Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23.5.2012 1 K
1159/08 = SIS 12 21 04 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Beteiligten streiten über die
Besteuerung von Einkünften der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) aus sog.
„intransparenten“ ausländischen Fonds mit Sitz in
den Vereinigten Staaten von Amerika nach § 6 des
Investmentsteuergesetzes in der im Streitjahr (2004) anzuwendenden
Fassung (InvStG).
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Die Klägerin war im Streitjahr
verheiratet und wurde mit ihrem Ehemann zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt.
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Sie erzielte u.a. Einkünfte aus
Anteilen an 20 verschiedenen Investmentfonds mit Sitz in den
Vereinigten Staaten von Amerika. Die Investmentfonds hatten die
Veröffentlichungs- und Bekanntmachungspflichten
gemäß § 5 InvStG nicht erfüllt.
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Die für das Streitjahr erklärten
Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen
enthielten u.a. Einkünfte aus Ausschüttungen der
Investmentfonds. Eine pauschale Ermittlung der Einkünfte aus
diesen Investmentfonds gemäß § 6 InvStG reichte die
Klägerin nicht ein. In einer Anlage zur Anlage KAP der
Einkommensteuererklärung machte sie geltend, § 6 InvStG
sei nicht anzuwenden, da die Norm verfassungswidrig und nicht mit
dem Unionsrecht vereinbar sei.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Einkommensteuer für das
Streitjahr mit Bescheid vom 31.8.2005 zunächst
erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung fest und forderte die Klägerin auf, eine
Einkünfteermittlung nach § 6 InvStG vorzulegen.
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Während des folgenden
Einspruchsverfahrens wandte die Klägerin weiterhin ein, §
6 InvStG verstoße gegen das Unionsrecht. Sie legte gleichwohl
eine Einkünfteermittlung vor, in der sie die Einkünfte
aus den ausländischen Investmentvermögen nach § 6
InvStG ermittelte. Das FA änderte daraufhin die
Steuerfestsetzung für das Streitjahr durch
Änderungsbescheid vom 9.11.2005. Nach Abgabe einer
korrigierten Einkünfteermittlung gemäß § 6
InvStG durch die Klägerin setzte es die Einkommensteuer in der
Einspruchsentscheidung vom 4.6.2008 in Höhe von 25.130 EUR
fest. Dabei legte es Einnahmen der Klägerin aus
Kapitalvermögen in Höhe von 101.561 EUR und (nach Abzug
der Werbungskosten in Höhe von 9.663 EUR und des
Sparer-Freibetrags von 2.674 EUR) Einkünfte aus
Kapitalvermögen in Höhe von 89.224 EUR der Besteuerung
zugrunde.
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Die in der Steuerfestsetzung erfassten
Einkünfte aus den US-Investmentfonds beinhalten neben den
erklärten Ausschüttungen aus den amerikanischen
Investmentfonds in Höhe von 17.494 EUR zusätzlich
pauschal gemäß § 6 InvStG ermittelte
Kapitalerträge in Höhe von 38.222 EUR.
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Das Finanzgericht (FG) hat die
anschließend erhobene Klage mit Urteil vom 23.5.2012 1 K
1159/08 abgewiesen. Die Entscheidung ist in EFG 2012, 1727 = SIS 12 21 04 veröffentlicht.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin
ihr Begehren weiter.
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Während des Revisionsverfahrens
entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit
Urteil van Caster und van Caster vom 9.10.2014 C-326/12
(EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18), Art. 63 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) sei dahin auszulegen, dass er § 6 InvStG entgegenstehe.
Wenn ein ausländischer Investmentfonds die unterschiedslos
für inländische und ausländische Fonds geltenden
Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung
bestimmter Angaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG nicht
erfülle, seien die Erträge, die der Steuerpflichtige aus
diesem Investmentfonds erziele, nicht allein deswegen pauschal zu
besteuern. § 6 InvStG müsse es dem Steuerpflichtigen
ermöglichen, Unterlagen oder Informationen beizubringen, um
die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte
nachzuweisen.
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Die Klägerin hält unter Verweis
auf die Entscheidung des EuGH van Caster und van Caster
(EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18) an ihrem
Begehren fest. Die Entscheidung des FG verletze materielles
Bundesrecht.
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Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des angefochtenen Urteils der Vorinstanz die
Einkommensteuerfestsetzung 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4.6.2008 zu ändern und die
Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um 40.446
EUR zu mindern.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Verfahren beigetreten. Es hat keinen Antrag
gestellt.
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Wie für die Vorgängervorschrift
des § 18 Abs. 3 des Gesetzes über den Vertrieb
ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung
der Erträge (AuslInvestmG) gelte auch für § 6 InvStG
die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV. Die Regelung
beinhalte lediglich eine Abmilderung der Rechtsfolgen der
Vorgängerregelung.
