Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 9.12.2014 15 K 1556/11 F
und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 31.3.2011 sowie
die Änderungsbescheide des Beklagten über die gesonderte
und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für
die Jahre 2003 bis 2006 vom 29.3.2010 und für die Jahre 2004
bis 2006 vom 23.3.2011 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
1
|
A. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Jahr 1999 als GbR
durch einen Formwechsel aus der X-GmbH hervorgegangen. An ihr sind
zu jeweils 50 % B und S beteiligt. B und S sind in gleicher Weise
zu je 50 % an der IM-GbR sowie an der B&S-GmbH
beteiligt.
|
|
|
2
|
Die Tätigkeit der Klägerin
beschränkt sich auf die Überlassung von Wohn- und
Geschäftsräumen. Der Geschäftszweck der IM-GbR
besteht im Knüpfen von Geschäftskontakten und dem
Verwalten von Häusern; sie erzielte Einnahmen in Höhe von
jährlich 2.400 EUR aus der Vermietung von Büroausstattung
an die B&S-GmbH. Gegenstand der B&S-GmbH ist der
gewerbliche An- und Verkauf von bebauten Grundstücken.
|
|
|
3
|
Die Klägerin war Eigentümerin
zweier Grundstücke in D. Das eine befand sich in der
A-Straße, das andere in der C-Straße (Letzteres
nachfolgend: das Grundstück C-Straße). Am 19.3.1998
vermietete die Rechtsvorgängerin der Klägerin das
Erdgeschoss des Hinterhauses in der C-Straße nebst zweier
Stellplätze an die IM-GbR einschließlich Nebenkosten
für monatlich 1.984 DM.
|
|
|
4
|
Der Mietvertrag lautete
auszugsweise:
|
|
|
|
|
|
Ҥ 1 Gegenstand des
Mietvertrages
|
|
|
(...)
|
|
|
2. Der Vermieter vermietet dem Mieter zur
gewerblichen Nutzung
|
|
|
a) die im Hofgebäude Erdgeschoß
(...) gelegenen Flächen gem. beigefügtem
Grundrißplan (...)
|
|
|
4. Der Mieter wird die angemieteten
Räume als Büroräume nutzen. (...)
|
|
|
|
|
|
§ 3 Mietzeit
|
|
|
(...)
|
|
|
2. Die Laufzeit des Mietvertrages beginnt
ab dem 1.4.1998. Ab dem 1.4.1998 zahlt der Mieter erstmalig die im
Mietvertrag vereinbarte Miete.
|
|
|
3. Der Mietvertrag wird auf Dauer von 5
Jahren abgeschlossen. Dem Mieter wird eine Option für 2 x 5
Jahre auf der gleichen Vertragsgrundlage eingeräumt. Der
Mieter hat dem Vermieter spätestens 6 Monate vor Ablauf des
Mietvertrages schriftlich zu erklären, ob er die Option
ausübt.
|
|
|
|
|
|
§ 4 Miete und
Mietnebenkosten
|
|
|
1. Der monatliche Mietzins für die
Fläche gem. § 1 Abs. 2 beträgt (...)
|
|
|
|
Summe DM 1.984,00
|
|
|
|
|
|
2. Der Mietzins ist jeweils bis zum 3.
Werktag eines jeden Monats im voraus kostenfrei auf das (...) Konto
des Vermieters zu zahlen. (...)
|
|
|
|
|
|
§ 18
Schlußvorschrift
|
|
|
(...)
|
|
|
2. Nebenabreden bestehen nicht.
|
|
|
3. Änderungen und Ergänzungen
dieses Vertrages bedürfen der beiderseitigen schriftlichen
Vereinbarung. Dies gilt auch für die Aufhebung dieser
Vorschrift. (...)“
|
|
|
|
5
|
In den Streitjahren (2003 bis 2006) nutzten
neben der IM-GbR auch die Klägerin und die B&S-GmbH die
Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Hinterhauses in der
C-Straße für eigenbetriebliche Zwecke. Im Februar 2004
erzielte die Klägerin für die Vermietung aller
Flächen eine Gesamtmiete von 14.521,69 EUR. Im Jahr 2006
betrugen die gesamten durch die Klägerin erzielten
Mieteinnahmen 157.943,66 EUR.
|
|
|
6
|
In den Erklärungen zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Einkommensbesteuerung gab die Klägerin Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von 6.406 EUR (2003), ./.
