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Kindergeldrechtliche Erfassung monatlich wiederkehrender Einkünfte und Bezüge im Rahmen der monatsbezogenen Vergleichsrechnung bei behinderten Kindern

Kindergeldrechtliche Erfassung monatlich wiederkehrender Einkünfte und Bezüge im Rahmen der monatsbezogenen Vergleichsrechnung bei behinderten Kindern: 1. Monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge, die im Rahmen der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG durchzuführenden - monatsbezogenen - Vergleichsrechnung nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen sind und dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, sind in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen. - 2. Als kurze Zeit gilt ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen. - Urt.; BFH 11.4.2013, III R 35/11; SIS 13 24 86

Kapitel:
Privatbereich > Kinder
Fundstellen
  1. BFH 11.04.2013, III R 35/11
    BStBl 2013 II S. 1037
    BFH/NV 2013 S. 1841
    NJW 2014 S. 880

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 29.11.2013
    -/- in NWB 39/2013 S. 3051
    R.G. in BFH/PR 12/2013 S. 457
Normen
[SGB II] § 16 b, § 19 ff.
[EStG] § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 11
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 29.03.2011, SIS 11 25 08, Behinderung, Kind, Nachzahlung, Eingliederungshilfe, Lebensunterhalt
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Rheinland-Pfalz 14.6.2023, SIS 23 11 81, Berücksichtigung der als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft bezogenen Leistungen zur Sicherung des Lebens...
  • BZSt 26.5.2023, SIS 23 10 69, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 20.4.2023, SIS 23 09 10, Kindergeld, Opferrente als Bezug eines behinderten volljährigen Kindes: Eine Grundrente nach § 1 Abs. 1 O...
  • BFH 20.10.2022, SIS 23 03 68, Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Kind, Pflegegeld, Unterhaltsanspruch gegenüber dem Eh...
  • BZSt 30.6.2022, SIS 22 12 76, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 15.12.2021, SIS 22 06 30, Kindergeld für behinderte Kinder, Berücksichtigung eines Teils der Kapitalleistung aus einer Rentenversic...
  • FG München 6.12.2021, SIS 22 02 21, Unionsrechtskonformität der Belastung ausländischer Pensionsfonds, die Dividenden von inländischen Kapita...
  • BFH 27.10.2021, SIS 22 02 37, Kindergeld, Feststellung der Fähigkeit volljähriger behinderter Kinder zum Selbstunterhalt: 1. Die Fähigk...
  • BZSt 17.9.2021, SIS 21 17 59, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 27.8.2020, SIS 20 12 46, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG München 21.7.2020, SIS 20 15 01, Prüfung, inwieweit ein behindertes volljähriges Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten: Eine ei...
  • FG Nürnberg 24.2.2020, SIS 20 08 38, Voraussetzungen dafür, dass ein behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten: 1. Der behi...
  • BZSt 9.7.2019, SIS 19 11 83, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG München 4.6.2019, SIS 19 13 07, Kindergeld für Kind mit Behinderung: 1. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes g...
  • BFH 11.10.2018, SIS 19 02 13, Unterhaltsrente für ein im eigenen Haushalt lebendes Kind: Zur Unterhaltsrente i.S. von § 64 Abs. 3 Satz ...
  • BZSt 10.7.2018, SIS 18 11 88, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 28.11.2017, SIS 17 25 83, Kindergeld für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer: Der Senat hält daran fest, dass § 62 Abs. 2 Nr....
  • BZSt 13.7.2017, SIS 17 14 60, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BZSt 22.8.2016, SIS 16 19 62, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 13.4.2016, SIS 16 12 27, Kindergeld, keine Berücksichtigung einer Schmerzensgeldrente bei den finanziellen Mitteln eines volljähri...
  • BFH 5.2.2015, SIS 15 13 71, Elterngeldzahlungen als Bezüge eines behinderten Kindes: Das Elterngeld, das ein behindertes Kind, für da...
  • FG Nürnberg 10.12.2014, SIS 15 07 47, Berücksichtigung von Schmerzensgeld bei der Berechnung des Kindergeldanspruches eines volljährigen behind...
  • BZSt 1.7.2014, SIS 14 21 00, Familienleistungsausgleich, Erlass der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-...
  • FG Nürnberg 25.6.2014, SIS 14 29 02, Verzinsung nach § 235 AO bei Doppelbezug von Kindergeld: Die Verzinsungsvorschrift für hinterzogene Steue...
  • BFH 8.8.2013, SIS 14 07 02, ALG II, Nachzahlung an ein behindertes Kind: Eine für einen vergangenen Zeitraum geleistete Nachzahlung v...

