Auf die Revision der Klägerin werden das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 25.02.2021 - 4 K 392/19
und der Aufhebungsbescheid der Beklagten sowie die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 21.02.2019 aufgehoben, soweit sie das
Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2019
betreffen.
Insoweit wird die Familienkasse verpflichtet,
Kindergeld zugunsten der Klägerin festzusetzen.
Im Übrigen - hinsichtlich der Monate
November und Dezember 2018 - ist die Revision unbegründet.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die
Beklagte und die Klägerin zu je 1/2.
5
|
Die von der Familienkasse ermittelten
Einkünfte und Bezüge der T lagen somit im November 2018
um 420 EUR, im Dezember 2018 um 285 EUR und im Januar und Februar
2019 um jeweils 13 EUR über dem - unstreitigen -
Bedarf.
|
|
|
6
|
Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts
zog das FG die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die
Kirchensteuer vom Einkommen des Ehemannes der T ab und wies darauf
hin, dass der Bundesfinanzhof (BFH) die Frage, ob bei dieser
Berechnung das Einkommen des Ehemannes um die abgeführten
Beträge zu mindern ist, zuletzt offengelassen habe
(Senatsurteil vom 23.11.2011 - III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II
2012, 413 = SIS 12 06 33, Rz 13). Die vom Arbeitgeber des Ehemannes
gewährten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von
monatlich 26,59 EUR wurden einkommenserhöhend und die im
November 2018 bezogene Jahressonderzahlung sowie das Urlaubsgeld
jeweils anteilig mit einem Zwölftel im Monat des Zuflusses und
den nachfolgenden elf Monaten berücksichtigt. Im Gleichklang
damit zog das FG auch die darauf entfallenden Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge mit jeweils einem Zwölftel im
Monat der Zahlung und den nachfolgenden elf Monaten ab.
Unterhaltsleistungen an E und an X zog das FG nicht ab, weil es
anderenfalls im Sinne des Senatsurteils vom 09.02.2012 - III R
73/09 (BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34) zu einer
doppelten Berücksichtigung des Bedarfs des Kindeskindes
käme.
|
|
|
7
|
Zur Begründung ihrer Revision
rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Bundesrechts.
|
|
|
8
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
das FG-Urteil sowie den Bescheid vom
28.11.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2019
aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld
für die Monate November 2018 bis Februar 2019 zugunsten der
Klägerin festzusetzen.
|
|
|
9
|
Die Familienkasse beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist begründet, soweit
sie das Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2019
betrifft; insoweit wird die Familienkasse verpflichtet, Kindergeld
festzusetzen. Im Übrigen, also hinsichtlich der Monate
November und Dezember 2018, wird sie als unbegründet
zurückgewiesen.
|
|
|
11
|
1. Gemäß § 62 Abs. 1, §
63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet
hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher,
geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25.
Lebensjahres eingetreten ist, sofern nicht aufgrund der
Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 Satz 5 EStG i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.07.2006 (BGBl I 2006,
1652), inzwischen § 52 Abs. 32 Satz 1 EStG, weiterhin die
vorher geltende Altersgrenze (Vollendung des 27. Lebensjahres)
maßgeblich ist.
|
|
|
12
|
Das Tatbestandsmerkmal
„außerstande [...], sich selbst zu
unterhalten“ wird im Gesetz nicht
näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu
unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann
(z.B. BFH-Urteil vom 15.10.1999 - VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl
II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 1.b; Senatsurteile vom 05.02.2015
- III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017 = SIS 15 13 71,
Rz 13, und vom 13.04.2016 - III R 28/15, BFHE 253, 249, BStBl II
2016, 648 = SIS 16 12 27, Rz 10, m.w.N.). Die Fähigkeit zum
Selbstunterhalt ist dabei anhand eines Vergleichs zweier
Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem
Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden
gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und
seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE
253, 249, BStBl II 2016, 648 = SIS 16 12 27, Rz 10; vom 19.01.2017
- III R 44/14, BFH/NV 2017, 735 = SIS 17 07 97, Rz 29, und vom
27.11.2019 - III R 28/17, BFHE 268, 13, BStBl II 2021, 807 = SIS 20 11 08, Rz 16). Diese Prüfung hat für jeden Monat
gesondert zu erfolgen (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteil vom 11.04.2013 - III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II
2013, 1037 = SIS 13 24 86).
