1
|
I. An der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer KG,
sind die Eheleute E und V als alleinvertretungsberechtigte, nicht
am Gesellschaftsvermögen beteiligte Komplementäre, und
deren vier Kinder als Kommanditisten beteiligt. Die Klägerin
erzielte zunächst Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen.
|
|
|
2
|
Im Jahr 2008
übertrug V seine Kommanditbeteiligungen von 7 v.H. an der
T-GmbH & Co. KG (T-KG) und von 2,5225 v.H. an der L-GmbH & Co. KG
(L-KG) unentgeltlich auf die Klägerin. Bei beiden
Gesellschaften handelte es sich um Flugzeugleasingfonds, deren
Vermögen jeweils nur aus einem Flugzeug bestand. Die
Einkünfte der Fondsgesellschaften wurden als solche aus
Gewerbebetrieb vom jeweiligen Betriebsstättenfinanzamt
gesondert und einheitlich festgestellt.
|
|
|
3
|
Auf Grund der
gewerblichen Beteiligungseinkünfte stellte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) seit dem Jahr 2008
sämtliche Einkünfte der Klägerin gemäß
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als solche aus
Gewerbebetrieb fest.
|
|
|
4
|
Im Jahr 2008
veräußerten die T-KG und im Jahr 2010 die L-KG die
Flugzeuge vertragsgemäß an die jeweiligen
Leasingnehmer.
|
|
|
5
|
Auch für
2011 (Streitjahr) stellten die jeweiligen
Betriebsstättenfinanzämter die Einkünfte der
Fondsgesellschaften gesondert und einheitlich fest. Auf die
Klägerin entfielen ausweislich der Mitteilungen an das FA
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 1.804,15 EUR
(T-KG) bzw. ./. 497,95 EUR (L-KG).
|
|
|
6
|
Das FA vertrat
weiterhin die Rechtsauffassung, dass die Einkünfte aus der
vermögensverwaltenden Tätigkeit der Klägerin durch
die gewerblichen Beteiligungseinkünfte infiziert seien, und
stellte in dem Bescheid für 2011 über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(Gewinnfeststellungsbescheid) vom 11.4.2013 Einkünfte aus
Gewerbebetrieb und einen laufenden Gesamthandsgewinn in Höhe
von insgesamt ... EUR fest. Darin enthalten waren - neben den
gewerblichen Beteiligungseinkünften - umqualifizierte
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ...
EUR und umqualifizierte Einkünfte aus Kapitalvermögen in
Höhe von ... EUR.
|
|
|
7
|
Hiergegen legte
die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die
Umqualifizierung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
und aus Kapitalvermögen wandte. Mit dem Verkauf der Flugzeuge
sei die unternehmerische Tätigkeit der Fondsgesellschaften
eingestellt worden, denn diese seien in die gesetzlich
vorgeschriebene Liquidationsphase eingetreten. Die Gewerbebetriebe
der Fondsgesellschaften hätten daher bereits vor dem
Streitjahr geendet. Eine Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1
i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG komme daher mangels
Vorliegens eines Gewerbebetriebs nicht mehr in Betracht. Jedenfalls
wäre die Anwendung der Abfärberegelung angesichts des
„äußerst geringen Anteils“ der im Streitjahr
der Klägerin zugerechneten gewerblichen
Beteiligungseinkünfte
unverhältnismäßig.
|
|
|
8
|
Einspruch und
Klage hatten keinen Erfolg.
|
|
|
9
|
Mit ihrer gegen
das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) gerichteten
Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 15
Abs. 3 Nr. 1 EStG.
|
|
|
10
|
Sie beantragt,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 16.10.2013
aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 2011 vom 11.4.2013
dahingehend zu ändern, dass die Umqualifizierung der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus
Kapitalvermögen rückgängig gemacht
wird.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Das dem Verfahren
beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat keinen Antrag
gestellt.
|
|
|
13
|
II. Die Revision der
Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht
hat das FG die Klage der Klägerin abgewiesen, denn der
angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid, mit dem die
Einkünfte der Klägerin insgesamt als solche aus
Gewerbebetrieb festgestellt wurden, ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
|
|
|
14
|
1. Nach § 15
Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit u.a.
einer KG, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne
des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt (Alternative 1) oder
gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht
(Alternative 2).
|
|
|
15
|
a) Zwischen den
Beteiligten ist nicht im Streit, dass die Klägerin im
Streitjahr 2011 mit Einkünfteerzielungsabsicht ihr
Kapitalvermögen verwaltet und Grundbesitz vermietet hat.