14.932 EUR (2004), ./. 21.153 EUR (2005) und ./. 25.996 EUR (2006)
an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
stellte die Einkünfte zunächst unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung erklärungsgemäß fest.
|
|
|
7
|
Nach Durchführung einer
Außenprüfung ging der Prüfer davon aus, dass
zwischen der Klägerin und der B&S-GmbH eine
Betriebsaufspaltung bestehe. Die Klägerin überlasse der
B&S-GmbH unentgeltlich Büroräume im Erdgeschoss des
Hinterhauses in der C-Straße. Auf Grund der
Betriebsaufspaltung würden gewerbliche Einkünfte erzielt,
die zur Abfärbung auf alle Tätigkeiten der Klägerin
führten. In Höhe der Kosten für die an die
B&S-GmbH überlassenen Büroräume setzte der
Prüfer - im Gegensatz zur eigenen Einkünfteermittlung der
Klägerin - Betriebsausgaben an.
Einkünfteerzielungsabsicht liege vor, obwohl die
Büroräume unentgeltlich an die B&S-GmbH
überlassen worden seien. Denn die Anteile an der B&S-GmbH
seien dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen
gewesen, so dass sich durch die unentgeltliche Überlassung der
Büroräume an die B&S-GmbH das
Ausschüttungspotential der Klägerin erhöht
habe.
|
|
|
8
|
Ausweislich des
Betriebsprüfungsberichts, dessen Inhalt vom Finanzgericht (FG)
festgestellt worden ist, hat die B&S-GmbH im Streitzeitraum
Gewinne zwischen 21.660 EUR und 279.647 EUR erzielt, diese aber
nicht ausgeschüttet.
|
|
|
9
|
Das FA schloss sich der Auffassung des
Prüfers an und änderte am 29.3.2010 unter Aufhebung des
Vorbehalts der Nachprüfung die verfahrensgegenständlichen
Feststellungsbescheide. Es stellte nunmehr Einkünfte der
Klägerin aus Gewerbebetrieb fest. Am 23.3.2011 erließ
das FA weitere Änderungsbescheide für die Jahre 2004 bis
2006, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
geringfügig niedriger festgestellt wurden.
|
|
|
10
|
Der Einspruch der Klägerin blieb
erfolglos.
|
|
|
11
|
Das FG wies die Klage als unbegründet
ab. Die Einkünfte der Klägerin seien solche aus
Gewerbebetrieb. Es habe zwischen ihr und der IM-GbR wie auch mit
der B&S-GmbH jeweils eine Betriebsaufspaltung bestanden. Der
zwischen der Klägerin und der IM-GbR geschlossene Mietvertrag
über die Räume in der C-Straße sei im
Streitzeitraum durchgeführt worden. Die Klägerin habe
lediglich ab dem Jahr 2000 auf die entstandenen Mietforderungen
verzichtet.
|
|
|
12
|
Auch im Verhältnis zu der B&S-GmbH
habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. An der
Gewinnerzielungsabsicht habe es nicht gefehlt. Denn die Anteile an
der B&S-GmbH seien im Sonderbetriebsvermögen der
Klägerin zu bilanzieren gewesen. Über die zu erwartenden
Ausschüttungen ergebe sich dann die Gewinnerzielungsabsicht
der Klägerin.
|
|
|
13
|
Die gewerblichen Einkünfte
färbten schließlich auf die gesamte Tätigkeit der
Klägerin ab. Die Abfärbung sei nicht
unverhältnismäßig. Die nicht erhobene Miete aus dem
Mietvertrag der Klägerin mit der IM-GbR aus dem Jahre 1998
mache 6,53 % der monatlichen Umsätze der Klägerin im
Februar 2004 und 7,16 % im Jahr 2006 aus.
|
|
|
14
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Betriebsaufspaltungen lägen nicht vor. Die angenommene
Abfärbung sei im Übrigen
unverhältnismäßig.
|
|
|
15
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Münster vom 9.12.2014 15 K 1556/11 F und die
Einspruchsentscheidung des FA vom 31.3.2011 sowie die
Änderungsbescheide des FA über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Jahre 2003 bis 2006 vom 29.3.2010 und für die Jahre 2004 bis
2006 vom 23.3.2011 aufzuheben.
|
|
|
16
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
17
|
Das FG habe die Einkünfte der
Klägerin zutreffend als gewerblich qualifiziert.
