Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Sächsischen Finanzgerichts vom 20.10.2017 - 6 K 75/16
aufgehoben.
Die Sache wird an das Sächsische
Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob die Duldung einer selbständigen Tätigkeit des
Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter zu einer
Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) führt und ob eine solche Duldung im
Streitfall vorliegt.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
des … (Insolvenzschuldner - A - ). A war im Jahr 2012
(Streitjahr) im Bereich des … unternehmerisch
tätig.
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Der Kläger erklärte in seiner
Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter während des
vorläufigen Insolvenzverfahrens im Insolvenzgutachten vom
16.10.2012, es liege Zahlungsunfähigkeit vor, und er regte an,
das Regelinsolvenzverfahren zu eröffnen. Er führte u.a.
aus, dass aufgrund der stabilen Auftragslage des A zu erwarten sei,
dass diese Tätigkeit fortgeführt werden könne. Nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde die Tätigkeit
allerdings aus der Masse freigegeben werden, so dass sich die
Einnahmen der Masse auf den vom Schuldner an den Insolvenzverwalter
abzuführenden Geldbetrag beschränkten. Um A eine weitere
Ausübung der selbständigen Tätigkeit zu
ermöglichen, werde der Kläger die Kleinwerkzeuge und
Handmaschinen bei ihm belassen, werde aber mit diesem eine
Verwertungsvereinbarung treffen, nach der er einen Betrag von 500
EUR an die Insolvenzmasse zahle.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts …
(Insolvenzgericht) vom 22.10.2012 - … wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger erklärte mit
Schreiben an den Insolvenzschuldner vom 16.01.2013, er gebe die
selbständige Tätigkeit … aus der Insolvenzmasse
frei. Mit Schreiben vom 11.03.2013 wurde dies vom Kläger dem
Insolvenzgericht mitgeteilt und vom Insolvenzgericht am 13.03.2013
veröffentlicht.
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In der Umsatzsteuererklärung für
das Streitjahr erklärte der Kläger Umsätze des A in
Höhe von 0 EUR. A reichte keine eigene
Umsatzsteuererklärung ein.
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Im Umsatzsteuerbescheid für das
Streitjahr vom 27.12.2013 setzte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) gegenüber dem
Kläger Umsatzsteuer mit geschätzten
Besteuerungsgrundlagen fest. Das FA ging davon aus, dass A im
Streitjahr Umsätze ausgeführt habe, die gemäß
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten seien. Die
Freigabe der unternehmerischen Tätigkeit des A aus der
Insolvenzmasse sei erst am 16.01.2013 erfolgt, so dass die
Umsatzsteuer des Jahres 2012 eine Masseverbindlichkeit sei. Der
Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom
16.12.2015).
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Das Sächsische Finanzgericht (FG) gab
der Klage mit Urteil vom 20.10.2017 - 6 K 75/16 (EFG 2020, 548)
statt. Es entschied, dass es für den Fall, dass der
Insolvenzverwalter keine Erklärung i.S. des § 35 Abs. 2
Satz 1 InsO abgebe, bei der früheren Rechtslage verbleibe. Die
Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit fielen in die
Insolvenzmasse, während die damit im Zusammenhang stehenden
Ausgaben und Verbindlichkeiten sich nur dann gegen die
Insolvenzmasse richteten, wenn die Voraussetzungen des § 55
Abs. 1 InsO erfüllt seien. Dies sei vorliegend zu
verneinen.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend, § 35 Abs. 2
Satz 1 InsO begründe eine Handlungspflicht des
Insolvenzverwalters, sich zur Frage der Freigabe zu erklären,
die im Fall der Pflichtverletzung zur Einordnung der im Rahmen der
geduldeten Tätigkeit begründeten Steuerverbindlichkeiten
als Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
führe.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Er trägt u.a. vor, er habe sich
unmittelbar nach Insolvenzeröffnung bemüht, dem A die
Freigabe mitzuteilen. Sein Einschreiben habe A zwar nicht abgeholt.
