Kurse für Sofortmaßnahmen am Unfallort, USt-Freiheit: Umsätze einer GmbH aus der Durchführung von Kursen mit dem Gegenstand "Sofortmaßnahmen am Unfallort" können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG umsatzsteuerfrei sein. - Urt.; BFH 10.1.2008, V R 52/06; SIS 08 12 03
I. Streitig ist, ob die Umsätze der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus Kursen
mit dem Gegenstand „Sofortmaßnahmen am Unfallort“
steuerfrei sind.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren
Gegenstand die Durchführung von Schulungen zur
Unfallverhütung und Rettung ist. Sie hat im Streitjahr (2003)
im ganzen Bundesgebiet insbesondere die Kurse
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“, die fast
ausschließlich von Fahrschülern besucht worden sind, und
„Erste Hilfe-Kurse“ für die Berufsvorbereitung und
Berufsbegleitung für Berufskraftfahrer, Krankenschwestern,
Sportlehrer und Erzieher durchgeführt. Daneben hat sie auch
Sehtests durchgeführt und Broschüren verkauft.
Die Bezirksregierung A hat der
Klägerin am 30.6.2003 für die Zeit vom 1.1.2003 bis
31.12.2005 gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a bb des
Umsatzsteuergesetzes 1999 in der im Streitjahr 2003 geltenden
Fassung (UStG) bescheinigt, dass sie „mit folgender
Maßnahme auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung
ordnungsgemäß“ vorbereite:
„Sofortmaßnahmen am Unfallort und Erste Hilfekurs
berufsvorbereitend und berufsbegleitend für Berufskraftfahrer,
Krankenschwestern, Sportlehrer und Erzieher.“ Ähnliche
Bescheinigungen sind der Klägerin von anderen Behörden
für das Streitjahr erteilt worden.
Die Klägerin behandelte die
Umsätze aus der Durchführung von Sehtests und dem Verkauf
der Broschüren als steuerpflichtig und die Umsätze aus
der Durchführung der vorgenannten Kurse insgesamt
gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a bb UStG als
steuerfrei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) vertrat dagegen im Anschluss an zwei
Umsatzsteuer-Sonderprüfungen die Auffassung, dass die
Umsätze aus diesen Kursen nur insoweit steuerbefreit seien,
als sie Angehörigen der in der Bescheinigung genannten
Berufsgruppen erteilt worden seien. Dagegen seien die Umsätze
aus den Kursen „Sofortmaßnahmen am Unfallort“
steuerpflichtig, soweit diese von „normalen“
Fahrschülern im Rahmen ihrer Fahrausbildung besucht worden
waren. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer für 2003
im Umsatzsteuerbescheid vom 24.8.2004 fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage gegen den während des
Klageverfahrens ergangenen Umsatzsteuer-Änderungsbescheid
für 2003 vom 8.11.2005 ab. Es führte zur Begründung
u.a. aus, in Bezug auf die von ihr erteilten Kurse
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“ sei die
Klägerin weder als private Schule noch als allgemeinbildende
oder berufsbildende Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a
bb UStG zu beurteilen.
Die Kurse „Sofortmaßnahmen am
Unfallort“ stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Erwerb der Fahrerlaubnis. Die Klägerin vermittle in den Kursen
den Kursteilnehmern die nach § 19 Abs. 1 der Verordnung
über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV)
erforderlichen Kenntnisse. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe aber im
Urteil vom 14.3.1974 V R 54/73 (BFHE 112, 313, BStBl II 1974, 527 =
SIS 74 03 00) entschieden, dass Fahrschulen grundsätzlich
keine allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen seien,
soweit sie auf den Erwerb der Fahrerlaubnis in den (seinerzeit noch
so bezeichneten) Klassen 1 und 3 vorbereiteten.
Eine Ausnahme sei nur für die -
vorliegend nicht streitigen - Kurse der Klägerin geboten, die
den jeweiligen Teilnehmer auf eine Tätigkeit als
Berufskraftfahrer vorbereiteten oder die Voraussetzung für
eine Berufsausübung z.B. als Sportlehrer etc. seien, da sie in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Berufsausbildung bzw.
-ausübung stünden.
