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Einkommensteuer als Masseschuld

Einkommensteuer als Masseschuld: Die Einkommensteuer ist als Masseschuld aufgrund massebezogenen Verwaltungshandelns gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, wenn dieser die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Interesse der Masse erlaubt, die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht für seinen Unterhalt belassen werden, und die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen. - Urt.; BFH 16.4.2015, III R 21/11; SIS 15 21 34

Kapitel:
Verschiedenes > Vollstreckung
Fundstellen
  1. BFH 16.04.2015, III R 21/11
    BStBl 2016 II S. 29
    BFH/NV 2015 S. 1638
    BFHE 250 S. 7

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 12.1.2016
    R.G. in BFH/PR 12/2015 S. 440
Normen
[InsO] § 35, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 21.07.2010, SIS 11 21 06, Insolvenz, Einkommensteuer, Masseverbindlichkeit, Verwaltung
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 19.1.2023, SIS 23 09 08, Zur Aufteilung der während des laufenden Insolvenzverfahrens anfallenden Einkommensteuer zwischen dem Ins...
  • Sächsisches FG 11.11.2020, SIS 23 13 75, Keine negativen Einkünfte der Masse bei Aufgabe eines vom Insolvenzverwalter freigegebenen Geschäftsbetri...
  • BFH 27.10.2020, SIS 21 02 85, Zur Aufteilung der Einkommensteuerschuld des Insolvenzschuldners bei vom Insolvenzverwalter beantragter Z...
  • BFH 18.12.2019, SIS 20 05 00, Steuerrechtliche Folgen der Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Abgabe einer Freigabeerklärung (§ 3...
  • BFH 20.11.2019, SIS 20 03 02, Einspruchsbefugnis der Insolvenzschuldnerin (Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Insolvenzverwalter) n...
  • BFH 10.7.2019, SIS 19 18 76, Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit, Einkünfte des Insolvenzschuldners aus einer (treuhänderischen) ...
  • BFH 15.11.2018, SIS 18 21 15, Durch Insolvenzplan entstehender Gewinn als Masseverbindlichkeit: Bei der Körperschaftsteuer, die auf ein...
  • Sächsisches FG 16.5.2018, SIS 19 13 16, Rückforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Betriebssteuern durch den Insolvenzverwalter führt zu ...
  • FG Münster 28.2.2018, SIS 18 10 73, Zusammenveranlagung und Aufteilung der ESt-Schuld im Jahr der Verfahrenseröffnung, Änderung nach § 174 Ab...
  • Sächsisches FG 20.10.2017, SIS 20 14 04, Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit: 1. Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach...
  • FG Köln 11.10.2017, SIS 17 24 06, Insolvenzverfahren, Frage der Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit: 1. Sonstige Masseverbindlichkeiten s...
  • Thüringer FG 26.7.2017, SIS 18 06 14, Ein vom Liquidator der GmbH während des Insolvenzverfahrens ohne Genehmigung des Insolvenzverwalters eing...
  • BFH 15.3.2017, SIS 17 20 65, Veranlagungswahlrecht, Einspruchsbefugnis des Insolvenzverwalters gegen einen für die Zeit nach Insolvenz...
  • Niedersächsisches FG 7.3.2017, SIS 17 16 73, Abrechnungsbescheid zur ESt 2012, Haftungsbeschränkung für nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens festg...
  • FG Münster 13.2.2017, SIS 18 21 91, Zusammenveranlagung und Aufteilung der ESt-Schuld im Insolvenzverfahren, Beiladung des Insolvenzschuldner...
  • FG Köln 9.12.2016, SIS 17 07 51, Frage der Erfassung von Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten: 1. In den Fällen, in denen der I...
  • FG Köln 30.11.2016, SIS 17 12 97, Schätzung der Einkünfte aus eBay-Verkäufen, ESt-Anspruch gegen das insolvenzfreie Vermögen: 1. Das Finanz...
  • FG Düsseldorf 21.7.2016, SIS 16 24 56, Einkommensteuer auf gewerbliche Beteiligungseinkünfte des Insolvenzschuldners als Masseverbindlichkeit, f...
  • BFH 16.7.2015, SIS 15 28 90, Entscheidung über Masseschuld im Festsetzungsverfahren, Einkommensteuer als Masseschuld bei Aufnahme eine...

