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I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob die von der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) erbrachten Leistungen als Umsätze der
Heilbehandlung steuerfrei sind.
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Gegenstand des Unternehmens der
Klägerin, das in der Rechtsform einer GbR betrieben wird, ist
die Durchführung von Seminaren zur Raucherentwöhnung und
Gewichtsreduktion sowie zum Stress-Management. Gesellschafter der
GbR sind die klinische Psychologin A - mit einer Beteiligung von 1
% - und der Psychotherapeut B - mit einer Beteiligung von 99 % - .
Die Umsätze der Klägerin im Jahr 2005 (Streitjahr)
beliefen sich auf ... EUR und entfielen überwiegend auf die
Durchführung von Seminaren zur Raucherentwöhnung.
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Die Klägerin war der Auffassung, dass
die von ihr ausgeführten Umsätze nach § 4 Nr. 14 des
Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG)
steuerfrei seien. Dementsprechend hatte sie im streitbefangenen
Zeitraum über ihre Leistungen keine Rechnungen mit
Umsatzsteuerausweis erteilt.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die begehrte
Steuerbefreiung und setzte die Umsatzsteuer unter
Berücksichtigung der nunmehr von der Klägerin
erklärten Vorsteuer mit Umsatzsteuer-Jahresbescheid vom
10.10.2008 auf ... EUR fest. Der Einspruch der Klägerin blieb
ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.6.2009).
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Umsätze der Klägerin seien nicht nach § 4 Nr. 14
UStG von der Steuer befreit. Im Streitfall seien die
„Therapien“ zur Nikotinentwöhnung teilweise
vollständig ohne ärztliche Verordnung erfolgt, unstreitig
in einem erheblichen Teil der Fälle aber auch auf der
Grundlage von Sammelüberweisungen durch Betriebsärzte von
Großunternehmen, die ein Interesse daran gehabt hätten,
ihren Mitarbeitern ein rauchfreies Leben zu ermöglichen. Zwar
sei die für die Annahme einer Heilbehandlung i.S. von § 4
Nr. 14 UStG notwendige ärztliche Verordnung auch in Form einer
Sammelverordnung denkbar, in der eine Heilmaßnahme mehreren
Patienten gleichzeitig verordnet werde; auch eine solche Verordnung
müsse aber jeweils individuell patientenbezogen sein und setze
eine individuelle Untersuchung voraus, die im Streitfall nicht
stattgefunden habe. Im Streitfall hätten lediglich
„Überweisungslisten“ mit den Namen der jeweiligen
Teilnehmer vorgelegen, denen keine individuellen Untersuchungen und
kein individuell festgestelltes Krankheitsbild durch die
Betriebsärzte vorausgegangen seien.
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Das Urteil des FG ist in EFG 2012, 1792 =
SIS 12 20 54 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe bei
seiner Entscheidung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG
bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift
verkannt. Im Streitfall seien ausgehend von der einschlägigen
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der
Steuerbefreiung erfüllt.
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Die von ihr erbrachten Leistungen seien als
Heilbehandlungen zu qualifizieren, da der Tabakmissbrauch der
Patienten behandelt worden sei. Die im Rahmen der
Raucherentwöhnungsseminare von ihr bekämpften
Phänomene der „Tabakabhängigkeit“ und des
„Tabakmissbrauchs“ seien in der „International
Classification of Diseases“ (ICD) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) wie Krankheiten klassifiziert.
Jedenfalls habe es sich um Heilbehandlungen zum Zwecke der
Prävention/Vorbeugung gehandelt.
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Selbst wenn man im Streitfall für das
Vorliegen einer Heilbehandlung von der Notwendigkeit einer
„Verordnung“ ausgehe, sei diese in der Überweisung
durch die Betriebsärzte zu sehen.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 10.10.2008 und die
hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 26.6.2009 aufzuheben
und für die von der Klägerin erbrachten streitbefangenen
Leistungen die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG zu
gewähren.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Das FG habe festgestellt, dass die
Behandlungen zur Nikotinentwöhnung aufgrund von
Sammelüberweisungen der Betriebsärzte und somit nicht auf
der Grundlage von (eigenen) Untersuchungen und Diagnosen der
Klägerin erfolgt seien.