Allerdings ergebe sich aus einem Telefonat, dass A die
Freigabeerklärung erhalten haben müsse. Außerdem
habe er von der selbständigen Tätigkeit des A keine
Kenntnis gehabt.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die bisherigen tatsächlichen
Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu
können, ob der Kläger die unternehmerische Tätigkeit
des A bereits im Streitjahr freigegeben hat.
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1. Beide Beteiligte und das FG gehen
zunächst zu Recht davon aus, dass A mit seinem Unternehmen
Leistungen gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgeführt hat und er deshalb die
Umsatzsteuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet (vgl.
allgemein Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 07.04.2005 - V R
5/04, BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848 = SIS 05 31 00, unter
II.1., Rz 10).
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2. Zur Festsetzung der Umsatzsteuer ist jedoch
zu unterscheiden: Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründete Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner,
die als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind, sind
gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid
festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu
befriedigen (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2010 - X R 60/08, BFHE 229,
62, BStBl II 2011, 429 = SIS 10 22 02, Rz 35; vom 16.07.2015 - III
R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251 = SIS 15 28 90, Rz 19,
m.w.N.). Sonstige nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründete Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner
sind dagegen insolvenzfrei und gegen ihn selbst festzusetzen (vgl.
BFH-Urteile vom 16.04.2015 - III R 21/11, BFHE 250, 7, BStBl II
2016, 29 = SIS 15 21 34, Rz 11; in BFHE 251, 102, BStBl II 2016,
251 = SIS 15 28 90, Rz 19, m.w.N.).
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3. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen,
dass die Umsatzsteuer aus der unternehmerischen Tätigkeit des
A keine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
sein kann. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
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a) Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind
Masseverbindlichkeiten u.a. die Verbindlichkeiten, die durch
Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die
Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens
zu gehören.
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b) Nach der Rechtsprechung des BFH zur
Rechtslage vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 2 und 3 InsO
erfüllte die bloße Duldung einer Tätigkeit des
Schuldners durch den Insolvenzverwalter nicht das
Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i.S. des
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. BFH-Urteile vom 21.07.2009 - VII
R 49/08, BFHE 226, 97, BStBl II 2010, 13 = SIS 09 33 10, Rz 17; vom
17.03.2010 - XI R 2/08, BFHE 229, 394, BStBl II 2015, 196 = SIS 10 19 23, Rz 28; vom 08.09.2011 - V R 38/10, BFHE 235, 488, BStBl II
2012, 270 = SIS 11 41 22, Rz 20). Umsatzsteuer aus einer
unternehmerischen Tätigkeit nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens war nicht bereits deshalb eine
Masseverbindlichkeit, weil der Schuldner dabei
Massegegenstände verwendete (vgl. BFH-Urteile in BFHE 229,
394, BStBl II 2015, 196 = SIS 10 19 23; in BFHE 235, 488, BStBl II
2012, 270 = SIS 11 41 22). Ebenso entstand keine
Masseverbindlichkeit, wenn der Insolvenzverwalter dem
Insolvenzschuldner eine unternehmerische Tätigkeit durch
Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglichte (vgl.
BFH-Urteil vom 01.09.2010 - VII R 35/08, BFHE 230, 490, BStBl II
2011, 336 = SIS 10 36 67, Rz 22).
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c) Für Insolvenzverfahren, die - wie hier
- nach dem 30.06.2007 eröffnet worden sind (Art. 103c des
Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung), gelten allerdings
die Abs. 2 und 3 des § 35 InsO, die eine Freigabe der
unternehmerischen Betätigung ermöglichen und dabei auch
Regelungen zur Information der Neugläubiger und des
Geschäftsverkehrs vorsehen (vgl. BTDrucks 16/3227, S. 17).
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aa) Diese lauten auszugsweise wie folgt:
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“(2) Übt der Schuldner eine
selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er,
demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der
Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob
Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur
Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser
Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden
können. … Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder,
wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung
ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung
an.
