„Privatlehrern erteilt“ wird, wenn die Lehrer
dabei für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln
und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den
Qualifikationen der Unterrichtenden grundsätzlich ein
Zusammenhang besteht (EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, Rz 30,
31). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist vom
vorlegenden Gericht zu prüfen (EuGH-Urteil Haderer,
EU:C:2007:344, Rz 38). Dem hat sich der BFH angeschlossen
(BFH-Urteil in BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323 = SIS 08 02 00, Rz
40) und entschieden, dass das Nichtbestehen eines
Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall
für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit
spricht (BFH-Urteil in BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 23).
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Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat
die Klägerin den Fahrschulunterricht „als
Privatlehrer erteilt“, weil sie auf eigene Rechnung und
in eigener Verantwortung handelte und der konkrete Inhalt des von
ihr erteilten Unterrichts in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren
Qualifikationen stand. Dem Merkmal
„Privatlehrer“ steht auch nicht entgegen, wenn
die Unterrichtseinheiten, insbesondere die theoretischen, mehreren
Fahrschülern gleichzeitig erteilt worden sein sollten, denn
durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass es der Anerkennung
einer Tätigkeit als Privatlehrer nicht entgegensteht, wenn der
Unterrichtende mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt
(EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, Rz 31; BFH-Urteil in BFHE 245,
391 = SIS 14 15 62, Rz 23). Es ist auch nicht
entscheidungserheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde
liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Fahrschülern
oder mit Dritten (zum Beispiel mit deren Eltern) bestanden haben
(BFH-Urteil in BFHE 245, 391 = SIS 14 15 62, Rz 23).
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Der Senat hat aber Zweifel, ob es mit der in
der Überschrift des Kapitel 2 MwStSystRL zum Ausdruck
kommenden Zielsetzung der „Steuerbefreiung für
bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ in
Einklang steht, dass nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j
MwStSystRL jegliche Aus- und Fortbildung befreit ist, die nicht den
Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat und die von
Unterrichtenden erteilt wird, die für eigene Rechnung und in
eigener Verantwortung handeln.
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8. Zum Rechtsgrund der Vorlage
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Die Vorlage beruht auf Artikel 267 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen
Union.
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9. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der
Finanzgerichtsordnung.
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