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Der von der Klägerin dargestellte
allgemeine Zusammenhang zwischen Rauchen und
Gesundheitsgefährdung sei zwar unstreitig. Nach ständiger
Rechtsprechung seien jedoch Leistungen zur Prävention und
Selbsthilfe, die keinen konkreten Krankheitsbezug hätten, weil
sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten, und
Leistungen, deren Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit sei,
nicht steuerbefreit. Eine Steuerfreiheit sei nur gegeben, wenn eine
ärztliche Verordnung vorliege.
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Im Streitfall bestehe das Hauptziel der
Seminare in der Raucherentwöhnung und nicht in der Vermeidung
von späteren Erkrankungen als mögliche Folge eines Aktiv-
oder Passivrauchens. Dass die betreffende Tätigkeit von einer
fachlich qualifizierten Person ausgeübt werde und zugleich
auch zum Schutz der Gesundheit beitragen könne, reiche nicht
aus. Daher sei eine Beurteilung der Seminare als steuerfreie
Heilbehandlung ohne vorherige individuelle Untersuchung und
unabhängig vom Grad des Verlustes der
Selbststeuerungsfähigkeit mit der einschlägigen
Rechtsprechung unvereinbar.
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Schließlich sei zu
berücksichtigen, dass diverse Programme zur
Raucherentwöhnung mit der Bezuschussung nach § 20 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beworben würden.
Nach ständiger Rechtsprechung erfüllten derartige Kurse
aber nicht die Voraussetzungen einer steuerfreien
Heilbehandlung.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Die bislang getroffenen tatsächlichen
Feststellungen des FG tragen nicht dessen Entscheidung, die von der
Klägerin im Rahmen der Durchführung der
Raucherentwöhnungsseminare erbrachten Leistungen seien keine
Heilbehandlungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG, und erlauben dem
Senat keine abschließende Entscheidung in der Sache.
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1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind
steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt,
Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme
oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und
aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker.
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Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG), nach der „Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem
betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und
arztähnlichen Berufe erbracht werden“, steuerfrei
sind (seit dem 1.1.2007 gilt insoweit Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem).
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2. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist nach
ständiger Rechtsprechung richtlinienkonform auszulegen (vgl.
z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30.1.2008 XI R 53/06,
BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647 = SIS 08 20 22, unter II.2.a; vom
7.2.2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126 = SIS 13 08 44, Rz 14, jeweils m.w.N.).
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a) Dabei sind die in Art. 13 der Richtlinie
77/388/EWG genannten Steuerbefreiungen zwar eng auszulegen, da sie
Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede
Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt,
der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung der in dieser
Bestimmung verwendeten Begriffe muss aber auch mit den Zielen im
Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden (vgl. z.B.
EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-366/12 - Klinikum Dortmund -,
Mehrwertsteuerrecht - MwStR - 2014, 301, UR 2014, 271 = SIS 14 08 08, Rz 26). Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet
außerdem nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen
i.S. von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in
einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung
nähme (vgl. z.B. EuGH-Urteil - Klinikum Dortmund - in MwStR
2014, 301, UR 2014, 271 = SIS 14 08 08, Rz 27, m.w.N.). Dabei geht
aus der Rechtsprechung des EuGH hervor, dass der Zweck, die Kosten
von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen
leichter zugänglich zu machen, der in Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG und der in Buchst. c dieses
Absatzes vorgesehenen Befreiung gemeinsam ist (vgl. z.B.
EuGH-Urteil - Klinikum Dortmund - in MwStR 2014, 301, UR 2014, 271
= SIS 14 08 08, Rz 28, m.w.N.).
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b) Der Begriff der „Heilbehandlungen
im Bereich der Humanmedizin“ i.S. von Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG umfasst Leistungen, die der
Diagnose, Behandlung und, soweit wie möglich, Heilung von
Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (vgl. z.B.
