Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 18.8.2015 10 K 3410/13 K, G
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussrevision der Klägerin wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und
Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist
seit Anfang 2005 bei der Stiftung E als Herstellerin im Sinne des
Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die
umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und
Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz -
ElektroG - ) vom 16.3.2005 (BGBl I 2005, 762) registriert. Für
ab dem 13.8.2005 und für zu entsorgende früher in Verkehr
gebrachte Elektro- und Elektronikgeräte legt das Elektro- und
Elektronikgerätegesetz den Herstellern insoweit die Pflicht
zur Abholung der gesammelten Altgeräte und ihrer Entsorgung
auf. E ist die „Gemeinsame Stelle“ der Hersteller
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 ElektroG und vom
Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Sinne
des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes betraut. Sie
registriert die Hersteller und koordiniert die Bereitstellung von
Sammelbehältern sowie die Abholung der Altgeräte. E
erlässt in Ausübung ihrer hoheitlichen Aufgaben u.a.
Abholanordnungen und Bereitstellungsanordnungen und stellt den
Herstellern für diese Aufgaben Gebühren in
Rechnung.
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Die von der Klägerin im Rahmen ihrer
Steuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2009
(Streitjahre) vorgelegten Bilanzen wiesen Steuerrückstellungen
und sonstige Rückstellungen aus. Die sonstigen
Rückstellungen waren aufgegliedert in Rückstellungen
für Personalkosten, sonstige Rückstellungen,
Rückstellungen für Gewährleistungen und
Rückstellungen für Abschluss und Prüfung. Der
Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) veranlagte die Klägerin zunächst
erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer und zum
Gewerbesteuermessbetrag. Die Bescheide ergingen für die Jahre
2007 und 2008 endgültig und für 2009 unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung.
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Im Rahmen einer bei der Klägerin
durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer
fest, dass in den sonstigen Rückstellungen auch
Rückstellungen für Entsorgungskosten von
Energiesparlampen nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz
in Höhe von ... EUR für 2007, ... EUR für 2008 und
... EUR für 2009 enthalten waren. Sie wurden vom Prüfer
nicht anerkannt und der Gewinn der Klägerin für 2007 um
... EUR, für 2008 um ... EUR und für 2009 um ... EUR
erhöht. Der Prüfer vertrat zudem die Auffassung, die
Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuermessbescheide der
Jahre 2007 und 2008 seien gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1
der Abgabenordnung (AO) zu ändern, da bei der
ursprünglichen Veranlagung nicht erkennbar gewesen sei, dass
in den sonstigen Rückstellungen auch solche für
Entsorgungskosten enthalten gewesen seien. Das FA schloss sich
dieser Auffassung an und erließ für die Streitjahre
geänderte Bescheide.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob
die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG) Münster. In
der mündlichen Verhandlung verständigten sich die
Beteiligten und für den Fall der Anerkennungsfähigkeit
der Rückstellungen dem Grunde nach über die Höhe der
Rückstellungen für Energiesparlampen, die nach dem
13.8.2005 in Verkehr gebracht und E auch gemeldet worden waren. Die
Klägerin beantragte allerdings darüber hinaus für
2007 zusätzlich die Berücksichtigung der im vorgenannten
Zeitraum in den Verkehr gebrachten, der E aber nicht gemeldeten
sowie der vor dem genannten Zeitraum in den Verkehr gebrachten
Energiesparlampen (Erhöhung der Rückstellungen um ...
EUR) und für 2009 die Berücksichtigung der E erst 2010
gemeldeten LED-Lampen (Erhöhung der Rückstellungen um ...
EUR).
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Mit seinem in EFG 2015, 1965 = SIS 15 23 95
veröffentlichten Urteil vom 18.8.2015 10 K 3410/13 K, G gab
das FG der Klage statt, soweit das FA den Ansatz der
Rückstellung für Entsorgungspflichten nach dem Elektro-
und Elektronikgerätegesetz für nach dem 13.8.2005 in
Verkehr gebrachte und an E gemeldete Energiesparlampen abgelehnt
hatte. Der tatsächlichen Verständigung gemäß
sei eine Rückstellung zum 31.12.2007 in Höhe von ... EUR,
zum 31.12.2008 von ... EUR und zum 31.12.2009 von ... EUR zu
bilanzieren. Im Übrigen hat das FG die Klage
abgewiesen.
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Dagegen richten sich die Revision des FA
sowie die Anschlussrevision der Klägerin.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussrevision der
Klägerin zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen sowie das angefochtene Urteil insoweit
aufzuheben, als das FG die Klage für die Streitjahre 2007 und
2009 abgewiesen hat, und die Körperschaftsteuer für 2007
und 2009 sowie die Gewerbesteuermessbeträge für 2007 und
2009 unter Aufhebung der hierzu ergangenen Bescheide entsprechend
dem Klageantrag festzusetzen.