Insoweit sieht der Senat von weiteren Ausführungen
ab.
|
|
|
16
|
b) Zudem hat die
Klägerin im Streitjahr aus der Beteiligung an der T-KG und an
der L-KG gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 EStG bezogen.
|
|
|
17
|
Die für die
Durchführung des Gewinnfeststellungsverfahrens der T-KG und
der L-KG zuständigen Betriebsstättenfinanzämter
haben für diese jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb
festgestellt und anteilig der Klägerin als an diesen
Gesellschaften beteiligte Mitunternehmerin zugerechnet. Die
entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheide für diese
Gesellschaften sind für das für die Durchführung des
Gewinnfeststellungsverfahrens für die Klägerin
zuständige FA u.a. hinsichtlich der Mitunternehmerstellung der
Klägerin und der Art und Höhe der festgestellten
Einkünfte nach § 182 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung
(AO) bindend. Einwendungen gegen die Feststellungen in einem
(wirksamen) Grundlagenbescheid können daher mit Erfolg nur in
einem gegen einen solchen Bescheid gerichteten Verfahren, nicht
aber in einem Verfahren gegen den Folgebescheid geltend gemacht
werden (vgl. § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO). Im Verfahren
gegen den Folgebescheid kann lediglich die Unwirksamkeit bzw.
Nichtigkeit eines Grundlagenbescheids geltend gemacht werden, denn
ein unwirksamer bzw. nichtiger Grundlagenbescheid erzeugt keine
Bindungswirkung.
|
|
|
18
|
Anhaltspunkte
dafür, dass die Gewinnfeststellungsbescheide für die T-KG
und die L-KG nichtig waren, sind jedoch nicht ersichtlich. Soweit
die Klägerin meint, die für die T-KG und die L-KG in den
für sie ergangenen Gewinnfeststellungsbescheiden getroffenen
Feststellungen gewerblicher Einkünfte seien deshalb nichtig,
weil diese Gesellschaften in den Streitjahren ihre werbende
Tätigkeit bereits eingestellt hätten, kann ihr der Senat
nicht folgen.
|
|
|
19
|
2. § 15 Abs. 3
Nr. 1 Alternative 2 EStG ist auch ohne Berücksichtigung einer
Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die
gewerblichen (Beteiligungs-)Einkünfte nicht auf die
übrigen Einkünfte der Gesellschaft abfärben,
verfassungsgemäß. Danach führt
einkommensteuerrechtlich jede Beteiligung, aus der die Gesellschaft
gewerbliche Einkünfte bezieht, zu einer Umqualifizierung aller
weiteren Einkünfte dieser Gesellschaft in solche aus
Gewerbebetrieb. Allerdings bedarf es nach Ansicht des Senats einer
verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dahin, dass ein Unternehmen, das nur
kraft der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG als
Gewerbebetrieb gilt, nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
Andernfalls enthielte § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der
Personengesellschaft gegenüber einem
Einzelunternehmer.
|
|
|
20
|
a) § 15 Abs. 3
Nr. 1 Alternative 2 EStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2007
vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) eingefügt. Der Gesetzgeber
reagierte damit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
6.10.2004 - IX R 53/01 (BFHE 207, 466, BStBl II 2005, 383 = SIS 04 40 22). In diesem Urteil hatte der BFH entschieden, dass die
Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F. (jetzt:
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG) nicht eingreife, wenn
eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die lediglich
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele, an einer
gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft beteiligt sei.
Denn auch wenn sie Mitunternehmerin dieser (Unter-)Gesellschaft
sei, übe sie keine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1
(Satz 1) Nr. 1 EStG aus, wie dies von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
a.F. vorausgesetzt werde, sondern erziele Einkünfte aus
Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG. Nach
Ansicht des IX. Senats des BFH lag darin eine Abweichung vom Urteil
des IV. Senats des BFH vom 8.12.1994 - IV R 7/92 (BFHE 176, 555,
BStBl II 1996, 264 = SIS 95 11 32) und vom Urteil des VIII. Senats
des BFH vom 18.4.2000 - VIII R 68/98 (BFHE 192, 100, BStBl II 2001,
359 = SIS 00 10 89). Beide Senate hatten der Abweichung zugestimmt,
der IV. Senat mit der Maßgabe, dass dies nur für die
Beteiligung einer vermögensverwaltenden Obergesellschaft
gelte, es also für die Beteiligung einer betrieblichen (im
Urteilsfall in BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264 = SIS 95 11 32
einer landwirtschaftlich tätigen) Personengesellschaft an
einer gewerblich tätigen Untergesellschaft bei der
Abfärbung bleibe (BFH-Beschluss vom 6.11.2003 - IV ER
–S- 3/03, BFHE 207, 462, BStBl II 2005, 376 = SIS 04 40 19).