EuGH-Urteil - Klinikum Dortmund - in MwStR 2014, 301, UR 2014, 271
= SIS 14 08 08, Rz 29, m.w.N.). Daraus folgt, dass ärztlichen
Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden, die menschliche
Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder
wiederherzustellen, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c
der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung zukommt (vgl.
z.B. EuGH-Urteil - Klinikum Dortmund - in MwStR 2014, 301, UR 2014,
271 = SIS 14 08 08, Rz 30, m.w.N.).
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c) Zu den nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG
steuerfreien Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
gehören nach der Rechtsprechung des BFH auch Leistungen, die
zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende
Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die
an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie
Leistungen, die zum Schutz einschließlich der
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen
Gesundheit erbracht werden (BFH-Urteil vom 18.8.2011 V R 27/10,
BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 = SIS 11 34 08, Rz 14). Keine
Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind
„ärztliche Leistungen“,
„Maßnahmen“ oder „medizinische
Eingriffe“, die zu anderen Zwecken erfolgen (BFH-Urteil
in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 = SIS 11 34 08, Rz 14,
m.w.N.).
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3. Bei der Übertragung dieser
Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass es sich
bei den von der Klägerin erbrachten Leistungen im Rahmen der
Raucherentwöhnungsseminare um Heilbehandlungen i.S. von §
4 Nr. 14 UStG handeln kann.
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a) Zwar ist hierfür nicht entscheidend,
ob entsprechend dem Hinweis der Klägerin das Rauchen wegen der
möglicherweise damit verbundenen Tabakabhängigkeit nach
der „ICD - 10“ unter der Rubrik
„Psychische und Verhaltensstörung durch psychotrope
Substanzen“ der WHO als Krankheit zu qualifizieren ist.
Denn der BFH hat wiederholt entschieden, dass die Frage, ob ein
bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von ihr zu
befreien ist, nicht davon abhängen kann, wie der Begriff der
„Gesundheit“ oder der
„Krankheit“ durch die WHO definiert wird (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 18.2.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001 =
SIS 08 21 45, unter II.4.a bb; vom 1.7.2010 V B 62/09, BFH/NV 2010,
2136 = SIS 10 32 75, Rz 13; vom 24.10.2011 XI B 54/11, BFH/NV 2012,
279, 2 = SIS 12 00 83. Leitsatz und Rz 13).
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b) Bei der Durchführung der
Raucherentwöhnungsseminare kann es sich aber um
Maßnahmen handeln, die - ggf. auch nur vorbeugend - dem
Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung bzw.
Wiederherstellung der Gesundheit dienen (vgl. dazu BFH-Urteil in
BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 = SIS 11 34 08, Rz 14, m.w.N.;
EuGH-Urteil - Klinikum Dortmund - in MwStR 2014, 301, UR 2014, 271
= SIS 14 08 08, Rz 30, m.w.N.).
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aa) Es ist allgemein anerkannt, dass das
Rauchen gesundheitsschädlich ist. Unter Rauchern und
Nichtrauchern gibt es kaum jemanden, dem diese Gefahren
gänzlich unbekannt wären. Das Rauchen tötet mehr
Menschen als Verkehrsunfälle, Aids, Alkohol, illegale Drogen,
Morde und Selbstmorde zusammen. Zigarettenrauchen ist in den
Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am
deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod. Im
Ergebnis ist nach heutigem medizinischen Kenntnisstand gesichert,
dass Rauchen Krebs sowie Herz- und Gefäßkrankheiten
verursacht, damit zu tödlichen Krankheiten führt und auch
die Gesundheit der nicht rauchenden Mitmenschen gefährdet (so
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.1.1997 2 BvR
1915/91, BVerfGE 95, 173, Deutsches Verwaltungsblatt 1997, 548, NJW
1997, 2871, unter C.II.2.b aa, m.w.N.).
