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Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbständige Arbeit auch bei Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter

Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbständige Arbeit auch bei Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter: Eine aus einem beratenden Betriebswirt und einem Dipl.-Ökonom bestehende Partnerschaftsgesellschaft, die Insolvenzverwaltung betreibt, erzielt auch dann Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn sie fachlich vorgebildete Mitarbeiter einsetzt, sofern ihre Gesellschafter als Insolvenzverwalter selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleiben. - Urt.; BFH 26.1.2011, VIII R 3/10; SIS 11 11 58

Kapitel:
Unternehmensbereich > Sonstiges > Freiberufler
Fundstellen
  1. BFH 26.01.2011, VIII R 3/10
    BStBl 2011 II S. 498
    NJW 2011 S. 1632
    LEXinform 0927560

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 1.6.2011
    -/- in NWB 16/2011 S. 1302
    jh in StuB 9/2011 S. 351
    H.J.P. in BFH/PR 6/2011 S. 217
    J.M. in AktStR 2/2011 S. 242
    Red. in HFR 7/2011 S. 763
Normen
[EStG] § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Satz 3, § 18 Abs. 1 Nr. 3
[InsO] § 56
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Niedersächsisches FG, 29.09.2009, SIS 10 10 82, Selbständige Arbeit, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Abgrenzung, Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Vervielfältigungstheorie
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 14.5.2019, SIS 19 11 78, Zur Qualifizierung der Tätigkeit eines Prüfingenieurs: 1. Prüfingenieure, die Hauptuntersuchungen und Sic...
  • FG Hamburg 5.6.2018, SIS 18 14 92, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bei angestelltem Anwalt als Insolvenzverwalter: 1. Die Gesellschaft...
  • BFH 21.2.2017, SIS 17 08 90, Zur Qualifizierung der Tätigkeit einer Personengesellschaft, die auf technische Übersetzungen spezialisie...
  • BFH 3.11.2015, SIS 16 05 77, Zur Abfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: Die Einkünfte einer Ärzte-GbR sind insgesamt solche aus Gewer...
  • FG Düsseldorf 27.10.2015, SIS 16 12 71, Vervielfältigungstheorie, gewerbliche Prägung einer Insolvenzverwalterpraxis, Einsetzung einer angestellt...
  • BFH 27.8.2014, SIS 15 03 13, Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG: 1. Eine Rechtsanwalt...
  • FG Köln 25.9.2013, SIS 14 22 55, Ingenieur- oder informatikerähnliche Tätigkeit: Eine Personengesellschaft erzielt keine freiberuflichen E...
  • BFH 8.2.2013, SIS 13 16 85, Anlageberater, Qualifikation der Einkünfte, schriftliche Ausarbeitungen, Zeugenaussage, Bewertung nicht n...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 15.12.2011, SIS 12 08 91, Keine gewerbliche Prägung bei nur geringer gewerblicher Tätigkeit, trotz qualifizierter Mitarbeiter keine...
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Partnerschaftsgesellschaft. Ihre beiden Gesellschafter, ein beratender Betriebswirt und ein Dipl.-Ökonom, waren im Streitjahr 2000 im Bereich der Insolvenzverwaltung tätig. Neben dem Hauptsitz in X betrieb die Klägerin Niederlassungen in Y und Z und erzielte überwiegend Einnahmen aus der Insolvenzverwaltung.

 

 

2

Aufgrund einer Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 ging der Prüfer des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) davon aus, dass die Einkünfte, die die Klägerin bisher als solche aus einer freiberuflichen Tätigkeit erklärt hatte, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen seien.

 

 

3

Im Jahr 2000 wickelte die Klägerin 18 Unternehmerinsolvenzen und 18 Verbraucherinsolvenzen ab.

