Konkurs, ESt-Schulden von Mitunternehmern: Das FA kann die Einkommensteuer einer Mitunternehmerin nicht gegenüber dem Konkursverwalter der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft als Massekosten geltend machen. - Urt.; BFH 5.3.2008, X R 60/04; SIS 08 28 62
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der
R OHG (Gemeinschuldnerin). Das Konkursverfahren war am 1.2.1980
eröffnet und ist am 19.7.1995 unter dem Vorbehalt einer
Nachtragsverteilung von Vermögen, das wegen Abgabenforderungen
gegen die persönlich haftenden Gesellschafter
zurückbehalten worden ist, wieder aufgehoben worden.
Für die Zeit nach
Konkurseröffnung reichte der Kläger für bei der
Gemeinschuldnerin erwirtschaftete Erträge
Feststellungserklärungen ein. Für das Streitjahr 1989
entfiel laut Feststellungsbescheid des Finanzamts R vom 27.7.1994
ein Gewinnanteil in Höhe von 129.376 DM auf die
Gesellschafterin E (Beigeladene zu 1.). Diese befindet sich ebenso
wie die beiden anderen persönlich haftenden Gesellschafter der
Gemeinschuldnerin auch im persönlichen Konkurs;
Konkursverwalter ist hier Rechtsanwalt G (Beigeladener zu 3.). Die
Beigeladene zu 1. wird mit ihrem Ehemann B (Beigeladener zu 2.) zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt; dieser hat im Streitjahr eigene
positive Einkünfte erzielt.
Aufgrund einer Feststellungsmitteilung des
Finanzamts R über die für den Veranlagungszeitraum 1989
auf die Beigeladene zu 1. entfallenden Beteiligungseinkünfte
machte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Wohnsitzfinanzamt M
der Eheleute B/E - FA - ) mit Schreiben vom 6.7.1995 gegenüber
dem Kläger die auf die Beteiligungseinkünfte der
Beigeladenen zu 1. entfallende Einkommensteuer 1989 zuzüglich
Zinsen als Massekosten i.S. von § 58 der Konkursordnung (KO)
geltend. Der Einspruch des Klägers führte zu einer
Ermäßigung der Forderung (Einspruchsentscheidung vom
14.5.2003).
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
erhobene Klage im Wesentlichen ab; die Entscheidung ist in EFG
2004, 1851 = SIS 04 36 76, veröffentlicht. Soweit Handlungen
des Konkursverwalters zu Einkünften der Gemeinschuldnerin im
steuerrechtlichen Sinn geführt hätten, habe dieser die
darauf entfallende Einkommensteuer als Massekosten vorweg aus der
Konkursmasse zu begleichen. Das gelte nicht nur für den
Konkurs einer Einzelperson, sondern gleichermaßen auch
für den Konkurs über das Vermögen einer
Personenhandelsgesellschaft. Danach habe der Kläger die
Einkommensteuer als Massekosten zu begleichen, die auf den
Anteilsgewinn der Beigeladenen zu 1. entfalle, wobei unerheblich
sei, dass sich diese auch im persönlichen Konkurs
befinde.
Mit der Revision rügt der Kläger
rechtsfehlerhafte Anwendung des „§ 155 Abs. 1 AO i.V.m.
§ 157 Abs. 1 AO i.V.m. § 218 Abs. 1 AO und des § 57
KO i.V.m. § 58 Nr. 2 KO sowie des § 218 Abs. 1 AO i.V.m.
§§ 169 ff. AO i.S. § 47 AO“ und Verstoß
gegen die Denkgesetze. Seiner Ansicht nach ist das Schreiben des FA
vom 6.7.1995 zwar ein Leistungsgebot, jedoch kein
Leistungsbescheid. Ferner bestreitet der Kläger, dass das FA
die Einkommensteuerschuld einer Gesellschafterin der Konkursmasse
der Mitunternehmerschaft gegenüber als Massekosten geltend
machen könne. Die vom FG für seine Auffassung zitierte
Rechtsprechung sei lediglich zu Fällen ergangen, die
natürliche Personen beträfen, nicht jedoch eine
Personengesellschaft.
Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, sein Schreiben vom
6.7.1995 sei für den Kläger eindeutig als Bescheid
über die Festsetzung von Einkommensteuer als Massekosten
gegenüber ihm als Konkursverwalter zu erkennen gewesen. Der
Steuertatbestand entstehe nach dem Einkommensteuergesetz
unabhängig davon, ob der Steuertatbestand durch den
Gemeinschuldner selbst oder im Falle des Konkurses - wie im
Streitfall - durch den Konkursverwalter verwirklicht werde. Im
Übrigen schließt sich das FA der Auffassung des FG
an.