Dieses Verständnis des § 4 Nr. 21
Buchst. a bb UStG entspreche den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
der Vorschrift in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Die
in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe „die Ausbildung,
die Fortbildung oder die berufliche Umschulung“ seien dahin
auszulegen, dass nur die berufliche Ausbildung, die berufliche
Fortbildung oder die berufliche Umschulung gemeint
sei.
Das Urteil des FG ist in EFG 2007, 73 = SIS 06 47 11 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht
die Klägerin zusammenfassend geltend, sie sei eine
allgemeinbildende Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a bb
UStG. Zumindest Teile der Umsätze dienten über den bisher
von dem FA anerkannten Rahmen hinaus der beruflichen Ausbildung,
Fortbildung bzw. der Umschulung. Die übrigen Voraussetzungen
dieses Steuerbefreiungstatbestandes seien ebenfalls
gegeben.
Überdies greife auch Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG ein.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG und die Einspruchsentscheidung des FA vom 22.3.2005 aufzuheben
und den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 8.11.2005 dahin
gehend zu ändern, dass von den als steuerpflichtig zu 16 v.H.
angesetzten Umsätzen ein Teilbetrag von 1.455.187 EUR als
umsatzsteuerfrei erfasst wird, wobei gleichzeitig der
Vorsteuerabzug entsprechend anzupassen ist.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Es meint, die in der Bescheinigung der
Bezirksregierung vom 30.6.2003 enthaltene Einschränkung
„berufsvorbereitend und berufsbegleitend für
Berufskraftfahrer, Krankenschwestern, Sportlehrer und
Erzieher“ beziehe sich nicht nur auf den „Erste
Hilfekurs“, sondern auch auf die „Sofortmaßnahmen
am Unfallort“.
Zudem hätten die streitigen Kurse dem
Grunde nach keinen allgemein- oder berufsbildenden Charakter. Denn
sie dienten einzig dazu, eine Voraussetzung für den Erwerb
einer Fahrerlaubnis zu schaffen.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Entgegen der Auffassung des FG sind die
Umsätze aus den von der Klägerin durchgeführten
Kursen „Sofortmaßnahmen am Unfallort“ auch
insoweit steuerfrei, als die Kurse von
„normalen“ Fahrschülern im Rahmen ihrer
Fahrausbildung besucht worden sind.
1. Nach der im Streitjahr 2003 geltenden
Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. a bb UStG (früher:
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG) sind die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei,
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie
auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereiten.
§ 4 Nr. 21 Buchst. a bb UStG setzt Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG um (vgl.
BFH-Urteile vom 10.6.1999 V R 84/98, BFHE 188, 462, BStBl II 1999,
578 = SIS 99 18 51, unter II.2.; vom 23.8.2007 V R 4/05, BFH/NV
2007, 2215 = SIS 07 34 85, unter II.2.b bb).
Nach dieser Bestimmung befreien die
Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und
Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung,
die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit
verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen
des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut
sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden
Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom
21.3.2007 V R 28/04 (BFHE 217, 59, BFH/NV 2007, 1604 = SIS 07 23 55, unter II.2. c aa) ausgeführt hat, wurde diese
Richtlinienbestimmung - wie auch andere in Art. 13 der Richtlinie
77/388/EWG aufgeführte Steuerbefreiungen - vom nationalen
Gesetzgeber bisher lediglich dadurch
„umgesetzt“, dass er die bereits bei
Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise
bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände
im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat.
2. Der Senat lässt im Streitfall offen,
ob die Steuerfreiheit der streitigen Leistungen aus § 4 Nr. 21
Buchst. a bb UStG folgt und inwieweit eine richtlinienkonforme
Auslegung dieser Vorschrift möglich ist. Denn die
Klägerin kann sich für die Umsatzsteuerfreiheit der
streitigen Leistungen - wie geschehen - auf Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen (zur Berufbarkeit
ausführlich Senatsurteile vom 18.8.2005 V R 71/03, BFHE 211,
543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79; vom 19.5.2005 V R 32/03,
BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900 = SIS 05 31 28).
a) Die streitigen Kurse
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“ der
Klägerin können als „Schul- oder
Hochschulunterricht“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG angesehen werden.
aa) Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der
Richtlinie 77/388/EWG bezieht sich auf verschiedene
Unterrichtsformen, ohne diese zu definieren (vgl. Urteil des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom
14.6.2007 Rs. C-434/05, Horizon College, UR 2007, 587, IStR 2007,
545 = SIS 07 34 67 Randnr. 17).