|
|
|
21
|
Nach der
Begründung des Gesetzentwurfs sollte mit der Einfügung
des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG die bisherige
Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung (R 15.8 Abs. 5 Satz 4 der
Einkommensteuer-Richtlinien 2005) wieder hergestellt und gesetzlich
abgesichert werden, wonach eine land- und forstwirtschaftlich,
freiberuflich oder vermögensverwaltend tätige
Personengesellschaft, zu deren Gesamthandsvermögen eine
Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft
gehört, in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte bezieht
(BTDrucks 16/2712, S. 44). Auch die Beteiligung an einer gewerblich
tätigen Personengesellschaft stelle eine Beteiligung an einem
gewerblichen Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 1
(Satz 1) Nr. 1 EStG dar; § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG habe
insoweit nur deklaratorische Bedeutung. Selbst wenn man aber der
neuen Auffassung des BFH folgen wollte, der zufolge die
Obergesellschaft durch ihre Beteiligung an einer gewerblichen
Untergesellschaft keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des §
15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1 EStG entfalte, weil sie lediglich
gewerbliche Beteiligungseinkünfte beziehe, so solle die
Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG jedenfalls doch
verhindern, dass bei einer Personengesellschaft neben gewerblichen
Einkünften solche weiterer Einkunftsarten entstehen. Dieses
Ziel werde aber verfehlt, wenn die Obergesellschaft neben
gewerblichen Einkünften als Mitunternehmerin noch
Einkünfte aus einer anderen Einkunftsart erzielen würde.
Das bereits durch Auslegung des bisherigen § 15 Abs. 3 Nr. 1
EStG gefundene Ergebnis werde jetzt aus Gründen der
Rechtsklarheit gesetzlich abgesichert. Zudem führte die
Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu
weitreichenden Folgewirkungen mit schwierigen Übergangsfragen,
da sich die bisherige Annahme von Betriebsvermögen
rückwirkend als unrichtig erweisen würde. Durch die
gesetzliche Festschreibung der bisherigen Auffassung in
Rechtsprechung und Verwaltung würden daher komplizierte
Übergangsregelungen vermieden.
|
|
|
22
|
b) Wie § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG führt auch § 15 Abs. 3
Nr. 1 Alternative 2 EStG - ohne entsprechende verfassungskonforme
Auslegung - dazu, dass infolge der Umqualifizierung sämtlicher
Einkünfte der Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb der
von der Personengesellschaft insgesamt erzielte Gewinn nach
Maßgabe der Bestimmung über die Ermittlung des
Gewerbeertrags (§§ 7 ff. GewStG) der Gewerbesteuer
unterfällt. Auf diese Weise werden auch an sich nicht
gewerbliche Einkünfte mit Gewerbesteuer belastet. Darin liegt
eine Ungleichbehandlung (Schlechterstellung) der
Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer, der
gleichzeitig mehrere verschiedene Einkunftsarten verwirklichen kann
mit der Folge, dass bei ihm nur die originär gewerbliche
Tätigkeit der Gewerbesteuer unterfällt.
|
|
|
23
|
aa) Bezogen auf die
Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG ist diese
Ungleichbehandlung der Personengesellschaft gegenüber einem
Einzelunternehmer sachlich gerechtfertigt. Insoweit hat das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu der Regelung des § 15
Abs. 3 Nr. 1 EStG in der im Jahr 1988 geltenden Fassung für
einen Fall, der seit Einfügung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG unter § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG
fällt, ausgeführt, diese Ungleichbehandlung genüge
den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Mit dem Ziel, die Ermittlung der Einkünfte
gemischt tätiger Personengesellschaften zu vereinfachen, indem
sie alle Einkünfte typisierend auf die Einkunftsart
gewerblicher Einkünfte konzentriere, und dem weiteren Ziel,
die Substanz der Gewerbesteuer zu erhalten, verfolge sie legitime
Gesetzeszwecke. Mit ihrer Typisierung füge sich die
Abfärberegelung in das Regelungssystem von Einkommen-,
Körperschaft- und Gewerbesteuer ein. Die mit der Typisierung
der Regelung für die Personengesellschaften verbundenen
Nachteile stünden auch in einem vertretbaren Verhältnis
zu den mit der Regelung verfolgten Zielen. Das Gewicht der mit ihr
einhergehenden Ungleichbehandlung der Personengesellschaften sei
zwar erheblich, weil die Vorschrift nicht gewerbliche
Einkünfte grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre
Höhe und ihr Verhältnis zum Gesamtgewinn der
Gewerbesteuer unterwerfe, die beim Einzelunternehmer
gewerbesteuerfrei bleiben. Die Belastung werde allerdings gemildert
durch eine restriktive Interpretation der Vorschrift durch den BFH
und vor allem durch die Möglichkeit, der Abfärberegelung
durch gesellschaftsrechtliche Gestaltung auszuweichen. Für die
Zeiträume ab 1993 kämen schließlich die
Tarifbegrenzung des § 32c EStG a.F. und nunmehr die
Anrechnungsregelung des § 35 EStG hinzu, die der Gewerbesteuer
als Zusatzbelastung neben der Einkommensteuer erheblich an Gewicht
nehme. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Abfärberegelung
als verfassungsrechtlich vertretbar (BVerfG-Beschluss vom 15.1.2008
- 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, Rz 117
ff.).