Der Beigeladene zu 3. beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Er schließt sich der Auffassung der
Vorinstanz an.
Die übrigen Beteiligten haben keine
Anträge gestellt.
II. Die Revision ist gemäß §
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
begründet. Der Bescheid vom 6.7.1995 ist, soweit er das
Streitjahr 1989 betrifft, rechtswidrig; für die Heranziehung
des Klägers zur Einkommensteuer bestand keine
Rechtsgrundlage.
1. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
bereits begründete Steueransprüche sind zur
Konkurstabelle anzumelden. Nach Konkurseröffnung
begründete Steueransprüche, die als Massekosten oder
Masseschulden zu qualifizieren sind, sind gegen den
Konkursverwalter festzusetzen und von diesem vorweg aus der
Konkursmasse zu befriedigen. Alle sonstigen Steueransprüche
sind konkursfrei (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.2.1978
VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356 = SIS 78 01 99).
Die aus der Verwertung der Konkursmasse sich ergebende
Einkommensteuerschuld ist in einem auf den Zeitraum nach
Konkurseröffnung beschränkten Einkommensteuerbescheid
gegenüber dem Konkursverwalter festzusetzen. Die einheitliche
Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine Konkursforderung,
Masseforderung und konkursfreie Forderung aufzuteilen.
Konkursforderungen sind zur Tabelle anzumelden; Steuern, die auf
Einkünften der Konkursmasse beruhen und zu Massekosten
führen, sind durch Steuerbescheid festzusetzen (zu
Vorstehendem vgl. BFH-Urteile vom 11.11.1993 XI R 73/92, BFH/NV
1994, 477, und vom 25.7.1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117,
m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 40, 71; Benne, BB 2001,
1977, 1982; Oberfinanzdirektion Hannover, AO-Kartei ND Anhang D
Karte 1, Nr. 8). Der gegen die Masse gerichtete Bescheid ist ein
gegenständlich beschränkter Steuerbescheid, mit dem die
Einkommensteuer festgesetzt wird; er ist Teil des
Festsetzungsverfahrens.
Ist die Eröffnung des Konkursverfahrens
bis zum 31.12.1998 beantragt worden, ist weiterhin die KO
anzuwenden (Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 7).
Soweit Handlungen des Konkursverwalters
über das Vermögen eines Mitunternehmers
(Gesellschafterkonkurs) zu Einkünften dieser Konkursmasse im
steuerrechtlichen Sinne führen, hat der Konkursverwalter die
darauf entfallende Einkommensteuer verursacht mit der Folge, dass
sie als Massekosten und Masseschulden vorweg aus der Masse zu
berichtigen sind (§§ 57, 58 Nr. 2, 59 Abs. 1 Nr. 1
KO).
Eine Belastung der Konkursmasse durch Steuern
ergibt sich regelmäßig aus den nach
Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter getätigten
Geschäften. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung
entschieden, dass Einkommensteuerforderungen aus nach der
Konkurseröffnung erzielten Gewinnen jedenfalls dann als
Massekosten anzusehen sind, wenn die den Gewinnen entsprechenden
Vermögensmehrungen zur Konkursmasse gelangt sind (BFH-Urteil
vom 9.11.1994 I R 5/94, BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255 = SIS 95 09 04). Erzielt der Konkursverwalter für den Gemeinschuldner
Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern
der Konkursmasse und fließt der Erlös der Masse zu, so
sind die daraus resultierenden und gegen den Gemeinschuldner
festgesetzten Einkommensteuern Massekosten i.S. des § 58 Nr. 2
KO (BFH-Urteil in BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255 = SIS 95 09 04).
2. Im Fall des Konkurses einer
Mitunternehmerschaft (und eines Mitunternehmers) können diese
Grundsätze nur mit den sich aus den Besonderheiten der
Mitunternehmerbesteuerung ergebenden Unterschieden gelten. Der
Kläger ist zu Recht der Auffassung, dass die
Einkommensteuerschuld einer Mitunternehmerin nicht gegenüber
der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft als Massekosten geltend
gemacht werden kann.
a) Der Konkurs über das Vermögen
einer Personengesellschaft ist konkursrechtlich ein Sonderkonkurs
über das gesamthänderisch gebundene Vermögen der
Mitunternehmer (BFH-Urteil in BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255 =
SIS 95 09 04; vgl. auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6.
