1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine aus sieben Rechtsanwälten/-innen
bestehende GbR, die auch auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung
tätig ist. Einer der Gesellschafter, Rechtsanwalt X (X) wurde
in den Streitjahren 2003 und 2004 regelmäßig zum
(vorläufigen) Insolvenzverwalter (31 und 20 Bestellungen) oder
Treuhänder in Verbraucherinsolvenzverfahren (19 und 21
Bestellungen) bestellt.
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In diesen Jahren beschäftigte die
Klägerin drei angestellte Rechtsanwälte, u.a.
Rechtsanwalt Y (Y), sowie sieben weitere angestellte Mitarbeiter
(Rechtsanwaltsfachangestellte und Bürokräfte). Zudem
beauftragte sie in geringem Umfang einen Unternehmensberater und
eine Bilanzbuchhalterin als Subunternehmer.
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Rechtsanwalt Y wurde in den Jahren 2003 und
2004 jeweils 25 bzw. 38 Mal selbst zum Treuhänder oder
(vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt. Darüber hinaus
nahm er Prozesstermine in Mandatsangelegenheiten wahr.
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Die beiden anderen angestellten
Rechtsanwälte bereiteten Klagen für den Forderungseinzug
vor und nahmen Gerichtstermine wahr. Sie wurden nicht zum
Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt. Die aus der
Tätigkeit des Rechtsanwalts Y als Insolvenzverwalter und
Treuhänder in den Streitjahren erzielten Einnahmen der
Klägerin beliefen sich auf 15.358,52 EUR im Jahr 2003 und
21.065,42 EUR im Jahr 2004.
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Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn
durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und behandelte ihre Einkünfte
als solche aus selbständiger Arbeit i.S. von § 18
EStG.
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6
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Nach Durchführung einer
Außenprüfung gelangte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) zu der Auffassung, die
Klägerin habe nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerbliche
Einkünfte erzielt, da sie nach den Kriterien der
Vervielfältigungstheorie im Bereich der Insolvenzverwaltung
nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG
erfülle.
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Das FA erließ am 19.3.2008 nach
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderte Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen und stellte einen - der Höhe nach
unstreitigen - Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 528.358
EUR (2003) und 410.537 EUR (2004) fest. Die Nettoumsätze
betrugen 847.721 EUR in 2003 und 787.211 EUR in 2004. Zudem
erließ es am selben Tag erstmalig
Gewerbesteuermessbetragsbescheide.
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Die nach erfolglosem Einspruch gegen die
geänderten Feststellungs- und erstmaligen
Gewerbesteuermessbetragsbescheide erhobene Klage hatte Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) hat der Klage mit Urteil vom 15.12.2011 2 K
412/08 stattgegeben und die Gewerbesteuermessbetragsbescheide
aufgehoben, sowie die Einkünfte der Klägerin in voller
Höhe als Einkünfte aus selbständiger Arbeit
festgestellt.
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9
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das FG habe zu
Unrecht die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht
angewandt.
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Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führe
jede gewerbliche Tätigkeit zur steuerlichen Umqualifizierung
der übrigen Einkünfte.
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Lediglich bei einem
„äußerst geringen Anteil“ gewerblicher
Einkünfte - in jenem Fall 1,25 v.H. der Gesamtumsätze -
habe der Bundesfinanzhof (BFH) wegen des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung
verneint (BFH-Urteil vom 11.8.1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl
II 2000, 229 = SIS 99 22 22). Weder der BFH noch der Gesetzgeber
hätten bislang den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch eine allgemeine
quantitative Unschädlichkeitsgrenze weiter konkretisiert.
Allerdings habe der BFH im Urteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09 (BFHE
232, 162, BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55) ausgeführt, dass
er an der Grenze von 1,25 v.H. festhalte. Der BFH-Beschluss vom
8.3.2004 IV B 212/03 (BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81), mit dem der
BFH eine Umsatzgrenze in Höhe von 2,81 v.H. als
unschädlich angesehen habe, sei lediglich bei summarischer
Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
ergangen. Der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in Höhe von 24.500 EUR sei kein
taugliches Abgrenzungskriterium.