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihres im August 1984 geborenen Sohnes (S). S ist von Geburt an mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie den Merkzeichen G und B schwerbehindert, seit dem 6.10.2009 mit einem GdB von 100. Ende März 2009 beendete S sein Musikstudium. Die Klägerin teilte der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) mit, S wolle ab April 2009 eine selbständige Tätigkeit als Musiker und Diplommusiklehrer aufnehmen. Im Mai 2009 und Dezember 2009 sind S insbesondere folgende Einnahmen sowie Ausgaben zu- und abgeflossen:

 

 

 

 

 

 

 

 

2

Mai 2009

 

EUR

EUR

 

 

 

06.05.

ALG II für 04/09 und 05/09

 

1.608,74

 

 

 

 

darin:

 

 

 

 

 

 

Regelleistung 2 * 351,00 = 702,00

 

 

 

 

 

 

Unterkunftskosten 2 * 453,37 = 906,74

 

 

 

 

 

29.05.

ALG II für 06/09

 

804,37

 

 

 

 

darin:

 

 

 

 

 

 

Regelleistung 1 * 351,00 = 351,00

 

 

 

 

 

 

Unterkunftskosten 1 * 453,37 = 453,37

 

 

 

 

 

18.05.

Beitrag Berufsverband, -haftpflicht

-26,22

 

 

 

 

26.05.

Fachliteratur

-17,55

 

 

 

 

26.05.

Musikerunfallversicherung

-8,53

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3

Dezember 2009

 

EUR

EUR

 

 

 

03.12.

Einstiegsgeld für 06/09 bis 11/09

 

897,50

 

 

 

 

darin:

 

 

 

 

 

 

Einstiegsgeld 5 * 179,50 = 897,50

 

 

 

 

 

18.12.

Einstiegsgeld für 12/09

 

179,50

 

 

 

31.12.

ALG II für 01/10

 

812,21

 

 

 

 

Regelleistung 1 * 359,00 = 359,00

 

 

 

 

 

 

Unterkunftskosten 1 * 453,21 = 453,21

 

 

 

 

 

01.12.-31.12.

Honorar für Unterricht

 

60,00

 

 

 

11.12.

Auslagenersatz für Gottesdienst

 

20,00

 

 

 

08.12.

Rentenbeitrag

-32,34

 

 

 

 

17.12.

Werbung (Flyer)

-233,24

 

 

 

 

28.12.

Musikerunfallversicherung

-8,52

 

 

 

 

28.12.

Werbung (Homepage)

-52,04

 

 

 

 

31.12.

Bankgebühren

-6,45

 

 

 

 

 

4

Die Familienkasse hob die Festsetzung von Kindergeld für S mit Bescheid vom 24.7.2009 ab April 2009 auf, weil S imstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 18.1.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

 

 

 

 

5

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Nachdem die Familienkasse während des erstinstanzlichen Verfahrens für den Monat April 2009 sowie für den Zeitraum Juni 2009 bis November 2009 einen Teilabhilfebescheid erlassen und die Beteiligten daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, begehrte die Klägerin nur noch Kindergeld für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009. Dem Teilabhilfebescheid war eine von der Klägerin beigebrachte fachärztliche Stellungnahme vom 14.5.2010 vorausgegangen, in welcher festgestellt wurde, dass S aufgrund seiner Behinderung nicht im Stande sei, seinen Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten.

 

 

 

 

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in EFG 2011, 1725 = SIS 11 25 08 veröffentlichten Urteil ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die in den Monaten Mai 2009 und Dezember 2009 zu berücksichtigenden Einkünfte und Bezüge des S hätten seine in diesen Monaten - der Höhe nach unstreitig - gegebenen Bedarfe überschritten.