 

 

4

Sie beschäftigte in den Jahren 2000 bis 2003 zwischen 21 und 34 Mitarbeiter (einschließlich Auszubildende und Aushilfen). Im Einzelnen wurden folgende Mitarbeiter im Streitjahr tätig: Ein Bürokaufmann, der nach erfolgreichem Abschluss seines berufsbegleitenden Studiums als Betriebswirt ab dem Jahr 2000 vornehmlich im Büro Y als auch in X für einzelne Insolvenzverfahren bzw. deren Abwicklung im schriftlichen Bereich tätig war und seit 2003 weiterer Partner der Klägerin mit eigener Insolvenzverwalterbestellung ist; eine in Z seit Oktober 2000 tätige Juristin; 19 weitere Mitarbeiter, davon zehn zeitweise Tätige, eine Aushilfe, sechs Auszubildende. Ohne Auszubildende und geringfügig Beschäftigte waren sieben Mitarbeiter das ganze Jahr vollzeitbeschäftigt, zwei Mitarbeiter teilzeitbeschäftigt und fünf Mitarbeiter nur während eines Teils des Jahres angestellt. Die meisten Angestellten waren mit Zuarbeiten in Insolvenzverfahren beschäftigt. Die Aufgabengebiete umfassten die Bereiche der Erstellung von „offenen Posten-Listen“, Vorbereitung des Forderungseinzugs, Tabellenführung, Schreibarbeiten, Buchführungsarbeiten, Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Eine Subunternehmerin für Buchführungsarbeiten war mit einem Bruttorechnungsbetrag von 44.660 DM tätig.

 

 

5

Die jährlichen Aufwendungen für die Beauftragung von Subunternehmern, Versteigerern und Verwertern zu Lasten der Masse betrugen im Jahr 2000 269.385,25 DM. Die erzielten Jahresgewinne (ohne Abschreibungen für Firmenwerte) der Klägerin betrugen in den Jahren 2000 bis 2003 zwischen ca. ... DM und ... EUR.

 

 

6

Aufgrund der Feststellungen des Außenprüfers setzte das FA mit Bescheid vom 20.7.2006 den Gewerbesteuermessbetrag für 2000 in Höhe von ... fest. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

 

 

7

Die der Art nach selbständige vermögensverwaltende Tätigkeit der Klägerin i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei nach der sog. Vervielfältigungstheorie unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes, weil sie ständig mehrere Angestellte beschäftigt und Subunternehmer beauftragt habe, nicht nur untergeordnete, insbesondere vorbereitende oder mechanische Arbeiten wahrzunehmen. Allein die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger „selbständig und eigenverantwortlich“ i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig gewesen sei, reiche im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht aus, die Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren.

 

 

8

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

 

 

9

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil und der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

12

Zu Unrecht hat das FG die Einkünfte der Klägerin aus der Insolvenzverwaltertätigkeit ihrer Gesellschafter als solche aus Gewerbebetrieb angesehen und deshalb unter Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin insgesamt gewerbliche Einkünfte angenommen. Entgegen dieser Auffassung sind die Einkünfte der Klägerin aus Insolvenzverwaltertätigkeit als solche aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht gewerbesteuerpflichtig, so dass die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung für das Streitjahr aufzuheben ist.

 

 

13

1. Die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine vermögensverwaltende i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (BFH-Urteile vom 29.3.1961 IV 404/60 U, BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306 = SIS 61 02 07; vom 5.7.1973 IV R 127/69, BFHE 110, 40, BStBl II 1973, 730 = SIS 73 03 94; vom 11.5.1989 IV R 152/86, BFHE 157, 148, BStBl II 1989, 729 = SIS 89 16 34). Dies gilt auch dann, wenn diese Tätigkeit durch einen beratenden Betriebswirt und einen Dipl.-Ökonom ausgeübt wird. Darüber besteht zwischen den Beteiligten des Streitfalles kein Streit.

 

 

14

2. Die danach den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnende Insolvenzverwaltertätigkeit ist jedoch entgegen der Auffassung des FA nicht wegen der Beteiligung qualifizierter Mitarbeiter an der Abwicklung der einzelnen Insolvenzverfahren als gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 EStG zu beurteilen.