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(3) Die Erklärung des Insolvenzverwalters
ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die
Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit
öffentlich bekannt zu machen.“
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bb) Die Freigabeerklärung ist eine
einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, aus der
sich unmissverständlich der Wille zu einem dauernden Verzicht
auf die Massezugehörigkeit ergibt (vgl. BFH-Urteil vom
15.12.2009 - VII R 18/09, BFHE 228, 6, BStBl II 2010, 758 = SIS 10 05 13, Rz 6; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 07.12.2006 -
IX ZR 161/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und
Sanierungsrecht - ZInsO - 2007, 94, Rz 20; Urteil des
Bundessozialgerichts - BSG - vom 10.12.2014 - B 6 KA 45/13 R, BSGE
118, 30, Rz 18; Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom
16.05.2013 - 6 AZR 556/11, BAGE 145, 163, Rz 50). Der
Insolvenzverwalter ist zur Abgabe dieser Erklärung
gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO verpflichtet
(BGH-Urteil vom 09.02.2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322, Rz 20);
dadurch soll zweifelsfrei klargestellt werden, ob im Rahmen der
selbständigen Tätigkeit des Schuldners begründete
Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten darstellen oder nicht
(BTDrucks 16/4194, S. 14). „Ansprüche gegen den
Schuldner“ i.S. des § 35 Abs. 2 InsO sind auch
Verbindlichkeiten des Schuldners (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2011 -
II R 54/10, BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149 = SIS 11 37 55, Rz
11).
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cc) Eine Frist für die Abgabe der
Freigabeerklärung ist zwar gesetzlich nicht bestimmt. Der
Insolvenzverwalter wird jedoch nach Auffassung des Gesetzentwurfs
bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts die
Haftungsregelung des § 60 InsO berücksichtigen
müssen (vgl. BTDrucks 16/4194, S. 14, zu Nr. 12). Die Anzeige
hat daher ohne schuldhaftes Zögern
(„unverzüglich“) zu erfolgen (vgl.
BGH-Urteil in BGHZ 192, 322, Rz 24; s.a. Holzer in
Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 35 Rz 109 f.; Kexel in
Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl., § 35 Rz 28; Andres in
Nerlich/Römermann, InsO, § 35 Rz 94; Hirte/Praß in
Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 35 Rz 94;
Braun/Bäuerle, InsO, 7. Aufl., § 35 Rz 136). Ein Zeitraum
von vier Wochen wird in der Regel als ausreichend angesehen,
insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter bereits Gutachter im
Eröffnungsverfahren war (Ehlers, ZinsO 2014, 53, 55; Karsten
Schmidt/Büterowe, InsO, 19. Aufl., § 35 Rz 52; s.a.
Hirte/Praß in Uhlenbruck, a.a.O., § 35 Rz 94).
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dd) Die dem Schuldner gegenüber
abzugebende Freigabeerklärung sollte zwar zu Beweiszwecken
schriftlich erfolgen (Kexel in Graf-Schlicker, a.a.O., § 35 Rz
28; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 35 Rz
117). Gesetzlich vorgeschrieben ist die Schriftform jedoch - anders
als z.B. in § 13 InsO - nicht. Die Abgabe der Erklärung
ist daher auch formfrei möglich (Ries in Kayser/Thole,
Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl., § 35 Rz
65, 72; Haberzettl, Neue Zeitschrift für das Recht der
Insolvenz und Sanierung 2017, 474, 477; Braun/Bäuerle, a.a.O.,
§ 35 Rz 135; Hirte/Praß in Uhlenbruck, a.a.O., § 35
Rz 94; s.a. Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 24.08.2016 -
3 U 44/15, ZInsO 2016, 2348, Rz 56 zur konkludenten Freigabe). Die
anschließende Veröffentlichung der Freigabe (§ 35
Abs. 3 InsO) ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung und nur
deklaratorischer Natur (vgl. BSG-Urteil in BSGE 118, 30, Rz 19,
m.w.N.).
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ee) Die Erklärung wirkt mit ihrem Zugang
bei dem Insolvenzschuldner ex nunc (vgl. BAG-Urteil vom 21.11.2013
- 6 AZR 979/11, BAGE 146, 295, Rz 22). Sie verwirklicht sich ohne
die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen mit dem Zugang
beim Insolvenzschuldner (BGH-Urteil in BGHZ 192, 322, Rz 30) und
zerschneidet mit ihrem Zugang das rechtliche Band zwischen der
Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten
selbständigen Tätigkeit (BGH-Urteile in BGHZ 192, 322, Rz
30).