 

 

 

 

7

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine unzutreffende Anwendung materiellen Rechts. Das FG habe die Einkünfte und Bezüge des S fehlerhaft nach dem Zuflussprinzip erfasst. Im Mai 2009 hätte - abweichend vom tatsächlichen Zufluss - weder die Nachzahlung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Vormonat April 2009 noch die laufende Alg II-Zahlung für den Folgemonat Juni 2009 angesetzt werden dürfen. Ebenso sei es nicht möglich, die mehrere Monate umfassende Nachzahlung des Einstiegsgeldes nach § 16b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zuflussmonat Dezember 2009 zu erfassen. Diese Rechtsauffassung werde durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.2.1999 5 C 35/97 (BVerwGE 108, 296) bestätigt, wonach abweichend vom tatsächlichen Zufluss rechtlich ein anderer Zufluss maßgeblich sein könne. Außerdem habe das FG Berlin-Brandenburg in dem Urteil vom 19.7.2010 10 K 10255/07 (EFG 2011, 155 = SIS 10 30 22, Revision eingelegt, Az. beim Bundesfinanzhof - BFH - : XI R 51/10 = SIS 13 16 79) entschieden, dass die Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht im Zuflussmonat als Bezüge anzusetzen seien. Solche Nachzahlungen stellten Bezüge der Eltern dar. Sie seien ein Ausgleich dafür, dass die Eltern dem Kind bereits darlehensweise Unterhalt gewährt hätten. Daneben existierten weitere Beispiele, denen zu entnehmen sei, dass nicht auf den tatsächlichen, sondern auf den normativen Zufluss abzustellen sei. Zu nennen seien die Verordnungen zur Durchführung des § 76 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und des § 82 SGB XII. Aber auch bei der vom FG bejahten Anwendung des § 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung ergebe sich, dass die Zahlungen von Alg II und des Einstiegsgeldes monatlich nur mit dem zwölften Teil des Jahresbetrags anzusetzen seien. Abgesehen davon sei das Einstiegsgeld schon dem Grunde nach nicht als Bezug zu qualifizieren, weil es als Maßnahme der aktiven Arbeitsförderung nicht der Sicherung des Lebensunterhalts diene. Im Übrigen seien die Zahlungen an die Musikerunfallversicherung abziehbar. Schließlich sei bei Behinderten eine flexible Handhabung von Monats- und Jahresbetrachtung geboten. Anderenfalls führte die behindertenfreundliche Intention des Monatsprinzips zu einer Benachteiligung, wenn bei Anwendung einer Jahresbetrachtung für das gesamte Jahr Kindergeld zu gewähren wäre.

 

 

 

 

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufgehoben wurde.

 

 

 

 

9

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

 

 

10

II. Die Revision ist begründet.

 

 

 

 

11

Das angefochtene Urteil, der Aufhebungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufgehoben wurde (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Klägerin steht für die genannten Monate ein Kindergeldanspruch gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) zu.

 

 

 

 

12

1. Die Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18.4.2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit ... - Familienkasse - eingetreten (s. dazu BFH-Beschluss vom 3.3.2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105 = SIS 11 18 86, unter II.A.).

 

 

 

 

13

2. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

 

 

 

 

14

a) Ein behindertes Kind ist dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung (z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge) in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 24.8.2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23, m.w.N.). Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge. Einkünfte sind solche i.S. von § 2 Abs. 2 EStG, zu den Bezügen gehören alle Einnahmen in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden (z.B. Senatsurteil vom 4.8.2011 III R 22/10, BFHE 234, 329, BStBl II 2012, 337 = SIS 11 37 19, m.w.N.).

 

 

 

 

15

b) Bei Prüfung der Frage, ob ein volljähriges Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist keine jahresbezogene Betrachtung vorzunehmen, sondern auf den Kalendermonat abzustellen (z.B. BFH-Urteile vom 4.11.2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 = SIS 04 05 44; in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23; a.A. Greite, FR 2004, 424; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 EStG Rz 491). Die Einkünfte und Bezüge sind, soweit für Gewinneinkünfte nicht das Realisationsprinzip gilt (s. dazu Senatsurteil vom 22.12.2011 III R 69/09, BFHE 236, 298 = SIS 12 12 76), nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen (BFH-Urteil vom 16.4.2002 VIII R 76/01, BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525 = SIS 02 09 39).