|
|
|
24
|
bb) Diese
verfassungsrechtliche Argumentation kann für die Regelung des
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht ohne weiteres
übernommen werden. So gibt es jedenfalls für die durch
die Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2
EStG ausgelösten gewerbesteuerrechtlichen Folgen keine
hinreichend gewichtigen Gründe, die die erhebliche
Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber
Einzelunternehmern rechtfertigen könnten.
|
|
|
25
|
(1) Anders als
für die Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG
scheidet der Schutz des Gewerbesteueraufkommens für die
Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG als
legitimer Gesetzeszweck aus. Denn anders als bei einer
Personengesellschaft, die neben einer anderen Tätigkeit auch
eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt, besteht
bei einer Personengesellschaft (Obergesellschaft), die eine nicht
gewerbliche Tätigkeit ausübt und gewerbliche
Einkünfte lediglich aus einer Beteiligung an einer
gewerblichen Personengesellschaft (Untergesellschaft) bezieht,
nicht die Gefahr, dass infolge unzureichender
Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen
Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte der
Gewerbesteuer entzogen werden. Denn die gewerblichen
Beteiligungseinkünfte, die bei der Obergesellschaft dazu
führen, dass ihre gesamten Einkünfte in solche aus
Gewerbebetrieb umqualifiziert werden, werden bei ihr ohnehin nicht
mit Gewerbesteuer belastet. Vielmehr wird ihr Gewinn für
Zwecke der Ermittlung ihres Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 2 Satz
1 GewStG um die Anteile am Gewinn einer in- oder ausländischen
oHG, einer KG oder einer anderen Gesellschaft, bei der die
Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs
anzusehen sind, gekürzt, wenn die Gewinnanteile bei der
Ermittlung des Gewinns angesetzt worden sind. Im Ergebnis werden
also nur die abgefärbten, nicht originär gewerblichen
Einkünfte der Obergesellschaft bei ihr mit Gewerbesteuer
belastet.
|
|
|
26
|
Die Obergesellschaft
wird allerdings insoweit auch nicht besser gestellt als ein
Einzelunternehmer, der jedenfalls mit den Einkünften aus
seiner gewerblichen Tätigkeit der Gewerbesteuer
unterfällt. Denn der Gewinn der Untergesellschaft, der der
Obergesellschaft anteilig zugerechnet wird, wurde im Regelfall
schon auf der Ebene der Untergesellschaft mit Gewerbesteuer
belastet, so dass die von der Obergesellschaft aus ihrer
Beteiligung bezogenen gewerblichen Einkünfte schon um die
darauf entfallende Gewerbesteuer gemindert sind. Insgesamt bleibt
es also vielmehr bei der Schlechterstellung der
Personengesellschaft gegenüber dem Einzelunternehmer, der mit
seinen nicht gewerblichen Tätigkeiten nicht der Gewerbesteuer
unterfällt, während die Personengesellschaft insoweit
gewerbesteuerpflichtig ist. Diese Schlechterstellung kann, wie
dargelegt, nicht mit dem Schutz des Gewerbesteueraufkommens
gerechtfertigt werden.
|
|
|
27
|
(2) Allein
Vereinfachungsgründe bei der Einkünfteermittlung
können die erhebliche Schlechterstellung, zu der die
Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
für Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern
in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht führt, nach Ansicht des
Senats nicht rechtfertigen. Dies gilt insbesondere auch deshalb,
weil eine Vereinfachung der Einkünfteermittlung im
Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
schon nicht in dem Umfang gegeben ist wie im Anwendungsbereich des
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG. Denn anders als im Fall
einer gemischt tätigen Gesellschaft (Alternative 1), bei der
auf der Ebene der Gesellschaft die Einkünfte aus
unterschiedlichen Tätigkeiten zu ermitteln sind, werden im
Fall einer nicht gewerblich tätigen Obergesellschaft mit
Beteiligung an einer gewerblichen Untergesellschaft die
Beteiligungseinkünfte nicht auf der Ebene der
Obergesellschaft, sondern auf der der Untergesellschaft ermittelt
und der Obergesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
lediglich zugerechnet. Bei dieser Sachlage kommt dem
Vereinfachungsbedürfnis für die Einkünfteermittlung
weniger Bedeutung zu als im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3
Nr. 1 Alternative 1 EStG.