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(1) Die von der Freigabe erfassten
Gegenstände scheiden mit der Freigabe aus der Insolvenzmasse
aus und unterliegen ebenso wie das insolvenzfreie Vermögen der
uneingeschränkten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des
Schuldners (vgl. BGH-Urteil vom 06.06.2019 - IX ZR 272/17, NJW
2019, 2156, Rz 44). Sie gehen unmittelbar ohne die Möglichkeit
eines Zwischenerwerbs Dritter auf den Schuldner über (vgl.
BGH-Urteil in NJW 2019, 2156, Rz 45). Durch die Freigabe wird eine
von der Insolvenzmasse getrennte, den Neugläubigern aus der
freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners
vorbehaltene Haftungsmasse geschaffen (vgl. BGH-Urteil in NJW 2019,
2156, Rz 46). Der Neuerwerb aus der selbständigen
Tätigkeit haftet während des eröffneten Verfahrens
damit nur den Neugläubigern, nicht den
Altinsolvenzgläubigern (vgl. BGH-Urteile in NJW 2019, 2156, Rz
47 f.; vom 18.04.2013 - IX ZR 165/12, MDR 2013, 1314, Rz 23).
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(2) Forderungen, die vor Wirksamwerden der
Freigabeerklärung entstanden sind, werden von der Freigabe
gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO hingegen auch dann
nicht erfasst, wenn sie auf die bisherige selbständige
Tätigkeit des Schuldners zurückgehen (vgl. BGH-Urteil vom
21.02.2019 - IX ZR 246/17, BGHZ 221, 212, Rz 18 ff.). Die
Überleitung der Vertragsverhältnisse, die der
selbständigen Tätigkeit des Schuldners dienen, wirkt
nicht auf Forderungen und Verbindlichkeiten zurück, soweit
diese vor Wirksamwerden der Erklärung entstanden sind (vgl.
BGH-Urteil in BGHZ 221, 212, Rz 21).
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(3) Die Anknüpfung an den Zugang der
Freigabeerklärung bei dem Schuldner gestattet insoweit eine
eindeutige zeitliche Differenzierung (vgl. BGH-Urteile in BGHZ 192,
322, Rz 30; in BGHZ 221, 212, Rz 22).
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d) Der V. Senat des BFH hat, was das FG bei
seiner Urteilsfindung nicht berücksichtigen konnte, mit Urteil
vom 06.06.2019 - V R 51/17 (BFHE 265, 294 = SIS 19 17 27, Rz 16 f.
sowie Leitsatz), auf das zur Vermeidung von Wiederholungen
verwiesen wird, entschieden, dass auch im Bereich der Umsatzsteuer
Verbindlichkeiten „auf andere Weise“ i.S. des
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet werden, wenn eine
Amtspflicht zum Tätigwerden bestand (vgl. auch BFH-Urteile vom
18.05.2010 - X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114 = SIS 10 32 64, Rz 23;
vom 01.06.2016 - X R 26/14, BFHE 253, 518, BStBl II 2016, 848 = SIS 16 17 52, Rz 41). Falls der Insolvenzverwalter seine Pflicht zur
unverzüglichen Abgabe einer Erklärung nach § 35 Abs.
2 Satz 1 InsO verletzt, keine ausdrückliche Wahl trifft und
damit die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners
duldet, führt sein pflichtwidriges Unterlassen zum Entstehen
von Masseverbindlichkeiten (vgl. auch Andres in
Nerlich/Römermann, a.a.O., § 35 Rz 102 ff.; Karsten
Schmidt/Büterowe, a.a.O., § 35 Rz 51). Ein
pflichtwidriges Unterlassen des Insolvenzverwalters setzt somit
Kenntnis oder zumindest Erkennbarkeit der selbständigen
Tätigkeit voraus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 294 = SIS 19 17 27, Rz 16).