Der Begriff „Schul- oder
Hochschulunterricht“ beschränkt sich nicht auf
Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer
Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die
Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern
schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die
Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die
Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu
entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter
bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. zu Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 14.6.2007
Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, IStR 2007, 547 = SIS 07 23 30
Randnr. 26; BFH-Urteil vom 27.9.2007 V R 75/03, BFH/NV 2008, 172 =
SIS 08 02 00).
bb) Gegenstand der von der Klägerin
durchgeführten Kurse sind „Unterweisungen in
Sofortmaßnahmen am Unfallort“ (so früher
§ 8a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - )
bzw. „Unterweisungen in lebensrettenden
Sofortmaßnahmen“ (so nunmehr der im Streitjahr 2003
geltende § 19 Abs. 1 FeV).
Nach § 19 Abs. 1 FeV müssen Bewerber
um eine Fahrerlaubnis der Klassen A, A 1, B, BE, L, M oder T - die
den früheren Führerscheinklassen 1 und 3 im Wesentlichen
entsprechen - an einer „Unterweisung in lebensrettenden
Sofortmaßnahmen teilnehmen“. Die Unterweisung soll
dem Antragsteller durch theoretischen Unterricht und durch
praktische Übungen die Grundzüge der Erstversorgung von
Unfallverletzten im Straßenverkehr vermitteln, ihn
insbesondere mit der Rettung und Lagerung von Unfallverletzten
sowie mit anderen lebensrettenden Sofortmaßnahmen vertraut
machen.
Die „Unterweisung in
Sofortmaßnahmen am Unfallort“ nach § 8a StVZO
a.F. bzw. die „Unterweisung in lebensrettenden
Sofortmaßnahmen“ nach § 19 Abs. 1 FeV ist zu
unterscheiden von einer „Ausbildung in Erster
Hilfe“ (früher § 8b StVZO, nunmehr § 19
Abs. 2 FeV). Nach § 19 Abs. 2 FeV müssen Bewerber um eine
Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE oder D1E
(früher: Klasse 2) an einer Ausbildung in Erster Hilfe
teilnehmen. Die Ausbildung soll dem Antragsteller durch
theoretischen Unterricht und durch praktische Übungen
gründliches Wissen und praktisches Können in der Ersten
Hilfe vermitteln. Eine Ausbildung in Erster Hilfe ersetzt eine
Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen (§ 19
Abs. 4 FeV).
Der Nachweis über die Teilnahme an einer
Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen oder einer
Ausbildung in Erster Hilfe kann durch eine Bescheinigung einer
für solche Unterweisungen amtlich anerkannten Stelle oder
eines Trägers der öffentlichen Verwaltung geführt
werden (§ 19 Abs. 3 FeV).
cc) Nach dem von der Klägerin vorgelegten
Lehrplan dauern die von ihr durchgeführten Unterweisungen in
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“ insgesamt
360 Minuten und behandeln die Themen „Rettung aus dem
Gefahrenbereich“, „Rechtliche
Grundlagen“, „Begriffsbestimmung des
Notfalls“, „Auffinden einer Person/ Erkennen von
lebensbedrohlichen Störungen“,
„Bewusstlosigkeit/Schädelbasisbruch“,
„Sicherung der Atemfunktion/Helmabnahme“,
„Herz-Lungen-Wiederbelebung“,
„Maßnahmen bei lebensbedrohlichen
Blutungen“, „Schockbekämpfung“
und „Rettungskette“.
dd) Die Kultusministerien der Länder
Nordrhein-Westfalen und Bayern - und nach dem unwidersprochen
gebliebenen und belegten Vortrag der Klägerin im
Revisionsverfahren weitere Bundesländer - halten es für
erforderlich oder zumindest für wünschenswert, den Inhalt
der in Rede stehenden Kurse in den Schulunterricht zu
integrieren.
