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Kindergeld, keine Berücksichtigung einer Schmerzensgeldrente bei den finanziellen Mitteln eines volljährigen behinderten Kindes

Kindergeld, keine Berücksichtigung einer Schmerzensgeldrente bei den finanziellen Mitteln eines volljährigen behinderten Kindes: Bei der Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind über hinreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts verfügt, ist eine Schmerzensgeldrente grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. - Urt.; BFH 13.4.2016, III R 28/15; SIS 16 12 27

Kapitel:
Privatbereich > Kinder
Fundstellen
  1. BFH 13.04.2016, III R 28/15
    BStBl 2016 II S. 648
    NJW 2016 S. 2688 (nur Leitsatz)

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 25.7.2016
    -/- in NWB 26/2016 S. 1944
    R. Görke in BFH/PR 9/2016 S. 274
    A. Killat-Risthaus in DStZ 16/2016 S. 601
Normen
[EStG] § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Nürnberg, 10.12.2014, SIS 15 07 47, Kindergeld, Behinderung, Selbstunterhalt, Rente, Schmerzensgeld
  • vor: FG Nürnberg, 10.12.2014, SIS 15 07 47, Kindergeld, Behinderung, Selbstunterhalt, Rente, Schmerzensgeld
Zitiert in... / geändert durch...
  • BZSt 26.5.2023, SIS 23 10 69, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 20.4.2023, SIS 23 09 10, Kindergeld, Opferrente als Bezug eines behinderten volljährigen Kindes: Eine Grundrente nach § 1 Abs. 1 O...
  • Thüringer FG 28.2.2023, SIS 23 13 95, Fähigkeit zum Selbstunterhalt eines verheirateten behinderten Kindes: 1. Es entspricht der Lebenserfahrun...
  • BFH 16.2.2023, SIS 23 07 41, Selbstunterhalt des behinderten Kindes aus einer durch Vermögensumschichtung begründeten privaten Rente: ...
  • FG Münster 12.1.2023, SIS 23 03 21, Kein Kindergeldanspruch für ein schwerbehindertes Kind mit ausreichenden eigenen Einkünften: 1. Für ein K...
  • BFH 20.10.2022, SIS 23 03 68, Kindergeldanspruch für ein volljähriges behindertes Kind, Pflegegeld, Unterhaltsanspruch gegenüber dem Eh...
  • BZSt 30.6.2022, SIS 22 12 76, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG Baden-Württemberg 14.4.2022, SIS 22 09 43, Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt: 1. Bei der Prüfung, ob ein Kind aufgrund seiner B...
  • FG Hamburg 6.1.2022, SIS 22 03 52, Kindergeld, Berücksichtigungsfähigkeit von Blindengeld und Blindenhilfe als behinderungsbedingter Mehrbed...
  • BFH 15.12.2021, SIS 22 06 30, Kindergeld für behinderte Kinder, Berücksichtigung eines Teils der Kapitalleistung aus einer Rentenversic...
  • BFH 27.10.2021, SIS 22 02 37, Kindergeld, Feststellung der Fähigkeit volljähriger behinderter Kinder zum Selbstunterhalt: 1. Die Fähigk...
  • BZSt 17.9.2021, SIS 21 17 59, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • Niedersächsisches FG 20.7.2021, SIS 22 11 30, Kindergeldgewährung für verheiratete Kinder mit Behinderung und zum Antrag eines Mitglieds einer Sozietät...
  • FG Nürnberg 25.2.2021, SIS 23 17 11, Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen des Ehemanns an ein minderjähriges Kind bei der Berechnung des ...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 28.1.2021, SIS 21 04 26, Behinderungsbedingte Unfähigkeit eines verheirateten behinderten Kindes zum Selbstunterhalt: 1. Bei der f...
  • FG Hamburg 12.11.2020, SIS 21 00 44, Kindergeld für ein volljähriges Kind mit Asperger-Syndrom: Leidet ein volljähriges Kind unter dem Asperge...
  • Niedersächsisches FG 3.9.2020, SIS 20 16 22, Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Ehegatten bei der Prüfung, ob ein behindertes Kin...
  • BZSt 27.8.2020, SIS 20 12 46, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG München 21.7.2020, SIS 20 15 01, Prüfung, inwieweit ein behindertes volljähriges Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten: Eine ei...
  • BFH 27.11.2019, SIS 20 11 08, Kindergeld für behinderte Kinder, keine Berücksichtigung des Kindergelds als kindeseigene Mittel: 1. Für ...
  • BZSt 9.7.2019, SIS 19 11 83, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • FG München 4.6.2019, SIS 19 13 07, Kindergeld für Kind mit Behinderung: 1. Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes g...
  • FG des Saarlandes 13.12.2018, SIS 19 19 93, Pflegekindschaftsverhältnis als Voraussetzung für Kindergeldanspruch, Aufnahme eines volljährigen, mit Un...
  • BZSt 10.7.2018, SIS 18 11 88, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • Hessisches FG 21.9.2017, SIS 17 24 89, Berücksichtigung von Eingliederungshilfe bei der Ermittlung des behindertenbedingten Mehrbedarfs eines vo...
  • BZSt 13.7.2017, SIS 17 14 60, Familienleistungsausgleich, Neufassung der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz ...
  • BFH 15.2.2017, SIS 17 07 98, Kindergeldanspruch von Eltern für ihre verheirateten behinderten Kinder: 1. Eltern erhalten kein Kinderge...
  • BFH 19.1.2017, SIS 17 07 97, Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges, psychisch erkranktes Kind, keine Bindungswirkung des Revisi...
  • FG Baden-Württemberg 9.11.2016, SIS 17 00 69, Keine Einbeziehung der "Conterganrente" in die eigenen Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, behindert...

