1
|
I. Die Beteiligten streiten über die
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils auf
den 31. Dezember der Jahre 1995 bis 1997 (Streitjahre).
|
|
|
2
|
Dem Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) entstanden in den Streitjahren Aufwendungen
(Lehrgangskosten, Fahrt- und Reisekosten) im Zusammenhang mit der
Ausbildung zum Luftverkehrspiloten auch für Langstrecken. Die
Rechnungen waren auf den Namen des Klägers ausgestellt, sie
wurden jeweils von seinen Eltern beglichen. Dazu im
Einzelnen:
|
|
|
|
Der Kläger, geb. 6.1971, schloss am
20.10.1995 einen Ausbildungsvertrag mit der R-KG
(Luftfahrtgesellschaft) ab, der die Ausbildung zum Erwerb einer
Privatpilotenlizenz (Private Pilot Licence - PPL - ) zum Gegenstand
hatte. Nach erfolgreichem Abschluss (6./9.4.1996) schloss er am
24.4.1996 einen weiteren Ausbildungsvertrag mit der R-KG mit dem
Ziel, eine Verkehrspilotenlizenz (Airline Transport Pilot Licence -
ATPL - ) zu erwerben; ihm wurde dabei die Ausbildungsordnung als
Bestandteil des Vertrages ausgehändigt. Im Rahmen dieses
Lehrgangs (theoretische Prüfung ATPL: 20.11.1996) nahm der
Kläger in der Zeit vom 3.1.1997 bis 9.5.1997 an der
Praxisausbildung in Arizona (USA) teil, wofür die PPL
Voraussetzung war, mit anschließender
Europäisierungsphase in NRW (BRD) sowie Schulung (2. bis
18.6.1997) und Prüfung CCC (Crew Coordination Concept) am
26.6.1997. Im Anschluss daran absolvierte der Kläger aufgrund
eines Mitte Juli 1997 geschlossenen Ausbildungsvertrages einen
Fernlehrgang zum Erwerb der „Langstreckenflugberechtigung
für ATPL-Inhaber“ (Long Range; Beginn 17.7.1997) bei der
(Fernschule) A-GmbH und aufgrund eines am 6./7.10.1997
geschlossenen Ausbildungsvertrages einen Ergänzungslehrgang zu
ATPL (für Fernlehrgangsteilnehmer; Beginn 6.10.1997), die mit
Prüfungen am 20. Oktober und 1.12.1997 erfolgreich
abgeschlossen wurden.
|
|
|
3
|
Seit 1998 war der Kläger als
Verkehrsflugzeugführer tätig. Für die Jahre 1998,
1999 und 2000 gab er jeweils im Folgejahr eine
Einkommensteuererklärung ab. Die Einkommensteuerbescheide
für diese Jahre wiesen einen Gesamtbetrag der Einkünfte
(GdE) in Höhe von 7.588 DM (1998; bei einem Einkommen in
Höhe von 5.553 DM), in Höhe von 60.060 DM (1999) und in
Höhe von 60.010 DM (2000) aus; daraus ergibt sich für die
Jahre 1998 bis 2000 eine Summe von insgesamt 127.658 DM (GdE) bzw.
