Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 29.4.2014 2 K 3993/12 G
aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) im Streitjahr (2009) als Clinical
Research Associate II (CRA) gewerbesteuerpflichtige Einkünfte
erzielt hat.
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Die Klägerin, die die
Fachoberschulreife besitzt, ist examinierte Krankenschwester und
Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin.
Sie war seit 1995 in der klinischen Forschung nicht zugelassener
Produkte in ganz Europa tätig. Hierzu absolvierte sie
verschiedene Fort- und Weiterbildungen. Im Juli 2012 schloss sie
ein im September des Streitjahres aufgenommenes, berufsbegleitendes
Universitätsstudium im Ausbildungsbereich „Clinical
Research“ mit dem akademischen Grad eines Master of Science
ab.
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Seit dem Streitjahr ist die Klägerin
hauptberuflich als selbständige CRA tätig. Diese
Tätigkeit war im Wesentlichen auf die Planung,
Durchführung und Evaluation von klinischen Prüfungen mit
Arzneimitteln und Medizinprodukten ausgerichtet und umfasste
darüber hinaus auch die Schulung, Überwachung und
klinische Unterstützung der Anwender beim Einsatz der
Produkte.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte mit Bescheid vom 13.5.2011 für das
Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 157 EUR
fest.
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Der - nach erfolglosem Einspruchsverfahren
- erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit in EFG 2014, 1389
= SIS 14 19 96 veröffentlichtem Urteil vom 29.4.2014 2 K
3993/12 G statt. Die Klägerin sei zwar nicht wissenschaftlich
tätig gewesen, sie habe jedoch eine dem Katalogberuf des
Heilpraktikers oder Krankengymnasten ähnliche Tätigkeit
ausgeübt.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie übe eine komplexe Tätigkeit
im Bereich klinischer Forschung aus, die wissenschaftlich sei.
Jedenfalls aber sei ihre Tätigkeit mit denen anderer
Heilberufe vergleichbar. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stehe
die Herbeiführung und Sicherstellung eines Heilungserfolges
beim Patienten. Sie sei auch unmittelbar am Patienten tätig.
Sie überwache Zahlenwerte und Messergebnisse und spreche mit
den Patienten. Aus ihrem beruflichen Werdegang ergebe sich, dass
sie ihre beruflichen Qualifikationen bereits vor Beginn des
Masterstudiums im Streitjahr ausschließlich in Heilberufen
erworben habe.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ).
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Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen,
dass die Tätigkeit der Klägerin als freiberuflich und
nicht als gewerblich zu qualifizieren ist. Zwar hat das FG in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass
die Klägerin nicht wissenschaftlich tätig war. Jedoch
erweist sich seine Annahme, ihre Tätigkeit sei dem
Katalogberuf des Heilpraktikers oder
Krankengymnasten/Physiotherapeuten ähnlich, als
rechtsfehlerhaft.
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1. Nach § 2 Abs. 1 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unter-liegt der Gewerbesteuer jeder
im Inland betriebene stehende Gewerbebetrieb im Sinne des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Keinen Gewerbebetrieb stellt nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG die Ausübung eines freien Berufs
dar. Einen solchen hat die Klägerin im Streitjahr indessen
nicht ausgeübt.
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a) Nach den gemäß § 118 Abs. 2
FGO bindenden Feststellungen des FG hat die Klägerin im
Streitjahr keine wissenschaftliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG) ausgeübt.
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aa) Der Begriff der
„Wissenschaftlichkeit“ ist im vorliegenden
Zusammenhang ein rein steuerrechtlicher, der Erfordernisse an die
inhaltliche Qualität wie auch an die äußere Form
der Arbeit stellt. Die Annahme einer wissenschaftlichen
Tätigkeit setzt voraus, dass eine anspruchsvolle, besonders
qualifizierte Arbeit ausgeübt wird, die geeignet ist,
grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch
nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren
Ursachen zu erforschen, zu begründen und in einen
Verständniszusammenhang zu bringen. Sie erfordert
wissenschaftliche Kenntnisse und Methodik im Rahmen einer
schöpferischen oder forschenden Tätigkeit (sog. reine
Wissenschaft) oder eine Anwendung von Forschungserkenntnissen auf
konkrete Vorgänge (angewandte Wissenschaft). Eine
wissenschaftliche Tätigkeit wird verneint, wenn sie in einer
praxisorientierten Kenntnisvermittlung oder Beratung besteht (z.B.