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10.12.2014 3 K 361/14 = SIS 15 07 47 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter des im Jahr 1960 geborenen Sohnes V. Der unbefristet gültige Schwerbehindertenausweis vom April 2013 weist V einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen „G“, „B“ und „H“ zu. V wohnt seit dem 1.12.2007 in einem eigenen Haushalt in einem Rehabilitationszentrum.

 

 

2

V erhält seit April 2013 nach Abzug eines Pflegeversicherungsbeitrags von 1,35 EUR einen monatlichen Lohn in Höhe von 170,65 EUR. Weiter erhält er aufgrund eines Haftpflichtschadens aus dem Jahr 1977 monatlich eine Ersatzleistung für fiktiven Verdienstausfall in Höhe von 772,32 EUR und eine Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 EUR.

 

 

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 28.8.2013 gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für V ab Oktober 2013 auf, weil V aufgrund der eigenen verfügbaren Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12.2.2014 als unbegründet zurück.

 

 

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage mit dem in EFG 2015, 931 = SIS 15 07 47 veröffentlichten Urteil statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, V sei aufgrund seiner Behinderung außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Die ihm zur Verfügung stehenden Mittel seien in allen Monaten des Klagezeitraums niedriger als der Bedarf. Die Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 EUR gehöre nicht zu den anzusetzenden finanziellen Mitteln.

 

 

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in dem Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

 

 

6

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Schmerzensgeldrente bei der Ermittlung der V zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen ist.

 

 

9

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung - wie im Streitfall - vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

 

 

10

2. Das Tatbestandsmerkmal „außerstande ist, sich selbst zu unterhalten“ ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein behindertes Kind dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann (z.B. Senatsurteile vom 19.11.2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, unter II.1.a; vom 11.4.2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037 = SIS 13 24 86, Rz 14; vom 5.2.2015 III R 31/13, BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017 = SIS 15 13 71, Rz 13; BFH-Urteile vom 15.10.1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 1.b, und vom 24.8.2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23, unter II.1.b). Ist das Kind hingegen trotz seiner Behinderung in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kommt der Behinderung keine Bedeutung zu (z.B. Senatsurteil in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037 = SIS 13 24 86, Rz 14, und BFH-Urteil in BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248 = SIS 04 39 23, unter II.1.b, m.w.N.). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits (z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037 = SIS 13 24 86, unter II.2.a; vom 8.8.2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498 = SIS 14 07 02, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 1.c, und vom 20.3.2013 XI R 51/10, BFH/NV 2013, 1088 = SIS 13 16 79, Rz 12).