|
|
|
13
|
Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst
Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Dazu gehören
alle mit einer Behinderung zusammenhängenden
außergewöhnlichen Belastungen, insbesondere solche
für Hilfen bei den gewöhnlichen und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens
(Senatsurteil in BFHE 268, 13, BStBl II 2021, 807 = SIS 20 11 08,
Rz 19). Diese können einzeln nachgewiesen oder mit dem
maßgeblichen Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG)
angesetzt werden. Wird Pflegegeld gezahlt, welches den
Behinderten-Pauschbetrag übersteigt, so ist zu vermuten, dass
mindestens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes
besteht (Senatsurteil vom 27.10.2021 - III R 19/19, BFHE 275, 44,
BStBl II 2022, 469 = SIS 22 02 37, Rz 16). Da im Streitfall das
Pflegegeld in Höhe von monatlich 316 EUR den anteiligen
monatlichen Pauschbetrag für Menschen mit Behinderungen in
Höhe von 74,17 EUR übersteigt, ist es vom FG zu Recht als
Mehrbedarf angesetzt worden.
|
|
|
14
|
2. Das FG hat das Pflegegeld zutreffend bei
den T zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln als Bezug
berücksichtigt.
|
|
|
15
|
a) Bezüge sind alle Zuflüsse in Geld
oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der
einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden
(zuletzt Senatsurteil in BFHE 275, 44, BStBl II 2022, 469 = SIS 22 02 37, Rz 17, m.w.N.). Sozialleistungen, mit deren Hilfe das Kind
seinen existenziellen Grundbedarf oder behinderungsbedingten
Mehrbedarf decken kann, sind zu berücksichtigen, soweit das
Kind nicht vom Sozialleistungsträger zu einem Kostenbeitrag
herangezogen wird. Dies gilt auch für nachrangige
Sozialleistungen, soweit der Sozialleistungsträger nicht bei
den Eltern Regress nimmt (Senatsurteil in BFHE 268, 13, BStBl II
2021, 807 = SIS 20 11 08, Rz 23 und 24, m.w.N., betreffend
Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 53 ff. des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und Hilfe zum
Lebensunterhalt).
|
|
|
16
|
b) Bezüge, die nicht zur Bestreitung des
Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sind, werden
allerdings nicht als dem Kind zur Verfügung stehende Mittel
berücksichtigt. Schmerzensgeld nimmt - unabhängig davon,
ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird - eine
Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und
Vermögensarten ein, da es einen Ausgleich für
Schäden und Lebenshemmungen nicht vermögensrechtlicher
Art bieten und zugleich Genugtuung verschaffen soll. Wegen dieser
Sonderfunktion, immaterielle Beeinträchtigungen zu mildern
oder auszugleichen, ist eine Schmerzensgeldrente nicht als Bezug
des Kindes zu berücksichtigen (Senatsurteil in BFHE 253, 249,
BStBl II 2016, 648 = SIS 16 12 27, Rz 16 ff.).