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Die im EuGH-Urteil van Caster und van
Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18)
anerkannte Nachweismöglichkeit für die
Besteuerungsgrundlagen des Fonds gelte nicht in
Drittstaatenfällen. Wenn der Klägerin eine
Nachweismöglichkeit zustehen sollte, müsse dieser
Nachweis den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 28.7.2015 (BStBl I
2015, 610 = SIS 15 16 46) genügen. Die Besteuerungsgrundlagen
der ausländischen Fonds seien von der Klägerin bislang
nicht dargelegt worden.
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II. Die Revision ist begründet und die
Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und wird
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Zwar sind auch bei Privatanlegern
Kapitalerträge aus amerikanischen Investmentfonds unter den
Voraussetzungen des § 6 InvStG pauschal zu besteuern (s.
nachfolgend unter 1.). Das FG ist jedoch zu Unrecht davon
ausgegangen, dass die Kapitalerträge der Klägerin aus den
streitbefangenen ausländischen Investmentfonds im Streitjahr
nach § 6 InvStG pauschal zu ermitteln sind. Der Klägerin
steht die Möglichkeit zu, die gemäß § 5 Abs. 1
InvStG erforderlichen Angaben für die einzelnen Fonds
darzulegen (s. nachfolgend unter 2.). Die Sache ist nicht
spruchreif (s. nachfolgend unter 3.).
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1. Der Senat teilt nicht die Auffassung der
Klägerin, dass die Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 1.
Halbsatz InvStG keine Rechtsgrundlage für eine pauschale
Ermittlung der Kapitalerträge aus den amerikanischen
Investmentfonds nach § 6 InvStG bei Privatanlegern bieten.
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In Bezug auf Erträge aus
Investmentanteilen wird in § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz
InvStG allgemein bestimmt, dass die auf Investmentanteile
ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen
Erträge und der Zwischengewinn jeweils zu den Einkünften
aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
gehören, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Anlegers oder
Leistungen i.S. des § 22 Nr. 5 EStG sind. Diese Regelung gilt
für sämtliche Anleger von Investmentfonds und damit auch
für Privatanleger.
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Zwar sind nach dem Einleitungssatz in § 5
Abs. 1 Satz 1 InvStG die §§ 2 und 4 InvStG nur
anzuwenden, wenn der Fonds die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der
Vorschrift angeführten Bekanntmachungs- und
Veröffentlichungspflichten erfüllt. Dies kann aber nicht
so verstanden werden, als habe sich der Gesetzgeber bei
Privatanlegern die erkennbar auch bei
„intransparenten“ Fonds gewollte Steuerbarkeit
der nach § 6 InvStG ermittelten Kapitalerträge durch ein
Redaktionsversehen „selbst aus der Hand
geschlagen“, wenn der Fonds die Verpflichtungen aus
§ 5 InvStG nicht erfüllt (so überzeugend Beschluss
des FG Düsseldorf vom 3.5.2012 16 K 3383/10 F, IStR 2012, 663
= SIS 12 22 95, unter Rz 17 bis 22; BMF-Schreiben vom 18.8.2009,
BStBl I 2009, 931 = SIS 09 27 27, Tz. 130; Blümich/Wenzel,
EStG, KStG, GewStG, § 6 InvStG Rz 33; Kreft, in: Moritz/Jesch,
InvStG, Band 2, § 6 Rz 44; Jesch/Haug, FR 2014, 1076 f.;
Egner/Wölfert, DStR 2013, 381, 383; a.A.
Büttner/Mücke in Berger/Steck/Lübbehüsen,
InvG/InvStG, § 6 InvStG Rz 24, m.w.N. auch zur gegenteiligen
h.M.; Rohde/Neumann, FR 2012, 247, 249). Hierfür spricht nicht
zuletzt auch die in § 6 Satz 3 InvStG enthaltene
Zuflussfiktion für Mehr- und Mindestbeträge, die
abweichend von § 11 Abs. 1 EStG den Zufluss der
Kapitalerträge nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 6 InvStG zum
Ablauf des Kalenderjahres fingiert und die ansonsten teilweise
gegenstandslos wäre.
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2. Die Würdigung des FG, die
Kapitalerträge der Klägerin aus den streitbefangenen
ausländischen Investmentfonds seien in jedem Fall pauschal
gemäß § 6 InvStG zu ermitteln und zu versteuern,
hält der revisionsrechtlichen Prüfung jedoch nicht stand,
da § 6 InvStG auch in Drittstaatenfällen am Maßstab
des Art. 63 AEUV zu messen ist. Danach ist die Vorentscheidung
aufzuheben.