 

 

11

3. Der gesamte Lebensbedarf eines behinderten Kindes setzt sich aus dem Grundbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (z.B. Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, unter II.1.a; in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017 = SIS 15 13 71, Rz 13; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 1.c, und vom 14.12.2004 VIII R 59/02, BFH/NV 2005, 1090 = SIS 05 26 06, unter II.1.a).

 

 

12

Der Grundbedarf eines behinderten Kindes kann sich nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31.12.2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) ab dem Jahr 2012 zwar nicht mehr an dem für die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes maßgeblichen Jahresgrenzbetrag orientieren. Da bei dem behinderten Kind aber - auch weiterhin - ein am Existenzminimum orientierter Betrag als allgemeiner Unterhaltsbedarf anerkannt werden muss (BFH-Urteile vom 15.10.1999 VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79 = SIS 00 01 15, unter II.2.c, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 1.c), ist zur Bemessung des Grundbedarfs an den Grundfreibetrag i.S. des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG anzuknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27.7.2010 2 BvR 2122/09, BFH/NV 2010, 1994 = SIS 10 22 42, unter II.1., zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Davon gehen im Ergebnis auch das Schrifttum und die Verwaltung aus (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 118; Seiler in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 32 Rz 21; Pust in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 482; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 40; Blümich/ Selder, § 32 EStG Rz 114, 116; ebenso die Verwaltung, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013, DA 63.3.6.4 Abs. 1 Satz 3, ersetzt durch Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2015, A 18.4 Abs. 2 Satz 2).

 

 

13

Der behinderungsbedingte Mehrbedarf umfasst Aufwendungen, die gesunde Kinder nicht haben. Werden die behinderungsbedingten Mehraufwendungen nicht im Einzelnen nachgewiesen, kann der maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG als Anhalt für den Mehrbedarf dienen (Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, Rz 16, m.w.N., und vom 22.10.2009 III R 50/07, BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38 = SIS 10 05 33, Rz 10).

 

 

14

4. Nach der Ermittlung des gesamten Lebensbedarfs des behinderten Kindes ist weiter zu prüfen, ob das Kind über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, die zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts ausreichen. Ergibt sich eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert. Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2014, 498 = SIS 14 07 02, Rz 15, m.w.N.; BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter II.1.c, und vom 4.11.2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 = SIS 04 05 44, unter II.1.c).

 

 

15

a) Zu den finanziellen Mitteln des behinderten volljährigen Kindes gehören seine Einkünfte und Bezüge (vgl. z.B. Senatsurteile in BFHE 241, 499, BStBl II 2013, 1037 = SIS 13 24 86, Rz 14, und in BFHE 249, 144, BStBl II 2015, 1017 = SIS 15 13 71, Rz 13). Mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gilt dies - anders als die Revision meint - auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (vgl. z.B. Grönke/Reimann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32 EStG Rz 118; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 32 Rz 44; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 116).

 

 

16

b) Eine Schmerzensgeldrente ist bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet ist.

 

 

17

aa) Soweit die Familienkasse meint, bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes komme es generell auf die Herkunft der zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel und ihre Zweckbestimmung nicht an (vgl. auch Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 Rz 116, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 32 Rz 488), kann der Senat dem nicht beitreten. Nur solche Einkünfte und Bezüge eines behinderten Kindes sind bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bestimmt oder geeignet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72 = SIS 00 01 13, unter 3., m.w.N., und vom 19.8.2002 VIII R 17/02, BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88 = SIS 03 01 79, unter II.2.). Hieran hält der Senat fest. Denn allein durch den Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. hat sich der § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zugrunde liegende Rechtsgedanke der Anerkennung eines am Existenzminimum des behinderten Kindes orientierten Betrags unter Berücksichtigung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht geändert.