|
|
|
17
|
Pflegegeld kommt dagegen - wie auch dem
Blindengeld und anderen Sozialleistungen, die besonderen Bedarf
abdecken sollen - eine derartige besondere Funktion nicht zu. Es
ist daher als ein für den Unterhalt geeigneter Bezug
anzusetzen. Die Berücksichtigung derartiger Sozialleistungen
als Bezüge ist auch sachgerecht. Denn bei volljährigen
behinderten Kindern wird hinsichtlich der Frage der
Unfähigkeit zum Selbstunterhalt immer an die tatsächlich
verwirklichten Verhältnisse und somit an die tatsächlich
gezahlten Sozialleistungen angeknüpft (Senatsurteil in BFHE
275, 44, BStBl II 2022, 469 = SIS 22 02 37, Rz 18); die materielle
Lage eines Kindes, dessen behinderungsbedingter Mehrbedarf durch
eine Leistung wie das Pflegegeld abgedeckt wird, ist günstiger
als die eines Kindes mit einem Mehrbedarf in gleicher Höhe,
das diese Leistung nicht erhält. Infolge des Pflegegeldes ist
T mithin in geringerem Maße auf Mittel der Klägerin
angewiesen.
|
|
|
18
|
3. Bei der Ermittlung der
Unterhaltsleistungen, die T von ihrem Ehemann bezogen hat, hat das
FG dessen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu Recht
abgezogen.
|
|
|
19
|
a) Zu den dem behinderten Kind zur
Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören
auch Leistungen Dritter, soweit diese zur Bestreitung des
Lebensunterhalts bestimmt und geeignet sind (z.B. Senatsurteile in
BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648 = SIS 16 12 27, Rz 17, und vom
09.02.2012 - III R 53/10, BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391 = SIS 12 09 97, Rz 11). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie aufgrund
einer tatsächlich bestehenden zivilrechtlichen Verpflichtung
(z.B. § 1615 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ),
einer vermeintlichen Verpflichtung oder freiwillig erbracht werden
(z.B. Senatsurteile vom 11.04.2013 - III R 24/12, BFHE 241, 255,
BStBl II 2013, 866 = SIS 13 18 27, und vom 12.09.2013 - III R
55/12, BFH/NV 2014, 36 = SIS 13 32 92, Rz 12, betreffend
Unterhaltsleistungen des Kindsvaters als Bezüge).
|
|
|
20
|
b) Unter den Begriff der Bezüge sind
daher auch Unterhaltsleistungen des verheirateten oder geschiedenen
Ehegatten (§ 1360, § 1360a, § 1361, §§
1569 ff. BGB) zu fassen. Diese können bei Ehepartnern, die in
einem gemeinsamen Haushalt leben, regelmäßig nur
geschätzt werden. Dabei ist von folgenden Grundsätzen
auszugehen:
|
|
|
-
|
Bei einer kinderlosen Ehe fließt nach
der Lebenserfahrung dem nicht verdienenden Ehepartner etwa die
Hälfte des gemeinsamen verfügbaren Nettoeinkommens in
Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zu, sofern dem
unterhaltsverpflichteten Ehepartner ein verfügbares Einkommen
in Höhe des steuerlichen Existenzminimums verbleibt
(Senatsurteile in BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413 = SIS 12 06 33,
Rz 10, und in BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866 = SIS 13 18 27, Rz
15; BFH-Urteil vom 25.02.2015 - XI R 14/13, BFH/NV 2015, 836 = SIS 15 10 81, Rz 17).
|
|
|
-
|
Verfügt das Kind auch über eigene
Mittel, so ist zu unterstellen, dass sich die Eheleute ihr
gemeinsames verfügbares Einkommen teilen. Haben die Ehegatten
eigene Kinder, so werden die Einkünfte desjenigen Ehegatten,
für den Kindergeld begehrt wird, durch dessen
Unterhaltsleistungen an sein eigenes Kind grundsätzlich nicht
gemindert (Senatsurteil in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34, Rz 18 ff.).
|
|
|
21
|
Soweit nach der oben dargestellten
Rechtsprechung des Senats eine Halbteilung der verfügbaren
Mittel durch die in intakter Ehe zusammenlebenden Partner
anzunehmen ist, wird zugunsten des erwerbstätigen Ehegatten
kein Erwerbstätigenbonus abgezogen (ebenso
Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.09.2020 - 1 K 129/17,
juris = SIS 20 16 22, Rz 46; a.A. FG Münster, Urteil vom
21.02.2013 - 13 K 1968/11 Kg, EFG 2013, 790 = SIS 13 12 31).