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg, vom 21.7.2010 10 K 3005/07 = SIS 11 21 06 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

1

I. Streitig ist, ob die Einkommensteuer auf Einkünfte aus einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner ausgeübten gewerblichen Tätigkeit eine Masseverbindlichkeit ist.

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Herbst 2002 im Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des A (Schuldner) zum vorläufigen Insolvenzverwalter und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 6.2.2003 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner war während des Insolvenzverfahrens weiterhin im Bereich der ... unternehmerisch tätig. Seine im Streitjahr (2004) daraus erzielten Betriebseinnahmen in Höhe von 25.678,56 EUR wurden auf einem vom Kläger für das Insolvenzverfahren geführten Anderkonto vereinnahmt und in Höhe von 20.704,84 EUR an den Schuldner ausgekehrt, der Differenzbetrag verblieb als Massezufluss. Der Schuldner verwendete die an ihn ausgekehrten Mittel teilweise zur Begleichung der Betriebsausgaben (u.a. Material-, Fahrt- und Telefonkosten).

 

 

3

Mit Beschluss vom 30.10.2008 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, ordnete aber die Nachtragsverteilung an, wenn zurückbehaltene Massebeträge für eine weitere Verteilung frei würden. Wegen der im vorliegenden Verfahren streitigen Einkommensteuer 2004 wurden entsprechende Beträge zurückbehalten.

 

 

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erließ gegenüber dem Kläger am 25.10.2006 einen Einkommensteuerbescheid für 2004. Dabei ging das FA davon aus, dass die Einkommensteuer in vollem Umfang eine Masseverbindlichkeit darstelle.

 

 

5

Der Einspruch des Klägers war nur hinsichtlich der Höhe der Steuer erfolgreich. Das FA legte in der Einspruchsentscheidung vom 18.7.2007 niedrigere Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde, beurteilte die entsprechend herabgesetzte Einkommensteuer aber weiterhin insgesamt als Masseverbindlichkeit. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging am 19.7.2010 ein geänderter Einkommensteuerbescheid, in dem das FA die gegen den Kläger festgesetzte Einkommensteuer nochmals auf nun 1.260 EUR herabsetzte.

 

 

6

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied mit in EFG 2011, 1981 = SIS 11 21 06 veröffentlichtem Urteil, bei der durch eine nach der Insolvenzeröffnung fortgeführte gewerbliche Tätigkeit des Insolvenzschuldners entstandenen Einkommensteuer handele es sich um eine i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 der Insolvenzordnung (InsO) in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit.

 

 

7

Der Kläger begründet seine Revision im Wesentlichen damit, dass die Einkommensteuer auf Handlungen des Schuldners beruhe und nicht durch die Verwertung, Verwaltung oder Verteilung der Insolvenzmasse entstanden sei. Die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners gehöre nicht zur Insolvenzmasse. Ob der Masse aus dessen Erwerbstätigkeit etwas zufließe, sei unbeachtlich. Insofern sei das zu einem nichtselbständig tätigen Insolvenzschuldner ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.2.2011 VI R 21/10 (BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520 = SIS 11 13 35) auf den Streitfall übertragbar.

 

 

8

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 19.7.2010 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer ihm gegenüber auf 0 EUR festgesetzt wird.

 

 

9

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

10

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die infolge der Tätigkeit des Schuldners entstandene Einkommensteuerschuld für 2004 Masseverbindlichkeit ist und gegenüber dem Kläger festzusetzen war.

 

 

11

1. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Sonstige nach der Eröffnung begründete Steueransprüche sind insolvenzfrei und gegen den Schuldner festzusetzen (vgl. BFH-Urteile vom 5.3.2008 X R 60/04, BFHE 220, 299, BStBl II 2008, 787 = SIS 08 28 62, unter II.1.; vom 18.5.2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 35).

 

 

12

Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO diejenigen Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

 

 

13

2. Im Streitfall sind die Einkommensteuerschulden des Streitjahres durch die Verwaltung der Insolvenzmasse i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO begründet worden.

 

 

14

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss die Verbindlichkeit auf eine - wie auch immer geartete - Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein (vgl. BFH-Urteil vom 21.7.2009 VII R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13 = SIS 09 33 10, unter II.1.b aa). Die Insolvenzmasse erfasst nach § 35 InsO der im Streitjahr geltenden Fassung (InsO a.F., jetzt § 35 Abs. 1 InsO n.F.) das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, mithin auch der Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens.