Aufl., 2005, S. 132). Die Gesellschafter der OHG sind
Gemeinschuldner in dem durch die Zahlungsunfähigkeit der OHG
ausgelösten Konkurs; die Konkursmasse ist nach § 1 KO auf
das Gesellschaftsvermögen beschränkt (Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 16.2.1961 III ZR 71/60, BGHZ 34, 293;
Mohrbutter/Mohrbutter/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 7.
Aufl., 1997, XV.74 f.).
b) Im Fall des Mitunternehmerkonkurses ist der
auf Einkünften aus der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft
beruhende Einkommensteuerbescheid gegen den Konkursverwalter
über das Vermögen des Mitunternehmers zu richten.
c) Der im Streitfall erlassene
Leistungsbescheid kann - ebenso wenig wie ein regulärer
Einkommensteuerbescheid - nicht gegen die Masse der
Mitunternehmerschaft selbst (der OHG) gerichtet werden. Insoweit
ist der Systematik des Einkommensteuerrechts Rechnung zu tragen;
die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist
einkommensteuerrechtlich lediglich Gewinnerzielungssubjekt, nicht
aber Steuersubjekt (vgl. statt vieler Schmidt/Wacker, EStG, 27.
Aufl., § 15 Rz 164). Die steuerliche Zuordnung und Erfassung
von Einkünften wird durch die Vorschriften der Konkursordnung
und der Insolvenzordnung nicht verändert, weder bei einem
Konkurs über das Vermögen der Mitunternehmerschaft noch
bei einem Konkurs über das Vermögen eines Mitunternehmers
noch in dem Fall, in dem - wie im Streitfall - sowohl über das
Vermögen der Mitunternehmerschaft als auch über das des
Mitunternehmers Konkurs eröffnet worden ist (Frotscher,
a.a.O., S. 133).
Diese steuerrechtliche Zurechnung hat zur
Folge, dass von der im Konkurs befindlichen Personengesellschaft
erwirtschaftete Gewinne den Masse- und Konkursgläubigern zur
Verfügung stehen, während steuerrechtlich diese Gewinne
den Gesellschaftern zugerechnet werden. Diese Unabgestimmtheit von
Insolvenzrecht und Steuerrecht (so Frotscher, a.a.O., S. 135 f.;
Mohrbutter/ Mohrbutter/Vortmann, a.a.O., XIV.115) führt zu
unbefriedigenden Ergebnissen. Das Problem ist auf der Grundlage
steuerlicher Grundsätze zu lösen. Bei unbeschränkt
haftenden Gesellschaftern - wie den gemäß § 128 des
Handelsgesetzbuchs unbeschränkt haftenden Gesellschaftern
einer OHG - kommen die auf der Ebene der im Konkurs befindlichen
OHG erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute.
Dies rechtfertigt es, dass der Gesellschafter die auf seinen
Gewinnanteil entfallende Einkommensteuer selbst zu zahlen hat
(Mohrbutter/ Mohrbutter/Vortmann, a.a.O., XIV.116, 117). Eine
Inanspruchnahme des Konkursverwalters der insolventen OHG wegen der
aus dem Gewinnanteil des Gesellschafters resultierenden
Einkommensteuerschulden als Massekosten kommt daneben nicht mehr in
Betracht.
3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze
durfte im Streitfall das FA gegen den Kläger als
Konkursverwalter über das Vermögen der
Mitunternehmerschaft keinen „Leistungsbescheid über
Einkommensteuer“ erlassen (zum Leistungsbescheid
allgemein vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 254 AO Rz 4
ff.). Für einen derartigen Bescheid besteht keine
Rechtsgrundlage. Die Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft als
solche ist einkommensteuerrechtlich kein selbständiges
Steuerrechtssubjekt (BFH-Urteil vom 15.3.1995 I R 82/93, BFHE 177,
257, DStR 1995, 1303 = SIS 95 17 03); gegen sie kann daher auch
kein Leistungsbescheid über Einkommensteuer gerichtet werden.
Entgegen der Auffassung des FA kann Einkommensteuer auf Gewinne aus
der Bewirtschaftung der Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft
nicht gegen diese Konkursmasse bzw. deren Konkursverwalter geltend
gemacht werden. Aus den vom FG herangezogenen BFH-Urteilen in BFHE
177, 257, DStR 1995, 1303 = SIS 95 17 03 und in BFHE 176, 248,
BStBl II 1995, 255 = SIS 95 09 04 folgt nichts Gegenteiliges.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er
das Streitjahr 1989 betrifft, in vollem Umfang aufzuheben und der
Klage stattzugeben. Die Berechtigung der weiteren Einwendungen kann
dahinstehen.