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e) Der erkennende Senat schließt sich
dieser Auffassung an. Diese Sichtweise entspricht der unter II.3.c
ee geschilderten ex-nunc-Wirkung des Zugangs einer
Freigabeerklärung beim Insolvenzschuldner. Das Entstehen von
Masseverbindlichkeiten knüpft danach bei Kenntnis von der
selbständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners entweder
an eine positive Erklärung i.S. des § 35 Abs. 2 Satz 1
InsO oder an das pflichtwidrige Unterlassen des
Insolvenzverwalters, unverzüglich eine Erklärung i.S. des
§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO (gleich welchen Inhalts) abzugeben,
an.
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29
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f) Auf dieser Grundlage ist das angefochtene
Urteil aufzuheben. Die vom FG herangezogene frühere
Rechtsprechung (II.3.b) gilt nach Maßgabe des § 35 Abs.
2 InsO nicht mehr unverändert fort. Vielmehr ist für das
Entstehen von Masseverbindlichkeiten im Streitfall
maßgeblich, ob der Kläger eine ihm bekannte oder
für ihn erkennbare unternehmerische Tätigkeit des A
geduldet und dadurch im Rechtssinne gebilligt hat, dass er die
Freigabe nicht unverzüglich erklärt hat, daher die vor
Zugang der Freigabeerklärung bei A begründeten
Steuerverbindlichkeiten noch zur Insolvenzmasse gehören und
eine spätere Freigabe nicht dazu führt, dass diese
rückwirkend in das insolvenzfreie Vermögen des A
übergeleitet werden.
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4. Die Sache ist indes nicht spruchreif. Die
bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben es dem
Senat nicht, eine abschließende Sachentscheidung zu
treffen.
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31
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a) Die bisherigen tatsächlichen
Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob
dem Kläger die selbständige Tätigkeit des A bei
Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 22.10.2012 bekannt war
oder er sie hätte erkennen können.
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32
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aa) Zwar spricht nach dem Inhalt des
Insolvenzgutachtens vom 16.10.2012 und dem Akteninhalt viel
dafür, dass der Kläger auch noch am 22.10.2012 von der
Absicht des A, seine selbständige Tätigkeit
fortzuführen, Kenntnis hatte: Aus dem Gutachten ergibt sich,
dass der Kläger wusste, dass A selbständig tätig
war. Für seine Kenntnis spricht weiter, dass der Kläger
nach dem Inhalt des Gutachtens die weitere selbständige
Tätigkeit des A durch Abschluss einer Verwertungsvereinbarung
ermöglichen wollte und ihm nach Aktenlage keine belastbaren
Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass A - entgegen dieser
Erkenntnisse - die Absicht, seine selbständige Tätigkeit
fortzuführen, bis zum 22.10.2012 aufgegeben und die
Tätigkeit inzwischen eingestellt hatte.
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33
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bb) Allerdings wurde diese Kenntnis vom
Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
ausdrücklich bestritten. Außerdem handelt es sich bei
dem Unternehmen des A um ein
„Ein-Mann-Unternehmen“, bei dem nicht
völlig ausgeschlossen ist, dass die unternehmerische
Tätigkeit - entgegen einer zunächst bekundeten Absicht
und trotz guter Auftragslage - kurzerhand eingestellt wird.
Schließlich hat das FG bisher nicht festgestellt, dass dem
Kläger - anders als im Fall des BFH-Urteils in BFHE 265, 294 =
SIS 19 17 27 - die selbständige Tätigkeit des A von
Anfang an bekannt war. Daher ist die Prüfung, ob der
Kläger davon Kenntnis hatte oder dies hätte erkennen
können, vom FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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cc) Sollte der Kläger im zweiten
Rechtsgang keine Umstände zur Überzeugung des FG
nachweisen können, die die Annahme rechtfertigen, dass A
zwischen dem 16.10.2012 und dem 22.10.2012 seine Absicht zur
Fortführung der selbständigen Tätigkeit aufgegeben
hatte, war dessen selbständige Tätigkeit für ihn
erkennbar, was genügt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 265, 294 = SIS 19 17 27, Rz 16). Er war dann am 22.10.2012
erklärungspflichtig.
