Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Nürnberg vom 12.6.2013 5 K 1552/11 = SIS 13 26 63 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Nürnberg
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt.
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Die Klägerin erwarb im Jahr 2006.500
Aktien der A zu einem Kurs von 59,75 EUR je Aktie. Die A, die ihren
Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hat, löste
aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsrats (Board of Directors)
vom 30.1.2008 ihre Beteiligung an der B zu 100 % aus ihrem
Unternehmen heraus. Die Ausgliederung (sog. „Spin-off“)
erfolgte zum Stichtag 19.3.2008. Mit Zuteilung vom 28.3.2008
erhielt jeder Anteilseigner für jede A Aktie eine B
Aktie.
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Zum 31.3.2008 wurden in das Depot der
Klägerin 500 B Aktien zum Wert von je 31,30 EUR pro Aktie
eingebucht. Der Kurswert der A Aktie sank am 31.3.2008 von 47,22
EUR auf 14,39 EUR.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) legte in dem Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr (2008) den Wert der eingebuchten B Aktien in
Höhe von insgesamt 15.650 EUR der Besteuerung als Einnahmen
aus Kapitalvermögen zugrunde. Es wies den hiergegen erhobenen
Einspruch der Kläger als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit
seinem in EFG 2014, 188 = SIS 13 26 63 veröffentlichten Urteil
vom 12.6.2013 5 K 1552/11 stattgegeben.
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Hiergegen wendet sich die Revision des FA,
der das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten
ist.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
des FA als unbegründet zurückzuverweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels
Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich
bei der Zuteilung der B Aktien um Kapitaleinkünfte i.S. des
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Die Feststellungen des FG
erlauben jedoch keine abschließende Beurteilung der Frage, ob
eine der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
vergleichbare Einlagenrückgewähr vorliegt.
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1. Die Übertragung der 500 B Aktien am
31.3.2008 führte, sofern § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
nicht greift, zu im Inland steuerbaren Einkünften aus
Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in
Höhe von 15.650 EUR.
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a) Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat
in seinem Urteil vom 20.10.2010 I R 117/08 (BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51) entschieden, dass unter die Einkünfte aus
Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 EStG)
fallen, die dem Gesellschafter von der Kapitalgesellschaft selbst
oder von einem Dritten zufließen, soweit die
Vorteilszuwendung nicht als Einlagenrückgewähr zu werten
ist. Unerheblich ist dabei, ob die Bezüge zu Lasten des
Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz der Gesellschaft
geleistet werden und in welcher Form die Vorteilszuwendung
ausgestaltet ist. Die Kläger können danach gegen die
Möglichkeit der Erfassung der zugeteilten B Aktien als
Kapitaleinkünfte nicht mit Erfolg einwenden, es habe, wie die
Entwicklung der Börsenwerte zeige, nur eine
Vermögensumverteilung stattgefunden. Mit der Übertragung
der B Aktien wurden der Klägerin nicht von ihrem bisherigen
Aktienbestand abgespaltene Mitgliedschaftsrechte, sondern neue,
eigenständige Anteilsrechte eingeräumt (BFH-Urteil in
BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51, Rz 17, m.w.N.).
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b) Danach führt die Zuteilung der 500 B
Aktien durch die A zu Kapitaleinkünften der Klägerin in
Höhe des Kurswerts von 31,30 EUR pro zugeteilter Aktie. Dies
gilt auch dann, wenn es an einem dem Gewinnverteilungsbeschluss
i.S. des § 20 Abs. 5 Satz 2 EStG vergleichbaren Rechtsakt
fehlt, da die Gewährung der B Aktien unmittelbare Folge der im
Wege des „Spin-off“ erfolgten Zuteilung war und
die Klägerin im Zeitpunkt der Übertragung der B Aktien
Anteilseignerin der A war (BFH-Urteil in BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51, Rz 16).