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12
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
Mecklenburg-Vorpommern vom 15.12.2011 2 K 412/08 hinsichtlich der
Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2003 und 2004 sowie
der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die
Jahre 2003 und 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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13
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zu Recht die Anwendung des §
15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit verneint, so dass die
Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit
nicht zu gewerblichen Einkünften umzuqualifizieren sind.
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1. Die Gesellschafter der Klägerin
üben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit sowohl
eine freiberufliche - anwaltliche - Tätigkeit i.S. von §
18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch durch die
Insolvenzverwaltertätigkeit des Gesellschafters X eine
sonstige vermögensverwaltende Tätigkeit i.S. von §
18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
entfaltet eine Personengesellschaft nur dann eine Tätigkeit,
die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG
darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines
freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der
Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen
Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in
ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln
der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen
Tätigkeit enthalten.
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aa) Es ist unschädlich, wenn die
Personengesellschaft durch ihre Gesellschafter neben ihrer
freiberuflichen Tätigkeit auch eine sonstige selbständige
Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt (sog.
interprofessionelle Mitunternehmerschaft), solange die
Gesellschafter auch hinsichtlich dieser Tätigkeit die oben
dargestellten Anforderungen erfüllen (vgl. BFH-Urteile vom
26.1.2011 VIII R 3/10, BFHE 232, 453, BStBl II 2011, 498 = SIS 11 11 58; vom 15.6.2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906
= SIS 10 22 55; vom 28.10.2008 VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl
II 2009, 642 = SIS 09 06 88).
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bb) Bedienen sich die Gesellschafter bei der
Ausübung ihrer freiberuflichen oder sonstigen
selbständigen Arbeit der Mithilfe fachlich vorgebildeter
Arbeitskräfte, dann müssen die Gesellschafter dennoch auf
Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich
tätig sein (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
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Dies setzt allerdings nicht voraus, dass jeder
Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend tätig
ist und an jedem Auftrag mitarbeitet.
„Teamarbeit“ oder Mitarbeit ist
grundsätzlich ausreichend, aber auch in dem Sinne
erforderlich, dass sich jeder Gesellschafter kraft seiner
persönlichen Berufsqualifikation an der
„Teamarbeit“ beteiligt. Die Gesellschafter
müssen an der Bearbeitung der erteilten Aufträge
zumindest in der Weise mitwirken, dass die Berufsträger die
mit einem übernommenen Auftrag verbundenen Aufgaben
untereinander aufteilen und jeder den ihm zugewiesenen
Aufgabenbereich aufgrund seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich
leitet (vgl. BFH-Urteile vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BFHE 238,
444, BStBl II 2013, 79 = SIS 12 33 50; in BFHE 232, 162, BStBl II
2011, 506 = SIS 11 06 55; in BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642 =
SIS 09 06 88, jeweils m.w.N.; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach -
HHR -, § 18 EStG Rz 442).
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cc) Erbringen die Gesellschafter einer
Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und
teilweise - mangels Eigenverantwortlichkeit - gewerblich, so ist
ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als
gewerblich zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 4.7.2007 VIII R 77/05,
BFH/NV 2008, 53 = SIS 08 04 75).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist das FG
zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin, deren sieben
Mitunternehmer-Gesellschafter alle die Zulassung zum Rechtsanwalt
besaßen und auch als solche tätig waren, insoweit eine
freiberufliche Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
ausgeübt hat.
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c) Soweit der Mitunternehmer-Gesellschafter X
darüber hinaus als (vorläufiger) Insolvenzverwalter und
Treuhänder tätig war, erzielte die Klägerin
Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
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aa) Die Tätigkeit eines Insolvenz-,
Zwangs- und Vergleichsverwalters ist - auch wenn sie durch
Rechtsanwälte ausgeübt wird - nach der Rechtsprechung des
BFH eine vermögensverwaltende Tätigkeit i.S. des §
18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil in BFHE 232, 162, BStBl II 2011,
506 = SIS 11 06 55, m.w.N.).