|
|
|
18
|
B. Die zulässige Revision der
Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
19
|
I. Die Revision ist zulässig.
|
|
|
20
|
Der Zulässigkeit steht nicht entgegen,
dass die Klägerin die Feststellung höherer Einkünfte
begehrt. Denn sie strebt zugleich eine andere Qualifizierung der
Einkünfte an, nämlich Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung statt Einkünften aus Gewerbebetrieb, woraus sich
die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche
Beschwer i.S. von § 40 Abs. 2 FGO ergibt (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.4.1991 X R 84/88, BFHE 164, 385,
BStBl II 1991, 713 = SIS 91 15 18, unter 1., und vom 14.9.2017 IV R
34/15 = SIS 17 22 17, Rz 24).
|
|
|
21
|
II. Die Revision ist begründet.
|
|
|
22
|
Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass
die Klägerin gewerbliche Einkünfte aus
Betriebsaufspaltungen mit der IM-GbR und der B&S-GmbH erzielt
habe, die die Bagatellgrenze gemäß § 15 Abs. 3 Nr.
1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) überstiegen und deshalb
zur Abfärbung auf sämtliche Einkünfte der
Klägerin führten. Es fehlt an einer Betriebsaufspaltung
mit der IM-GbR (dazu unter 1.). Ob eine Betriebsaufspaltung mit der
B&S-GmbH besteht, kann dahinstehen, da in den Streitjahren
insoweit nur negative Einkünfte erzielt worden sein
könnten, die jedenfalls nicht zur Umqualifizierung der
vermögensverwaltenden Einkünfte führen (dazu unter
2.).
|
|
|
23
|
1. Die Klägerin erzielt keine
Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit auf Grund einer
Betriebsaufspaltung mit der IM-GbR, weil es ihr an der dafür
erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht fehlt.
|
|
|
24
|
a) Eine Betriebsaufspaltung i.S. der von der
Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 8.11.1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440,
BStBl II 1972, 63 = SIS 72 00 39, ständige Rechtsprechung) hat
zur Folge, dass die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit
des Besitzunternehmens als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifizieren ist (BFH-Urteile vom
29.7.2015 IV R 16/13 = SIS 15 28 33, Rz 13, und vom 20.8.2015 IV R
26/13, BFHE 251, 53, BStBl II 2016, 408 = SIS 15 25 56, Rz 11).
Einen Gewerbebetrieb unterhält das Besitzunternehmen
allerdings nur dann, wenn auch die nach § 15 Abs. 2 EStG
erforderliche Gewinnerzielungsabsicht vorliegt (BFH-Urteil vom
13.11.1997 IV R 67/96, BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254 = SIS 98 04 30, unter 2.f).
|
|
|
25
|
Die Gewinnerzielungsabsicht des
Besitzunternehmens fehlt grundsätzlich, wenn der mit
Gewinnerzielungsabsicht tätigen Betriebsgesellschaft die
wesentlichen Betriebsgrundlagen unentgeltlich oder zu einem nicht
kostendeckenden Entgelt überlassen werden. Zwar kann in einem
solchen Fall die Absicht zur Erzielung von Gewinnen bestehen, die
nicht unmittelbar aus der Nutzungsüberlassung, sondern
mittelbar aus der Erzielung höherer Beteiligungseinkünfte
des Besitzunternehmens folgen, wenn Betriebsgesellschaft eine
Kapitalgesellschaft ist, die Beteiligung zum Betriebsvermögen
des Besitzunternehmens gehört und infolge des unangemessen
niedrigen Nutzungsentgelts höhere Gewinnausschüttungen zu
erwarten sind, die die Ausgaben des Besitzunternehmens
übersteigen (BFH-Urteil vom 2.9.2009 I R 20/09, BFH/NV 2010,
391 = SIS 10 05 67, und BFH-Beschluss vom 17.1.2007 IV B 38/05,
jeweils m.w.N.). Ist Betriebsgesellschaft jedoch - wie im
Streitfall - eine Personengesellschaft, der die wesentliche
Betriebsgrundlage von einer Besitzpersonengesellschaft
unentgeltlich oder zu einem nicht kostendeckenden Entgelt
überlassen wird, kann ein höherer Gewinn der
Betriebsgesellschaft nicht auf die Besitzgesellschaft
durchschlagen. Denn die Einkünfte aus der
Betriebspersonengesellschaft werden deren Gesellschaftern
unmittelbar gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als
gewerbliche Beteiligungseinkünfte zugerechnet, auch wenn sie
zugleich an der Besitzpersonengesellschaft beteiligt sind.
|
|
|
26
|
b) Der Klägerin fehlte danach die
Gewinnerzielungsabsicht in Bezug auf die Überlassung der
Räumlichkeiten in der C-Straße an die IM-GbR, denn diese
erfolgte unentgeltlich. Die gegenteilige Würdigung des FG, die
Überlassung der Räumlichkeiten sei entgeltlich erfolgt,
ist für den BFH nicht bindend, denn sie ist
widersprüchlich (aa). Der BFH kann auf Grundlage der
Feststellungen des FG in der Sache selbst entscheiden (bb).
|
|
|
27
|
aa) Die Auslegung von Verträgen
gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und
bindet das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO,
wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entspricht und nicht gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h.
jedenfalls möglich ist (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl.