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a) Die in § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2
InvStG für eine Besteuerung des Anlegers nach dem
Transparenzprinzip enthaltenen Vorgaben wurden von den
amerikanischen Investmentfonds, an denen die Klägerin
beteiligt war, nicht erfüllt. Auf dieser Grundlage wären
die Kapitalerträge der Klägerin aus diesen Fonds
gemäß § 20 Abs. 1 EStG i.V.m. §§ 2 Abs. 1
Satz 1 1. Halbsatz, 6 InvStG pauschal zu ermitteln.
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b) Die Kapitalerträge der Klägerin
gemäß § 6 InvStG dürfen auf Grundlage des
EuGH-Urteils van Caster und van Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV
2014, 2029 = SIS 14 30 18) jedoch nicht allein deshalb pauschal
ermittelt werden, weil die ausländischen Fonds keine den
Anforderungen des § 5 InvStG genügenden Angaben gemacht
haben. § 6 InvStG ist auch in Drittstaatenfällen am
Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu messen.
Der Senat folgt insoweit nicht der im BMF-Schreiben in BStBl I
2015, 610 = SIS 15 16 46 und vom Vertreter des BMF in der
mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung, die
im EuGH-Urteil van Caster und van Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV
2014, 2029 = SIS 14 30 18) durch den EuGH anerkannte
Nachweismöglichkeit zur Vermeidung der Pauschalbesteuerung
stehe nur inländischen Anlegern von Investmentfonds mit Sitz
in der Europäischen Union (EU) oder einem Vertragsstaat des
Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zu (s. nachfolgend unter
c). Da die Vorentscheidung diese Nachweismöglichkeit der
Klägerin nicht beachtet hat, ist sie rechtsfehlerhaft und
aufzuheben.
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aa) § 6 InvStG fällt entgegen der
Auffassung des FA und des BMF nicht unter die Stillhalteklausel des
Art. 64 Abs. 1 AEUV, sondern ist am Maßstab der
Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) zu messen.
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Zwar berührt Art. 63 AEUV nach dem
Wortlaut des Art. 64 Abs. 1 AEUV nicht die Anwendung derjenigen
Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12.1993
aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aufgrund von
Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit
dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen
einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung,
der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von
Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestanden.
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Dementsprechend hat der EuGH mit Urteil
Wagner-Raith vom 21.5.2015 C-560/13 (EU:C:2015:347, BFH/NV 2015,
1069 = SIS 15 13 23) für die Vorgängervorschrift des
§ 6 InvStG, § 18 Abs. 3 AuslInvestmG, entschieden, die
Regelung sei für ausländische Investmentfonds aus
Drittstaaten nicht am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu
messen.
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Auch der Umstand, dass § 6 InvStG (in der
Fassung des Art. 2 des Investmentmodernisierungsgesetzes -
InvestmModG - vom 15.12.2003, BGBl I 2003, 2676) am 1.1.2004 (vgl.
§ 18 Abs. 1 InvStG i.V.m. Art. 17 InvestmModG) in Kraft
getreten ist, schließt die Anwendung der Stillhalteklausel
nicht aus. Nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH können
unter die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV auch nach dem
31.12.1993 erlassene Regelungen fallen (s. EuGH-Urteil Emerging
Markets Series of DFA Investment Trust Company vom 10.4.2014
C-190/12, EU:C:2014:249, Rz 45 bis 48, IStR 2014, 333 = SIS 14 10 47).
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bb) Hinsichtlich des § 6 InvStG liegen
jedoch die Voraussetzungen nicht vor, die der EuGH für den
Einbezug einer nach dem 31.12.1993 erlassenen Regelung in den
Anwendungsbereich der Stillhalteklausel formuliert hat (s. z.B. das
EuGH-Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust
Company, EU:C:2014:249, Rz 47 f., IStR 2014, 333 = SIS 14 10 47).
Die Regelung fällt somit nicht unter die
Stillhalteklausel.
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aaa) Maßgeblich ist nach dieser
Rechtsprechung, ob eine später in Kraft getretene Vorschrift
im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmt
oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der
Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte und Freiheiten
entgegenstand, abmildert oder beseitigt. Ist dies der Fall,
fällt auch die später erlassene Regelung unter die
Ausnahmeregelung. Beruht eine Regelung hingegen auf einem anderen
Grundgedanken als das frühere Recht und schafft sie neue
Verfahren, so kann sie Rechtsvorschriften, die zu dem im
betreffenden Gemeinschaftsrechtsakt genannten Zeitpunkt bestanden,
nicht gleichgestellt werden. Ob eine Regelung auf einem anderen
Grundgedanken als das frühere Recht beruht und neue Verfahren
schafft, ist vom nationalen Gericht zu beurteilen. Dieses hat den
Inhalt der Rechtsvorschriften festzustellen, die zu einem in einem
Unionsrechtsakt festgelegten Zeitpunkt bestehen.