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II. Die Revision des FA ist begründet,
das FG-Urteil ist aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das FA (auch)
die Bescheide für die Streitjahre 2007 und 2008 ändern
konnte, es hat aber zu Unrecht angenommen, dass für die in der
Zeit vom 13.8.2005 bis zum 31.12.2009 in Verkehr gebrachten und der
E gemeldeten Energiesparlampen Rückstellungen betreffend deren
Entsorgungskosten zu bilden seien. Die Anschlussrevision der
Klägerin ist als unbegründet zurückzuweisen (§
126 Abs. 2 FGO), da weder für die vor dem 13.8.2005 in Verkehr
gebrachten noch für die nach diesem Zeitpunkt in Verkehr
gebrachten, aber der E nicht gemeldeten Energiesparlampen noch
für die der E erst 2010 gemeldeten LED-Leuchten die
Voraussetzungen eines Rückstellungsausweises vorliegen.
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1. Das FA war nicht nur - was zwischen den
Beteiligten nicht im Streit steht - nach § 164 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO berechtigt, die das Streitjahr 2009
betreffenden Steuerbescheide zu ändern, sondern hatte nach
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch die die Streitjahre 2007 und 2008
betreffenden Steuerbescheide zu ändern.
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a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind
Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen
oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer
höheren Steuer führen. Tatsache im Sinne der Norm ist,
was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein
kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften
materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung,
vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1.10.1993 III R
58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346 = SIS 94 02 41; vom
18.12.1996 XI R 36/96, BFHE 181, 566, BStBl II 1997, 264 = SIS 97 09 46; vom 26.2.2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599 = SIS 09 29 24).
Im Streitfall ist dem FA nach dem Ergehen der ursprünglichen
Steuerbescheide erst im Rahmen der Betriebsprüfung die
Tatsache bekannt geworden, dass in den von der Klägerin
erklärten „sonstigen Rückstellungen“
auch solche für Entsorgungskosten von Energiesparlampen
enthalten waren. Dem FA ist insoweit nicht nur, wie die
Klägerin meint, eine rechtliche Wertung nachträglich
bekannt geworden, sondern zugleich der dieser Wertung zugrunde
liegende Lebenssachverhalt, der aus dem Inverkehrbringen von
Energiesparlampen samt der damit einhergehenden Abhol- und
Entsorgungspflicht und der Meldung der in Verkehr gebrachten Mengen
an E besteht. Tatsachen können insoweit auch durch komplexe
Begriffe (hier: Rückstellung für Entsorgungskosten
betreffend Energiesparlampen), die eine Zusammenfassung von
Tatsachen enthalten und auf einer bestimmten rechtlichen Wertung
derselben beruhen, bezeichnet werden (vgl. Klein/Rüsken, AO,
13. Aufl., § 173 Rz 21, m.w.N.).
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b) Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO scheitert nicht an der fehlenden Rechtserheblichkeit. Die
Unkenntnis des FA von der bestimmten Tatsache muss für die
ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein. Das
ist nach der zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ergangenen Entscheidung
des Großen Senats des BFH vom 23.11.1987 GrS 1/86 (BFHE 151,
495, BStBl II 1988, 180 = SIS 88 05 47) der Fall, wenn das FA bei
rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der
ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Nichts anderes gilt für die hier strittige
Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
(vgl. BFH-Urteile vom 7.6.1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415; vom
11.2.2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628 = SIS 10 08 18). Für die Frage, wie das FA bei rechtzeitiger Kenntnis
entschieden hätte, ist grundsätzlich davon auszugehen,
dass der Sachverhalt vom FA zutreffend gewürdigt worden
wäre (BFH-Urteil in BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628 = SIS 10 08 18), es sei denn, es sind Anhaltspunkte für eine hiervon
abweichende Würdigung des FA ersichtlich. Vorliegend muss
jedoch insbesondere mit Rücksicht auf die Ausführungen
unter 2. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen
werden, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des Sachverhalts die
von der Klägerin angesetzten Rückstellungen schon dem
Grunde nach nicht anerkannt hätte.