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bb) Dies gilt auch für die Tätigkeit
als vorläufiger Insolvenzverwalter und als Treuhänder im
Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Befugnisse eines
Treuhänders und im Regelfall auch die eines vorläufigen
Insolvenzverwalters sind zwar nicht so weitreichend wie diejenigen
des (endgültigen) Insolvenzverwalters. Beide Aufgaben stellen
jedoch - ebenso wie die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters -
keine für den Katalogberuf des Rechtsanwalts i.S. des §
18 Abs. 1 Nr. 1 EStG berufstypische Tätigkeit dar. Denn ebenso
wie zum Insolvenzverwalter kann auch zum vorläufigen
Insolvenzverwalter und zum Treuhänder nach § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) bzw. § 313 InsO a.F.
jeweils i.V.m. § 56 InsO eine für den jeweiligen
Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von
den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige
natürliche Person bestellt werden, die aus dem Kreis aller zur
Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen
auszuwählen ist.
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2. Das FG ist weiterhin zutreffend davon
ausgegangen, dass die Klägerin auch Einkünfte aus
Gewerbebetrieb erzielt hat. Die Vergütungen aus den von dem
angestellten Rechtsanwalt Y als Insolvenzverwalter und
Treuhänder geführten Verfahren entfielen nicht auf eine
leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer
der Klägerin.
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27
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a) Die nach Aufgabe der sog.
Vervielfältigungstheorie auch für den Bereich der
Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von
§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zulässige Mitarbeit fachlich
Vorgebildeter setzt voraus, dass der Berufsträger trotz
solcher Mitarbeiter auch in diesem Bereich seinen Beruf leitend und
eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG
ausübt (vgl. hierzu grundlegend BFH-Urteile in BFHE 232, 162,
BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55, und in BFHE 232, 453, BStBl II
2011, 498 = SIS 11 11 58).
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Diesem Erfordernis entspricht eine
Berufsausübung nur, wenn sie über die Festlegung der
Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht
hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur
Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist und die
Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in
ausreichendem Maße gewährleistet. Nur unter diesen
Voraussetzungen trägt die Arbeitsleistung - selbst wenn der
Berufsträger ausnahmsweise in einzelnen Routinefällen
nicht mitarbeitet - den erforderlichen „Stempel der
Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen.
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29
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Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine
Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die den
Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegt. Diese Würdigung
ist jeweils nach den tatsächlichen Verhältnissen des
Einzelfalls und den Besonderheiten des jeweiligen Berufs
vorzunehmen.
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30
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aa) Die Maßstäbe für die
Würdigung der vom FA und FG festzustellenden Tatsachen zur
Mitarbeiterbeteiligung werden bei Ausübung der
Insolvenzverwaltertätigkeit im Wesentlichen dadurch bestimmt,
was nach den Regelungen der Insolvenzordnung zu den
höchstpersönlich auszuführenden Aufgaben eines
Insolvenzverwalters gehört (Einzelheiten im BFH-Urteil in BFHE
232, 162, BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55, m.w.N.). Entscheidend
ist, ob Organisation und Abwicklung des Insolvenzverfahrens
insgesamt den „Stempel der Persönlichkeit“
desjenigen tragen, dem nach § 56 InsO das Amt des
Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht übertragen worden
ist. Dies erfordert, dass die Entscheidungen über das
„Ob“ bestimmter Einzelakte und zentrale Aufgaben
im Rahmen des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter
persönlich zu treffen sind.
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31
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Hat er Entscheidungen dieser Art
(höchstpersönlich) getroffen, bleibt seine Tätigkeit
auch dann eine solche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn er
das „Wie“, nämlich die
kaufmännisch-technische Umsetzung dieser Entscheidungen auf
Dritte überträgt.