Nach dem Runderlass des Kultusministeriums
Nordrhein-Westfalen vom 14.5.1976 (Gemeinsames Amtsblatt
Nordrhein-Westfalen 1976, 278; Bereinigte Amtliche Sammlung der
Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen 2004/2005) kommt
der rechtzeitigen und sachgerechten Hilfe Unfallverletzter insofern
besondere Bedeutung zu, als durch besonnenes und
zweckmäßiges Handeln unmittelbar nach dem Unfall - bis
zum Beginn der ärztlichen Versorgung - die Verletzungsfolgen
wesentlich gemindert werden können. Deshalb solle die
Grundausbildung in Erster Hilfe verstärkt werden. Sie werde im
Rahmen oder in Ergänzung des Unterrichts Schülerinnen und
Schülern als Kurs angeboten und von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern verschiedener Sanitätsorganisationen
durchgeführt. Damit leiste die Schule „einen
wesentlichen Beitrag im Rahmen der Gesamterziehung der
Schülerinnen und Schüler“.
Ferner heißt es in der Bekanntmachung
des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus,
Wissenschaft und Kunst vom 4.6.1997 Nr. VI/8 -S 4402/44- 8/20471
u.a.: Um bei Notfällen in allen Lebenslagen sachgerechte
Erste-Hilfe-Leistung sichern zu können, sei „es
nötig, dass die entsprechenden Kenntnisse Eingang in die
Allgemeinbildung der Bevölkerung finden“. Das
könne insbesondere dadurch erreicht werden, dass die
Schülerinnen und Schüler während der Schulzeit dem
Alter entsprechend an diese Thematik herangeführt würden.
Im Sinne des sozialen Lernens solle neben den Unterrichtsthemen aus
dem Bereich der Ersten Hilfe entsprechend den Lehrplänen aller
Jahrgangsstufen eine komplette Erste-Hilfe-Ausbildung angeboten
werden.
Zwar regeln diese Runderlasse die
(Grund-)Ausbildung in Erster Hilfe. Sie betreffen aber inhaltlich
auch die von der Klägerin im Rahmen ihrer Kurse
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“
vermittelten Lehrinhalte. Denn im Verhältnis dazu ist - wie
dargelegt - die Ausbildung in Erster Hilfe (lediglich) umfassender
(vgl. § 8a, § 8b StVZO, § 19 Abs. 1, 2 und 4
FeV).
ee) Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich
nichts anderes aus der Rechtsprechung des Senats im sog.
Fahrschulurteil in BFHE 112, 313, BStBl II 1974, 527 = SIS 74 03 00, wonach Fahrschulen keine „allgemeinbildenden
Einrichtungen“ i.S. von § 4 Nr. 21 UStG sind.
Der BFH hat zur Begründung
ausgeführt, bei Fahrschulen bestehe die überwiegende
Ausbildungstätigkeit in der Vermittlung der Fähigkeit zum
Gebrauch eines Kfz unter den Bedingungen des Straßenverkehrs,
also in der Einübung von Verhaltensweisen, wie technische
Geschicklichkeit, mechanische Reaktionsfähigkeit u.a. Nur mit
der (zusätzlichen) begrenzten Wissensvermittlung über die
technische Ausgestaltung eines Kfz, über das Verkehrsrecht,
die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften und
die Versicherungspflicht, die Verkehrsmoral und über
ähnliche Gegenstände leisteten die Fahrschulen einen
beschränkten Beitrag zur Allgemeinbildung ihrer
Schüler.
Diese Erwägungen stehen der Beurteilung
der Leistungen im vorliegenden Streitfall nicht entgegen. Denn der
Inhalt der von der Klägerin durchgeführten Kurse
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“ gehört
- wie dargelegt - nach der sachverständigen Einschätzung
(jedenfalls) zweier Kultusministerien zum erforderlichen oder
zumindest wünschenswerten Gegenstand der Schulausbildung.
Diese Qualifizierung wird nicht dadurch in Frage gestellt - sondern
vielmehr bestätigt -, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber
die vermittelten Lehrinhalte auch als unerlässlich für
Führerscheininhaber ansieht.
ff) Die Kurse „Sofortmaßnahmen
am Unfallort“ der Klägerin, die die Teilnehmer zur
Erstversorgung Unfallverletzter und zur Durchführung anderer
lebensrettender Sofortmaßnahmen befähigen sollen, haben
- anders als etwa Schulungen durch eine
„Jagdschule“ zur Vorbereitung auf die
Jägerprüfung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18.12.2003 V R
62/02, BFHE 204, 355, BStBl II 2004, 253 = SIS 04 05 72) - nicht
den Charakter bloßer Freizeitgestaltung im Sinne der
dargelegten Definition des „Schul- oder
Hochschulunterrichts“.
b) Die Klägerin
erfüllt auch die persönlichen Voraussetzungen des
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG. Sie ist
eine „andere Einrichtung mit von
dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer
Zielsetzung“ im Sinne dieser Bestimmung.
aa) Der Begriff
„Einrichtung“ ist grundsätzlich weit genug,
um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen
(EuGH-Urteil vom 26.5.2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd.
und Montecello Ltd., Slg. 2005, I-4427, BFH/NV Beilage 2005, 310 =
SIS 05 30 13 Rz 35; vgl. auch EuGH-Urteil vom 7.9.1999 Rs.