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c) Die Sachausschüttung der in den USA
ansässigen A ist auch im Inland zu besteuern. Die
Klägerin war im Zeitpunkt der Ausschüttung im Inland
ansässig und danach mit ihren sämtlichen Einkünften
unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Dazu
gehören gemäß § 20 EStG auch
Kapitaleinkünfte aus ausländischen Quellen. Das Abkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten
von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom
29.8.1989 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 1.6.2006 (BGBl II
2006, 1186, BStBl I 2008, 767) - DBA-USA - steht der Besteuerung in
der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Es weist das
Besteuerungsrecht für Bezüge aus Aktien, die eine in den
USA ansässige Kapitalgesellschaft an eine im Inland
ansässige Person zahlt, nach Art. 10 Abs. 1 DBA-USA dem
Ansässigkeitsstaat des Aktieninhabers zu.
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2. Die Bezüge gehören allerdings
dann nicht zu den im Inland steuerpflichtigen Kapitaleinnahmen,
wenn unter Heranziehung des ausländischen Rechts eine
Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG vorliegt.
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a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 3 EStG gehören Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr.
1 Satz 1 EStG nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus
Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die
Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27
des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG) als verwendet gelten. Zwar beschränkt sich der
Anwendungsbereich dieser Regelung für die Abgrenzung einer
nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr von einer
steuerpflichtigen Gewinnausschüttung nach dem Wortlaut des
§ 27 Abs. 1 KStG auf im Inland unbeschränkt
steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und nach § 27 Abs. 8
KStG auf Körperschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat
der Europäischen Union (EU) der unbeschränkten
Steuerpflicht unterliegen. Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 3 EStG, der lediglich
„sinngemäß“ auf die Regelung des
§ 27 KStG verweist, und die Regelung des § 27 KStG selbst
schließen eine Einlagenrückgewähr bei einer in
einem Drittstaat ansässigen Körperschaft jedoch nicht
ausdrücklich aus (a.A. Dötsch in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG und EStG,
§ 27 KStG Rz 267; Frotscher in Frotscher/Maas,
KStG/GewStG/UmwStG, § 27 KStG Rz 128; Blümich/Oellerich,
§ 27 KStG Rz 81). Auch der Gesetzgeber hat im Rahmen der
Neuregelung des § 27 KStG durch das Gesetz zur Senkung der
Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung
(Steuersenkungsgesetz) - StSenkG - vom 23.10.2000 (BGBl I 2000,
1433) und das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen
zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur
Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom
7.12.2006 (BGBl I 2006, 2782) den Willen, eine nicht steuerbare
Einlagenrückgewähr durch eine in einem Drittstaat
ansässige Kapitalgesellschaft gänzlich ausschließen
zu wollen, nicht klar zum Ausdruck gebracht (s. BRDrucks 542/1/06,
S. 2 f., BTDrucks 16/2710, S. 31 f.).
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b) Der BFH hat bereits in seinem Urteil in
BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51 die Auffassung vertreten, dass eine
Einlagenrückgewähr auch bei einer Kapitalrückzahlung
vorliegen kann, die von einem Rechtssubjekt gewährt wird, das
nicht im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU, sondern in
einem Drittstaat ansässig ist. Zwar ist die Entscheidung zur
alten Rechtslage, d.h. vor der Neuregelung des § 27 KStG durch
das StSenkG und das SEStEG ergangen. Jedoch sah auch die Regelung
des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.d.F. vom 16.4.1997, die
der Entscheidung des I. Senats des BFH in BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51 zugrunde lag, eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der
nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr auf
Ausschüttungen einer im Inland unbeschränkt
steuerpflichtigen Körperschaft vor. Der BFH hat dennoch aus
der Systematik der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG geschlossen, dass diese territoriale Einschränkung nicht
für die Einlagenrückgewähr ausländischer
Kapitalgesellschaften galt.