Senatsurteile vom 14.5.2014 VIII R 18/11, BFHE 246, 396, BStBl II
2015, 128 = SIS 14 29 75; vom 8.10.2008 VIII R 74/05, BFHE 223,
261, BStBl II 2009, 238 = SIS 09 00 52, m.w.N.). Demgegenüber
kann eine der forschenden Tätigkeit entsprechende, besonders
qualifizierte Arbeit angenommen werden, wenn grundsätzliche
Fragen oder konkrete Fälle systematisch in ihren Ursachen
erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang
gebracht werden, d.h. schwierige Grundsatzfragen zu beurteilen
sind, wie dies z.B. in wissenschaftlichen Gutachten, bei denen
Streit- und Grenzfragen nach streng objektiven und sachlichen
Gesichtspunkten zu lösen sind, der Fall ist (Senatsurteil in
BFHE 223, 261, BStBl II 2009, 238 = SIS 09 00 52, m.w.N.).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
das FG zutreffend erkannt, dass die Klägerin nicht
wissenschaftlich tätig war. Es hat nachvollziehbar darauf
abgestellt, dass unter Einbeziehung der schulischen und beruflichen
Ausbildung der Klägerin sowie der von ihr bis zum Streitjahr
absolvierten Fort- und Weiterbildungen nicht ersichtlich ist, dass
sie im Streitjahr zu wissenschaftlichem Arbeiten befähigt
war.
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Zudem ist auf der Grundlage der Feststellungen
des FG zu Art und Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin
nicht erkennbar, dass sie selbst im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) forschend und damit wissenschaftlich
tätig war, auch wenn ihre Arbeit der klinischen Forschung
diente.
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b) Das FG hat jedoch rechtsirrig angenommen,
die Tätigkeit der Klägerin sei einem der Katalogberufe
i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich.
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aa) Ein ähnlicher Beruf liegt vor, wenn
er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1
Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu
gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der
ausgeübten beruflichen Tätigkeit (vgl. z.B. BFH-Urteil
vom 22.1.2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10, m.w.N.). Die für den vergleichbaren Katalogberuf
erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so
qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten
Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das
Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben (z.B. BFH-Urteil in
BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10, m.w.N.). Ist
für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis
erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne
Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur
gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren
Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist (vgl. z.B.
BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10,
m.w.N.).
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Geht es darum, ob eine Berufstätigkeit
der eines Katalogberufs ähnlich ist, genügt eine sog.
Gruppenähnlichkeit, also die Ähnlichkeit zum
„Freiberufler an sich“ oder zu einer bestimmten
Gruppe freiberuflicher Tätigkeiten (z.B. heilberufliche
Tätigkeiten wie die Tätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr.
1 Satz 2 EStG aufgeführten Ärzte, Zahnärzte,
Tierärzte, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten), nicht.
Da der Gesetzgeber die Katalogberufe detailliert aufzählt,
müssen die ähnlichen Berufe speziell einem dieser Berufe
ähnlich sein (z.B. Senatsurteil in BFHE 246, 396, BStBl II
2015, 128 = SIS 14 29 75, m.w.N.; BFH-Entscheidungen vom 14.2.2013
III B 67/12, BFH/NV 2013, 920 = SIS 13 13 94; vom 19.9.2002 IV R
74/00, BFHE 200, 326, BStBl II 2003, 27 = SIS 03 05 53; vom
9.3.2005 IV B 74/03, BFH/NV 2005, 1289 = SIS 05 31 95).
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Ob ein einem Katalogberuf i.S. des § 18
EStG ähnlicher Beruf vorliegt, bestimmt sich nach
ertragsteuerlichen Grundsätzen, nicht nach den im Zusammenhang
mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 14 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) entwickelten Maßstäben (vgl.
zu diesen z.B. BFH-Urteile vom 26.8.2014 XI R 19/12, BFHE 247, 276,
BStBl II 2015, 310 = SIS 14 32 09; vom 9.9.2015 XI R 31/13, BFH/NV
2016, 249 = SIS 16 00 68).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
die Klägerin keinen dem Beruf des Heilpraktikers
ähnlichen Beruf ausgeübt. Hierfür fehlt es bereits
an der für die Ausübung dieses Berufs notwendigen
staatlichen Erlaubnis (§ 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes)
und der damit verbundenen Überwachung durch die
Gesundheitsämter (vgl. BFH-Urteile in BFHE 205, 151, BStBl II
2004, 509 = SIS 04 21 10; vom 28.8.2003 IV R 69/00, BFHE 203, 429,
BStBl II 2004, 954 = SIS 03 53 54).
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cc) Die Tätigkeit der Klägerin war
auch nicht der eines Krankengymnasten/Physiotherapeuten
ähnlich. Das FG hat die Anforderungen, die an eine
entsprechende Vergleichbarkeit zu stellen sind, verkannt.