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bbb) § 6 InvStG ist als eine auf einem
neuen Grundgedanken beruhende Regelung im Sinne der Vorgaben des
EuGH zu beurteilen und ist Bestandteil eines neu geschaffenen
Verfahrens (s. ebenso Patzner/Nagler, IStR 2015, 511, 513;
Schönfeld, IStR 2015, 671, 674; a.A. Petersen, Internationale
Steuer-Rundschau - ISR - 2015, 289, 292: reine Abmilderung der
Vorgängervorschrift; wohl auch Geurts, Europäische
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2014, 938, 941).
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Die Änderungen durch das InvestmModG ab
2004 führten nach eigenem Bekunden des Gesetzgebers zu einer
grundlegenden Neukonzeption der Investmentbesteuerung. Der
Gesetzgeber wollte durch die Neuregelung das Gesetz über
Kapitalanlagegesellschaften und das AuslInvestmG in einem modernen
Gesetz vereinheitlichen (BTDrucks 15/1553, S. 65). Anknüpfend
an die in § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG nunmehr für in- und
ausländische Fonds einheitlich geltenden Bekanntmachungs- und
Veröffentlichungspflichten werden dreistufig für
„transparente“ Fonds,
„semitransparente“ Fonds (§ 5 Abs. 1 Satz 2
InvStG) sowie „intransparente“ (schwarze) Fonds
(§ 6 InvStG) in Bezug auf die Rechtsfolgen abgestufte
unterschiedliche Regelungen getroffen. Der Gesetzgeber hat als
Regelungsziel dieser Neuordnung formuliert, bei Auslandsfonds
bislang bestehende Benachteiligungen beseitigen zu wollen (BTDrucks
15/1553, S. 69), indem durch die (weitgehende) steuerliche
Gleichbehandlung von in- und ausländischen Investmentfonds
ausländischen Anbietern von Kapitalanlagen der Zugang zum
deutschen Markt erleichtert werden sollte (zustimmend Forst/Frings,
Der Ertrag-Steuer-Berater - EStB - 2004, 85;
Kayser/Steinmüller, FR 2004, 137, 142 f.).
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Zugleich wollte der Gesetzgeber in § 5
InvStG die von ausländischen Fonds bekannt zu machenden
Angaben ausweiten (BTDrucks 15/1553, S. 126). Diese müssen
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvStG die Summe der
nach dem 31.12.1993 den Anlegern zugerechneten, aber noch nicht dem
Kapitalertragsteuerabzug unterworfenen Erträge ermitteln und
mit dem Rücknahmepreis veröffentlichen. Zum anderen
müssen ausländische Investmentgesellschaften
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InvStG auf
Anforderung dem Bundesamt für Finanzen die Richtigkeit der
angegebenen Besteuerungsgrundlagen innerhalb von drei Monaten
vollständig nachweisen.
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ccc) An diese neu geordneten und teilweise
verschärften Bekanntmachungs- und
Veröffentlichungspflichten in § 5 InvStG als Ausdruck
eines neuen gesetzgeberischen Konzepts der Fondsbesteuerung
knüpft § 6 InvStG als Rechtsfolgenregelung an und
bestimmt die pauschale Ermittlung der Kapitalerträge beim
Anteilsscheininhaber, wenn die Bekanntmachungs- und
Veröffentlichungspflichten des § 5 InvStG durch den in-
oder ausländischen Fonds nicht erfüllt werden. Auch
hinsichtlich der Rechtsfolgen handelt es sich aus Sicht des Senats
bei den ab 2004 geltenden Regelungen daher um ein in sich
geschlossenes neues System, das das vorher bestehende System des
AuslInvestmG abgelöst hat (s. auch oben unter II.1.; Kayser/
Steinmüller, FR 2004, 137 f.). § 6 InvStG ist im
Schrifttum daher auch als Kernelement einer „neuen
Strafbesteuerung“ eingeordnet worden (Forst/Frings, EStB
2004, 85, 87).
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ddd) Dem steht nicht entgegen, dass der
Gesetzgeber § 6 InvStG in der Gesetzesbegründung als der
Regelung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nachgebildet und als
Abmilderung der Rechtsfolgen der Vorgängervorschrift erachtet
hat (BTDrucks 15/1553, S. 126). Ungeachtet dieser postulierten
„Abmilderung“ kann § 6 InvStG, wie zuvor
§ 18 Abs. 3 AuslInvestmG, zu einer Besteuerung der
Vermögenssubstanz beim Anleger führen (s. hierzu das
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.7.2015 VIII R 2/09, DStR
2015, 2824 = SIS 15 28 24), weil der Anleger selbst dann besteuert
wird, wenn seine Investmentanteile an Wert verloren haben
(Kayser/Steinmüller, FR 2004, 137, 144). Zudem beinhaltet
§ 6 InvStG eine Verschärfung gegenüber der
Vorgängerregelung, da die für den Steuerpflichtigen nach
§ 18 Abs. 2 AuslInvestmG gesetzlich vorgesehene
Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen des Investmentfonds
selbst nachweisen zu können, nach dem Wortlaut des § 6
InvStG nicht besteht.