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c) Anders als die Klägerin meint, ist
eine Änderung der Steuerbescheide der Streitjahre 2007 und
2008 auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
ist eine Änderung eines Bescheids nach Treu und Glauben
ausgeschlossen, wenn die neue Tatsache dem FA bei
ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht
(§ 88 AO) nicht verborgen geblieben wäre. Das FA braucht
allerdings eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen
zu begegnen und kann regelmäßig von deren Richtigkeit
und Vollständigkeit ausgehen. Nur wenn sich Unklarheiten oder
Zweifelsfragen aufdrängen, ist das FA zu Ermittlungen
verpflichtet. Andererseits muss aber auch der Steuerpflichtige
seine Mitwirkungspflichten (§ 90 AO) erfüllt haben. Haben
es sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA versäumt, den
Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den
Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der
Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
5.12.2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588 = SIS 03 21 85, m.w.N.; vom
12.7.2001 VII R 68/00, BFHE 196, 317, BStBl II 2002, 44 = SIS 01 14 48; vom 7.7.2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911 =
SIS 04 35 25).
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bb) Im Streitfall haben sowohl die
Klägerin als auch das FA ihre Erklärungs- bzw.
Ermittlungspflichten verletzt; mangels deutlichen Überwiegens
des Pflichtverstoßes des FA hat demnach die Klägerin die
Verantwortung für die rechtzeitige Aufklärung des
Sachverhalts mit der Folge zu tragen, dass die streitbefangenen
Bescheide zu ändern waren.
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(1) Die Klägerin hat gegen ihre
steuerlichen Erklärungspflichten verstoßen. Sie kann
sich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des
Streitfalls nicht auf die handelsrechtlich vorgegebenen
Erleichterungen für die Bilanzaufstellung berufen. Zwar
brauchen nach § 266 Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB)
kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) nur eine
verkürzte Bilanz aufzustellen, in die nur die in den Abs. 2
und 3 mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten
gesondert und in der vorgeschriebenen Reihenfolge aufgenommen
werden. Entsprechend mag die Klägerin nach § 266 Abs. 3
Buchst. B Nr. 3 HGB handelsrechtlich berechtigt gewesen sein,
pauschal sonstige Rückstellungen auszuweisen, ohne diese
aufzugliedern. Indessen war die Klägerin steuerrechtlich nach
§ 31 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG)
und § 14a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 25
Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 60 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung,
§ 150 Abs. 2 Satz 1 AO - jeweils in der in den Streitjahren
geltenden Fassung - verpflichtet, für die Streitjahre
Steuererklärungen nebst Gewinnermittlungsunterlagen
einzureichen und in diesen die für ihre Besteuerung
bedeutsamen Umstände und Sachverhalte für das FA
erkennbar und wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und
Gewissen zu erklären. Auch wenn die von der Klägerin
verwendeten Erklärungsvordrucke jeweils nur die Eintragung des
Steuerbilanzgewinns bzw. Jahresüberschusses bzw.
Jahresfehlbetrags (Zeilen 20 und 21 des Vordrucks KSt 1 A) bzw. des
Gewinns aus Gewerbebetrieb (Vordruck GewSt 1 A, Zeile 17) vorsehen,
erfüllt der Steuerpflichtige seine steuerliche
Erklärungspflicht nur dann, wenn er gegenüber dem FA den
Besteuerungsgegenstand und dessen Bemessungsgrundlage in einer
Weise erläutert, dass das FA die zutreffende Steuer auch
festsetzen kann (vgl. Blümich/Heuermann, § 25 EStG Rz
102). Dazu muss er gegenüber dem FA steuerrelevante
Sachverhalte in der Steuererklärung und/oder Gewinnermittlung
in einer Weise vollständig beschreiben, dass das FA diese
erkennen und auch steuerlich überprüfen kann (vgl. Geurts
in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 25 Rz C 46,
m.w.N.). Ob der Steuerpflichtige danach grundsätzlich gehalten
ist, die genaue Zusammensetzung der von ihm pauschal ausgewiesenen
Bilanzposition „sonstige Rückstellungen“ zu
erläutern, kann offen bleiben. Jedenfalls dann, wenn in diese
Position - wie im Streitfall - erstmals ein neuer und dem FA
unbekannter Lebenssachverhalt einfließt, war es Aufgabe der
Klägerin, durch einen Hinweis auf die erstmals im Streitjahr
2007 in die Sammelposition „sonstige
Rücklagen“ eingegangene Einzelposition
„Rückstellung für Entsorgungskosten betreffend
Energiesparlampen“ hinzuweisen und dem FA hierdurch zu
ermöglichen, die Rechtmäßigkeit des
Rückstellungsausweises zu überprüfen.