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32
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bb) Diese für die Beschäftigung von
Arbeitskräften durch einen Insolvenzverwalter geltenden
Maßstäbe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 232, 162, BStBl II
2011, 506 = SIS 11 06 55, m.w.N.) sind für die Beurteilung der
Tätigkeit eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder
eines Treuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren
entsprechend heranzuziehen.
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33
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist
das FG aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem
Ergebnis gelangt, der Gesellschafter Rechtsanwalt Y sei insoweit
leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen, wie er selbst
vom jeweiligen Insolvenzgericht zum (vorläufigen)
Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt worden sei, da er
den ihm obliegenden Kernaufgaben höchstpersönlich
nachgekommen sei, die Entscheidungen über das
„Ob“ bestimmter Einzelakte im Rahmen des
Insolvenzverfahrens selbst getroffen habe und die ihm als
(vorläufigem) Insolvenzverwalter und Treuhänder lt.
Insolvenzordnung obliegenden zentralen Aufgaben - Berichtspflicht
gegenüber den Insolvenzgerichten, der
Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss, seine
Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplanes und zur
Schlussrechnungslegung - persönlich erfüllt habe. Der
Senat ist an diese - von den Beteiligten nicht mit Rügen
angegriffene - Sachverhaltswürdigung gebunden (§ 118 Abs.
2 FGO).
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34
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c) Auf Grundlage des von ihm festgestellten
Sachverhaltes ist das FG jedoch ferner zu dem Ergebnis gelangt,
dass die Gesellschafter der Klägerin im Rahmen der
Insolvenzverwaltung insoweit nicht eigenverantwortlich tätig
geworden sind, als sie sich des Rechtsanwalts Y als qualifiziertem
Mitarbeiter bedient haben, der selbst als (vorläufiger)
Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellt worden war.
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35
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aa) Das FG hat die im Klageverfahren noch
streitige Frage, ob Rechtsanwalt Y ebenfalls als Mitunternehmer der
Klägerin anzusehen ist, auf Grundlage der von ihm getroffenen
und von den Beteiligten nicht mit Rügen angegriffenen
tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) verneint:
E habe keine Mitunternehmerinitiative entfalten können. Er
habe auch kein Mitunternehmerrisiko getragen, weil er ein
Festgehalt und eine Umsatzbeteiligung bezogen und die Klägerin
für ihn Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge
abgeführt habe (vgl. BFH-Urteile in BFHE 238, 444, BStBl II
2013, 79 = SIS 12 33 50; vom 29.4.1992 XI R 58/89, BFH/NV 1992,
803). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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36
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bb) Weiterhin hat das FG den festgestellten
Sachverhalt zutreffend dahingehend gewürdigt, dass, soweit Y
vom Insolvenzgericht selbst zum (vorläufigen)
Insolvenzverwalter und Treuhänder bestellt worden ist, unter
Berücksichtigung der unter II.2.a dargestellten Rechtsprechung
des Senats zur eigenverantwortlichen Tätigkeit eines
Insolvenzverwalters nicht mehr von einer eigenverantwortlichen
Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin ausgegangen
werden könne. Auch dies ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
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37
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(1) Nach den vom FG unter Rz 11 des Urteils
vom 15.12.2011 2 K 412/08 getroffenen Feststellungen, an die der
Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), hat die Klägerin
selbst vorgetragen, der Gesellschafter X übe die
Insolvenzverwaltertätigkeit eigenverantwortlich und
selbständig aus. Gleiches gelte für Rechtsanwalt Y. Beide
Verwalter veranlassten und überwachten nach Eingang der
Insolvenzakte die von ihnen jeweils angeordneten Maßnahmen,
führten den Schriftverkehr mit dem Schuldner, fertigten die
Berichte, nähmen die Gerichtstermine wahr und verwerteten die
Vermögensgegenstände.