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bb) Bei den von der Klägerin
durchgeführten Raucherentwöhnungsseminaren mit dem Ziel
der Beendigung des Rauchens durch die Teilnehmer handelt es sich
daher um Dienstleistungen, die dem Schutz der Gesundheit dienen
können, sei es nur vorbeugend, oder sei es zur
Wiederherstellung der bereits geschädigten Gesundheit (vgl.
dazu im Ergebnis auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.10.2013
2 K 2055/11, EFG 2014, 228 = SIS 13 33 90). Andere Zwecke hat das
FG nicht festgestellt.
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cc) Dem steht nicht entgegen, dass die
Krankenkassen, welche die Kosten der Teilnahme an den Seminaren zur
Raucherentwöhnung zum Teil übernommen haben, die
streitbefangenen Leistungen der Klägerin als sog. Leistungen
zur Primärprävention qualifiziert haben, die (lediglich)
den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern sollen, und somit in
den Anwendungsbereich von § 20 SGB V fallen (vgl. dazu auch
Beschluss des Bundessozialgerichts vom 28.4.2004 B 6 KA 125/03 B,
juris, Rz 14).
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Der BFH hat zwar entschieden, dass Leistungen
zur Prävention i.S. des § 20 SGB V, die keinen
unmittelbaren Krankheitsbezug haben, grundsätzlich keine nach
§ 4 Nr. 14 UStG befreiten Heilbehandlungen sind (vgl.
BFH-Urteil vom 7.7.2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005,
904, 2 = SIS 05 42 05. Leitsatz zu Ernährungsberatungen;
BFH-Beschluss vom 4.10.2012 XI B 46/12, BFH/NV 2013, 273 = SIS 13 01 94 zu Yogakursen). Etwas anderes gilt aber, wenn die
entsprechenden Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen
Behandlung - aufgrund ärztlicher Anordnung oder mithilfe einer
Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme - durchgeführt
werden (vgl. BFH-Urteile vom 10.3.2005 V R 54/04, BFHE 210, 151,
BStBl II 2005, 669 = SIS 05 31 01; in BFHE 211, 69, BStBl II 2005,
904, 1 = SIS 05 42 05. Leitsatz zu Ernährungsberatungen).
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Diese Voraussetzungen können im
Streitfall bezogen auf die von den Betriebsärzten
übermittelten Teilnehmerlisten für die
Raucherentwöhnungsseminare erfüllt sein, wozu das FG
weitere Feststellungen zu treffen hat.
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Betriebsärzte haben die Aufgabe, den
Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in
allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen (§ 3
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Betriebsärzte,
Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für
Arbeitssicherheit - ASiG - ). Sie haben dazu u.a. die Arbeitnehmer
zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten
sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten
(§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG). Zu diesen Aufgaben kann auch die
Entsendung der Arbeitnehmer in Raucherentwöhnungsseminare
gehören.
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Der BFH hat im Übrigen bereits
entschieden, dass Leistungen der Betriebsärzte i.S. von §
3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG grundsätzlich in den Anwendungsbereich von
§ 4 Nr. 14 UStG fallen (vgl. BFH-Urteil vom 13.7.2006 V R
7/05, BFHE 214, 458, BStBl II 2007, 412 = SIS 06 42 39).
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c) Auch die übrigen Einwendungen des FA
greifen nicht durch.
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Insbesondere sind die im Streitfall erbrachten
Leistungen nicht vergleichbar mit Leistungen, die Gegenstand der
vom FA für einschlägig gehaltenen Rechtsprechung zu
Schönheitsoperationen waren (BFH-Beschluss vom 22.2.2006 V B
30/05, BFH/NV 2006, 1168 = SIS 06 21 86), zu Supervisionsleistungen
(BFH-Urteil vom 30.6.2005 V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005,
675 = SIS 05 36 35) und zur Erstellung eines ärztlichen
Gutachtens als medizinischer Sachverständiger (EuGH-Urteil vom
20.11.2003 C-212/01 - Unterpertinger -, Slg. 2003, I-13859, BFH/NV
Beilage 2004, 111 = SIS 04 01 34).