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(2) Der Senat geht zwar zugleich davon aus,
dass für das FA im Streitfall Anlass dazu bestanden
hätte, bei der Klägerin nachzufragen, welche
Einzelpositionen in der vorgenannten Sammelposition enthalten
gewesen sind. Dafür spricht insbesondere, dass die sonstigen
Rückstellungen ca. 50 % der jeweiligen Bilanzsumme ausgemacht
haben, sich die Rückstellungshöhe 2007 deutlich
erhöht und deshalb die Qualitätssicherungsstelle des FA
mit Vermerk vom 14.9.2009 zur Körperschaftsteuer 2008 eine
inhaltliche Überprüfung der Position angeregt hatte, die
aber sodann im Veranlagungsverfahren unterblieben ist. Die
Verletzung der Ermittlungspflicht des FA überwiegt indessen
den Verstoß der Klägerin gegen ihre
Erklärungspflichten nicht. Daran ändert auch die Tatsache
nichts, dass es dem FA freigestanden hätte, die
Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu
erlassen. Demnach trifft die Klägerin die Verantwortung
für die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung mit der
Folge, dass die die Streitjahre 2007 und 2008 betreffenden
Bescheide zu ändern waren.
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d) Letzterem steht auch keine Zusage oder
Zusicherung des FA entgegen. Nach § 205 Abs. 1 AO kann die
Finanzverwaltung verbindliche Regelungen nur schriftlich erlassen.
Den Telefonaten vom 20. Juni und 7.8.2013 kommt deshalb keine
bindende Regelungswirkung zu. Ferner enthalten auch die Schreiben
des FA vom 12. und 26.8.2013 keine bindende Zusage. Für die
Frage, ob und in welchem Umfang eine bindende Zusage erteilt wurde,
kommt es auf den durch Auslegung zu ermittelnden Sinngehalt der
finanzbehördlichen Erklärung an. Dabei ist auf die Sicht
desjenigen abzustellen, dem die Zusage erteilt worden sein soll,
wobei allerdings sämtliche den Beteiligten bekannten und
erkennbaren Umstände zu berücksichtigen sind (vgl.
BFH-Urteil vom 21.7.1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356 = SIS 89 07 51). In den genannten Schreiben bringt das FA aus dem
Empfängerhorizont aber gerade nicht zum Ausdruck, dass es
bereits verbindlich von einer Änderung der Steuerbescheide
für die Streitjahre 2007 und 2008 absehen wollte. Im Schreiben
vom 12.8.2013 erklärt es zwar seine Bereitschaft, nach
Rücksprache mit dem zuständigen Prüfer den
Einsprüchen für 2007 und 2008 wegen fehlender
Änderungsmöglichkeit abzuhelfen. Indessen ist bei der
Würdigung des Schreibens sein Gesamtinhalt zu beachten. Das FA
hat insoweit weiter ausgeführt, für „2009
stünde damit nach unserer Rechtsauffassung ... die
vollständige Rückstellung (das Schreiben spricht von
„Rücklage“) in Höhe von ... EUR zur
Überprüfung, unabhängig ob die Einsprüche
für 2009 wegen drohender Verböserung zurückgenommen
würden (vgl. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO)“. Schon dieser
weitere Satz stellt aus der Perspektive eines objektiven
Empfängers klar, dass das FA einen Zusammenhang zur Handhabung
des Streitjahres 2009 sah und nicht abschließend und isoliert
über die Handhabung der Streitjahre 2007 und 2008 entscheiden
wollte, sondern an einer einvernehmlichen Gesamtlösung
für alle Streitjahre interessiert war. Bestätigung findet
dies auch im weiteren Inhalt des vorgenannten Schreibens, nach dem
die Klägerin anhand geeigneter Unterlagen nachweisen sollte,
in welcher Höhe „seit 2007 bis heute“
tatsächlich Rücknahme- und Entsorgungskosten entstanden
waren, bzw. mitteilen sollte, ob sie sich der
„Rechtsauffassung bezüglich § 174 AO
anschließen“ könne.