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38
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Die Würdigung des FG, dass Rechtsanwalt
Y, der seine Tätigkeit in gleicher Weise wie der
Gesellschafter Rechtsanwalt X ausübe, damit - genau wie
Rechtsanwalt X - leitend und eigenverantwortlich tätig
geworden sei, so dass im Umkehrschluss insoweit nicht mehr von
einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit der
Gesellschafter der Klägerin ausgegangen werden könne,
verstößt weder gegen Denkgesetze noch
Erfahrungssätze und ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
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39
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(2) Die Klägerin trägt nunmehr vor,
dass für Rechtsanwalt Y bei seiner Tätigkeit als
Insolvenzverwalter und Treuhänder die gleichen internen
Arbeitsabläufe und Kontrollen wie bei einer Zuarbeit für
Rechtsanwalt X gegolten hätten. Dies kann als neuer
Tatsachenvortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr
berücksichtigt werden.
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40
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(3) Das aus jedem Arbeitsvertrag folgende
Weisungsrecht des Arbeitgebers und die damit verbundene
Eingliederung in dessen betriebliche Strukturen führen
für sich allein nicht dazu, dass von einer leitenden und
eigenverantwortlichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr.
1 Satz 3 EStG des jeweiligen Berufsträgers in Bezug auf die
von dem Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten ausgegangen
werden kann. Andernfalls liefe dieses Merkmal weitestgehend
leer.
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41
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3. Die Einkünfte der Klägerin werden
im Streitfall jedoch nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu
solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert.
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42
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Denn obwohl es sich bei den von Y als
Involvenzverwalter und Treuhänder erzielten Umsätzen der
Klägerin mangels leitender und eigenverantwortlicher
Tätigkeit der Gesellschafter um eine gewerbliche
Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG handelt (s.
hierzu unter II.3. b), ist diese von so untergeordneter Bedeutung,
dass die Umqualifizierung der Einkünfte der Klägerin in
gewerbliche Einkünfte zu einem
unverhältnismäßigen Ergebnis führen würde
(s. hierzu unter II.3.c). Ob die Klägerin insoweit mangels
Kostendeckung ohne Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat, kann
daher im Streitfall dahinstehen.
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43
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a) Im Unterschied zur sog. gemischten
Tätigkeit eines Einzelunternehmers, bei dem gleichzeitig
verrichtete gewerbliche und freiberufliche Betätigungen selbst
bei sachlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkten in der
Regel getrennt zu beurteilen sind, fingiert die Regelung des §
15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für gemischt tätige
Personengesellschaften sämtliche Einkünfte als solche aus
Gewerbebetrieb, wenn die Personengesellschaft neben nicht
gewerblichen Tätigkeiten gleichzeitig eine gewerbliche
Tätigkeit ausübt. Unerheblich ist dabei nach dem Wortlaut
der Norm, ob der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten
Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung
zukommt (BFH-Urteile vom 10.8.1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl
II 1995, 171 = SIS 95 01 13; vom 19.2.1998 IV R 11/97, BFHE 186,
37, BStBl II 1998, 603 = SIS 98 18 30).
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44
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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die
Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung in §
15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gerade im Hinblick auf diese
Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und
Personengesellschaften und die erheblichen steuerrechtlichen Folgen
- die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der
gewerblichen Einkünfte und des Verhältnisses zum
Gesamtgewinn eintreten - grundsätzlich bestätigt
(BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV
2008, Beilage 3, 247 = SIS 08 25 65, unter C.II.). Die mit der
Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen Nachteile
stehen danach in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der
Regelung verfolgten Zielen, die Ermittlung der Einkünfte auch
gewerblich tätiger Personengesellschaften durch Fiktion nur
einer Einkunftsart zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkommen
zu schützen.