 

 

15

a) Die abweichende Auffassung des FG beruht auf der bislang vom BFH im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG vertretenen sog. Vervielfältigungstheorie, nach der die sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG grundsätzlich persönlich - d.h. ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte - ausgeübt werden muss (BFH-Urteile vom 13.5.1966 VI 63/64, BFHE 86, 305, BStBl III 1966, 489 = SIS 66 03 06 mit zustimmender Anmerkung Gollub, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 18, Rechtsspruch 388; vom 25.11.1970 I R 123/69, BFHE 101, 215, BStBl II 1971, 239 = SIS 71 01 34; vom 11.8.1994 IV R 126/91, BFHE 175, 284, BStBl II 1994, 936 = SIS 94 22 30; vom 12.12.2001 XI R 56/00, BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 = SIS 02 04 25: Umkehrschluss aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; ebenso Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 108; Schmidt/Wacker, EStG, 29. Aufl., § 18 Rz 23; Kanzler, FR 1994, 114; FG Köln, Urteil vom 13.8.2008 4 K 3303/06, EFG 2009, 669 = SIS 09 11 39, rechtskräftig).

 

 

16

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat, auf den die alleinige Zuständigkeit für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit übergegangen ist, nach erneuter Prüfung nicht mehr fest.

 

 

17

Weder der ursprünglichen Fassung des Gesetzes (EStG 1934) noch derjenigen durch das Steueränderungsgesetz 1960 vom 30.7.1960 (BGBl I 1960, 616, BStBl I 1960, 514) lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter Mitarbeiter für Berufe i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG unterschiedlich beurteilt sehen wollte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Senats vom 15.12.2010 VIII R 50/09 = SIS 11 06 55 verwiesen.

 

 

18

c) Die somit auch für Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zulässige Mitarbeit fachlich Vorgebildeter setzt allerdings voraus, dass der Berufsträger trotz solcher Mitarbeiter weiterhin seinen Beruf leitend und eigenverantwortlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausübt.

 

 

19

aa) Diesem Erfordernis entspricht eine Berufsausübung nur, wenn sie über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist (BFH-Urteile vom 29.7.1965 IV 61/65 U, BFHE 83, 154, BStBl III 1965, 557 = SIS 65 03 20; vom 5.6.1997 IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 = SIS 97 22 57) und die Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet (BFH-Urteil vom 11.9.1968 I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820 = SIS 68 05 68; BFH-Beschluss vom 7.10.1987 X B 54/87, BFHE 151, 147, BStBl II 1988, 17 = SIS 88 02 40; BFH-Urteil vom 30.9.1999 V R 56/97, BFHE 189, 569 = SIS 00 01 68; BFH-Beschluss vom 31.8.2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48 = SIS 06 02 52; m.w.N).

 

 

20

Nur unter diesen Voraussetzungen trägt die Arbeitsleistung - selbst wenn der Berufsträger ausnahmsweise in einzelnen Routinefällen nicht mitarbeitet - den erforderlichen „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 1.2.1990 IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507 = SIS 90 11 37; vom 21.3.1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732 = SIS 95 17 54; vom 14.3.2007 XI R 59/05, BFH/NV 2007, 1319 = SIS 07 20 19).

 

 

21

bb) Ob diese Voraussetzungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsorganisation einer Insolvenzverwalterpraxis wie auch der Zahl der betreuten Verfahren und der Zahl qualifizierter Mitarbeiter vorliegen, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -würdigung, die den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegt. Diese Würdigung ist jeweils nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls und den Besonderheiten des jeweiligen Berufs vorzunehmen (BFH-Entscheidung vom 7.5.1997 V B 112/96, BFH/NV 1997, 800 = SIS 98 01 34). Sie wird insbesondere bei Ausübung der Insolvenzverwaltertätigkeit im Wesentlichen dadurch bestimmt, was nach den Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) zu den höchstpersönlich auszuführenden Aufgaben eines Insolvenzverwalters gehört.