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c) § 6 InvStG verletzt im Streitfall die
Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV.
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aa) Der EuGH hat mit Urteil van Caster und van
Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18)
entschieden, Art. 63 AEUV sei dahin auszulegen, dass § 6
InvStG zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
führe (s. auch Rohde/Neumann, FR 2012, 247, 253). Nach Rz 36
des Urteils werden die investmentsteuerlichen Berichts- und
Informationspflichten gerade von einem Investmentfonds, der nicht
auf dem deutschen Markt tätig sei und nicht aktiv auf diesen
Markt abziele, wahrscheinlich nicht erfüllt, da dieser kaum
einen Anreiz hierfür habe. Da es sich bei solchen Fonds in der
Regel um ausländische Fonds handele, sei - so der EuGH -
festzustellen, dass § 6 InvStG geeignet sei, einen deutschen
Anleger davon abzuhalten, Anteile an einem solchen
ausländischen Investmentfonds zu zeichnen. Denn § 6
InvStG setze ihn einer nachteiligen pauschalen Besteuerung aus,
ohne ihm die Möglichkeit zu bieten, Unterlagen oder
Informationen beizubringen, mit denen sich die Höhe seiner
tatsächlichen Einkünfte nachweisen lasse.
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Dies folgt zudem aus den auf den Streitfall
übertragbaren Ausführungen in Rz 21 bis 26 des
EuGH-Urteils Wagner-Raith (EU:C:2015:347, BFH/NV 2015, 1069 = SIS 15 13 23), in denen der EuGH für Drittstaatenfonds
festgestellt hat, die Pauschalbesteuerung des § 18 Abs. 3
AuslInvestmG beeinträchtige die Kapitalverkehrsfreiheit.
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bb) Im Streitfall ist die
Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die
Pauschalbesteuerung gemäß § 6 InvStG auch nicht bei
Anlegern von Drittstaatenfonds mit Sitz in den Vereinigten Staaten
von Amerika gerechtfertigt. Der auf Grundlage des EuGH-Urteils van
Caster und van Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18) allein in Betracht kommende Rechtfertigungsgrund der
„Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle“ ist
nicht gegeben.
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aaa) Der EuGH hat in Rz 49 des Urteils van
Caster und van Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18) betont, § 6 InvStG gehe für Investmentfonds mit
Sitz in EU-/EWR-Staaten über das hinaus, was erforderlich sei,
um die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu
gewährleisten. Denn es lasse sich nicht von vornherein
ausschließen, dass die betreffenden Steuerpflichtigen
einschlägige Belege vorlegen könnten, anhand derer die
Steuerbehörden des Besteuerungsmitgliedstaats die Angaben, die
erforderlich seien, um die Steuer auf die Erträge aus den
Investmentfonds ordnungsgemäß zu bemessen, klar und
genau prüfen könnten (Rz 50). Die Finanzverwaltung
könne hinsichtlich der Angaben den Inhalt, die Form und das
Maß an Präzision bestimmen, denen die Angaben
genügen müssten, die ein deutscher Steuerpflichtiger, der
Anteile an einem ausländischen Investmentfonds gezeichnet
habe, einreichen müsse, um in den Genuss der
„transparenten“ Besteuerung zu kommen (Rz 52).
Sie könne Angaben in derselben Qualität verlangen, wie
sie in § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG vorgeschrieben und durch einen
gesetzlich zur Erbringung von Steuerberatungsleistungen befugten
Berufsträger zu überprüfen und zu bestätigen
seien. Sie sei aber bei lückenhaften oder unvollständigen
Angaben des Steuerpflichtigen ungeachtet des Verwaltungsaufwands
verpflichtet, durch einen internen Informationsaustausch innerhalb
der deutschen Finanzverwaltung zu gewährleisten, dass die
Angaben des Steuerpflichtigen dem entsprächen und müsse
sich auch auf Grundlage der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom
19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den
zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der
direkten Steuern (Amtshilfe-Richtlinie) an die Behörden eines
anderen Mitgliedstaats wenden, um alle Auskünfte zu erhalten,
die sich als notwendig für die ordnungsgemäße
Bemessung der Steuer eines Steuerpflichtigen erwiesen (Rz 54 f. des
Urteils).