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35
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b) Die ggf. bestehende Erklärungspflicht
des Klägers wurde nach den bisherigen tatsächlichen
Feststellungen des FG frühestens am 16.01.2013
erfüllt.
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aa) Der Kläger hat die Freigabe der
Tätigkeit nicht bereits im Insolvenzgutachten vom 16.10.2012
erklärt.
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37
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Der Senat muss nicht entscheiden, ob der
Kläger am 16.10.2012 als (noch) nicht Berechtigter bereits
eine Freigabeerklärung hätte abgeben können, die mit
seiner Berechtigung (am 22.10.2012) und ihrem Zugang beim Schuldner
hätte wirksam werden können (vgl. dazu allgemein
Hirte/Praß in Uhlenbruck, a.a.O., § 35 Rz 109 und §
22 Rz 58 zur Freigabe während der vorläufigen
Insolvenzverwaltung allgemein); denn eine solche Erklärung hat
er am 16.10.2012 nicht abgegeben. Der Kläger hat im
Insolvenzgutachten vom 16.10.2012 lediglich angekündigt, dass
er eine solche Erklärung nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens abgeben werde. Aus dem Insolvenzgutachten
ergibt sich daher noch nicht unmissverständlich der Wille zu
einem dauernden Verzicht auf die Massezugehörigkeit. Deshalb
ist auch unerheblich, wann das Insolvenzgutachten A zugegangen
ist.
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38
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bb) Das Nichtvorliegen von
Masseverbindlichkeiten im Jahr 2012 kann auch nicht bereits
aufgrund des Zugangs der Erklärung vom 16.01.2013 bejaht
werden; denn diese hat - wie unter II.3.c ee dargelegt - keine
Rückwirkung auf das Streitjahr 2012. Sie erfolgte mehrere
Monate nach Insolvenzeröffnung und daher nicht
unverzüglich. Es ist folgerichtig, dass bei zunächst
erfolgter Nichtabgabe der Erklärung die in der Zwischenzeit
durch die selbständige Tätigkeit entstehenden
Verbindlichkeiten grundsätzlich Masseverbindlichkeiten
darstellen (MünchKommInsO/Peters, 3. Aufl., § 35 Rz
58).
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39
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c) Allerdings kann aufgrund des dem Senat
vorliegenden Akteninhalts und des Vorbringens des Klägers im
Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden, dass nicht bereits
eine frühere Freigabe erfolgt ist, die A zugegangen ist. Im
Bericht an das Insolvenzgericht vom 14.01.2013 hat der Kläger
u.a. ausgeführt, er habe die Tätigkeit des A mit
Eröffnung des Verfahrens freigegeben. Auch dies wurde vom FG -
nach seiner Rechtsauffassung konsequenterweise - bisher noch nicht
geprüft. Diese Prüfung ist ebenfalls nachzuholen.
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d) Der Senat weist für das weitere
Verfahren (ohne Bindungswirkung) auf folgende Erwägungen hin:
Sofern der Kläger Kenntnis von der selbständigen
Tätigkeit des A hatte oder diese hätte erkennen
können, ist entscheidend, wann er gegenüber A in einer
zulässigen Form die Freigabe erstmals unmissverständlich
erklärt hat und wann diese Freigabeerklärung dem A
zugegangen ist. Davon hat sich das FG aufgrund des
Gesamtergebnisses des Verfahrens eine Überzeugung zu bilden.
Für den Fall, dass - nach Beweiserhebung, z.B. durch
Vernehmung des A - Zweifel verbleiben, liegt im Streitfall die
Beweislast beim Kläger, der sich auf die rechtzeitige Freigabe
gegenüber A beruft. Eventuell verbleibende Zweifel gehen daher
zu seinen Lasten.
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e) Der Kläger und A haben außerdem
die Gelegenheit, die nach § 18 Abs. 3 UStG erforderliche
Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2012 ggf. erstmals
abzugeben bzw. ggf. zu berichtigen.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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