 

 

22

(1) Dabei eröffnet das Leitbild der Insolvenzverwaltung als kaufmännisch-praktische Tätigkeit unter Verwertung besonderer Wirtschafts- und Rechtskenntnisse (vgl. BFH-Urteil in BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306 = SIS 61 02 07) einen umso größeren Spielraum für die Beschäftigung von Mitarbeitern, je mehr es um einfachere kaufmännisch-praktische Tätigkeiten geht. Je mehr die Insolvenzverwaltertätigkeit dagegen Grundentscheidungen in der Durchführung des Insolvenzverfahrens betrifft und damit eher besondere Wirtschafts- und Rechtskenntnisse erforderlich macht, spricht dies für die Notwendigkeit höchstpersönlicher Tätigkeit des Berufsträgers. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat ebenfalls auf sein Urteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09 = SIS 11 06 55.

 

 

23

(2) Danach ist für Abgrenzung von zulässiger Mitarbeiterbeschäftigung und gebotener höchstpersönlicher Berufsausübung des Insolvenzverwalters entscheidend, ob Organisation und Abwicklung des Insolvenzverfahrens insgesamt den „Stempel der Persönlichkeit“ desjenigen tragen, dem nach § 56 InsO das Amt des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht übertragen worden ist.

 

 

24

Dies erfordert, dass die Entscheidungen über das „Ob“ bestimmter Einzelakte im Rahmen des Insolvenzverfahrens wie z.B. die Führung eines Anfechtungsprozesses oder die Aufnahme eines nach § 240 der Zivilprozessordnung unterbrochenen Prozesses, die Entscheidung über die Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern sowie die Entscheidung über die Art der Verwertung der Masse durch den Insolvenzverwalter persönlich zu treffen sind. Auch die zentralen Aufgaben des Insolvenzverwalters wie die Berichtspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss (§§ 58 Abs. 1 Satz 2, 69, 79, 152, 156 InsO), seine Pflicht zur Erstellung eines Insolvenzplans nach § 218 InsO auf entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) wie auch die Schlussrechnungslegung (§ 66 InsO) muss er unbeschadet etwaiger Zulieferungs- und Hilfsarbeiten seiner Mitarbeiter im Wesentlichen selbst vornehmen.

 

 

25

Hat er Entscheidungen dieser Art (höchstpersönlich) getroffen, bleibt seine Tätigkeit auch dann eine solche i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn er das „Wie“, nämlich die kaufmännisch-technische Umsetzung dieser Entscheidung wie z.B. die anwaltliche Durchführung eines Prozesses, die Kündigung bzw. Abwicklung der Entlassung von Arbeitnehmern oder die Verwertung der Masse durch Versteigerung auf Dritte überträgt. Denn der Gesetzgeber hat in der InsO für diese kaufmännisch-technischen Abwicklungsmaßnahmen, anders als für die Berichtspflichten nach den §§ 58 Abs. 1 Satz 2, 156 InsO, keine höchstpersönliche Wahrnehmung durch den Insolvenzverwalter vorgeschrieben (vgl. zu diesen Abwicklungsmaßnahmen auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.6.2007 4 K 2063/05, EFG 2007, 1523 = SIS 07 30 40). Sie können mithin entsprechend § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG qualifizierten Hilfspersonen übertragen werden (vgl. Smid, Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht - DZWIR - 2002, 265; Schmid, DZWIR 2002, 316).

 

 

26

(3) Auf dieser Grundlage kann allein aus der Anzahl der für einen Insolvenzverwalter tätigen Hilfspersonen nicht abgeleitet werden, inwieweit der Insolvenzverwalter seine Aufgaben selbständig und höchstpersönlich wahrnimmt. Deshalb kann nicht allein wegen der Beschäftigung von mehr als einem (gleich) qualifizierten Mitarbeiter die gewerbliche Qualifizierung der Einkünfte des Insolvenzverwalters gefolgert werden (Mitlehner, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung 2002, 190; Leibner, DZWIR 2002, 273; Stahlschmidt, BB 2002, 1727). Dies gilt umso mehr, als die Insolvenzverwaltertätigkeit als kaufmännisch—praktische Aufgabe (BFH-Urteil in BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306 = SIS 61 02 07) weniger durch einen „persönlichen Dienst am Kunden“ als vielmehr durch eine Vielzahl von Einzelgeschäften und einen dadurch bedingten hohen Mitarbeitereinsatz geprägt wird (vgl. zu diesem Unterscheidungskriterium BFH-Entscheidungen in BFH/NV 1997, 800 = SIS 98 01 34; in BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 = SIS 97 22 57; vom 10.6.1997 V B 62/96, BFH/NV 1998, 224 = SIS 97 22 42; in BFHE 189, 569 = SIS 00 01 68; vom 30.8.2007 XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280 = SIS 08 01 04; vom 21.1.1999 XI B 126/96, BFH/NV 1999, 822 = SIS 98 57 97 - jeweils zum Pflegedienst).