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c) Diese Rechtsprechung gilt nach Auffassung
des Senats auch nach dem Übergang vom Anrechnungs- zum
Halbeinkünfteverfahren fort. Würde § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG als abschließende Regelung
für eine nicht steuerbare Kapitalrückzahlung verstanden,
käme es bei einer Einlagenrückgewähr durch eine in
einem Drittstaat ansässige Körperschaft zu einer
systemwidrigen Besteuerung von Einlagen. Eine solche würde im
Hinblick darauf, dass die gesetzliche Regelung in § 27 Abs. 8
KStG grundsätzlich auch die Möglichkeit einer nicht
steuerbaren Einlagenrückgewähr durch eine in einem
EU-Mitgliedstaat ansässige und nicht im Inland
unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft vorsieht,
einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
darstellen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08,
BVerfGE 122, 210 = SIS 08 43 42).
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Eine solche Ungleichbehandlung wäre durch
sachliche Gründe nicht gerechtfertigt. Auch bei
Körperschaften in EU-Mitgliedstaaten besteht die
Schwierigkeit, dass die Anforderungen der §§ 27 ff. KStG
(Aufstellung einer Steuerbilanz nach deutschen Grundsätzen,
alljährliche Feststellungserklärungen) nicht erfüllt
werden, so dass für die Beurteilung, ob eine
Einlagenrückgewähr vorliegt, Grundkenntnisse und
Ermittlungen über das jeweilige ausländische Bilanz- und
Gesellschaftsrecht erforderlich sind (BRDrucks 542/1/06, S. 3). Die
vom BMF angeführten sachlichen Schwierigkeiten bei der
Ermittlung der Voraussetzungen für eine
Einlagenrückgewähr bei der Ausschüttung einer in
einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft als
Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung vermögen
danach nicht zu überzeugen.
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d) Eine Beschränkung des
Anwendungsbereichs der Regelungen über die
Einlagenrückgewähr auf im Inland und in
EU-Mitgliedstaaten ansässige Kapitalgesellschaften würde
nach Auffassung des Senats zudem gegen die auch für
Drittstaaten geltende Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art.
56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des
Vertrags über die Europäische Union, der Verträge
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie
einiger damit zusammenhängender Rechtsakte - EG - (Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C-325, 1) - jetzt
Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV), Amtsblatt der Europäischen
Union 2008, Nr. C-115, 47 - verstoßen. Die unionsrechtlichen
Vorgaben sind insoweit geklärt. An der richtigen Anwendung und
Auslegung des Unionsrechts bestehen aufgrund der Entscheidungen des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Emerging Markets
Series of DFA Investment Trust Company vom 10.4.2014 C-190/12
(EU:C:2014:249, IStR 2014, 333 = SIS 14 10 47), van Caster und van
Caster vom 9.10.2014 C-326/12 (EU:C:2014:2269, IStR 2014, 808 = SIS 14 30 18) und Wagner-Raith vom 21.5.2015 C-560/13 (EU:C:2015:347,
IStR 2015, 516 = SIS 15 13 23) keine Zweifel. Zwar war die
vorliegende Rechtsfrage nicht konkret Gegenstand dieser
Entscheidungen. Sie sind jedoch im Hinblick auf die
Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bei der - pauschalen,
ohne Nachweismöglichkeiten erfolgenden - Besteuerung von
Ausschüttungen eines in einem Drittstaat ansässigen
Rechtssubjekts eindeutig und entsprechend anwendbar (vgl.
Senatsurteil vom 17.11.2015 VIII R 27/12, BFHE 252, 112, BStBl II
2016, 539 = SIS 16 01 47). Danach ist dem EuGH weder die Frage zur
Vorabentscheidung vorzulegen, ob § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
i.V.m. § 27 KStG unter die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs.
1 AEUV fällt, noch ob die Kapitalverkehrsfreiheit bei der
Einlagenrückgewähr von Rechtssubjekten mit Sitz in einem
Drittstaat beschränkt wird.