 

 

15

b) Ein vom Insolvenzschuldner vor Insolvenzeröffnung ausgeübter Gewerbebetrieb fällt als Inbegriff von Vermögenswerten rechtlicher und tatsächlicher Art als Ganzes in die Insolvenzmasse (Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 35, Rz 268, m.w.N.; Schmidt/Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., § 35 InsO Rz 97). Der Insolvenzverwalter ist somit zur Übernahme der gesamten Tätigkeit des Schuldners einschließlich der Befriedigung der Verbindlichkeiten verpflichtet (vgl. §§ 80, 81 InsO), wenn er das Geschäft oder die freiberufliche Praxis des Schuldners mit der Masse fortführt (Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19.5.2011 IX ZB 94/09, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO - 2011, 1412, zur Rechtslage nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 InsO; Pape, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2013, 1145). Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Betrieb erzielt, gehören grundsätzlich in vollem Umfang, ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben, zur Insolvenzmasse (BGH-Beschlüsse in ZInsO 2011, 1412; vom 20.3.2003 IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413, NJW 2003, 2167).

 

 

16

aa) Eine Fortführung des Gewerbebetriebs durch den Insolvenzverwalter in Form eines massebezogenen Verwaltungshandelns i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz InsO ist u.a. dann anzunehmen, wenn er die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Interesse der Masse erlaubt (vgl. Beschluss des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.11.2005 9 ZB 04.3254, NVwZ - Rechtsprechungs-Report 2006, 550, Rz 17), die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht auf dessen Antrag nach § 850i der Zivilprozessordnung i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO vom Gericht belassen werden und die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen.

 

 

17

bb) Eine Masseverbindlichkeit wird dagegen nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet, wenn der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ohne Wissen und Billigung durch den Insolvenzverwalter ausübt und die entsprechenden Erträge tatsächlich nicht zur Masse gelangen (BFH-Urteil vom 18.5.2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114 = SIS 10 32 64, Rz 34).

 

 

18

cc) Eine Verwaltungsmaßnahme liegt unter Geltung des § 35 InsO a.F. auch dann nicht vor, wenn der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit (wissentlich) duldet, aber keine darüber hinausgehenden Aktivitäten entfaltet (BFH-Urteile in BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13 = SIS 09 33 10; vom 18.9.2012 VIII R 47/09, BFH/NV 2013, 411 = SIS 13 04 45, Rz 26; zu § 35 InsO n.F. s. Lohmann in Heidelberger Kommentar, Insolvenzordnung, 7. Aufl., § 55 Rz 9; Schmidt/Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, a.a.O., § 35 InsO Rz 249).

 

 

19

dd) Erklärt der Insolvenzverwalter die Freigabe der selbständigen Tätigkeit, sind die aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkommensteuerschulden ebenfalls keine Masseverbindlichkeiten, sondern gegen das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners festzusetzen. Dies gilt unabhängig davon, ob vor Geltung des § 35 Abs. 2 InsO n.F. eine Freigabe der selbständigen Tätigkeit überhaupt möglich war (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411 = SIS 13 04 45, Rz 23 ff.). Sollte eine Freigabe insolvenzrechtlich nicht möglich und daher unwirksam gewesen sein, wäre sie als Duldung der Tätigkeit des Schuldners anzusehen und die aufgrund dieser Einkünfte entstehende Einkommensteuer folglich keine Masseverbindlichkeit (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411 = SIS 13 04 45, Rz 26).

 

 

20

c) Nach den für den Senat bindenden - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger die Tätigkeit des Insolvenzschuldners weder freigegeben noch lediglich geduldet. Er hat vielmehr die Fortführung der betrieblichen Tätigkeit im Interesse der Masse erlaubt und an ihr mitgewirkt, indem er die Betriebseinnahmen auf einem von ihm eingerichteten Anderkonto für die Masse vereinnahmt und sodann zur Masse gehörende Mittel dem Schuldner überlassen hat, um die durch den fortgeführten Betrieb entstehenden Forderungen Dritter zu begleichen. Damit beruht die durch die Tätigkeit des Schuldners ausgelöste Einkommensteuerschuld, die nach Insolvenzeröffnung verwirklicht und damit insolvenzrechtlich i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO „begründet“ wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470 = SIS 15 05 29, Rz 13, m.w.N.; BFH-Urteil vom 16.5.2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 19), auf dem Verwaltungshandeln des Insolvenzverwalters und stellt daher eine Masseverbindlichkeit dar. Eine Differenzierung, wonach etwa die durch den fortgeführten Betrieb verursachten Materialkosten Masseverbindlichkeit sind, nicht aber die dadurch ausgelösten Steuern, scheidet aus.