125.623 DM (Einkommen/GdE).
|
|
|
4
|
Am 20.12.2005 reichte der Kläger
erstmals Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden
Verlustabzugs jeweils zum 31. Dezember der Streitjahre 1995 bis
1997 ein. Darin machte er die Aufwendungen im Zusammenhang mit der
Ausbildung zum Luftverkehrspiloten (s.o.) letztlich in Höhe
von insgesamt 127.208 DM geltend. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) lehnte die begehrten
Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs, auch im
Einspruchsverfahren, ab.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(Urteil in EFG 2010, 1999 = SIS 10 27 91). Die in den 1995, 1996
und 1997 verausgabten Kosten für die Ausbildung als Flugpilot
seien als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Zu
Unrecht habe das FA die begehrte gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs abgelehnt. Trotz des im Zeitpunkt der
Antragstellung unstreitigen Ablaufs der Feststellungsfristen
könnten die Verluste noch gesondert festgestellt werden, weil
sie noch Bedeutung hätten für die Feststellung der
verbleibenden Verlustabzüge auf den 31.12.1998 und den
31.12.1999, für die die geltenden Feststellungsfristen noch
nicht abgelaufen seien. In dem Antrag des Klägers vom
20.12.2005 (auf Verlustfeststellung für 1995, 1996 und 1997)
sehe das FG in rechtsschutzgewährender Auslegung auch einen
Antrag auf Verlustfeststellung zum 31.12.1998 und zum 31.12.1999;
für diese Jahre sei im Zeitpunkt der Antragstellung
Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten. Denn nur so
erhielten die Anträge wirtschaftlich einen Sinn. Die
gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zum
31.12.1995, zum 31.12.1996 und zum 31.12.1997 seien damit mittelbar
„von Bedeutung“ i.S. des § 181 Abs. 5 der
Abgabenordnung (AO) für die Verlustfeststellungen auf den
31.12.1998 ff., für die die Feststellungsfristen noch nicht
abgelaufen seien.
|
|
|
6
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§ 171 Abs. 3, § 181 Abs. 5
AO, § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -
).
|
|
|
7
|
a) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3
AO in Bezug auf die Verlustfeststellungen zum 31.12.1998 und
31.12.1999 greife schon deshalb nicht ein, weil im Zeitpunkt des
Eingangs der Verlustfeststellungserklärungen 1995 bis 1997
wegen der Feststellungen 1998 und 1999 bereits
Feststellungsverjährung (zum 31.12.2003 bzw. zum 31.12.2004)
eingetreten sei. Zudem habe der Kläger keinen Antrag i.S. des
§ 171 Abs. 3 AO gestellt. Denn die Abgabe einer Steuer- oder
Feststellungserklärung stelle keinen solchen Antrag dar; die
jeweiligen Begleitschreiben änderten daran nichts, denn sie
gingen über den in diesen Erklärungen enthaltenen Inhalt
nicht hinaus. Daher komme eine rechtsschutzgewährende
Auslegung der Erklärungen auf nicht genannte Folgejahre nicht
in Betracht. Wegen Eintritts der Feststellungsverjährung seien
die Verlustfeststellungen zum Ende der Streitjahre unter Beachtung
des Prinzips des sog. Sollverlustabzugs nicht mehr für noch
nicht verjährte Festsetzungen oder Feststellungen von
Bedeutung i.S. von § 181 Abs. 5 AO. Unter Beachtung des
Prinzips des sog. Sollverlustabzugs seien nämlich die
(möglichen) aufgelaufenen Verluste spätestens zum
31.12.2000 aufgebraucht.
|
|
|
8
|
b) Entgegen der Ansicht des FG und des
Klägers seien die Aufwendungen für den Erwerb der PPL
nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Der PPL-Erwerb sei
keine formale Zugangsvoraussetzung für die ATPL-Ausbildung.
Nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung
seien solche Aufwendungen nur dann anzuerkennen, wenn sie aufgrund
eines einheitlichen Ausbildungsvertrages bzw. -plans und im Rahmen
einer durchgehenden Flugzeugführerausbildung stattfänden.
Daran fehle es im Streitfall.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
a) Entgegen der Ansicht des FA seien auch
die Kosten für den Erwerb der PPL unmittelbar beruflich
veranlasst und als vorab entstandene Werbungskosten zu
berücksichtigen. Denn die einschlägigen
Ausbildungs-Richtlinien sähen die Inhaberschaft einer PPL als
Vorstufe oder Teil einer modularen, theoretischen Ausbildung zur
ATPL vor. Auch nach der Rechtsprechung sei eine - wie hier -
durchgängige modulare Ausbildung zum
Verkehrsflugzeugführer einschließlich des PPL-Erwerbs
einheitlich als Ganzes zu beurteilen.
|
|
|
12
|
b) Zutreffend habe das FG eine Verrechnung
der durch die Ausbildung entstandenen Verluste zugelassen. Eine
Feststellungsverjährung sei nicht eingetreten. Die Abgabe
einer eigenständigen Feststellungserklärung sei nicht
erforderlich, wenn die Feststellungsgrundlagen sich aus anderen
Quellen wie einer Einkommensteuererklärung ergeben
würden. Vorliegend sei in rechtsschutzgewährender
Auslegung sogar ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO gegeben.