|
|
|
28
|
(3) Anders als die
Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG wird die
Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG, jedenfalls
hinsichtlich der durch sie ausgelösten
gewerbesteuerrechtlichen Folgen, damit nicht durch hinreichend
gewichtige Gründe gerechtfertigt. Abweichendes ergibt sich
auch nicht daraus, dass die Personengesellschaft die drohende
Erstreckung der Gewerbesteuer auf nicht gewerbliche Einkünfte
und die entsprechende Verstrickung der zugehörenden
Vermögenswerte weitgehend risikolos und ohne großen
Aufwand durch Gründung einer zweiten, personenidentischen
Schwestergesellschaft vermeiden kann. Diese
Ausweichmöglichkeit führt zwar dazu, dass die Regelung
des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG, für die ein
erhebliches Vereinfachungsbedürfnis sowie das Bedürfnis
bestehen, das Gewerbesteueraufkommen zu schützen, im Ergebnis
insgesamt, auch in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht,
verfassungsgemäß ist. Sie kann aber nicht zur
Verfassungsmäßigkeit einer Regelung führen, die,
wie § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG, zu einer
vergleichbaren gewerbesteuerrechtlichen Ungleichbehandlung
führt, aber nicht durch hinreichend gewichtige Gründe
gerechtfertigt ist. Andernfalls wäre eine Regelung
unabhängig davon, ob für sie überhaupt legitime
Gründe sprechen, schon dann verfassungsgemäß, wenn
der Steuerpflichtige sich ihr weitgehend risikolos und ohne
großen Aufwand entziehen kann.
|
|
|
29
|
(4) Nach Ansicht des
Senats führt die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG daher in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht zu
einer nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigten
Schlechterstellung der Personengesellschaft gegenüber einem
Einzelunternehmer. Dabei kann dahinstehen, ob auch der Bezug von
gewerblichen Einkünften aus der Beteiligung an einer
gewerblichen Untergesellschaft als gewerbliche Tätigkeit i.S.
des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist. Denn selbst
wenn man mit dieser Begründung auch die Fälle der zweiten
Alternative bereits als von § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1
EStG erfasst ansehen würde, führten die dargelegten
Gründe dazu, dass in diesem Fall § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 1 EStG hinsichtlich des Bezugs von gewerblichen
Einkünften einschränkend auszulegen wäre.
|
|
|
30
|
c) In
einkommensteuerrechtlicher Hinsicht ist § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG allerdings nach Ansicht des Senats selbst ohne
Bagatellgrenze verfassungsgemäß.
|
|
|
31
|
aa) Auch in
einkommensteuerrechtlicher Hinsicht liegt zwar eine
Ungleichbehandlung der Personengesellschaft bzw. - bezogen auf das
Steuerrechtssubjekt - ihrer Gesellschafter gegenüber einer
Einzelperson vor. Während die Einzelperson auch dann noch
gleichzeitig eine bzw. mehrere Einkunftsarten verwirklichen kann,
wenn sie sich an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt,
können die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die sich
an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt, in dieser
Personengesellschaft keine weiteren Einkunftsarten verwirklichen,
da die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft als solche
aus Gewerbebetrieb gilt.
|
|
|
32
|
bb) Diese
Ungleichbehandlung ist - in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht -
jedoch sachlich gerechtfertigt.
|
|
|
33
|
(1) Auch mit der
Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG verfolgt der
Gesetzgeber die Erleichterung der Einkünfteermittlung durch
die Konzentration auf nur eine Einkunftsart. Dabei handelt es sich
um einen legitimen Gesetzeszweck (vgl. dazu auch BVerfG-Beschluss
in BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, Rz 118 ff.). Das gilt auch unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass das Ausmaß der
Vereinfachung der Gewinnermittlung im Anwendungsbereich des §
15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG geringer ist als im
Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG, da
die Beteiligungseinkünfte bereits auf der Ebene der
Untergesellschaft ermittelt und der Obergesellschaft nach § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich zugerechnet werden, während
bei gemischt tätigen Personengesellschaften die
Gewinnermittlung für alle Tätigkeiten dieser Gesellschaft
auf ihrer Ebene erfolgt.
|
|
|
34
|
(2) Die Regelung ist
im Hinblick auf den verfolgten Zweck auch
verhältnismäßig.
|
|
|
35
|
(a) Sie fügt
sich mit ihrer Typisierung in das Regelungssystem von Einkommen-
und Körperschaftsteuer ein.
|
|
|
36
|
Ebenso wie § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG gleicht auch die zweite Alternative
dieser Vorschrift, was die steuerliche Verstrickung von
Wirtschaftsgütern betrifft, die Stellung von
Personengesellschaften derjenigen von Kapitalgesellschaften an, die
nach § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes
ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und
nicht unterschiedliche Einkunftsarten verwirklichen können.