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aa) Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG,
Art. 63 AEUV) gewährleistet den freien Kapital- und
Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den
Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Für die Abgrenzung der
Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG,
Art. 49 AEUV) ist nach gefestigter EuGH-Rechtsprechung auf den
Gegenstand der betreffenden Regelung (abstrakter Normgegenstand)
abzustellen. Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen
anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf
die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren
Tätigkeit zu bestimmen (Kontrollbeteiligung bzw.
Direktinvestition), fällt in den Anwendungsbereich des Art. 43
EG (jetzt Art. 49 AEUV) über die Niederlassungsfreiheit,
während nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in
der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die
Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden
soll (Streubesitzbeteiligung bzw. Portfoliobeteiligung),
ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu
prüfen sind (EuGH-Entscheidungen Kronos International vom
11.9.2014 C-47/12, EU:C:2014:2200, Rz 29 ff., IStR 2014, 724 = SIS 14 27 87, m.w.N.; X AB vom 10.6.2015 C-686/13, EU:C:2015:375, Rz 18
ff., IStR 2015, 557 = SIS 15 13 21). § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG und § 27 KStG betreffen die Abgrenzung zwischen einer
Gewinnausschüttung und einer Einlagenrückgewähr,
ohne dass die Normen an eine bestimmte Beteiligungshöhe
anknüpfen. Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit
ist danach eröffnet.
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bb) Dem steht nicht die Stillhalteklausel des
Art. 57 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) entgegen. Danach
berührt Art. 56 EG, Art. 63 AEUV nicht die Anwendung
derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am
31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder
aufgrund von Rechtsvorschriften der Union für den
Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit
Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit
der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder
der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten
bestanden. Eine solche Beschränkung bestand bezüglich der
Einlagenrückgewähr durch eine in einem Drittstaat
ansässige Kapitalgesellschaft nach dem Senatsurteil in BFHE
252, 112, BStBl II 2016, 539 = SIS 16 01 47 am 31.12.1993 jedoch
nicht, so dass offen bleiben kann, ob der Anwendungsbereich der
Stillhalteklausel im vorliegenden Fall überhaupt eröffnet
ist.
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cc) Die Beschränkung des
Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m.
§ 27 KStG auf die Einlagenrückgewähr einer im Inland
oder in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Körperschaft
verletzt die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG,
Art. 63 AEUV.
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(1) Nach ständiger Rechtsprechung des
EuGH gehören zu den Maßnahmen, die Art. 56 EG, Art. 63
Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet,
solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem
Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in
anderen Staaten abzuhalten (vgl. EuGH-Urteile Santander Asset
Management SGIIC u.a. vom 10.5.2012 C-338/11 bis C-347/11,
EU:C:2012:286, IStR 2012, 432 = SIS 12 24 93 und die dort
angeführte Rechtsprechung, sowie Bouanich vom 13.3.2014
C-375/12, EU:C:2014:138, DStRE 2014, 1115 = SIS 14 08 09).
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(2) Dies ist vorliegend der Fall. Der
Ausschluss einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr bei
Ausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen
Kapitalgesellschaft würde die Investition in Drittstaaten
behindern und die Gesellschafter von
Drittstaaten-Kapitalgesellschaften im Vergleich zu
inländischen oder EU-Sachverhalten benachteiligen. Dies gilt
auch für Sachausschüttungen in der Folge eines
„Spin-offs“. Sie würden dazu führen,
dass - nach nationalem Recht systemwidrig - die Rückzahlungen
der Einlagen in steuerbare Gewinnausschüttungen umqualifiziert
werden. Dies kann zu einer Substanzbesteuerung des Anteilseigners
und zu einem Verstoß gegen die Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit führen.