 

 

27

Deshalb hat ein Insolvenzverwalter die erforderlichen höchstpersönlichen Organisations- und Entscheidungsleistungen im Regelfall selbst bei einer Mehrzahl beschäftigter qualifizierter Personen erbracht, wenn er über das „Ob“ der einzelnen Abwicklungsmaßnahmen in jedem der von ihm betreuten Verfahren entschieden hat.

 

 

28

3. Nach diesen Grundsätzen ist nach Maßgabe der tatsächlichen Feststellungen des FG die im Streitfall ausgeübte Insolvenzverwaltertätigkeit als (sonstige) selbständige Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu beurteilen.

 

 

29

Die gegenteilige Auffassung des FG gründet sich allein auf die Feststellung, dass die Klägerin sich in den Streitjahren einer Vielzahl von qualifizierten Mitarbeitern bedient und ihre Tätigkeit überregional ausgeübt hat. Deshalb beruhten die im Rahmen der Insolvenzverwaltung erbrachten Tätigkeiten jedenfalls im steuerrechtlichen Sinne nicht mehr im Kernbereich auf der unmittelbaren, persönlichen und individuellen Arbeitsleistung ihrer Gesellschafter.

 

 

30

Diese Argumentation berücksichtigt indessen nicht, dass eine Entlastung des Insolvenzverwalters durch qualifizierte Mitarbeiter nach den Ausführungen unter II.2. nur dann die durch § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gezogenen Grenzen überschreitet, wenn der Insolvenzverwalter die von ihm höchstpersönlich zu treffenden Entscheidungen über das „Ob“ bestimmter Abwicklungsmaßnahmen seinen Mitarbeitern überlässt und damit nicht mehr leitend und eigenverantwortlich das jeweilige Insolvenzverfahren betreibt.

 

 

31

Eine solche Aufgabenverschiebung des Klägers hin zu den angestellten Mitarbeitern oder beauftragten Subunternehmern hat das FG nicht festgestellt; sie ist auch den Akten im Übrigen nicht zu entnehmen.

 

 

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

Ob die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 EStG für die entsprechende Anwendung auf Vermögensverwalter i.S. des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BStBl 2011 II S. 506 = SIS 11 06 55 vorliegen, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsorganisation einer Insolvenzverwalterpraxis wie auch der Zahl der betreuten Verfahren und der Zahl qualifizierter Mitarbeiter im Wege der Tatsachenfeststellung und Tatsachenwürdigung durch das FG festzustellen. Für dessen Würdigung nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls und den Besonderheiten des jeweiligen Berufs ist ein umfassender Vortrag des Steuerpflichtigen erforderlich. Er kann zunächst davon ausgehen, dass nach der Rechtsprechung allein aus der Anzahl der für ihn als Insolvenzverwalter tätigen Hilfspersonen nicht abgeleitet werden darf, inwieweit der Insolvenzverwalter seine Aufgaben selbständig und höchstpersönlich wahrnimmt. Nimmt er als Insolvenzverwalter die erforderlichen höchstpersönlichen Organisations- und Entscheidungsleistungen nach seinem Vortrag im Regelfall nachweislich selbst vor, soweit sie die Grundentscheidungen wie diejenige über Fortführung oder Zerschlagung eines insolventen Unternehmens betreffen (sog. Entscheidungen über das „Ob“ der einzelnen Abwicklungsmaßnahmen), so sind seine Einkünfte auch dann solche aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wenn er für die technische Umsetzung dieser „Ob“-Entscheidungen Hilfspersonen in größerer Zahl einsetzt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09, BStBl 2011 II S. 506 = SIS 11 06 55).