Entsprechend seien die geltend gemachten Verluste
(Berufsausbildungsaufwendungen) in den nächstfolgenden noch
offenen Jahren vollständig zu berücksichtigen. Denn die
für die Streitjahre (1995 bis 1997) zu erlassenden
Feststellungsbescheide hätten noch Bedeutung (i.S. von §
181 Abs. 5 AO) für spätere Jahre ab 1998 ff., weil sie
nach der vorgelegten Neuberechnung erst im Jahr 2001 komplett
verbraucht seien.
|
|
|
13
|
II. Die Revision (des FA) ist
unbegründet. Zu Recht hat das FG die Aufwendungen des
Klägers zum Erwerb der PPL als (vorab entstandene)
Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) beurteilt (zu 1.).
Allerdings hat das FG in der unzutreffenden Annahme eines den
Ablauf hemmenden Antrags und in dessen Folge unter Verstoß
gegen Verjährungsvorschriften bestehendes Recht verletzt
(§ 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO sowie § 169 Abs. 2,
§ 170 Abs. 2, § 181 Abs. 5 AO, zu 2. und 3.).
|
|
Das Urteil stellt sich aber aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ); denn das FG hat im Ergebnis zu
Recht dem Begehren des Klägers auf Verpflichtung des FA zur
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils auf den 31.
Dezember der Streitjahre (1995 bis 1997) in zutreffender Höhe
entsprochen, weil diese Feststellungen für eine
Steuerfestsetzung eines späteren Folgejahres (2001) noch von
Bedeutung waren (zu 4.).
|
|
|
14
|
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen. Sie sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG
bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
abzuziehen, wenn sie beruflich veranlasst sind. Fallen die
Aufwendungen mit Blick auf eine beabsichtigte Berufsaufnahme schon
an, bevor mit ihnen zusammenhängende Einnahmen erzielt werden,
können sie als vorab entstandene Werbungskosten
berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter
wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der
Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Das
kann auch bei einer berufsbezogenen Ausbildungsmaßnahme der
Fall sein (ständige Rechtsprechung, Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.10.2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444,
BStBl II 2012, 825 = SIS 11 39 73; vom 19.9.2012 VI R 78/10, BFHE
239, 80, BStBl II 2013, 284 = SIS 12 30 62).
|
|
|
15
|
a) Zwar zählt die BFH-Rechtsprechung die
Aufwendungen für Erwerb oder Erhaltung der PPL
grundsätzlich nicht zu den als Werbungskosten abziehbaren
Ausbildungskosten (weil in der Regel in nicht unerheblichem
Maße die private Lebensführung des Steuerpflichtigen
betroffen ist), auch wenn die beim Fliegen gewonnenen Erfahrungen
für die Berufsausübung oder (spätere)
Berufsausbildung nützlich sind. Vielmehr müssen eigene
Flugerfahrungen unerlässlich oder Erwerb oder Erhaltung der
PPL und die Durchführung von Flügen unmittelbare
Voraussetzungen für die Berufsausübung sein (BFH-Urteile
vom 17.11.1989 VI R 8/86, BFHE 159, 64, BStBl II 1990, 306 = SIS 90 05 47; vom 14.2.1992 VI R 7/89, BFH/NV 1992, 725; vom 20.7.2010 IX
R 49/09, BFHE 230, 385, BStBl II 2010, 1038 = SIS 10 29 65; vom
27.5.2003 VI R 85/02, BFHE 207, 393, BStBl II 2005, 202 = SIS 05 08 87: für den Fall des sich nach gut halbjähriger
Unterbrechung anschließenden Erwerbs der ATPL). Indes hat der
BFH die Kosten für den PPL-Erwerb als Werbungskosten
anerkannt, wenn sie Teil der durchgehenden Ausbildung (Ausbildungs-
bzw. Dienstverhältnis) und in diesem Rahmen notwendige
Voraussetzung für den Erwerb der ATPL gewesen sind (BFH-Urteil
vom 30.9.2008 VI R 4/07, BFHE 223, 103, BStBl II 2009, 111 = SIS 08 40 74).