Das vom Gesetzgeber auch mit der Abfärberegelung in § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG praktizierte Typisierungsmuster,
Einkünfte einer Einkunftsart unter bestimmten Voraussetzungen
insgesamt einer anderen zuzuordnen, ist dem Einkommensteuerrecht im
Übrigen nicht fremd. So sind Einkünfte aus
Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 8 EStG gegenüber
Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb,
selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung
subsidiär, das heißt bei wirtschaftlicher
Zugehörigkeit diesen zuzurechnen. Gleiches gilt für
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 3
EStG und - eingeschränkt - für Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs.
2 EStG. Sind diese Vorschriften auch vom Gedanken der
Subsidiarität der nachrangigen Einkunftsart getragen,
wohingegen bei der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG das Vereinfachungsbedürfnis dominiert, so
findet sich das Typisierungsmuster doch ähnlich auch in
sämtlichen genannten Vorschriften (vgl. BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG a.F.
- jetzt: Alternative 1 - ). Nicht zuletzt ergänzt § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG die in Abs. 3 Nr. 1 geregelte
Alternative 1, indem nun sowohl das Erzielen gewerblicher
Einkünfte als auch deren Bezug aus der Beteiligung an einer
gewerblichen Personengesellschaft zum Abfärben dieser
Einkünfte auf alle übrigen Einkünfte führt, die
die Gesellschafter der Personengesellschaft in ihrer
gesamthänderischen Verbundenheit erzielen.
|
|
|
37
|
(b) Die mit §
15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG verbundenen Nachteile für
die Personengesellschaft bzw. ihre Gesellschafter stehen in einem
vertretbaren Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten
Ziel. Zwar ist die bezweckte Vereinfachung der
Einkünfteermittlung im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3
Nr. 1 Alternative 2 EStG weniger gewichtig als in dem des § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG, und anders als für jene
bedarf es der Regelung auch nicht zum Schutz des
Gewerbesteueraufkommens. Andererseits wiegen aber die mit der
Regelung verbundenen Nachteile auch weitaus weniger schwer als die
der Regelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG. So
führt die Regelung infolge der erforderlichen
verfassungskonformen Auslegung, wie dargelegt, zu keinen
gewerbesteuerrechtlichen Belastungen, insbesondere nicht zu einer
Belastung dem Grunde nach nicht gewerblicher Einkünfte mit
Gewerbesteuer. Einkommensteuerrechtlich führt die Regelung
zwar insbesondere zur steuerlichen Verstrickung der der
Personengesellschaft zuzurechnenden Wirtschaftsgüter - sofern
diese nicht aufgrund der sonstigen Tätigkeit(en) der
Personengesellschaft ohnehin schon steuerverstrickt sind. Zudem
kann insbesondere die Umqualifizierung von Kapitaleinkünften
in solche aus Gewerbebetrieb, für die keine Abgeltungsteuer
gilt, je nach dem persönlichen Steuersatz des einzelnen
Gesellschafters zu einer höheren Steuerbelastung führen.
Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die mit der
Abfärbewirkung verbundene Gewerblichkeit - insbesondere bei
der Umqualifizierung von Einkünften aus der
Vermögensverwaltung - auch zu steuerlichen Vorteilen
führen kann. So sind nach einer Umqualifizierung
Veräußerungsverluste steuerlich
berücksichtigungsfähig und Teilwertabschreibungen
möglich. Steuermindernde Rücklagen nach § 6b EStG
können gebildet und Investitionsabzugsbeträge nach §
7g EStG berücksichtigt werden. Zudem können auch die an
das Betriebsvermögen anknüpfenden erbschaft- und
schenkungsteuerlichen Freibeträge und Bewertungsabschläge
in Anspruch genommen werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120,
1 = SIS 08 25 65, Rz 138). Vor allem aber führt die dem
Steuerpflichtigen zumutbare Möglichkeit, den mit der
Abfärbung verbundenen Belastungen durch entsprechende
gesellschaftsrechtliche Gestaltung, insbesondere die Gründung
einer zweiten, personenidentischen Gesellschaft, zu entgehen, dazu,
dass die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG keine übermäßige Belastung
für die betroffene Personengesellschaft und ihre
Gesellschafter entfaltet (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 1 =
SIS 08 25 65, Rz 132 ff.). So gesehen eröffnet die
Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
für Personengesellschaften sogar eine Wahlmöglichkeit,
die dem Einzelunternehmer in diesem Umfang nicht eröffnet ist.