 

 

21

3. Die zur Lohnsteuer, Umsatzsteuer und Kraftfahrzeugsteuer ergangenen BFH-Entscheidungen stehen dem nicht entgegen.

 

 

22

a) Nach den BFH-Urteilen in BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520 = SIS 11 13 35 und vom 27.7.2011 VI R 9/11 (BFH/NV 2011, 2111 = SIS 11 36 90) liegt allein darin, dass pfändbarer Arbeitslohn des Insolvenzschuldners als Neuerwerb zur Insolvenzmasse gelangt, keine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO. Damit ist die auf die Lohneinkünfte zu zahlende Einkommensteuer keine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit.

 

 

23

Diese Entscheidungen sind aber auf Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht übertragbar. Zum einen gehört bei nichtselbständiger Tätigkeit die Arbeitskraft nicht zur Insolvenzmasse (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 2111 = SIS 11 36 90, Rz 12), während bei selbständiger Tätigkeit der Gewerbebetrieb bzw. die freiberufliche Praxis (Schmidt/Lüdtke in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, a.a.O., § 35 InsO Rz 97 ff., 102 ff.) oder der Gesellschaftsanteil (BFH-Urteil in BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, unter II.3.a) Teil der Insolvenzmasse ist. Zum anderen ist der Fiskus bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit - anders als bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit - als Gläubiger der Lohnsteuer privilegiert, weil die vom Arbeitgeber abzuführende Lohnsteuer direkt vom Arbeitslohn des Insolvenzschuldners abgezogen wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520 = SIS 11 13 35, Rz 14).

 

 

24

b) Die zur Umsatzsteuer ergangenen BFH-Urteile vom 7.4.2005 V R 5/04 (BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 = SIS 05 31 00) und vom 17.3.2010 XI R 2/08 (BFHE 229, 394, BStBl II 2015, 196 = SIS 10 19 23) stehen der vom Senat vorgenommenen Wertung ebenfalls nicht entgegen. Zum einen sind die dort entschiedenen Fallgestaltungen mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zum anderen lagen die unter Punkt II.2.b aa genannten Voraussetzungen für eine „Verwaltung der Insolvenzmasse“ i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz InsO nicht vor.

 

 

25

c) Schließlich ergibt sich auch nichts anderes aus dem zur Kraftfahrzeugsteuer ergangenen BFH-Urteil vom 13.4.2011 II R 49/09 (BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944 = SIS 11 30 14), in der ausgeführt wurde, dass die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer keine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist, wenn das Fahrzeug nicht zur Insolvenzmasse gehört. Die aus dem Halten eines Fahrzeugs resultierende Kraftfahrzeugsteuer (§ 1 des Kraftfahrtsteuergesetzes) ist insoweit nicht mit der Einkommensteuer aufgrund einer selbständigen Tätigkeit vergleichbar, deren Betriebseinnahmen als Neuerwerb vollen Umfangs in die Masse fallen.

 

 

26

4. Das FG hat die Einkommensteuerschuld zu Recht insgesamt als Masseverbindlichkeit qualifiziert. Obschon der Insolvenzmasse nicht die gesamten gewerblichen Einkünfte verblieben sind, kommt eine Aufteilung der Einkommensteuer dergestalt, dass ein Teil gegen den Insolvenzverwalter und der andere Teil gegen den Schuldner festgesetzt wird, nicht in Betracht. Ist die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstandene Einkommensteuer - wie im Streitfall - insgesamt als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizieren, kann es nicht darauf ankommen, in welchem Umfang Einkünfte zur Masse gelangt oder für die Lebenshaltung des Schuldners verbraucht worden sind. Eine solche Einschränkung der Masseverbindlichkeit ist dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 InsO nicht zu entnehmen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 30, betreffend Veräußerung eines mit Absonderungsrechten belasteten Wirtschaftsguts). Die Insolvenzmasse wird dadurch auch nicht unangemessen belastet, weil die für die Lebenshaltung benötigten Beträge infolge des Grundfreibetrags und des Sonderausgabenabzugs typischerweise nicht mit Einkommensteuer belastet werden und der der Masse entnommene Erwerbsaufwand durch den Betriebsausgabenabzug die Steuerschuld mindert.

 

 

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.