|
|
|
22
|
Reichen die so verteilten Einkünfte und
Bezüge des Ehepartners - allein oder zusammen mit
Einkünften und Bezügen des behinderten Kindes - für
den vollständigen Unterhalt des behinderten Kindes aus und
liegt kein weiterer Berücksichtigungstatbestand
gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 EStG vor, so
entfällt der Kindergeldanspruch.
|
|
|
23
|
c) Bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs
der T hat das FG die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und
die Kirchensteuer vom Einkommen des Ehemannes der T bei der
Ermittlung ihres Unterhaltsanspruchs zu Recht abgezogen. Diese
Posten mindern das zur Verfügung stehende
„Nettoeinkommen“ im Sinne der
Senatsurteile in BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413 = SIS 12 06 33,
in BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866 = SIS 13 18 27 und in BFH/NV
2015, 836 = SIS 15 10 81 und stehen für den Verbrauch
tatsächlich nicht zur Verfügung (ebenso A 19.5 Satz 2 der
Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG 2022). Die auf das
Einkommen entfallenden Steuern mindern im Übrigen -
unbeschadet der Obliegenheit, Steuervorteile in zumutbarem Rahmen
in Anspruch zu nehmen - auch zivilrechtliche
Unterhaltsansprüche (z.B. Unterhaltsgrundsätze des
Oberlandesgerichts Frankfurt, Stand: 01.01.2022, unter 10.1; Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 25.06.1980 - IVb ZR 530/80, NJW 1980,
2251).
|
|
|
24
|
Soweit der Senat zur Grenzbetragsberechnung
(§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.) entschieden hat, dass die
Einkünfte durch Steuern nicht gemindert werden (Senatsurteil
vom 26.09.2007 - III R 4/07, BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738 =
SIS 08 08 32), beruhte dies darauf, dass die Einkommensteuer
erstattet wird, wenn das zu versteuernde Einkommen den
Grundfreibetrag nicht übersteigt und ein Kind einbehaltene
Lohnsteuer unter den Voraussetzungen des § 42b EStG schon im
Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs durch den Arbeitgeber bei
der Lohnabrechnung für den letzten im Ausgleichsjahr endenden
Lohnzahlungszeitraum zurückerhalten konnte. Auf die Ermittlung
eines Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen seinen steuerpflichtige
Einkünfte erzielenden Ehegatten, bei dem eine Steuerschuld
verbleibt, ist das nicht zu übertragen.
|
|
|
25
|
d) Die Sozialversicherungsbeiträge des
Kindes sind ebenfalls nicht zur Bestreitung des Unterhalts
bestimmt, da sie von Gesetzes wegen dem Kind oder dessen Eltern
nicht zur Verfügung stehen (Senatsurteil vom 19.10.2006 - III R 55/06, BFH/NV 2007, 420 =
SIS 07 06 74). Werden die
Sozialversicherungsbeiträge vom Ehegatten des Kindes
geleistet, so stehen sie dem Ehegatten gleichfalls weder für
den eigenen Verbrauch noch für den Ehegattenunterhalt zur
Verfügung. Das FG hat sie daher zu Recht bei der Ermittlung
des Ehegattenunterhalts abgezogen.
|
|
|
26
|
4. Das FG hat jedoch die Unterhaltszahlungen
des Ehemannes für sein Kind X bei der Ermittlung des
Ehegattenunterhalts an T zu Unrecht unberücksichtigt
gelassen.