 

 

18

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Senatsurteil vom 9.2.2012 III R 53/10 (BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391 = SIS 12 09 97, Rz 11) und dem BFH-Urteil vom 12.12.2012 VI R 101/10 (BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651 = SIS 13 06 43, Rz 12). Dort ging es um die Frage, ob Eingliederungshilfen gemäß §§ 53 f. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören. Nur „in diesem Zusammenhang“ hatte der Senat ausgeführt, dass es auf Herkunft und Zweckbestimmung der Mittel nicht ankomme.

 

 

19

bb) Das Schmerzensgeld nimmt - unabhängig davon, ob es in einem Einmalbetrag oder in Rentenform gezahlt wird - eine Sonderstellung innerhalb der sonstigen Einkommens- und Vermögensarten ein (vgl. BVerfG-Beschluss vom 11.7.2006 1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, unter B.I.2.b). Dementsprechend ist grundsätzlich Schmerzensgeld bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des behinderten Kindes nicht zu berücksichtigen.

 

 

20

Denn nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6.7.1955 GSZ 1/55 (BGHZ 18, 149) hat das Schmerzensgeld rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für solche Schäden und Lebenshemmungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Der BGH hat den zugrunde liegenden Gedanken dahin formuliert, dass der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen (BGH-Beschluss in BGHZ 18, 149, unter I.3.). Schmerzensgeld bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines behinderten Kindes zu berücksichtigen, stünde mithin in Widerspruch zu seiner Sonderfunktion, immaterielle Schäden abzumildern. Entsprechendes gilt für die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes. Denn es hat auch insoweit gerade nicht die Funktion, zur materiellen Existenzsicherung beizutragen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 229, unter B.I.3.a).

 

 

21

c) Der Sonderstellung des Schmerzensgeldes wird auch in anderen Bereichen Rechnung getragen. So ist im Sozialrecht die Schmerzensgeldrente nicht bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 11a Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und auch nicht im Rahmen der Sozialhilfe nach § 83 Abs. 2 SGB XII als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist eine Entschädigung nach § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ebenfalls nicht als Einkommen bei der Bestimmung des Leistungsumfangs der Kriegsopferfürsorge anzurechnen (§ 25d Abs. 4 Satz 2 BVG).

 

 

22

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus einer Berücksichtigungsfähigkeit des Schmerzensgeldanspruchs i.R. des § 1602 BGB (für Anrechnung von Schmerzensgeld etwa Bamberger/Roth/Reinken, BGB, 3. Aufl., § 1602 Rz 31d; ebenso Erman/Hammermann, BGB, 14. Aufl., § 1602 Rz 68d; gegen Anrechnung von Schmerzensgeld dagegen Mutschler in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1602 Rz 8). Denn diese zivilrechtliche Unterhaltsregelung kann für die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nach der Rechtsprechung des BFH in BFHE 200, 219, BStBl II 2003, 88 = SIS 03 01 79, unter II.4.a, vom 19.8.2002 VIII R 51/01 (BFHE 200, 212, BStBl II 2003, 91 = SIS 03 01 80, unter II.4.a) und vom 14.10.2002 VIII R 55/01 (BFH/NV 2003, 308 = SIS 03 14 09, unter II.4.) nicht herangezogen werden. Auf die Begründung dieser Entscheidungen nimmt der Senat insoweit Bezug.

 

 

23

5. In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in der Vorentscheidung angenommen, dass V im Streitzeitraum nicht über ausreichende Mittel verfügte, um seinen gesamten existentiellen Lebensbedarf zu decken.

 

 

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.