 

 

 

 

16

Nach Auffassung des Senats ist bei Anwendung des Zuflussprinzips auch der in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift gelten regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, als in dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit bezogen. Der Gesetzeszweck dieser Vorschrift, Zufälligkeiten bei der zeitlichen Erfassung wiederkehrender Leistungen zu vermeiden (z.B. BFH-Urteil vom 24.7.1986 IV R 309/84, BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 = SIS 86 24 11), rechtfertigt auch deren Heranziehung bei monatlich wiederkehrenden - im Rahmen der Vergleichsrechnung anzusetzenden - Einkünften und Bezügen. Dies bedeutet, dass solche monatlich wiederkehrenden Leistungen, die dem behinderten Kind kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalendermonats, für den sie bestimmt sind, zufließen, in dem bestimmungsgemäßen Monat zu erfassen sind. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG ist als „kurze Zeit“ ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen anzusehen (s. dazu BFH-Beschluss vom 6.11.2002 X B 30/02, BFH/NV 2003, 169 = SIS 03 08 27). Allerdings misst der Senat hierbei dem Erfordernis, dass die Leistung auch während dieser kurzen Zeit - wie sonst bei § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG vorausgesetzt (BFH-Urteil in BFHE 147, 419, BStBl II 1987, 16 = SIS 86 24 11) - fällig sein muss, keine Bedeutung bei, und zwar deshalb, weil für die Beurteilung der Frage, ob einem behinderten Kind ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben, nicht auf die Fälligkeit einer Zahlung, sondern vielmehr darauf abzustellen ist, ob tatsächlich entsprechende finanzielle Mittel zeitnah vorhanden waren. Im Übrigen kommt eine Verteilung solcher, in Anlehnung an § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG abweichend vom Zuflussmonat zu erfassender monatlich wiederkehrender Leistungen auf einen längeren Zeitraum nicht in Betracht (anders bei jährlich anfallenden Einnahmen; s. dazu BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23, unter II.1.e).

 

 

 

 

17

Ob für monatlich wiederkehrenden Arbeitslohn ggf. Abweichendes gilt (s. dazu § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG), bedarf im Streitfall keiner Klärung.

 

 

 

 

18

c) Schließlich wirkt sich eine im Laufe eines Monats zugeflossene Nachzahlung, die zum Wegfall der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt führt, erst in dem auf den Zuflussmonat folgenden Zeitraum kindergeldschädlich aus (BFH-Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 = SIS 04 05 44, unter II.2.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das Kindergeld gemäß § 66 Abs. 2 EStG bis zum Ende des Monats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (BFH-Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 = SIS 04 05 44). Danach ist Kindergeld für den Zuflussmonat der Nachzahlung zu gewähren, wenn die finanziellen Mittel in diesem Monat ohne Berücksichtigung der Nachzahlung nicht ausgereicht hätten, um den gesamten Bedarf des behinderten Kindes zu decken.

 

 

 

 

19

3. Gemessen an diesen Grundsätzen war S in den streitigen Monaten nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten.

 

 

 

 

20

a) In der Vorentscheidung wurden für Mai 2009 Einkünfte (./. 43,77 EUR) und Bezüge (Summe der zugeflossenen Alg II-Zahlungen abzüglich anteiliger Kostenpauschale für Bezüge: 2.393,11 EUR) in Höhe von insgesamt 2.349,34 EUR angesetzt.

 

 

 

 

21

Selbst wenn man mit dem FG, was im Ergebnis zutreffend sein dürfte, davon ausgeht, dass die an S gezahlten - gemäß § 3 Nr. 2b EStG steuerfreien - Alg II-Zahlungen nach §§ 19 ff. SGB II als Bezüge zu qualifizieren sind (s. dazu BFH-Urteil vom 26.11.2003 VIII R 32/02, BFHE 204, 454, BStBl II 2004, 588 = SIS 04 13 97, zu Zahlungen nach § 11 BSHG; s. auch Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Nr. 5 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG -, BStBl I 2012, 739), hätte das am 29.5.2009 für den Monat Juni 2009 zugeflossene Alg II (804,37 EUR) erst im Juni 2009, das am 6.5.2009 für April 2009 zugeflossene Alg II (804,37 EUR) hingegen bereits im April 2009 erfasst werden müssen. Danach reduzierten sich die finanziellen Mittel des S um insgesamt 1.608,74 EUR auf 740,60 EUR; sein im Mai 2009 unstreitig gegebener Bedarf in Höhe von 1.196 EUR wäre nicht überschritten.