C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947 = SIS 00 01 53 Rz 17). Hat der
Gemeinschaftsgesetzgeber die Inanspruchnahme der betreffenden
Befreiungen nicht ausdrücklich vom Fehlen eines Gewinnstrebens
abhängig gemacht - wie z.B. in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
der Richtlinie 77/388/EWG -, kann das Streben nach Gewinnerzielung
die Inanspruchnahme dieser Befreiungen nicht ausschließen
(vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-4427, BFH/NV Beilage 2005, 310 =
SIS 05 30 13 Randnr. 40 und 43).
Dementsprechend hat der Senat eine GmbH, die
Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie ausbildungsbegleitende
sozialpädagogische Leistungen im Auftrag der Bundesanstalt
für Arbeit (BA) und für den Arbeitsförderungsdienst
der Bundeswehr durchführte, als
„Einrichtung“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG anerkannt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 59,
BFH/NV 2007, 1604 = SIS 07 23 55, unter II.2.c dd).
bb) Die
Klägerin ist auch i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
i der Richtlinie 77/388/EWG „anerkannt“.
Die für die
Klägerin örtlich zuständige Bezirksregierung (vgl.
Abschn. 114 Abs. 3 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - )
hat ihr am 30.6.2003 eine „Bescheinigung gem. § 4 Nr.
21 a) bb) des Umsatzsteuergesetzes (Bescheinigung zur Befreiung von
der Umsatzsteuer/Vorlage beim zuständigen
Finanzamt)“ mit Geltung für das Streitjahr 2003
erteilt. Darin wird bescheinigt, dass die Klägerin (auch) mit
ihrem Kurs „Sofortmaßnahmen am Unfallort“
auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereitet. Das genügt (vgl. Abschn.
114 Abs. 1 Satz 2 UStR; BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BFH/NV
2007, 1604 = SIS 07 23 55, unter II.2.c dd).
Die
Bescheinigung der Bezirksregierung vom 30.6.2003 mag
zwar auslegungsbedürftig sein. Der
Auffassung des FA, die dort enthaltene Einschränkung
„berufsvorbereitend und berufsbegleitend für
Berufskraftfahrer, Krankenschwestern, Sportlehrer und
Erzieher“ beziehe sich nicht nur auf den „Erste
Hilfekurs“, sondern auch auf die
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“, folgt der
Senat aber nicht. Denn die Klägerin hatte in der
Antragsbegründung vom 12.5.2003 deutlich unterschieden
zwischen Kursen, die auf einen Beruf vorbereiten, und Kursen, die
auf eine vor einer juristischen Person
des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
vorbereiten. Sie hatte dazu erläuternd ausgeführt,
dass der Kurs „Sofortmaßnahmen am
Unfallort“ nicht der Gruppe der auf einen Beruf
vorbereitenden Kurse zuzurechnen sei, sondern im Wesentlichen der
Vorbereitung auf die Führerscheinprüfung der Klassen A
und B diene.
Dementsprechend enthalten auch die der
Klägerin von Behörden anderer Bundesländer
gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a bb UStG erteilten
Bescheinigungen im Hinblick auf den Kurs
„Sofortmaßnahmen am Unfallort“ zwar den
klarstellenden Zusatz „im Sinne § 8a
StVZO“, aber keine Einschränkung.
3. Der Senat kann nicht gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO durcherkennen, sondern muss die
Sache gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverweisen.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat -
ausgehend von seinem Standpunkt zu Recht - keine Feststellungen
dazu getroffen, ob die Höhe der von der Klägerin im
Klageantrag (und im Revisionsantrag) bezeichneten Umsätze
zutreffend ist. Zudem sind die entsprechenden Konsequenzen für
den Vorsteuerabzug der Klägerin zu ziehen (vgl. § 15 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 UStG).