Denn er kann nicht ohne weiteres in seinem gewerblichen
Einzelunternehmen auch dem Grunde nach nicht gewerbliche
Tätigkeiten ausüben, um auf diese Weise von den Vorteilen
gewerblicher Einkünfte zu profitieren.
|
|
|
38
|
Nach allem erweist
sich die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG bei verfassungskonformer Auslegung durch
Beschränkung ihrer Folgen nur auf den Bereich des
Einkommensteuerrechts als verfassungsgemäß, ohne dass es
einer weiteren Beschränkung durch Einführung einer
Bagatellgrenze bedarf.
|
|
|
39
|
d) Die erforderliche
Beschränkung der Folgen der Abfärberegelung des § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG in gewerbesteuerrechtlicher
Hinsicht erfolgt durch entsprechende verfassungskonforme Auslegung
des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG.
|
|
|
40
|
aa) Nach § 2
Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb,
soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Als
Gewerbebetrieb definiert § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein
gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes.
Diese Bestimmung ist nach Ansicht des Senats verfassungskonform
dahin auszulegen, dass danach ein gewerbliches Unternehmen i.S. des
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2
Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.
Denn in diesem Fall fingiert das Einkommensteuerrecht allein aus
einem Vereinfachungsbedürfnis bei der Gewinnermittlung
einkommensteuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, was nach § 2
Abs. 1 Satz 2 GewStG dazu führen würde, dass
ausschließlich dem Grunde nach nicht gewerbliche
Einkünfte der Gewerbesteuer unterworfen würden. Dies
führte, wie dargelegt, zu unverhältnismäßigen
Folgen und ist auch gewerbesteuerrechtlich nicht geboten. Denn
anders als in den anderen Fällen des § 15 Abs. 3 EStG ist
eine Einbeziehung dem Grunde nach nicht gewerblicher Einkünfte
in diesem Fall nicht erforderlich. Anders als in den Fällen
des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG geht es im
Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
nicht um die Einbeziehung nicht gewerblicher Einkünfte zum
Schutz des Gewerbesteueraufkommens (zu diesem Zweck des § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE
120, 1 = SIS 08 25 65) und es geht auch, anders als in den
Fällen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, nicht um gewerblich
geprägte Personengesellschaften, bei denen die Prägung
durch eine Kapitalgesellschaft es sachlich rechtfertigt, die
dergestalt geprägte Personengesellschaft als Gewerbebetrieb
anzusehen und die erzielten Einkünfte als solche aus
Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
|
|
|
41
|
bb) Mit dieser
einschränkenden Auslegung einer gewerbesteuerlichen Norm
für Zwecke der Verfassungskonformität der
Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG
bewegt sich der Senat im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung.
Diese hat schon in anderen Fallgestaltungen nicht gewerbliche
Einkünfte, die einkommensteuerrechtlich als gewerblich gelten,
nicht als gewerbesteuerpflichtig angesehen, wenn dies
gewerbesteuerrechtlich nicht geboten ist, weil das
Gewerbesteueraufkommen nicht gefährdet ist.
|
|
|
42
|
So umfasst z.B. die
Gewerbesteuerfreiheit der gewerblichen Tätigkeit einer
Personengesellschaft auch die Tätigkeit, die ohne
Abfärbung nicht gewerblich wäre: Übt eine
Personengesellschaft neben einer nicht gewerblichen Tätigkeit
auch eine (originär) gewerbliche Tätigkeit aus, so ist
ihre Tätigkeit infolge der
„Abfärberegelung“ des § 15 Abs. 3 Nr.
1 (Alternative 1) EStG zwar auch dann (einkommensteuerrechtlich)
insgesamt als gewerblich anzusehen, wenn die (originär)
gewerbliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist; die
Gewerbesteuerfreiheit erstreckt sich in solchen Fällen aber
(gewerbesteuerrechtlich) auch auf die Tätigkeit, die ohne die
„Abfärbung“ nicht gewerblich wäre.
Denn der mit § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG in
gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht verfolgte Zweck, zu verhindern,
dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen
den beiden Tätigkeiten gewerbliche Einkünfte der
Gewerbesteuer entzogen werden, erfordert in diesem Fall keine
Abfärbung - eine Gewerbesteuer, die nicht besteht, kann auch
nicht gefährdet werden (vgl. BFH-Urteil vom 30.8.2001 - IV R
43/00, BFHE 196, 511, BStBl II 2002, 152 = SIS 02 04 23).