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e) Der Änderung der Steuerbescheide
betreffend die Streitjahre 2007 und 2008 steht schließlich
nicht entgegen, dass der Betriebsprüfer u.a. bei E
Auskünfte eingeholt hatte. Zwar sollen nach § 93 Abs. 1
Satz 3 AO andere Personen als die Beteiligten erst dann zur
Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung
durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg
verspricht. Durch die Ausgestaltung der Norm als Sollvorschrift
kommt insoweit zum Ausdruck, dass die Behörde in der Regel
nach ihr verfahren muss (BFH-Urteil vom 30.3.1989 VII R 89/88, BFHE
156, 88, BStBl II 1989, 537 = SIS 89 14 55). Deshalb darf sie auch
nur in atypischen Fällen hiervon abweichen, wobei am Zweck der
Vorschrift zu messen ist, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt
(BFH-Urteile vom 24.10.1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II
1990, 198 = SIS 90 02 50; vom 29.7.2015 X R 4/14, BFHE 251, 112,
BStBl II 2016, 135 = SIS 15 28 17). Hierdurch wird dem doppelten
Zweck des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO entsprochen, wonach zum einen
vermieden werden soll, dass Nichtbeteiligte Einblick in die
steuerlich relevanten Verhältnisse der Beteiligten erhalten,
zum anderen dem Dritten die mit der Auskunft verbundenen Mühen
erspart werden sollen (BFH-Urteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016,
135 = SIS 15 28 17). Ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot
für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften
ermittelt wurden, besteht im Besteuerungsverfahren allerdings nicht
(vgl. BFH-Urteile vom 25.11.1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl
II 1998, 461 = SIS 98 06 37; vom 31.10.1990 II R 180/87, BFHE 163,
103, BStBl II 1991, 204 = SIS 91 04 48; Senatsurteil vom 27.7.1983
I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285 = SIS 83 23 32,
m.w.N.; vgl. auch BFH-Beschluss vom 29.6.1999 VII B 303/98, BFH/NV
1999, 1585 = SIS 99 54 15). Auch ergibt sich ein solches nicht
aufgrund einer Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der
Informationsgewinnung (BFH-Urteil vom 23.1.2002 XI R 10, 11/01,
BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328 = SIS 02 07 95). Ein
Verwertungsverbot für Prüfungsfeststellungen setzt zudem
nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass die
Rechtswidrigkeit der Prüfung im Wege der Anfechtung der
Prüfungsanordnung festgestellt worden ist (z.B. BFH-Urteil vom
21.4.1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649 = SIS 93 17 04, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 28.6.2007 V B 174/05, BFH/NV 2007,
1807 = SIS 07 31 89).
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2. Entgegen dem FG (ebenso Glasenapp, BB 2015,
3058; Schiffers, DStZ 2015, 806, 807; Blümich/Krumm, § 5
EStG Rz 920 „Entsorgungsverpflichtungen“; nur
referierend Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 35. Aufl., § 5 Rz 550
„Altauto/Altgeräte“; Fink, EFG 2015, 1967,
1968) waren in den Streitjahren für die Entsorgungskosten der
in der Zeit vom 13.8.2005 bis zum 31.12.2009 in Verkehr gebrachten
und der E gemeldeten Energiesparlampen keine Rückstellungen zu
bilden.
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a) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1
HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für
ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende
Passivierungspflicht gehört zu den Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung und ist
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1
Satz 1 KStG auch für die Steuerbilanz der Klägerin zu
beachten (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom
16.12.2009 I R 43/08, BFHE 227, 469, BStBl II 2012, 688 = SIS 10 02 47; Senatsurteil vom 6.2.2013 I R 8/12, BFHE 240, 252, BStBl II
2013, 686 = SIS 13 11 87). Rückstellungen für ungewisse
Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer
Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die
überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer
Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem
ungewiss sein kann. Gegenstand der Verbindlichkeit können
nicht nur Geldschulden, sondern auch Werkleistungspflichten sein.
Dabei bedarf es - auch bei öffentlich-rechtlichen
Verbindlichkeiten - der Konkretisierung in dem Sinne, dass sie
inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum
Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt sind.
Konkretisiert wird eine öffentlich-rechtliche Pflicht dabei
regelmäßig durch einen Rechtsakt (Verwaltungsakt,
Verfügung oder Abschluss einer entsprechenden
verwaltungsrechtlichen Vereinbarung: vgl. BFH-Urteile vom 25.3.2004
IV R 35/02, BFHE 206, 25, BStBl II 2006, 644 = SIS 04 27 03; vom
17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302 = SIS 13 33 35). Hiernach kann auch eine Pflicht, die sich allein aus
gesetzlichen Bestimmungen ergibt, eine Rückstellung
rechtfertigen; dies setzt allerdings einen entsprechend konkreten
Gesetzesbefehl voraus (Senatsurteil vom 8.11.2000 I R 6/96, BFHE
193, 399, BStBl II 2001, 570 = SIS 01 05 13; BFH-Urteile vom
19.8.2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 = SIS 03 01 98; vom 5.11.2014 VIII R 13/12, BFHE 248, 296, BStBl II 2015,
523 = SIS 15 10 24).
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Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht
nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch
nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur
unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie
wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen
Wirtschaftsjahren verursacht ist (vgl. zu allem Senatsurteile vom
27.6.2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121 = SIS 01 10 95; vom 6.6.2012 I R 99/10, BFHE 237, 335, BStBl II 2013, 196 = SIS 12 22 64; in BFHE 240, 252, BStBl II 2013, 686 = SIS 13 11 87). Die
wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen
Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren setzt voraus, dass die
wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind
und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich
unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend
ist hiernach die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte
der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung
die Verbindlichkeit entsteht (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteil vom 19.5.1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II
1987, 848 = SIS 87 18 18; Senatsurteil in BFHE 240, 252, BStBl II
2013, 686 = SIS 13 11 87).