|
|
|
27
|
a) Das FG ist zwar zutreffend davon
ausgegangen, dass die Einkünfte und Bezüge des
behinderten Kindes, für das Kindergeld begehrt wird, nicht
wegen Unterhaltsverpflichtungen des Kindes gegenüber seinem
Kind, d.h. dem Enkel der Eltern des behinderten Kindes, zu
kürzen sind. Denn eine unmittelbare Berücksichtigung der
vom Enkelkind ausgelösten Unterhaltslasten im Rahmen der
Prüfung der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum
Selbstunterhalt ist ausgeschlossen, weil sich die
behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt danach
bestimmt, ob Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes
dessen existenziellen Lebensbedarf decken. Der
Unterhaltsbedarf des Kindeskindes vermindert jedoch weder die
Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes noch
erhöht er dessen existenziellen Lebensbedarf.
|
|
|
28
|
Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 236,
407, BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34, Rz 20 zudem darauf
hingewiesen, dass nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur Kinder, die
mit dem Steuerpflichtigen im ersten Grad verwandt sind,
berücksichtigt werden und Belastungen für den Unterhalt
eines Enkelkindes bei der Einkommensbesteuerung der
Großeltern als Steuerpflichtige deshalb nicht
berücksichtigt würden; anderenfalls wären
Einkünfte und Bezüge des Kindes faktisch bis zur
doppelten Höhe des Existenzminimums unschädlich,
nämlich für das Kind selbst und für das Kindeskind.
Die vom Enkelkind ausgelösten Unterhaltslasten würden
ausschließlich durch den für dieses (Enkel-)Kind
bestehenden Anspruch auf Kindergeld oder die Freibeträge des
§ 32 Abs. 6 EStG abgegolten.
|
|
|
29
|
b) Im Streitfall geht es jedoch nicht wie im
Senatsurteil in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34 um
die Frage, ob der Grundsatz des Vergleichs des gesamten
existenziellen Lebensbedarfs des behinderten Kindes einerseits und
seiner finanziellen Mittel andererseits in der Weise zu
modifizieren ist, dass entweder dessen Lebensbedarf über den
eigenen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf hinaus um
den Bedarf seines Kindes - des Kindeskindes - erhöht oder aber
die Einkünfte und Bezüge des behinderten Kindes wegen
seiner Unterhaltsverpflichtung um einen besonderen Abzugsposten
vermindert werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob die als Bezug
der T anzusetzenden Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes durch
dessen Unterhaltspflicht gegenüber X beeinflusst werden.
|
|
|
30
|
Der vom Ehemann an X gezahlte Unterhalt
mindert danach den an T zu leistenden Unterhalt. Dies gilt
unabhängig davon, ob insofern auf die tatsächlich zur
Verfügung stehenden Mittel oder auf die Zivilrechtslage
abgestellt wird. Denn der Anspruch des Ehegatten auf
Ehegattenunterhalt ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch
minderjähriger Kinder rechtlich nachrangig (§ 1609 BGB),
und tatsächlich stehen Mittel, die vom Ehegatten an ein nicht
im gemeinsamen Haushalt lebendes Kind gezahlt werden, auch nicht
für den Unterhalt des Ehegatten und weiterer
Haushaltsmitglieder zur Verfügung.
|
|
|
31
|
Das Existenzminimum von X wird damit
kindergeldrechtlich nicht unzulässig sowohl bei X als auch bei
T berücksichtigt, sondern mindert in Höhe der Hälfte
des vom Ehemann gezahlten Unterhalts den Ehegattenunterhalt, der
bei T als Bezug zu erfassen ist. Dieser T als Bezug zuzurechnende
Ehegattenunterhalt mindert sich somit um die Hälfte der vom
Ehemann monatlich gezahlten 305 EUR, also um monatlich 152,50 EUR.