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bbb) Die Rechtfertigung der Beschränkung
der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 6 InvStG hängt somit
davon ab, ob der deutschen Finanzverwaltung gegenüber der
amerikanischen Steuerverwaltung vergleichbare
Verifikationsmöglichkeiten im Hinblick auf die Erträge
der amerikanischen Investmentfonds wie im Rahmen der
Amtshilfe-Richtlinie zustehen (vgl. auch EuGH-Urteil Emerging
Markets Series of DFA Investment Trust Company, EU:C:2014:249, Rz
84, IStR 2014, 333 = SIS 14 10 47; Patzner/Nagler, IStR 2014, 848,
852; wohl auch Jesch/Haug, FR 2014, 1076, 1080). Es ist Sache des
nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die vertraglichen
Verpflichtungen zwischen dem Sitzstaat des Anlegers (hier:
Bundesrepublik Deutschland) und dem Sitzstaat des Investmentfonds
(hier: Vereinigte Staaten von Amerika), die einen gemeinsamen
Rechtsrahmen für die Zusammenarbeit schaffen und Verfahren
für den Informationsaustausch zwischen den betroffenen
nationalen Behörden vorsehen, es der deutschen
Finanzverwaltung ermöglichen, Informationen über die in
den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Investmentfonds
über die amerikanische Steuerverwaltung zu erhalten (vgl.
EuGH-Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust
Company, EU:C:2014:249, Rz 87 f., IStR 2014, 333 = SIS 14 10 47).
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ccc) Rechtsgrundlage des
Informationsaustauschs kann auch ein Auskunftsanspruch im
Doppelbesteuerungsabkommen sein (EuGH-Urteil Emerging Markets
Series of DFA Investment Trust Company, EU:C:2014:249, Rz 86, IStR
2014, 333 = SIS 14 10 47; Henze, ISR 2014, 384, 390; Kammeter, ISR
2014, 165, 169; Patzner/Nagler, IStR 2014, 341, 344). Ein solcher
ist im Streitfall in hinreichender Form gegeben. Nach Art. 26 Abs.
1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und
einiger anderer Steuern vom 29.8.1989 (BGBl II 1991, 355, BStBl I
1991, 95) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (DBA-USA
1989) steht der Finanzverwaltung ein umfassendes Informationsrecht
zu. Die Regelung ist als sog. große Auskunftsklausel
Rechtsgrundlage sowohl für die Auskunftserteilung auf Ersuchen
als auch für die spontane Auskunftserteilung und gewährt
der deutschen Finanzverwaltung das Recht, Auskünfte auch nur
zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts zu verlangen
(vgl. Hendricks in Wassermeyer, DBA, MA Art. 26 Rz 1, 14; Czakert
in Schönfeld/ Ditz, DBA, Art. 26 Rz 192). Das Protokoll vom
1.6.2006 zur Änderung des DBA-USA 1989 ermöglicht laut
Nr. 23 Buchst. a seit dem 1.1.2008 für die Festsetzung der
Einkommensteuer u.a., dass Informationen auch bei Finanzinstituten,
Bevollmächtigten, Vertretern oder Treuhändern beschafft
werden dürfen.
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Der abkommensrechtliche Auskunftsanspruch
gegenüber der amerikanischen Finanzverwaltung bietet damit der
deutschen Finanzverwaltung eine ausreichende
Verifikationsmöglichkeit, um Angaben der Klägerin zu den
Besteuerungsgrundlagen der amerikanischen Investmentfonds
überprüfen zu können. Die Beschränkung der
Kapitalverkehrsfreiheit durch § 6 InvStG ist daher im
Streitfall wie bei Ansässigkeit der Fonds in der EU oder einem
Vertragsstaat des EWR nicht gerechtfertigt.
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d) Die unionsrechtlichen Vorgaben sind
geklärt. An der richtigen Anwendung und Auslegung des
Unionsrechts besteht aufgrund der Entscheidungen des EuGH Emerging
Markets Series of DFA Investment Trust Company (EU:C:2014:249, IStR
2014, 333 = SIS 14 10 47), van Caster und van Caster
(EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18) und Wagner-Raith
(EU:C:2015:347, BFH/NV 2015, 1069 = SIS 15 13 23) für den
Senat kein Zweifel, sodass das Verfahren nicht auszusetzen und dem
EuGH zur Vorabentscheidung hinsichtlich der Fragen vorzulegen ist,
ob § 6 InvStG unter die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs. 1
AEUV fällt und die Kapitalverkehrsfreiheit bei der Beteiligung
an Investmentfonds mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika
beschränkt (vgl. EuGH-Urteil Intermodal Transports vom
15.9.2005 C-495/03, EU:C:2005:552, Rz 33, BFH/NV 2006, Beilage 1,
43 = SIS 05 46 18).
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3. Die Sache ist nicht spruchreif und wird zur
weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverwiesen. Sollte die Klägerin im zweiten
Rechtsgang Nachweise zu den Besteuerungsgrundlagen der Fonds
vorlegen, wird das FG diese inhaltlich zu beurteilen und zu
entscheiden haben, ob § 6 InvStG anzuwenden ist (s.
nachfolgend unter a). Sollte § 6 InvStG mangels
Nachweisführung anzuwenden sein, wird das FG die inhaltliche
Richtigkeit der Ermittlung der Kapitalerträge erneut zu
prüfen haben (s. nachfolgend unter b).