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b) Die Entsorgungsverpflichtungen der
Klägerin für die in der Zeit vom 13.8.2005 bis zum
31.12.2009 in Verkehr gebrachten und der E gemeldeten
Energiesparlampen waren in den Streitjahren nicht hinreichend
konkretisiert.
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aa) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ElektroG ist
jeder Hersteller verpflichtet, die nach § 9 Abs. 4 ElektroG
bereitgestellten Behältnisse entsprechend der Zuweisung der
zuständigen Behörde nach § 16 Abs. 5 ElektroG
unverzüglich abzuholen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ElektroG
gilt für die Abholung § 9 Abs. 8 ElektroG, wonach die
Hersteller insbesondere freiwillig individuelle oder kollektive
Rücknahmesysteme für die unentgeltliche Rückgabe von
Altgeräten aus privaten Haushalten einrichten und betreiben
können. Entsprechend hat der Hersteller nach § 10 Abs. 1
Satz 3 ElektroG die Altgeräte oder deren Bauteile
wiederzuverwenden oder zu behandeln (§ 11 ElektroG) und zu
entsorgen (§ 12 ElektroG) sowie die Kosten der Abholung und
der Entsorgung zu tragen. § 16 Abs. 5 ElektroG sieht insoweit
zur Durchsetzung der Abholpflichten (vgl. Hilf in Giesberts/ Hilf,
ElektroG, 2. Aufl., § 16 Rz 23) vor, dass das nach § 16
Abs. 1 ElektroG grundsätzlich zuständige Umweltbundesamt
in dem Fall, dass es von der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 14 ElektroG von den Herstellern zu errichtenden Gemeinsamen
Stelle (hier: der E) eine Meldung nach § 14 Abs. 6 Satz 3
ElektroG erhält, die im Einzelfall die erforderlichen
Anordnungen zur zügigen Abholung der bereitgestellten
Behältnisse unter Berücksichtigung der von ihm
geprüften Berechnungen der Gemeinsamen Stelle nach § 14
Abs. 5 und 6 ElektroG trifft.
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bb) Das Verfahren zum Erlass der
Abholanordnung sieht vor, dass E zunächst auf
privatrechtlicher Grundlage die Aufgabe hat, die Menge der von
jedem registrierten Hersteller bei den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern abzuholenden Altgeräte zu ermitteln
(§ 14 Abs. 5 Satz 1 ElektroG). Nach § 14 Abs. 5 Satz 3
ElektroG berechnet sich dabei für die ab dem 13.8.2005 in
Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte die
Verpflichtung nach Wahl des Herstellers entweder nach dem von ihm
durch Sortierung oder nach wissenschaftlich anerkannten
statistischen Methoden nachgewiesenen Anteil seiner eindeutig
identifizierbaren Altgeräte an der gesamten
Altgerätemenge pro Geräteart (Nr. 1) oder - was der
Regelfall (vgl. Hilf in Giesberts/Hilf, a.a.O., § 14 Rz 38)
und auch im Streitfall so gewesen ist - seinem Anteil an der
gesamten im jeweiligen Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Menge an
Elektro- und Elektronikgeräten pro Geräteart (Nr. 2).
Grundlage sind nach § 14 Abs. 5 Satz 4 ElektroG die
Mitteilungen der Hersteller gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1
und Abs. 3 Satz 1 bis 4 ElektroG (vgl. dazu Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.2009 7 C 20/08, NVwZ 2010,
