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Zur Abfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

Zur Abfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Die Einkünfte einer Ärzte-GbR sind insgesamt solche aus Gewerbebetrieb, wenn die GbR auch Vergütungen aus ärztlichen Leistungen erzielt, die in nicht unerheblichem Umfang ohne leitende und eigenverantwortliche Beteiligung der Mitunternehmer-Gesellschafter erbracht werden. - Urt.; BFH 3.11.2015, VIII R 62/13; SIS 16 05 77

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewerbesteuer
Fundstellen
  1. BFH 03.11.2015, VIII R 62/13
    BStBl 2016 II S. 381
    BFH/NV 2016 S. 833
    BFHE 252 S. 283

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 9.5.2016
    -/- in NWB 14/2016 S. 986
    J.H. in StuB 8/2016 S. 318
    B. Rätke in BBK 9/2016 S. 419
    J. Brandt in StBp 6/2016 S. 184
    F. Werth in BFH/PR 6/2016 S. 178
Normen
[GewStG] § 2 Abs. 1 Satz 2, § 7
[EStG] § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 19.09.2013, SIS 14 12 46, Gewerbebetrieb, Mitunternehmerschaft, Mitunternehmerrisiko, Eigenverantwortliche Leistung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Münster 27.10.2023, SIS 24 03 81, Frage der Gewerbesteuerpflicht einer aus Patentanwälten bestehenden GbR aufgrund Mithilfe ausländischer P...
  • FG Rheinland-Pfalz 16.9.2021, SIS 22 01 71, Gewerbliche Infizierung einer freiberuflichen Partnerschaft, Zahnärzte: Werden in einer zahnärztlichen Pa...
  • BFH 14.5.2019, SIS 19 11 78, Zur Qualifizierung der Tätigkeit eines Prüfingenieurs: 1. Prüfingenieure, die Hauptuntersuchungen und Sic...
  • FG Baden-Württemberg 22.4.2016, SIS 16 15 53, Gewerbliche Infektion der Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft durch Beteiligung an...
Fachaufsätze
  • LIT 03 88 95 M. Mertzbach, Stbg 7-8/2019 S. 295: Notwendigkeit einer eigenen leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit oder Sicherstellung einer Mitun...

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 19.9.2013 11 K 3969/11 G = SIS 14 12 46 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Streitig ist, ob die Einkünfte, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr (2007) aus dem Betrieb einer Arztpraxis erzielt hat, als gewerblich zu qualifizieren sind.

 

 

2

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus den Ärzten Dr. L und Dr. G. Diese hatten im Streitjahr mit Dr. N - einer weiteren Ärztin - eine Arztpraxis betrieben. Für die weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf den Tatbestand seines Urteils vom 3.11.2015 VIII R 63/13 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) Bezug.

 

 

3

Im Rahmen einer im Jahr 2009 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung gelangte der Außenprüfer nicht nur zu der Auffassung, dass Dr. N steuerlich nicht als Mitunternehmerin der Klägerin anzusehen und die Einkünfte der Klägerin somit nicht gesondert und einheitlich für die Herren Dr. L und Dr. G sowie Frau Dr. N festzustellen seien. Er war zudem der Meinung, dass die Klägerin, soweit sie Honorarumsätze aus der Behandlung der Patienten durch Frau Dr. N vereinnahmt habe, gewerbliche Einkünfte erziele. Ihr Betrieb gelte deshalb gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in vollem Umfang als Gewerbebetrieb.

 

 

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 27.8.2010 einen an die Klägerin bekannt gegebenen Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag, in dem es den gesamten Gewinn der Klägerin in den Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) einbezog. Der „Gewinnanteil“ der Dr. N blieb bei der Feststellung des Gewerbesteuermessbetrages unberücksichtigt.

 

 

5

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg, ebenso die nachfolgende Klage.

 

 

6

Ihre Revision begründet die Klägerin mit der Verletzung materiellen Rechts. Das Finanzgericht (FG) habe die Mitunternehmerstellung der Dr. N fälschlicherweise verneint.

 

 

7

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil vom 19.9.2013 11 K 3969/11 G und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007 vom 27.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.10.2011 aufzuheben.

 

 

8

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

10

Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte und gemäß § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG der Gewerbesteuer unterlag.

 

 

11

1. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen (z.B. Senatsurteile vom 28.10.2008 VIII R 69/06, BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642 = SIS 09 06 88; vom 27.8.2014 VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 = SIS 15 03 13; vom 26.1.2011 VIII R 3/10, BFHE 232, 453, BStBl II 2011, 498 = SIS 11 11 58; vom 15.6.2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906 = SIS 10 22 55; vom 4.7.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53 = SIS 08 04 75).

 

 

12

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Fachlich vorgebildetes Personal sind die im Betrieb des Freiberuflers beschäftigten Personen, aber auch Subunternehmer oder freie Mitarbeiter (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.3.2007 XI R 59/05, BFH/NV 2007, 1319 = SIS 07 20 19; vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478 = SIS 01 06 85, m.w.N.). Fachlich vorgebildet ist sowohl der Mitarbeiter, der dieselbe Qualifikation wie der Betriebsinhaber erworben hat, als auch derjenige, der eine weniger qualifizierte Berufsausbildung aufzuweisen hat (z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1319 = SIS 07 20 19).

 

 

13

Bedient sich der Angehörige eines freien Berufs einer entsprechenden Mithilfe, muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 206, BStBl II 2009, 642 = SIS 09 06 88; in BFH/NV 2008, 53 = SIS 08 04 75; in BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681 = SIS 08 24 22; BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 9/06, BFHE 215, 210, BStBl II 2007, 266 = SIS 07 04 43). Für einen Arzt bedeutet dies, dass er eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen muss (vgl. Senatsurteil vom 16.7.2014 VIII R 41/12, BFHE 247, 195, BStBl II 2015, 216 = SIS 14 33 44; BFH-Urteil vom 22.1.2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10, m.w.N.).

 

 

14

Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise - mangels Eigenverantwortlichkeit - gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren (z.B. Senatsurteile in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 = SIS 15 03 13; in BFH/NV 2008, 53 = SIS 08 04 75).

 

 

15

2. Das FG ist unter Anwendung dieser Grundsätze zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin, deren Mitunternehmer-Gesellschafter Dr. L und Dr. G als Ärzte tätig waren, insoweit eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat. Es hat - ebenso zutreffend - Dr. N nicht als Mitunternehmerin der Klägerin angesehen. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 3.11.2015 in dem unter dem Aktenzeichen VIII R 63/13 geführten Verfahren (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

 

 

16

3. Das FG hat ferner ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Vergütungen aus den von Dr. N im Namen der Klägerin erbrachten ärztlichen Leistungen nicht auf eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer-Gesellschafter der Klägerin, der Herren Dr. L und Dr. G, entfielen, und die Einkünfte der Klägerin daher als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

 

 

17

Es hat mit bindender Wirkung festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass Dr. N ihre Patienten eigenverantwortlich behandelte. Eine Überwachung durch Dr. L und Dr. G erfolgte ebenso wenig wie deren persönliche Mitwirkung bei der Behandlung dieser Patienten.

 

 

18

War die Klägerin hiernach nicht in vollem Umfang freiberuflich tätig, so waren ihre Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die aus der Tätigkeit der Dr. N auf der Ebene der Klägerin erzielten Einkünfte waren nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung (vgl. zur Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG das Senatsurteil in BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 = SIS 15 03 13).

 

 

19

4. Die Höhe des Gewerbesteuermessbetrages ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt auch aus Sicht des Senates keinen Bedenken.

 

 

20

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.