Die Revision ist bereits aus diesem Grunde für die Monate
Januar und Februar 2019 begründet.
|
|
|
32
|
5. Eine unmittelbare Berücksichtigung der
Belastung der T mit Unterhaltsleistungen für das gemeinsame
Kind E hat das FG ebenfalls zu Recht abgelehnt. Eine mittelbare
Berücksichtigung der Unterhaltslasten für E infolge
geminderten Ehegattenunterhalts wird durch die Grundsätze des
Senatsurteils in BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463 = SIS 12 11 34
jedoch nicht ausgeschlossen.
|
|
|
33
|
a) Beide Elternteile sind ihrem mit ihnen im
gemeinsamen Haushalt lebenden unverheirateten minderjährigen
Kind gleichermaßen zum Unterhalt verpflichtet; diese
Verpflichtung geht der zum Unterhalt des Ehepartners vor (§
1609 BGB). Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass T von
ihrem Ehemann keinen Unterhalt beanspruchen kann, soweit dieser mit
seinen Mitteln E unterhalten muss. Tatsächlich stehen die vom
Ehemann notwendig für den Kindesunterhalt aufgewendeten
Beträge für seinen und den Unterhalt der T auch nicht zur
Verfügung.
|
|
|
34
|
b) Der notwendige finanzielle Aufwand für
den Unterhalt von E kann nach dem Mindestunterhalt der
Düsseldorfer Tabelle bemessen werden; das waren im Jahr 2018
für bis zu 5 Jahre alte Kinder monatlich 348 EUR. Unerheblich
ist, dass der sich daraus ergebende Jahresbetrag in Höhe von
4.176 EUR unter dem (doppelten) Freibetrag für das
sächliche Existenzminimum eines Kindes in Höhe von 4.788
EUR liegt (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Denn der Freibetrag
differenziert nicht nach dem Alter des Kinder, während der
Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle entsprechend
dem typischen Unterhaltsbedarf mit dem Alter des Kindes zunimmt und
den Freibetrag bereits bei Kindern im Alter von 6 bis 11 Jahren
erreicht und ihn bei mindestens 18 Jahre alten Kindern deutlich
übersteigt.
|
|
|
35
|
c) Der Senat neigt dazu, in Anlehnung an die
Zivilrechtslage (§ 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) und weil das
Kindergeld auch der Deckung des Betreuungs-, Erziehungs- und
Ausbildungsbedarfs dient, von dem für den Barunterhalt
erforderlichen Betrag lediglich das halbe Kindergeld
abzuziehen.
|
|
|
36
|
Da dies für den Streitfall im Ergebnis
unerheblich ist (s. unten II.5.d), kann jedoch dahingestellt
bleiben, ob der für den Barunterhalt erforderliche Betrag
nicht sogar um das volle Kindergeld zu kürzen ist, weil es
für Zwecke der Ermittlung des Ehegattenunterhalts nur auf die
Verteilung der zur Verfügung stehenden Geldmittel innerhalb
der Familie ankommt.
|
|
|
37
|
Die dem Ehemann für sich und für T
zur Verfügung stehenden Mittel vermindern sich wegen des
Unterhalts für E damit - bei Abzug des vollen Kindergeldes -
höchstens um weitere 154 EUR und der Ehegattenunterhalt der T
somit um die Hälfte dieses Betrages, also um monatlich 77
EUR.
|
|
|
38
|
d) Der bei T als Bezug zu erfassende
Ehegattenunterhalt mindert sich mithin aufgrund der Belastung ihres
Ehemannes für X in Höhe von 152,50 EUR und für E in
Höhe von höchstens 77 EUR, zusammen also monatlich in
Höhe von 229,50 EUR.
|
|
|
39
|
Der vom FG für November und Dezember 2018
in Höhe von jeweils 1.066 EUR ermittelte Bedarf der T wird
demnach auch bei einer Verringerung der Einkünfte und
Bezüge um monatlich 229,50 EUR für November von 1.486 EUR
auf 1.256,50 EUR und für Dezember von 1.351 EUR auf 1.121,50
EUR gedeckt; die Revision ist insofern unbegründet.
|
|
|
40
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
136 Abs. 1 FGO.
|
|
|
|