 

 

 

 

22

b) Für den Monat Dezember 2009 ist das FG von Einkünften (./. 264,07 EUR) und Bezügen (Summe der zugeflossenen Alg II-Zahlungen und Einstiegsgelder abzüglich anteiliger Kostenpauschale für Bezüge: 1.869,21 EUR) in Höhe von insgesamt 1.605,14 EUR ausgegangen.

 

 

 

 

23

Beurteilte man in Übereinstimmung mit dem FG auch das Einstiegsgeld nach § 16b SGB II, was im Ergebnis ebenfalls zutreffend sein dürfte, als einen Bezug (s. auch Abschn. 31.2.4.2 Abs. 1 Nr. 5 DA-FamEStG, BStBl I 2012, 739), hätte von dem am 3.12.2009 für fünf Monate ausbezahlten Einstiegsgeld der auf November 2009 entfallende Anteil in Höhe von 179,50 EUR bereits im November 2009 erfasst werden müssen. Danach verblieben dem S im Dezember 2009 finanzielle Mittel in Höhe von 1.425,64 EUR, die eine Nachzahlung in Höhe von 718 EUR (Einstiegsgeld für vier Monate) enthielten. Sein unstreitig gegebener Bedarf in Höhe von 1.212 EUR wäre daher erst durch die Einbeziehung der genannten - im Laufe des Monats Dezember 2009 zugeflossenen - Nachzahlung überschritten worden. Diese Nachzahlung hätte sich daher erst ab dem Folgemonat (Januar 2010) kindergeldschädlich auswirken können.

 

 

 

 

24

Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass die dem S am 30.11.2009 für Dezember 2009 gewährte Alg II-Zahlung in Höhe von 844,50 EUR (bzw. 812,21 EUR nach Abzug des hierfür gezahlten Rentenbeitrags) - wie sich aus der von dem FG ausdrücklich in Bezug genommenen Anlage K 18 der Klägerin ergibt - im Dezember 2009 hätte erfasst werden müssen. Denn im Gegenzug hätte auch die am 31.12.2009 zugeflossene Alg II-Zahlung für Januar 2010 (812,21 EUR) erst im Januar 2010 berücksichtigt werden dürfen.

 

 

 

 

25

4. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat in der Vorentscheidung angenommen, dass die Behinderung des S nach den Gesamtumständen des Einzelfalls in erheblichem Umfang mitursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist (s. dazu ausführlich Senatsurteil vom 15.3.2012 III R 29/09, BFHE 237, 68, BStBl II 2012, 892 = SIS 12 14 21). Die Kausalität stehe - so das FG - nach der fachärztlichen Stellungnahme vom 14.5.2010 außer Streit.

 

 

 

 

26

Diese vom FG vorgenommene und nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffene Tatsachenwürdigung ist für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, weil sie zumindest möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (s. dazu BFH-Urteil vom 9.12.2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824 = SIS 10 11 61). Auch wenn im Streitfall verschiedene Umstände für eine Fähigkeit des S zum Selbstunterhalt sprechen mögen, wie z.B. das abgeschlossene Musikstudium und der Bezug von Alg II (s. dazu Senatsurteil vom 19.11.2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, unter II.2.b), ist die vom FG vorgenommene Würdigung von den Ausführungen in der fachärztlichen Stellungnahme gedeckt, wonach S infolge der geburtsbedingten Behinderung in seiner Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt und ihm eine tägliche Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden nicht möglich sei. Abgesehen davon ist der hohe GdB des S ein gewichtiges Indiz für eine gegebene Unfähigkeit zum Selbstunterhalt (Senatsurteil in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, unter II.2.c). Dass die Behinderung des S vor Vollendung dessen 25. Lebensjahres eingetreten ist, steht außer Frage.

 

 

 

 

27

5. Nach alledem war die Familienkasse wegen eines bestehenden Kindergeldanspruchs nicht befugt, die Festsetzungen für die Monate Mai 2009 und Dezember 2009 aufzuheben.