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45
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Dabei ist das BVerfG allerdings davon
ausgegangen, dass die gewerbesteuerliche Belastung auf ein
zumutbares Maß gemildert wird durch die Möglichkeit, mit
Hilfe gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen der
Abfärberegelung auszuweichen (sog. Ausgliederungsmodell - vgl.
hierzu BFH-Urteile vom 12.6.2002 XI R 21/99, BFH/NV 2002, 1554 =
SIS 03 02 27; vom 19.2.1998 IV R 11/97, BFHE 186, 37, BStBl II
1998, 603 = SIS 98 18 30, jeweils m.w.N.), durch die Anrechnung der
Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG und
schließlich durch die restriktive Rechtsprechung des BFH zu
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, u.a. durch den Ausschluss einer die
Einkunftsart insgesamt fingierenden Wirkung einer originär
gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem
Ausmaß (BFH-Urteile in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 =
SIS 99 22 22; vom 30.8.2001 IV R 43/00, BFHE 196, 511, BStBl II
2002, 152 = SIS 02 04 23; vom 29.11.2001 IV R 91/99, BFHE 197, 400,
BStBl II 2002, 221 = SIS 02 05 21).
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46
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b) Voraussetzung für die Anwendung von
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist zunächst, dass die
Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch von diesen zu trennende
nicht gewerbliche Einkünfte erzielt, d.h. dass die
unterschiedlichen Tätigkeiten nicht derart miteinander
verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen.
Ist die Tätigkeit der Gesellschaft hingegen wegen untrennbarer
Verflechtung der Tätigkeiten einheitlich als originär
gewerblich zu qualifizieren, ergibt sich die Gewerbesteuerpflicht
unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 1 Nr.
1 EStG. Liegt hingegen eine einheitliche freiberufliche
Tätigkeit vor, entfällt die Anwendung von § 15 Abs.
3 Nr. 1 EStG (Schmidt/Wacker, EStG, 33. Aufl., § 15 Rz 186,
m.w.N.).
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47
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Ausgehend von diesen Grundsätzen
führt der Bereich, in dem die Gesellschafter der Klägerin
nicht mehr leitend und eigenverantwortlich tätig sind, zu
gewerblichen Einkünften i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG,
die getrennt von der selbständigen Tätigkeit der
Klägerin zu betrachten sind.
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48
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Eine Trennung der beiden Tätigkeiten ist
im Streitfall möglich, da die Mitunternehmer der Klägerin
nur im Hinblick auf die von Y ausgeübte Tätigkeit als
Insolvenzverwalter und Treuhänder nicht leitend und
eigenverantwortlich tätig gewesen sind und die darauf
entfallenden Umsätze auch von den Umsätzen aus
selbständiger Arbeit getrennt ermittelt werden konnten (vgl.
zur Trennbarkeit bei einem Einzelunternehmen BFH-Urteil vom
8.10.2008 VIII R 53/07, BFHE 223, 272, BStBl II 2009, 143 = SIS 08 41 91).
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49
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Hinsichtlich der übrigen Tätigkeiten
erfüllen alle Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen
Verbundenheit, sowohl ihrer persönlichen Qualifikation nach
als auch mit der von ihnen und den anderen Arbeitnehmern
ausgeübten Tätigkeit, die Voraussetzungen des § 18
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG.
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Insoweit unterscheidet sich der vorliegende
Fall von der Beteiligung eines berufsfremden Mitunternehmers an
einer freiberuflich tätigen Mitunternehmerschaft oder der
Beteiligung eines Mitunternehmers, der tatsächlich keinen
freien Beruf ausübt, da in diesen Fällen bereits die
Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit nicht
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllen
(vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79 = SIS 12 33 50, und in BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642 = SIS 09 06 88).
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c) Die gewerblichen Umsätze der
Klägerin sind so gering, dass der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung des
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Streitfall ausschließt.
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aa) Aufgrund der dargestellten Rechtsprechung
des BVerfG, das die Verhältnismäßigkeit der
Abfärberegelung u.a. auf der Grundlage der restriktiven
Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch den BFH bejaht hat,
hält der Senat an der Rechtsprechung fest, dass einer
originär gewerblichen Tätigkeit einer ansonsten
Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielenden
Personengesellschaft dann keine die übrige Tätigkeit der
Gesellschaft umqualifizierende Wirkung zukommt, wenn es sich um
eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem
Ausmaß handelt (BFH-Urteile in BFHE 189, 419, BStBl II 2000,
229 = SIS 99 22 22; in BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23; in BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221 = SIS 02 05 21;
BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81).