Urteile vom 21.10.2014 VIII R 44/11, BFHE 247, 308, BStBl II 2015,
593 = SIS 14 33 34, und vom 28.5.2015 IV R 3/13 = SIS 15 22 70, Rz
18). Ist die Würdigung des FG allerdings widersprüchlich,
so ist diese für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO nicht
bindend. Es handelt sich insoweit um einen materiell-rechtlichen
Fehler, der auch ohne Rüge von dem Revisionsgericht zu
beachten ist (vgl. BFH-Urteile vom 22.4.1998 X R 101/95, BFH/NV
1998, 1481, unter B.I.2.; vom 3.8.2000 III R 76/97, BFHE 194, 282,
BStBl II 2001, 446 = SIS 01 09 28, unter II.2.d, und vom 19.1.2017
IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 = SIS 17 06 28, Rz
46).
|
|
|
28
|
Die Würdigung des FG, dass im
Streitzeitraum eine entgeltliche Nutzungsüberlassung durch die
Klägerin an die IM-GbR vorgelegen habe, ist
widersprüchlich. Zum einen geht das FG davon aus, dass die
Räume im Erdgeschoss des Hinterhauses in der C-Straße
auf Grundlage eines (entgeltlichen) Mietvertrags von der
Klägerin der IM-GbR überlassen worden seien, sie aber auf
den monatlichen Mietzins, nachdem dieser entstanden sei, jeweils
verzichtet habe. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer
Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH geht das FG zum anderen
aber davon aus, dass der Mietvertrag mit der IM-GbR steuerlich
nicht vollzogen worden sei, die Handhabung vielmehr dafür
spreche, dass der B&S-GmbH die von ihr genutzten
Räumlichkeiten direkt von der Klägerin unentgeltlich
überlassen worden seien. Zudem hat das FG festgestellt, dass
die Räumlichkeiten zur selben Zeit auch durch die
Klägerin genutzt worden seien, was einer entgeltlichen
Vermietung sämtlicher Räumlichkeiten an die IM-GbR
ebenfalls widerspricht.
|
|
|
29
|
bb) Nach den Feststellungen des FG kann nicht
davon ausgegangen werden, dass die Klägerin der IM-GbR die
Räumlichkeiten in der C-Straße entgeltlich
überlassen hat. Entweder ist der Vertrag der Klägerin mit
der IM-GbR geändert und eine unentgeltliche Überlassung
vereinbart und anschließend durchgeführt worden, oder
der unveränderte Vertrag ist tatsächlich nicht
durchgeführt worden.
|
|
|
30
|
Anders als in den Vorjahren hat die
Klägerin in den Streitjahren keine Mieteinnahmen aus der
Vermietung der streitigen Räumlichkeiten erklärt.
Konsequenterweise hat sie auch die mit diesen Räumlichkeiten
in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht als Werbungskosten
abgezogen. Die Einlassung der Klägerin im Laufe des
finanzgerichtlichen Verfahrens, dass eine Kündigung des
Mietvertrags nicht erfolgt sei, sie lediglich auf die Erhebung der
Miete „verzichtet“ habe, kann entgegen der Ansicht des
FG nicht dahin ausgelegt werden, dass die Klägerin der IM-GbR
die Mietforderungen nach ihrer Entstehung i.S. des § 397 Abs.