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(aaa) Die Tätigkeit eines
Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten umfasst vor allem aktive
und passive Therapien zur Wiederherstellung und Erhaltung der
Gesundheit (vgl. BFH-Urteil vom 6.9.2006 XI R 64/05, BFHE 215, 119,
BStBl II 2007, 177 = SIS 07 00 10). Sie ist mithin von der
Erbringung einer persönlichen medizinischen Dienstleistung
geprägt, die therapeutischer Natur ist und den Heilerfolg
fördert (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 203, 429, BStBl II 2004,
954 = SIS 03 53 54, unter Bezugnahme auf § 124 des
Fünften Buchs Sozialgesetzbuch).
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Demnach ist nicht jede Tätigkeit, die den
Heilerfolg fördert, der des Krankengymnasten/Physiotherapeuten
ähnlich. Vielmehr muss die jeweilige Tätigkeit
therapeutischer Natur sein oder zumindest einen hinreichend
konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer
Heilbehandlungstätigkeit aufweisen. Andernfalls käme es
zu einer nicht sachgerechten Ausweitung des Anwendungsbereiches des
§ 18 EStG, denn auch offensichtlich keinem der Katalogberufe
i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche Tätigkeiten
(wie z.B. von Mitarbeitern der Krankenhausverwaltung) fördern
(z.B. durch die Sicherstellung der sächlichen und personellen
Ausstattung eines Krankenhauses) in gewisser Weise den
Heilerfolg.
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(bbb) Die Klägerin war nicht
therapeutisch tätig.
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Nach der für den Senat bindenden
Feststellung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war ihre Tätigkeit
im Wesentlichen auf die Planung, Durchführung und Evaluation
von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln und
Medizinprodukten ausgerichtet und umfasste darüber hinaus die
Schulung, Überwachung und klinische Unterstützung der
Anwender beim Einsatz der Produkte. Klinische Prüfungen sind
am Menschen durchgeführte Untersuchungen, die dazu bestimmt
sind, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln
zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen
oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die
Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der
Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu
überzeugen (§ 4 Abs. 23 des Arzneimittelgesetzes).
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Demnach therapierte die Klägerin keine
Patienten, sondern sorgte für einen erfolgreichen Verlauf
klinischer Studien und unterstützte so die Entwicklung
pharmazeutischer bzw. medizintechnischer Produkte.
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(ccc) Ihre Tätigkeit weist zudem keinen
hinreichend konkreten, unmittelbaren Zusammenhang zu einer
Heilbehandlungstätigkeit auf.
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Die im Auftrag und Interesse der an der
Entwicklung beteiligten Einrichtungen und Personen
(Pharmaunternehmer, Auftragsforschungsinstitute, Ärzte etc.)
durchgeführte Tätigkeit der Klägerin war primär
darauf gerichtet, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende
Erprobung der Wirkweise von Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten
sicherzustellen, die grundsätzlich erst nach ihrer Zulassung
zur Heilung von Menschen eingesetzt werden sollten und konnten. Die
Klägerin arbeitete dementsprechend vornehmlich im Vorfeld
künftiger - erst nach Zulassung möglicher - Behandlungen
von Patienten durch Dritte und nicht in konkretem, unmittelbarem
Zusammenhang mit einer Heilbehandlung.
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Ein solcher ergibt sich auch nicht daraus,
dass die Klägerin im Rahmen der von ihr betreuten Studien auch
Kontakt zu Studienteilnehmern hatte, denen die zu erprobenden
Medikamente verabreicht bzw. bei denen die medizinischen Produkte
eingesetzt wurden und deren Heilung damit angestrebt war. Denn
prägend für die Tätigkeit der Klägerin war es,
für einen erfolgreichen Verlauf der klinischen Studie Sorge zu
tragen.
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Insoweit unterscheidet sich die Tätigkeit
der Klägerin auch maßgeblich von der eines
Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene, die der
Verbesserung der Infektionsprävention sowie der
Bekämpfung von Krankenhausinfektionen dient und nach den
Feststellungen im BFH-Urteil in BFHE 215, 119, BStBl II 2007, 177 =
SIS 07 00 10 in einem konkreten Zusammenhang mit der laufenden
Behandlung und Pflege von Patienten erfolgte.
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(ddd) Schließlich ist die der Forschung
dienende Tätigkeit der Klägerin auch nicht der einer
(Fach-)Krankenschwester, die medizinische Hilfeleistungen unter der
Verantwortung eines Arztes ausführt, ähnlich.
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2. Die Sache ist spruchreif. Die Entscheidung
des FG beruht auf anderen Rechtsgrundsätzen. Sie war daher
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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