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bb) Eine Tätigkeit von äußerst
geringem Ausmaß, die nicht dazu führt, dass die gesamte
Tätigkeit der Personengesellschaft einheitlich als gewerblich
fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen
Nettoumsatzerlöse 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der
Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im Veranlagungszeitraum
nicht übersteigen.
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(1) Ob es sich bei der gewerblichen
Tätigkeit um eine äußerst geringfügige
Tätigkeit handelt, die nicht zur Umqualifizierung der
übrigen Einkünfte führt, kann nur anhand eines
Vergleichs beider Tätigkeiten festgestellt werden.
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Als geeigneter Vergleichsmaßstab ist das
- im Regelfall ohne Schwierigkeiten zu ermittelnde -
Verhältnis der Nettoumsätze der gewerblichen
Tätigkeit zu den Gesamtnettoumsätzen der Gesellschaft aus
selbständiger Arbeit und gewerblicher Tätigkeit
heranzuziehen. Die erwirtschafteten Umsätze erlauben bei
typisierender Betrachtung Rückschlüsse auf den auf die
verschiedenen Tätigkeiten entfallenden zeitlichen und
finanziellen Aufwand der Gesellschaft und damit darauf, ob der
gewerblichen Tätigkeit eine völlig untergeordnete
Bedeutung zukommt.
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(2) Hinsichtlich der Höhe des Anteils der
gewerblichen Umsätze folgt der Senat nicht der Auffassung des
FA, wonach lediglich ein Anteil von 1,25 v.H. als
äußerst geringfügig anzusehen ist. Zwar hat der BFH
bereits entschieden, dass jedenfalls bei einem Anteil der
gewerblichen Umsatzerlöse in Höhe von 1,25 v.H. der
Gesamtumsatzerlöse eine gewerbliche Tätigkeit von
äußerst geringem Umfang vorliege (BFH-Urteil in BFHE
189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22; bestätigt im
BFH-Urteil in BFHE 232, 162, BStBl II 2011, 506 = SIS 11 06 55, bei
dem die gewerblichen Umsätze jedoch noch unter 1 v.H. lagen).
Eine Entscheidung, dass höhere gewerbliche Umsätze immer
zum Eintritt der Abfärbewirkung führen, war damit jedoch
nicht getroffen. So hat der BFH bereits im Urteil in BFHE 189, 419,
BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22 darauf hingewiesen, dass erst bei
gewerblichen Umsätzen in Höhe von 6 v.H. ein
äußerst geringer Umfang nicht mehr vorliegen dürfte
(unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 175, 357, BStBl II 1995,
171 = SIS 95 01 13). In einem späteren summarischen Verfahren
wurde zumindest ein Umsatzanteil in Höhe von 2,81 v.H. des
Gesamtumsatzes noch als äußerst geringfügig
angesehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 954 = SIS 04 22 81).
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(3) Der erkennende Senat hält auf dieser
Grundlage einen gewerblichen Umsatzanteil von 3 v.H. typisierend
noch für von so untergeordneter Bedeutung, dass eine
Umqualifizierung der gesamten Einkünfte
unverhältnismäßig wäre. Dabei sind die
Nettoumsätze zugrunde zu legen, um das Verhältnis der
Umsätze bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen nicht zu
verfälschen.
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cc) Zur Vermeidung einer Privilegierung von
Personengesellschaften, die besonders hohe freiberufliche
Umsätze erzielen und damit in größerem Umfang
gewerblich tätig sein könnten und unter
Berücksichtigung des Normzwecks, das Gewerbesteueraufkommen zu
schützen, ist es außerdem erforderlich, den Betrag der
gewerblichen Nettoumsatzerlöse, bei dem noch von einem
äußerst geringfügigen Umfang ausgegangen werden
kann, auf einen Höchstbetrag in Höhe von 24.500 EUR zu
begrenzen. Dieser orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen
Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1
Satz 3 Nr. 1 GewStG. Denn im Regelfall droht dann kein Ausfall von
Gewerbesteuer, wenn bereits die gewerblichen Umsätze unter dem
gewinnbezogenen Freibetrag in Höhe von 24.500 EUR liegen.