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(3) Rechtfertigungsgründe für eine
derartige Benachteiligung sind nicht ersichtlich. Die
Grundfreiheiten des EG (jetzt AEUV) können zwar
eingeschränkt werden, wenn zwingende Gründe des
Allgemeininteresses dies gebieten. Die Beschränkung muss aber
geeignet sein, die Erreichung des erfolgten Ziels zu
gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was
hierzu erforderlich ist. Es sind keine hinreichend tragfähigen
Gründe erkennbar, die es vertretbar erscheinen lassen
könnten, dem inländischen Gesellschafter einer
Drittstaaten-Kapitalgesellschaft von vornherein die
Möglichkeit abzuschneiden, eine Einlagenrückgewähr
nachzuweisen, zumal der Gesetzgeber - trotz der praktischen
Schwierigkeiten - einen solchen Nachweis für
Ausschüttungen von Körperschaften oder
Personenvereinigungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU
der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, durch die
Regelung des § 27 Abs. 8 KStG zugelassen hat.
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(4) Der auf Grundlage des EuGH-Urteils van
Caster und van Caster (EU:C:2014:2269, IStR 2014, 808 = SIS 14 30 18) allein in Betracht kommende Rechtfertigungsgrund der
„Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle“ ist
nicht gegeben. Der nach dem DBA-USA abkommensrechtlich bestehende
Auskunftsanspruch gegenüber der US-amerikanischen
Finanzverwaltung bietet der deutschen Finanzverwaltung eine
ausreichende Verifikationsmöglichkeit, um Angaben der
Steuerpflichtigen zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer nicht
steuerbaren Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1
Nr. 1 Satz 3 EStG überprüfen zu können (s. hierzu
Senatsurteil in BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539 = SIS 16 01 47).
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dd) Danach ist unter Fortführung der
Rechtsprechung des BFH in BFHE 232, 15 = SIS 11 05 51 § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG unionsrechtskonform dahingehend
auszulegen, dass eine Einlagenrückgewähr auch von einer
Gesellschaft getätigt werden kann, die in einem Drittstaat
ansässig ist und für die kein steuerliches Einlagekonto
i.S. des § 27 KStG geführt wird. Dies gilt auch dann,
wenn für Gesellschaften aus Drittstaaten ein formelles
Feststellungsverfahren für das steuerliche Einlagekonto nach
§ 27 Abs. 1 bzw. Abs. 8 KStG fehlt (Antweiler in Ernst &
Young, KStG, § 27 Rz 374; Sedemund/Fischenich, BB 2008, 1656).
Zwar stehen Anteilseigner einer Drittstaaten-Körperschaft
damit unter Umständen besser als Anteilseigner einer im Inland
oder in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft.
Jedoch sind die für diese geregelten Nachweisvorschriften
weder unmittelbar noch analog anwendbar.
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3. Aus der pauschalen Feststellung des FG, aus
der Darstellung des Eigenkapitals (Stockholders Equity) der A
folge, dass bei der Zuteilung der B Aktien keine
Gewinnausschüttung vorgenommen worden sei, kann nicht der
Schluss gezogen werden, dass eine nichtsteuerbare
Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG vorliegt. Die vom FG zu Bestehen und Inhalt des
ausländischen Rechts getroffenen Feststellungen sind für
den BFH zwar nach § 155 FGO i.V.m. § 560 der
Zivilprozessordnung grundsätzlich bindend. Die Bindungswirkung
entfällt allerdings, soweit die erstinstanzlichen
Feststellungen zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts
keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung
darüber geschaffen haben, ob bei rechtsvergleichender
Betrachtung eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr
vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2014 III R 4/13, BFH/NV 2015,
845 = SIS 15 10 86, m.w.N.).
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4. Das Urteil kann daher keinen Bestand haben.
Es ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO
aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das
FG hat die erforderlichen Feststellungen zur Qualifizierung der
Sachausschüttung unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Senats im Urteil vom 13.7.2016 VIII R 73/13
(zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) nachzuholen.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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