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4. Das FG ist bei der Versagung der
streitbefangenen Leistungen als gemäß § 4 Nr. 14
Satz 1 UStG von der Steuer befreite Heilbehandlungen von
unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine
Entscheidung war daher aufzuheben. Der Senat kann aber aus mehreren
Gründen nicht durcherkennen:
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a) Zum einen hat das FG - ausgehend von seinem
Rechtsstandpunkt zu Recht - nicht festgestellt, in welchem Umfang
die Klägerin im Streitjahr Raucherentwöhnungsseminare
durchgeführt hat. Aus dem bislang festgestellten Sachverhalt
geht lediglich hervor, dass die Umsätze der Klägerin sich
„überwiegend“ aus Seminaren zur
Raucherentwöhnung zusammensetzen, im Übrigen aber
Veranstaltungen zur „Gewichtsreduktion“ und zum
„Stress-Management“ betrafen. Eine exakte
Aufteilung der entsprechenden Veranstaltungen als maßgebliche
Grundlage für die Ermittlung der in Betracht kommenden
Steuerbefreiung fehlt bislang.
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b) Weiter hat das FG nicht festgestellt, wie
es zu der Erstellung der Sammelüberweisungen durch die
Betriebsärzte gekommen ist. Zwar kann auch - wie dargelegt -
in einer Sammelüberweisung ein hinreichender Nachweis
dafür liegen, dass die durchgeführte Maßnahme eine
Heilbehandlung ist. Allerdings ist die rein subjektive Vorstellung
des Patienten als Leistungsempfänger für die Einordnung
als Heilbehandlung nicht ausreichend; bei der Beurteilung, ob die
Maßnahme einem therapeutischen Zweck dient, handelt es sich
um eine medizinische Frage, die von medizinischem Fachpersonal
aufgrund medizinischer Feststellungen getroffen werden muss
(EuGH-Urteil vom 21.3.2013 C-91/12 - PFC Clinic -, MwStR 2013, 197,
UR 2013, 335 = SIS 13 11 68, Rz 34 f.). Ob die
Sammelüberweisungen der Betriebsärzte diesen
Anforderungen genügen, hat das FG im zweiten Rechtsgang
festzustellen.
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c) Ferner hat das FG in den
Entscheidungsgründen seines Urteils auf S. 10 unter 3.
ausgeführt, dass die Nikotinentwöhnungstherapien
„teilweise vollständig ohne ärztliche
Verordnung“ und damit außerhalb von
Sammelüberweisungen durch Betriebsärzte von Unternehmen
erfolgt seien. Da sich dem nicht entnehmen lässt, in welchem
konkreten Umfang dies der Fall gewesen sein soll, ist nicht
ersichtlich, inwieweit die - wie dargelegt - erforderliche
medizinische Indikation der Raucherentwöhnungsseminare fehlt,
was die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14
Satz 1 UStG ausschließen würde.
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d) Schließlich fehlen noch
Feststellungen des FG zu Inhalt, Ablauf und zeitlichem Umfang der
Seminare sowie zu den Fragen, wer die streitbefangenen Leistungen
tatsächlich erbracht hat und ob die entsprechende Person
insoweit über die zur Gewährung der Steuerbefreiung
erforderliche fachliche Qualifikation im Rahmen einer
„ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit“
i.S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG verfügt (vgl. dazu
BFH-Urteile vom 26.9.2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008,
262 = SIS 08 01 99, Leitsätze 1 und 2; in BFHE 240, 428, BStBl
II 2014, 126 = SIS 13 08 44, Rz 22; zu psychotherapeutischen
Behandlungen durch Diplompsychologen BFH-Urteil vom 1.4.2004 V R
54/98, BFHE 205, 505, BStBl II 2004, 681 = SIS 04 27 05 im
Anschluss an EuGH-Urteil vom 6.11.2003 C-45/01 - Dornier -, Slg.
2003, I-12911, BFH/NV Beilage 2004, 40 = SIS 04 01 38, und zu
Psychotherapeuten z.B. Bunjes/ Heidner, UStG, 13. Aufl., § 4
Nr. 14 Rz 56).
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41
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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