|
|
|
16
|
b) Diesen Grundsätzen entspricht die
Vorentscheidung. Danach hat das FG zu Recht die Aufwendungen des
Klägers für den Erwerb der PPL als Teil seiner Ausbildung
zum Verkehrsflugzeugführer und damit als (vorab entstandene)
Werbungskosten angesehen.
|
|
|
17
|
Im Streitfall war nach den insoweit nicht
beanstandeten tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. §
118 Abs. 2 FGO) der Erwerb der PPL Teil der durchgehenden Schulung
zum Erwerb der ATPL. Zwar fehlte es an einem einheitlichen
Ausbildungs- bzw. Dienstverhältnis, das auch den Erwerb der
PPL umfasste. Der Kläger hatte sich aber - eigenständig -
aufgrund zügig hintereinander geschalteter Verträge zum
Verkehrsflugzeugführer ausbilden lassen. Der Abschluss dieser
Ausbildungsverträge erfolgte kontinuierlich nacheinander und
ohne nennenswerte Unterbrechungen, insbesondere zwischen dem
PPL-Abschluss (am 9.4.1996) und der nach Abschluss des
Ausbildungsvertrages vom 24.4.1996 beginnenden ATPL-Ausbildung.
Zudem war nach den Vertragsbedingungen bzw. der Ausbildungsordnung
der Besitz der PPL Voraussetzung der Ausbildung zum Erwerb der
ATPL, zumindest aber für die Praxisausbildung in den USA,
zumal durch den Besitz der PPL eine fachliche Voraussetzung der
ATPL, nämlich ein Teil der praktischen Ausbildung,
nachgewiesen werden kann (vgl. § 14 Abs. 1 der
Luftfahrtpersonal-Verordnung).
|
|
|
18
|
So hat das FG (Urteil S. 14, 15) nach den
Gesamtumständen des Einzelfalls den Erwerb der PPL und der
ATPL - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise - als
„einheitliche durchgehende“
„planmäßige, zielgerichtete“
„Berufsausbildung zum
Verkehrsflugzeugführer“ gewürdigt und damit
einen hinreichenden sachlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang
festgestellt. Danach sind die Aufwendungen auch für den Erwerb
der PPL als Werbungskosten abziehbar.
|
|
|
19
|
2. a) Da der Kläger für die
Streitjahre zunächst keine Steuererklärungen abgegeben
hatte, endeten die Feststellungsfristen nach § 169 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 AO
für das Streitjahr 1995 mit Ablauf des 31.12.2002, für
das Streitjahr 1996 mit Ablauf des 31.12.2003 und für das
Streitjahr 1997 mit Ablauf des 31.12.2004. Damit war für die
Streitjahre Feststellungsverjährung eingetreten.
|
|
|
20
|
b) Eine Ablaufhemmung (dieser
Feststellungsfristen) kommt für die Streitjahre (1995 bis
1997) nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3,
§ 181 Abs. 1 AO liegen nicht vor.
|
|
|
21
|
aa) Wird vor dem Ablauf der Feststellungsfrist
außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag
auf Steuerfeststellung gestellt, so läuft die
Feststellungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag
unanfechtbar entschieden ist.
|
|
Die Vorschrift erfasst alle -
ausdrücklich oder konkludent - vorgetragenen Begehren/Bitten
(an die Finanzbehörde) auf ein entsprechendes
Verwaltungshandeln (vgl. Paetsch in Beermann/ Gosch, AO § 171
Rz 23), also u.a. auf Festsetzung einer Steuer oder Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen (vgl. Cöster in Pahlke/König,
Abgabenordnung, 2. Aufl., § 171 Rz 26; Forchhammer in
Leopold/Madle/Rader, AO § 171 Rz 14; Frotscher in Schwarz, AO,
§ 171 Rz 8a; Kruse in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 11). Indes
ist die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen
Steuererklärung nach einhelliger Auffassung kein Antrag i.S.
von § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 10.7.2008 IX R 90/07, BFHE
222, 32, BStBl II 2009, 816 = SIS 08 42 97, und vom 17.2.1998 VIII
R 21/95, BFH/NV 1998, 1356 = SIS 98 20 81). Denn damit kommt der
Steuerpflichtige lediglich seiner gesetzlichen Verpflichtung aus
§ 149 AO nach, nicht aber will er die Behörde zu einer
Amtshandlung, etwa einer Festsetzung oder Feststellung,
veranlassen, zu der sie ohnehin verpflichtet wäre (vgl.
Paetsch in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 23, 26; Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 28; Frotscher in
Schwarz, a.a.O., § 171 Rz 8a). Zudem würde, wäre
eine Steuererklärung auch als „Antrag“ i.S.
des § 171 Abs. 3 AO anzusehen, dies zu einer Bevorzugung des
pflichtwidrig handelnden gegenüber dem gesetzestreuen
Bürger führen (vgl. BFH-Urteile vom 18.6.1991 VIII R
54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48; vom
24.5.2006 I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76 = SIS 06 40 88).
|
|
|
22
|
Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag i.S.
von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, hat das FG im Wege der Auslegung
(§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) als Tatsacheninstanz
zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 5.2.1992 I R 76/91, BFHE 168, 1,
BStBl II 1992, 995 = SIS 92 19 44; vom 10.3.1993 I R 93/92, BFHE
175, 481, BStBl II 1995, 165 = SIS 95 08 82; vom 23.4.2003 IX R
28/00, BFH/NV 2003, 1140 = SIS 03 36 73).
|
|
|
23
|
bb) Danach liegt ein Antrag i.S. von §
171 Abs. 3 AO im Streitfall nicht vor; die
„rechtsschutzgewährende“ Auslegung des FG
entspricht nicht den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Zum
einen sind die abgegebenen Feststellungserklärungen generell
nicht als ein solcher Antrag zu werten (s. vorstehend unter aa).
Zum anderen enthalten die - sich auf die abgegebenen
Feststellungserklärungen nebst Unterlagen beziehenden -
Begleitschreiben zwar in ihrem Betreff die Formulierung
„Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs
...“. Indes kann in einer solchen Kombination von
Erklärungseinreichung und damit im Zusammenhang stehender
Antragstellung (auf Durchführung einer Festsetzung oder
Feststellung) kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO gesehen
werden. Denn eine solche, sich auf die eingereichte
Steuererklärung beziehende Antragstellung hat nur rein
formalen Charakter und daneben keinen über den mit der Abgabe
der Steuererklärung verbundenen eigenständigen
Aussagewert; abgesehen davon würde sonst der pflichtwidrig
handelnde gegenüber dem gesetzestreuen Bürger bevorzugt
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48, und in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76 = SIS 06 40 88).
Schließlich können in den eindeutig nur die Streitjahre
betreffenden Erklärungen - entgegen der Ansicht des FG - nicht
konkludent zugleich auch Anträge auf Verlustfeststellung der
Folgejahre 1998 und 1999 und später gesehen werden (s. dazu FG
Baden-Württemberg vom 14.12.2007 7 K 256/04, EFG 2008, 756 =
SIS 08 15 65; FG Hamburg vom 12.2.2010 4 K 243/08, juris = SIS 10 14 23, unter 3.b bis d, m.w.N.; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 171 AO Rz 13). Eine solche (auch andere Folgejahre
erfassende) Aussage ist den abgegebenen Erklärungen (gerade)
nicht zu entnehmen. Im Übrigen sind
Feststellungserklärungen für die Folgejahre 1998 bis 2000
nach Aktenlage nicht abgegeben worden.
|
|
|
24
|
3. Die jeweils am Schluss der Streitjahre
verbleibenden Verlustvorträge sind auch nicht nach Ablauf der
für sie geltenden Feststellungsfristen wegen ihrer Bedeutung
für die Folgejahre 1998 bis 2000 gemäß § 181
Abs. 5 AO gesondert festzustellen. Die Voraussetzungen dieser Norm
sind für diese Folgejahre nicht erfüllt.