1 BGB erlassen habe. Mit „Verzicht“ sollte in diesem
Zusammenhang ganz ersichtlich nur umschrieben werden, dass trotz
fortbestehenden Mietvertrags eine Mietzahlung im Streitzeitraum
nicht mehr erfolgen sollte. Diese Auslegung der Einlassung
drängt sich insbesondere deshalb auf, weil sie erfolgte,
nachdem der Berichterstatter erstmals in seinem
Aufklärungsschreiben von einer entgeltlichen
Raumüberlassung ausgegangen war. Bis zu diesem Zeitpunkt waren
die Beteiligten und auch die Betriebsprüfung
übereinstimmend von einer unentgeltlichen Überlassung
ausgegangen.
|
|
|
31
|
Selbst wenn man aber dem FG in seiner
Auffassung folgen wollte, dass jeweils monatlich auf die
entstandene Mietforderung im Rechtssinne verzichtet worden sei,
könnte nicht von einer entgeltlichen Überlassung
ausgegangen werden. Denn dann wäre der Vertrag nach den
Grundsätzen für die Anforderungen an Rechtsgeschäfte
zwischen nahestehenden Personen schon mangels
ordnungsgemäßer Durchführung ertragsteuerlich nicht
anzuerkennen.
|
|
|
32
|
2. Die Klägerin hat in den Streitjahren
keine positiven Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit auf
Grund einer Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH erzielt, so
dass auch eine Umqualifizierung der übrigen Einkünfte der
Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in solche aus
Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG nicht in
Betracht kommt. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob eine
Betriebsaufspaltung dem Grunde nach überhaupt zu bejahen
wäre.
|
|
|
33
|
a) Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG
gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer
OHG, KG oder anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft
auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG ausübt (sog. Abfärbewirkung). Bei besonders
geringfügiger gewerblicher Betätigung soll es nach der
Rechtsprechung des BFH aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit nicht zu einer Abfärbung
auf die übrigen Einkünfte kommen (grundlegend BFH-Urteil
vom 11.8.1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 = SIS 99 22 22, daran anschließend BFH-Urteile vom 29.11.2001 IV R
91/99, BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221 = SIS 02 05 21, unter 3.b
cc, und vom 28.10.2008 VIII R 73/06, BFHE 223, 218, BStBl II 2009,
647 = SIS 09 06 89, unter II.4.c bb (4)). Fortentwickelt wurde
diese Rechtsprechung durch Urteile des VIII. Senats des BFH, wonach
freiberufliche Einkünfte einer GbR nicht insgesamt nach §
15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert
werden, wenn die daneben erzielten Nettoumsatzerlöse aus der
gewerblichen Tätigkeit 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse
der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR im
Veranlagungszeitraum nicht übersteigen (BFH-Urteile vom
27.8.2014 VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 = SIS 15 03 13, Rz 53 ff., und VIII R 41/11, BFHE 247, 506, BStBl II 2015,
999 = SIS 15 03 11, Rz 25 ff.). Die restriktive Interpretation der
Vorschrift durch den BFH war im Übrigen auch ein Gesichtspunkt
für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG),
dass § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht den Gleichheitssatz verletze
(BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, BGBl I 2008, 1006, unter C.II.3.).
|
|
|
34
|
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung
können allenfalls positive gewerbliche Einkünfte zu einer
Abfärbung auf ansonsten vermögensverwaltende
Einkünfte einer GbR führen.
|
|
|
35
|
aa) Mit der Typisierung des § 15 Abs. 3
Nr. 1 EStG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Ermittlung der
Einkünfte auch gewerblich tätiger Personengesellschaften
durch Fiktion nur einer Einkunftsart zu vereinfachen und das
Gewerbesteueraufkommen zu schützen (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, BGBl I 2008, 1006, unter C.II.3.).
Ist eine vermögensverwaltende GbR u.a. auch in einer Weise
tätig, die nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 2 EStG
als gewerblich zu beurteilen ist, ohne daraus aber positive
Einkünfte zu erzielen, kann das Gewerbesteueraufkommen dadurch
nicht gefährdet sein. Da eine solche Personengesellschaft
handelsrechtlich nicht zur Führung von Büchern und zur
Aufstellung einer einheitlichen Bilanz verpflichtet ist, bedarf es
einer einheitlichen Qualifikation der Einkünfte auch nicht zur
Vereinfachung der Gewinnermittlung. Ein Rechtfertigungsgrund
für die Ungleichbehandlung gegenüber Einzelpersonen, die
in gleicher Weise tätig werden und für die das EStG eine
Abfärbung gewerblicher Einkünfte nicht vorsieht, ist
danach nicht ersichtlich. Bei verfassungskonformer Auslegung ist
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf derartige Fallgestaltungen deshalb
nicht anzuwenden.