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a) Die Klägerin hat einen Nachweis, der
zur vollständigen oder teilweisen Nichtanwendung des § 6
InvStG für die Kapitalerträge aus den Investmentfonds der
Klägerin führt, bislang nicht erbracht.
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aa) Die Vorgaben des EuGH-Urteils van Caster
und van Caster (EU:C:2014:2269, BFH/NV 2014, 2029 = SIS 14 30 18)
sind im Streitfall in der Weise umzusetzen, dass § 6 InvStG
unionsrechtskonform auszulegen ist. Demnach darf die
Finanzverwaltung das Merkmal in § 6 InvStG, dass „die
Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 nicht erfüllt
sind“, nicht allein deshalb als gegeben ansehen, weil die
amerikanischen Investmentfonds diese Angaben nicht gemacht
haben.
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Der Klägerin steht die Möglichkeit
zu, Belege vorzulegen, anhand derer die Finanzverwaltung die
Angaben, die erforderlich sind, um die Steuer auf die Erträge
aus den Investmentfonds wie bei „transparenten“
und „semitransparenten“ Fonds
ordnungsgemäß zu bemessen, klar und genau prüfen
kann. Bei lückenhaften Angaben der Klägerin ist die
Finanzverwaltung gehalten, ihre innerstaatlichen und
abkommensrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Angaben
der Klägerin zu vervollständigen.
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Der Inhalt, die Form und das Maß an
Präzision, denen die Angaben genügen müssen, die ein
deutscher Steuerpflichtiger, der Anteile an einem
ausländischen Investmentfonds gezeichnet hat, einreicht, um in
den Genuss der „transparenten“ Besteuerung zu
kommen, sind von der Finanzverwaltung zu bestimmen, um dieser die
ordnungsgemäße und einheitliche Besteuerung der
inländischen Anleger zu ermöglichen (s. EuGH-Urteil van
Caster und van Caster, EU:C:2014:2269, Rz 52 f., BFH/NV 2014, 2029
= SIS 14 30 18). Die aus seiner Sicht erforderlichen Angaben hat
das BMF im BMF-Schreiben in BStBl I 2015, 610 = SIS 15 16 46
konkretisiert.
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bb) Die Klägerin hat bislang keine
Nachweise vorgelegt, die in Anlehnung an die Vorgaben des § 5
InvStG die Zusammensetzung der Erträge auf Ebene der einzelnen
Fonds auch nur in Grundzügen wiedergeben. Die im
Klageverfahren vorgelegten Unterlagen weisen nur die
Gesamterträge der jeweiligen Fonds aus, ohne diese einzelnen
Ertragsarten zuzuordnen. Jedoch hat die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie eine weitergehende
Nachweisführung hierzu anstrebe.
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cc) Sollten die von der Klägerin im
zweiten Rechtsgang einzureichenden Angaben zu den
Besteuerungsgrundlagen der einzelnen Fonds lückenhaft und
nicht weiter aufklärbar sein, kommt nach Auffassung des
erkennenden Senats eine Schätzung zugunsten der Klägerin
allenfalls in einem sehr engen Rahmen in Betracht. Denkbar
wäre diese, wenn sich für einzelne Besteuerungsgrundlagen
eines Fonds ergibt, dass sich die ausländischen Einnahmen
nicht zweifelsfrei den in § 5 Abs. 1 InvStG genannten
inländischen Erträgen zuordnen lassen und durch die
schätzweise Zuordnung Unklarheiten geringen Umfangs beseitigt
werden können (s. zur Führung des Nachweises im
Schrifttum Jesch/Haug, FR 2014, 1076, 1078; dieselben, Deutsche
Steuerzeitung 2015, 130, 136; Simonis/Faller/Oehlschlägl, DB
2015, 2855, 2859 f.; Ebner/Meinert, Neue Wirtschafts-Briefe 2015,
416, 425 f.).
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b) Sollte die Klägerin den Nachweis zu
den Besteuerungsgrundlagen ihrer Fonds entsprechend § 5 Abs. 1
InvStG nicht führen, sind ihre Kapitalerträge
gemäß § 6 InvStG pauschal zu ermitteln. Auch in
diesem Fall wird das FG die Höhe der derzeit gemäß
§ 6 InvStG ermittelten Kapitalerträge erneut zu
prüfen haben.
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Bislang sind neben den nach § 6 InvStG
ermittelten Erträgen aus den einzelnen Fonds in Höhe von
38.222 EUR die der Klägerin aus den Investmentfonds
tatsächlich zugeflossenen und erklärten
Ausschüttungen (17.494 EUR) in der angefochtenen
Steuerfestsetzung als Kapitalerträge erfasst. Es ist
zweifelhaft, ob dies zutreffend ist.