|
|
|
43
|
Aus vergleichbaren
Gründen erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung in
Fällen der Betriebsaufspaltung eine Gewerbesteuerbefreiung der
Betriebsgesellschaft auf die Vermietungs- und
Verpachtungstätigkeit der Besitzgesellschaft. Anders als im
Fall der gemischt tätigen Personengesellschaft, in dem es
lediglich um die Ausdehnung einer Gewerbesteuerbefreiung innerhalb
desselben Unternehmens geht, kommt es bei der Betriebsaufspaltung
zwar zur Erstreckung des Befreiungstatbestands über die
Unternehmensgrenzen der Betriebsgesellschaft hinweg auf das
rechtlich selbständige Besitzunternehmen. Im Kern soll
allerdings auch bei der Betriebsaufspaltung eine (insbesondere auch
gewerbesteuerrechtliche) Besserstellung des aufgespaltenen
Unternehmens gegenüber dem
„Einheitsunternehmen“ verhindert werden. Dieser
Zweck ist obsolet, wenn das als Alternative zur Betriebsaufspaltung
gedachte Einheitsunternehmen infolge eines Befreiungstatbestands
von der Gewerbesteuer befreit wäre. Auch insoweit gilt daher,
dass eine Gewerbesteuerpflicht, die (für das
„Einheitsunternehmen“) nicht besteht, (durch
eine Betriebsaufspaltung) auch nicht umgangen werden kann (z.B.
BFH-Urteile vom 29.3.2006 - X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006,
661 = SIS 06 25 14, unter II.3.i, und vom 19.10.2006 - V R 22/02 =
SIS 04 05 21, BFHE 215, 268, BStBl II 2006, 2207; vom 20.8.2015 -
IV R 26/13, BFHE 251, 53, BStBl II 2016, 408 = SIS 15 25 56).
|
|
|
44
|
Der Gedanke, dass
die Belastung nicht gewerblicher Einkünfte mit Gewerbesteuer
nicht geboten ist, wenn das Gewerbesteueraufkommen nicht
gefährdet ist, liegt nicht zuletzt auch der Rechtsprechung des
BFH zur Bagatellgrenze bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 1 EStG zugrunde. Danach kommt es nicht zur
Abfärbung - mit der weiteren Folge, dass die nicht
gewerblichen Einkünfte nicht der Gewerbesteuer unterfallen -,
wenn die Nettoumsatzerlöse aus der (originär)
gewerblichen Tätigkeit der (gemischt tätigen)
Personengesellschaft 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse und
den Betrag von 24.500 EUR nicht übersteigen. Dieser
Höchstbetrag von 24.500 EUR orientiert sich - unter
Berücksichtigung des Normzwecks des § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 1 EStG, das Gewerbesteueraufkommen zu schützen -
an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für
Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG.
Denn im Regelfall droht kein Ausfall von Gewerbesteuer, wenn
bereits die gewerblichen Umsätze unter dem gewinnbezogenen
Freibetrag von 24.500 EUR liegen (BFH-Urteile vom 27.8.2014 - VIII
R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 = SIS 15 03 13; VIII R
41/11, BFHE 247, 506, BStBl II 2015, 999 = SIS 15 03 11; VIII R
16/11, BFHE 247, 499, BStBl II 2015, 996 = SIS 15 03 08).
Dementsprechend können erst recht auch negative Einkünfte
aus einer (originär) gewerblichen Tätigkeit im
Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1 EStG
nicht zur Abfärbung und damit zur Belastung nicht gewerblicher
Einkünfte mit Gewerbesteuer führen (BFH-Urteil vom
12.4.2018 - IV R 5/15, BFHE 261, 157 = SIS 18 08 74).
|
|
|
45
|
Es ist danach
folgerichtig, auch in den Fällen, in denen es nach § 15
Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG einkommensteuerrechtlich zu einer
Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte auf nicht
gewerbliche Einkünfte kommt, durch entsprechende Auslegung
gewerbesteuerrechtlicher Normen zu verhindern, dass an sich nicht
gewerbliche und damit auch nicht gewerbesteuerbare Einkünfte
mit Gewerbesteuer belastet werden. Denn im Fall der Abfärbung
gewerblicher Beteiligungseinkünfte kann es, wie dargelegt, auf
Ebene der Obergesellschaft nicht zu einer Gefährdung des
Gewerbesteueraufkommens kommen, da die gewerblichen
Beteiligungseinkünfte infolge ihrer Kürzung nach § 9
Nr. 2 GewStG auf der Ebene der Obergesellschaft schon nicht der
Gewerbesteuer unterliegen.
|
|
|
46
|
3. Bezogen auf den
Streitfall ist das FA in dem angegriffenen
Gewinnfeststellungsbescheid danach zu Recht davon ausgegangen, dass
die gewerblichen Einkünfte der Klägerin aus der
Beteiligung an der T-KG und der L-KG nach § 15 Abs. 3 Nr. 1
Alternative 2 EStG zur Umqualifizierung ihrer übrigen
Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und
Verpachtung führen. Im Ergebnis zu Recht hat das FG danach die
Klage abgewiesen.
|
|
|
47
|
4. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
|