|
|
|
36
|
bb) In welcher Weise § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG bei geringfügigen positiven gewerblichen Einkünften
neben rein vermögensverwaltenden Einkünften auszulegen
ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Der Senat kann
deshalb offen lassen, ob die für die Abfärbung auf
freiberufliche Einkünfte entwickelte relative Bagatellgrenze
von 3 % der schädlichen Nettoerlöse auch auf
vermögensverwaltende Einkünfte übertragen werden
kann, ob dort das Überschreiten einer Bagatellgrenze erst nach
einem längeren Beobachtungszeitraum zur Abfärbung
führen dürfte und welcher Einkunftsart die
schädlichen Einkünfte bei Unterschreiten einer
Bagatellgrenze zuzuordnen wären.
|
|
|
37
|
cc) Für die Frage, ob positive
Einkünfte erzielt werden, ist auf die nach den Vorschriften
über die Einkünfteermittlung des EStG im jeweiligen
Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte abzustellen. Dem
steht nicht entgegen, wenn der Bezug der Einkünfte der
Gestaltung des Steuerpflichtigen zugänglich ist. Werden
positive Einkünfte nicht erzielt, weil der Steuerpflichtige
Ausgaben nicht tätigt, die sonst zu Einnahmen bei der
vermögensverwaltenden Personengesellschaft führen
würden, kann das Gewerbesteueraufkommen durch die fehlende
Einnahme nicht gefährdet sein, weil zugleich auch keine den
Gewerbeertrag mindernde Ausgabe berücksichtigt wird.
|
|
|
38
|
c) Danach würde auch eine
Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH nicht zur Abfärbung
auf die vermögensverwaltenden übrigen Einkünfte der
Klägerin führen. Denn die Klägerin hätte aus
der Tätigkeit als Besitzgesellschaft in den Streitjahren nur
negative Einkünfte realisiert.
|
|
|
39
|
aa) Wären die Voraussetzungen für
eine Betriebsaufspaltung mit der B&S-GmbH erfüllt,
würden neben dem Nutzungsentgelt auch die an die Klägerin
oder deren Gesellschafter ausgeschütteten Gewinne die
Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb erhöhen,
denn die GmbH-Anteile wären bei der Klägerin notwendiges
Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen. Ohne
Ausschüttung würden sich Gewinne der Betriebsgesellschaft
nicht auf die Einkünfte der Besitzgesellschaft auswirken.
|
|
|
40
|
Dieser Würdigung steht nicht entgegen,
dass die Fassung von Gewinnverteilungsbeschlüssen und das
Ausschüttungsverhalten einer Betriebskapitalgesellschaft
gesellschaftsrechtlich gesteuert und somit die Abfärbewirkung
gestaltet werden können. Denn gerade das Vorhandensein einer
Möglichkeit zur alternativen, aber legalen Gestaltung
trägt wesentlich dazu bei, dass die Abfärberegelung nicht
verfassungswidrig ist, weil sie wegen der Ausweichmöglichkeit
keine übermäßige Belastung für die betroffene
Personengesellschaft entfaltet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE
120, 1 = SIS 08 25 65, BGBl I 2008, 1006, unter C.II.3.d bb, zur
Gründung einer zweiten personenidentischen Gesellschaft).
|
|
|
41
|
bb) Im Streitfall hat die Klägerin
für die Überlassung der Räumlichkeiten an die
B&S-GmbH kein Entgelt erhalten. Durch die Überlassung sind
ihr lediglich Aufwendungen entstanden, die insoweit zu negativen -
im Fall des Bestehens einer Betriebsaufspaltung gewerblichen -
Vermietungseinkünften geführt haben. Nach den
unbestrittenen Feststellungen der Außenprüfung, auf die
das FG-Urteil Bezug genommen hat, hat die B&S-GmbH in den
Streitjahren auch keine Gewinne an die Gesellschafter der
Klägerin ausgeschüttet. Vielmehr sind die Gewinne in eine
Gewinnrücklage (Gewinnvortrag) bei der B&S-GmbH
eingestellt worden. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in
Streit, so dass der Senat von weiteren Ausführungen
absieht.
|
|
|
42
|
3. Das Urteil des FG war daher aufzuheben und
der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Entsprechend dem Antrag der Klägerin sind neben dem FG-Urteil
und der ablehnenden Einspruchsentscheidung alle
Änderungsbescheide für den Streitzeitraum aufzuheben,
sodass die ursprünglich gesondert und einheitlich
festgestellten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wieder
aufleben. Eine weiter gehende Feststellung von Verlusten (Aufwand
hinsichtlich der unentgeltlich an die B&S-GmbH
überlassenen Räume) hat die Klägerin weder im
außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren noch im Verfahren
vor dem FG und BFH beantragt.
|
|
|
43
|
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
|
|
|
|
|
|
|