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aa) Nach § 6 Satz 1 2. Halbsatz InvStG
sind beim Anleger mindestens 6 % des letzten im Kalenderjahr
festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen, wenn dieser sog.
Mindestbetrag den Betrag der Ausschüttungen des Fonds im
betreffenden Kalenderjahr zuzüglich 70 % des Mehrbetrags
zwischen dem ersten im Kalenderjahr festgesetzten
Rücknahmepreis und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten
Rücknahmepreis übersteigt. Der am Jahresende als
ausgeschüttet und zugeflossen geltende Mindestbetrag (§ 6
Satz 3 InvStG) ist aber um den Gesamtbetrag der Ausschüttungen
des Fonds zu kürzen (s. BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 931 =
SIS 09 27 27, Tz. 127; Blümich/Wenzel, a.a.O., § 6 Rz 33;
Kreft in Moritz/Jesch, a.a.O., § 6 Rz 30, 33).
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Die von der Klägerin im
Einspruchsverfahren vorgelegte Tabelle, in der sie nach § 6
InvStG pauschal zu ermittelnde Einkünfte in Höhe von
38.222 EUR berechnet und die sich das FG zu eigen gemacht hat,
weist für die meisten Fonds den Ansatz von
Mindestbeträgen aus, ohne dass aus der Berechnung oder den
Feststellungen des FG ersichtlich wäre, ob bei den einzelnen
Fonds diese Mindestbeträge mit den in der
Einkommensteuererklärung angegebenen tatsächlichen
Ausschüttungen aus denselben Fonds verrechenbar waren.
Entsprächen im Streitfall die nach § 6 InvStG ermittelten
Kapitalerträge in Höhe von 38.222 EUR den
Mindestbeträgen in Höhe von 6 % der Rücknahmepreise,
wäre deren Ansatz neben den ausgeschütteten Beträgen
in Höhe von 17.494 EUR bei den Kapitalerträgen der
Klägerin unzutreffend. Es ist demnach vom FG im zweiten
Rechtsgang für die einzelnen Investmentfonds der Klägerin
zu prüfen, ob die Mindestbeträge (nach Verrechnung mit
tatsächlichen Ausschüttungen) oder ob die
Ausschüttungsbeträge erhöht um 70 % der
Differenzbeträge zwischen erstem und letztem
Rücknahmepreis des jeweiligen Fondsanteils (sog. Mehrbetrag)
zum Ansatz kommen müssen.
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bb) Der Senat weist weiter darauf hin, dass zu
den Ausschüttungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2
i.V.m. § 6 InvStG auch die gutgeschriebenen Beträge
gehören (s. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 931 = SIS 09 27 27, Tz. 12; Blümich/Wenzel, a.a.O., § 6 InvStG Rz 28).
Die Klägerin hat im Rahmen der Veranlagung für das
Streitjahr auch eine amerikanische Erträgnisaufstellung zu den
Akten gereicht, aus der ersichtlich ist, dass
Dividendenerträge aus einzelnen Fonds unmittelbar mit neu
ausgegebenen Investmentanteilen verrechnet wurden. Die Umschichtung
gutgeschriebener Erträge der Klägerin in neue
Investmentanteile kann aufgrund einer Novation jeweils zu einer
gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG zugeflossenen
Ausschüttung führen (s. zu den Voraussetzungen im
Einzelnen BFH-Urteil vom 11.2.2014 VIII R 25/12, BFHE 244, 406,
BStBl II 2014, 461 = SIS 14 11 47).
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In welchem Umfang die zum Neuerwerb von
Anteilen herangezogenen Dividendenerträge bereits in den
erklärten Ausschüttungen enthalten sind, ist bislang
ebenfalls nicht festgestellt. Dementsprechend kann auch für
diejenigen Fonds, bei denen eine solche Umschichtung stattgefunden
hat, nicht abschließend beurteilt werden, ob gemäß
§ 6 InvStG nur der Mindestbetrag (6 % des letzten im
Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises) oder die
Ausschüttungen des Fonds zuzüglich 70 % des Mehrbetrags
zwischen dem ersten im Kalenderjahr festgesetzten
Rücknahmepreis und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten
Rücknahmepreis anzusetzen sind.
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4. Der Senat sieht keinen Anlass für die
Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG). Es steht für die Prüfung einer Ungleichbehandlung
gemäß Art. 3 Abs. 1 GG derzeit nicht fest, ob die
Klägerin erfolgreich einen Nachweis der Besteuerungsgrundlagen
des Fonds führen kann und ob sie im Ergebnis schlechter
behandelt wird als der Anleger eines
„transparenten“ Fonds. Zum anderen kann
über die Frage einer unzulässigen Substanzbesteuerung der
Klägerin am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 GG ebenfalls erst
entschieden werden, wenn die endgültige Steuerbelastung im
Streitjahr feststeht.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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