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(1) Allerdings handelt es sich bei dem
Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG um eine Gewinn-
und nicht um eine Umsatzgrenze. Auch liegt der Zweck dieser
Regelung nicht in der Freistellung von Kleingewerbetreibenden von
der Gewerbesteuer, sondern in der Herstellung einer vergleichbaren
gewerbesteuerlichen Belastung im Vergleich zu Kapitalgesellschaften
durch Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohnes (vgl.
zur Kritik FG Münster, Urteil vom 19.6.2008 8 K 4272/06 G, EFG
2008, 1975 = SIS 08 36 42).
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(2) Gleichwohl ist es sachgerecht, den
für Personengesellschaften geltenden gewerbesteuerlichen
Freibetrag als Umsatzgrenze für eine typisierende
Einschränkung der Abfärbewirkung gemäß §
15 Abs. 3 Nr. 1 EStG heranzuziehen.
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Der Normzweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr.
1 GewStG steht einer Anwendung des Freibetrages als absolute
Umsatzgrenze im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht
entgegen. Denn wenn auch eine Freistellung von geringen
gewerblichen Einkünften nicht Zweck der Norm ist, so ist sie
doch deren Ergebnis. Da gewerbliche Erträge in dieser
Höhe nicht mit Gewerbesteuer belastet werden, droht insoweit
auch nicht die Gefahr von Steuerausfällen.
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Dass eine Gewerbesteuerpflicht der ansonsten
freiberuflichen Einkünfte dann nicht geboten ist, wenn die
gewerblichen Einkünfte für sich genommen keine
Gewerbesteuer zeitigen würden, steht im Übrigen auch im
Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, wonach auch eine
Gewerbesteuerbefreiung der gewerblichen Einkünfte auf die
freiberuflichen Einkünfte „abfärbt“,
so dass im Ergebnis keine Gewerbesteuer entsteht (BFH-Urteil in
BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23).
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Es würde jedoch dem vorrangigen Zweck der
Abfärberegelung - der vereinfachten weil einheitlichen
Einkünfteermittlung - zuwider laufen, den Freibetrag des
§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG - wie dort vorgesehen - im
Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewinngrenze zu
berücksichtigen, da dies eine getrennte
Einkünfteermittlung für die verschiedenen
Tätigkeiten - mit den damit verbundenen Zuordnungs- und
Aufteilungsschwierigkeiten - zur Folge hätte. Die aus
Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene
Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 15 Abs. 3 Nr.
1 EStG darf nicht dazu führen, dass damit der eigentliche
Normzweck gefährdet wird (so auch HHR/Stapperfend, § 15
EStG Rz 1426; Korn in Korn, § 18 EStG Rz 153; Kempermann, DStR
2002, 664). Die Berücksichtigung des Freibetrages als
Umsatzgrenze vermeidet derartige Schwierigkeiten.
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4. Das FG hat damit im Ergebnis zutreffend die
Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verneint.
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Die gewerblichen Nettoumsätze betragen
15.358 EUR (1,81 v.H. der Nettogesamtumsätze) in 2003 und
21.065 EUR (2,68 v.H. der Nettogesamtumsätze) in 2004 und
überschreiten damit weder die relative Grenze von 3 v.H. der
Gesamtumsätze noch den Höchstbetrag von 24.500 EUR.
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Die Festsetzungen der
Gewerbesteuermessbeträge waren daher aufzuheben und die
Einkünfte der Klägerin in voller Höhe als solche aus
selbständiger Arbeit festzustellen (so bereits BFH-Urteil in
BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22).
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