522). Hierauf aufbauend bestimmt die Gemeinsame Stelle die zeitlich
und örtlich gleichmäßige Verteilung der
Abholpflicht auf alle registrierten Hersteller auf der Basis einer
wissenschaftlich anerkannten Berechnungsweise, die durch Gutachten
eines unabhängigen Sachverständigen bestätigt wurde
und teilt das Ergebnis dieser Berechnungen (§ 14 Abs. 6 Satz 1
ElektroG; vgl. Hilf in Giesberts/Hilf, a.a.O., § 14 Rz 55) dem
Umweltbundesamt mit, das sodann die Abholverfügung nach §
16 Abs. 5 ElektroG erlässt.
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Das Umweltbundesamt hat allerdings nach §
17 Abs. 1 Satz 1 ElektroG von der Ermächtigung Gebrauch
gemacht, die von den Herstellern als Gemeinsame Stelle errichtete E
(zusätzlich) mit den öffentlich-rechtlichen Aufgaben nach
§ 16 Abs. 5 ElektroG, einschließlich der Vollstreckung
der hierzu ergehenden Verwaltungsakte, zu beleihen. Der E kommt
soweit eine Doppelfunktion zu (vgl. Hilf in Giesberts/Hilf, a.a.O.,
§ 17 Rz 21). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ElektroG ist der
Hersteller verpflichtet, die nach § 9 Abs. 4 ElektroG
bereitgestellten Behältnisse „entsprechend der
Zuweisung der zuständigen Behörde nach § 16 Abs. 5
ElektroG“ unverzüglich abzuholen. Mit der in §
10 Abs. 1 Satz 1 ElektroG angesprochenen „Zuweisung i.S.
des § 16 Abs. 5 ElektroG“ ist allein die von E als
Beliehene zu erlassende „Anordnung zur zügigen
Abholung der bereitgestellten Behältnisse“ gemeint.
Diese Anordnung ergeht ganz regelmäßig im Wege eines
Verwaltungsaktes (vgl. Hilf in Giesberts/Hilf, a.a.O., § 16 Rz
24). Eine hiergegen gerichtete Klage hat nach § 21 Abs. 2
ElektroG keine aufschiebende Wirkung, so dass die Behältnisse
im Interesse der Funktionsfähigkeit der Sammelsysteme
unverzüglich bereitgestellt und abgeholt werden müssen
(BRDrucks 664/04, S. 72; Verwaltungsgericht - VG - Ansbach, Urteil
vom 30.5.2007 AN 11 K 06.02455, AN 11 K 06.02456, NVwZ 2008, 237;
Hilf in Giesberts/Hilf, a.a.O., § 21 Rz 9). Deshalb spricht
§ 16 Abs. 5 ElektroG selbst auch ausdrücklich von einer
zügigen Abholung; als „zügig“ wird
dabei ein Zeitraum von ein bis drei Tagen angesehen (Urteil des VG
Ansbach in NVwZ 2008, 237, m.w.N.).
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cc) Bei dieser Ausgangslage ist hinsichtlich
der erforderlichen Konkretisierung der Entsorgungsverpflichtungen
der Klägerin auf das Ergehen der Abholanordnung durch E als
gesetzeskonkretisierendem Rechtsakt abzustellen, denn die Abhol-
und Entsorgungsverpflichtung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ff.
ElektroG mag mit dem FG zwar als abstrakte Rechtspflicht bereits
mit dem Inverkehrbringen der Leuchtmittel entstehen (so auch
Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 514
„Rücknahmeverpflichtungen“), sie wird aber
erst durch die Abholanordnung als solche und nicht schon durch die
Herstellermeldung über die in Verkehr gebrachten Mengen an E
hinreichend konkretisiert. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ElektroG
ist jeder Hersteller nur verpflichtet, die nach § 9 Abs. 4
ElektroG bereitgestellten Behältnisse entsprechend der
Zuweisung der zuständigen Behörde nach § 16 Abs. 5
ElektroG unverzüglich abzuholen. E kann aber nach
Maßgabe des § 16 Abs. 5 ElektroG die im Einzelfall
erforderlichen Anordnungen zur zügigen Abholung der
bereitgestellten Behältnisse erst dann treffen, wenn sie
selbst den Umfang der Abholpflicht ermittelt hat. Dafür
spricht insbesondere § 14 Abs. 6 Satz 3 ElektroG, wonach die
„ermittelte Abholpflicht“ der zuständigen
Behörde zu melden ist. Dazu müssen aber nicht nur die
Mitteilungen aller registrierten Hersteller nach § 13 Abs. 1
Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 bis 4 ElektroG vorliegen, sondern es sind
nach § 14 Abs. 5 Sätze 1 und 3 ElektroG auch noch die
dort vorgeschriebenen Berechnungen durchzuführen, bevor die
Abholanordnung ergehen kann. Der konkrete Umfang der den einzelnen
Hersteller treffenden Abhol- und Entsorgungspflicht steht mithin
nicht mit dem Eingang seiner Meldung bei E, sondern erst mit dem
Ergehen der Abholanordnung fest. Bestätigung findet dies auch
in dem Umstand, dass in den Streitjahren gegenüber der
Klägerin nur eine Abholanordnung ergangen ist. Der Streitfall
unterscheidet sich damit auch von dem Sachverhalt, dass aufgrund
einer Selbstverpflichtungserklärung des brancheneigenen
Zentralverbandes eine unbedingte faktische
Rücknahmeverpflichtung begründet wird, die auf den
Verkauf als wesentliche wirtschaftliche Ursache
zurückzuführen ist (dazu Senatsurteil vom 10.1.2007 I R
53/05, BFH/NV 2007, 1102 = SIS 07 15 48).
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c) Der Senat kann es nach den vorstehenden
Ausführungen offen lassen, ob es bezogen auf die hier im
Streit stehenden Verpflichtungen auch am erforderlichen
Vergangenheitsbezug fehlt und ob insoweit zwischen dem
Umlageverfahren nach § 14 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 ElektroG und dem
Vorausfinanzierungsverfahren nach § 14 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1
ElektroG zu unterscheiden ist (dafür Schäfer, BB 2004,
2735, 2737 f.; Giesberts in Giesberts/Hilf, a.a.O., § 10 Rz
24; Kiesel in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 6 EStG Rz 1184;
Birkhan, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt
- 2006/2007, 640, 646; a.A. Krumm, a.a.O.; Tiedchen, a.a.O.;
Oser/Roß, Die Wirtschaftsprüfung 2005, 1069, 1073 f.;
Marx/Köhlmann, BB 2005, 2007, 2010 f.; Stegemann, Die
Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 2006,
136, 140; Buciek, JbFSt 2006/2007, 649 f.; Günkel, JbFSt
2006/2007, 648 f.).
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d) Der Hersteller ist im Übrigen
lediglich nach § 6 Abs. 3 ElektroG zur Stellung einer
kautionsähnlichen Garantie für den Fall des Ausscheidens
aus der kollektiven Entsorgungsverpflichtung im Umlageverfahren
verpflichtet. Auch hierfür ist aber keine Rückstellung zu
bilden, solange der Eintritt dieser Bedingung nicht
überwiegend unwahrscheinlich ist (Schäfer, BB 2004, S.
2738; Birkhan, JbFSt 2006/2007, 646; Kiesel, a.a.O.).
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3. Die Anschlussrevision der Klägerin ist
unbegründet.
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a) Soweit die Klägerin die Bildung von
Rückstellungen für die Streitjahre auch für die von
ihr in der Zeit vom 13.8.2005 bis zum 31.12.2009 in Verkehr
gebrachten, aber der E nicht gemeldeten Energiesparlampen begehrt,
scheitert dies nach den vorstehenden Ausführungen bereits
daran, dass insoweit keine die Abhol- und Entsorgungsverpflichtung
konkretisierende Abholverfügung vorliegen bzw. ergehen kann.
Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin der E erhebliche
Verkaufsmengen gemeldet hat, war insoweit auch nicht mit einer
(zusätzlichen) Schätzung nach § 14 Abs. 5 Satz 5
ElektroG zu rechnen.
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b) Nichts anderes gilt für die der E erst
in 2010 gemeldeten LED-Lampen, weil im Streitjahr 2009 insoweit mit
einer Inanspruchnahme der Klägerin nicht zu rechnen war (Fink,
a.a.O.).
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c) Auch für die vor dem 13.8.2005 in
Verkehr gebrachten Energiesparlampen war keine Rückstellung zu
bilden, weil § 14 Abs. 5 Satz 2 ElektroG die Berechnung der
Verpflichtung des Herstellers am Anteil desselben von der gesamten
im jeweiligen Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Menge an Elektro-
und Elektronikgeräten pro Geräteart abhängig macht.
Die Verpflichtung zur Rücknahme und Entsorgung sowie zur
Kostentragung ergibt sich danach nicht aus einem in der
Vergangenheit im wesentlichen realisierten Tatbestand, sondern
knüpft an die aktuelle Marktteilnahme an. Mangels
periodengerechter Zuordnung handelt es sich bei den entsprechenden
Kosten deshalb nicht um ungewisse Verbindlichkeiten, für
welche eine Rückstellung zu bilden wäre (ebenso
Oser/Roß, Die Wirtschaftsprüfung 2005, 1070 f.; Birkhan,
JbFSt 2006/2007, 644; Günkel, JbFSt 2006/ 2007, 648;
Schäfer, BB 2004, 2736 f.; Stegemann, Die Information für
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 2006, 139 f.; Giesberts in
Giesberts/Hilf, a.a.O., § 10 Rz 22; Kiesel, a.a.O.; kritisch Marx/Köhlmann, BB 2005,
2010). Die Anwendung des § 6 Abs.
1 Nr. 3a Buchst. d Satz 2 EStG scheidet aus, weil die Abhol- und
Entsorgungsverpflichtung danach vor dem tatsächlichen
Rücknahmezeitpunkt noch nicht absehbar ist (Kiesel, a.a.O.;
a.A. Fink, a.a.O.).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 und Abs. 2 FGO.
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