|
|
|
25
|
a) Nach § 181 Abs. 5 AO kann eine
gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden
Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte
Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist,
für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten
Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Als gesonderte Feststellung
ist auch die Ablehnung einer solchen zu verstehen (so auch
BFH-Urteile vom 29.6.2011 IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011,
963 = SIS 11 25 87, unter II.3.c; vom 24.1.2012 IX R 20/11, BFH/NV
2012, 1132 = SIS 12 15 73, unter II.2.).
|
|
|
26
|
„Von Bedeutung“ i.S. des
§ 181 Abs. 5 AO sind Feststellungsbescheide nicht nur für
die Steuerfestsetzung oder Feststellung desselben oder des sich
unmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraums. Auch eine
nur mittelbare Bedeutung dieser Bescheide für spätere
Veranlagungen und Feststellungen ist ausreichend (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 326, BStBl II 2011,
963 = SIS 11 25 87, unter II.3.b; vom 11.5.2010 IX R 48/09, BFH/NV
2010, 1788 = SIS 10 27 17, unter II.2., m.w.N.). Dabei richtet es
sich zunächst und vor allen Dingen - unbeschadet der
unverzichtbaren verfahrensrechtlichen Bindungswirkung - nach dem
materiellen Recht, für welche Steuerfestsetzungen die
gesonderte Feststellung von Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFHE 233,
326, BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87, unter II.3.b aa).
|
|
|
27
|
b) § 10d Abs. 2 EStG bestimmt die Art und
Weise, wie der Verlust vorgetragen werden muss. Dabei ist der
Ausdruck „konnten“ (§ 10d Abs. 2 Satz 2
EStG) materiell-rechtlich und nicht verfahrensrechtlich zu
verstehen. Danach kann ein verbleibender Verlustabzug nach Ablauf
der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden,
wenn der Steuerpflichtige in den bereits
festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der
Verlust nach § 10d Abs. 2 EStG hätte vorgetragen werden
müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende GdE
verfügt hat (sog. Soll-Verlustabzug; vgl. BFH-Urteile in
BFH/NV 2012, 1132 = SIS 12 15 73, und grundlegend in BFHE 233, 326,
BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87, unter II.3.b bb; s.a.
BFH-Beschluss vom 27.9.2011 IX B 81/11, BFH/NV 2012, 39 = SIS 11 38 93). Dagegen ist unerheblich, ob es verfahrensrechtlich
möglich war, die Verluste zu berücksichtigen. Daher
verschiebt sich das Verlustpotential - entgegen der Ansicht von FG
und Revision - nicht in den verfahrensrechtlich noch
„offenen“ nächsten Veranlagungszeitraum
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87, unter II.3.b bb).
|
|
|
28
|
c) Zu Unrecht hat das FG eine Bedeutung i.S.
von § 181 Abs. 5 AO für die Folgejahre 1998 bis 2000
angenommen. Eine gesonderte Feststellung des Verlustvortrags durfte
insoweit nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nicht erfolgen. Denn
für die Jahre 1998 bis 2000 war zum hier maßgebenden
„Zeitpunkt der gesonderten Feststellung“ (dazu
BFH-Urteile in BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87,
unter II.3.c bb; vom 1.8.2012 IX R 14/11, BFH/NV 2012, 1934 = SIS 12 29 64, unter II.2.b) Festsetzungsverjährung
eingetreten.
|
|
|
29
|
aa) Für die Folgejahre 1998 und 1999
hatte der Kläger Einkommensteuererklärungen abgegeben,
nämlich für 1998 im März 1999 und für 1999 im
Oktober 2000; danach endeten die Festsetzungsfristen für 1998
mit Ablauf des 31.12.2003 und für 1999 mit Ablauf des
31.12.2004. Damit war nicht nur zum maßgebenden Zeitpunkt der
Ablehnung der gesonderten Feststellung (im Januar 2006), sondern
bereits vor Abgabe der Feststellungserklärungen für die
Streitjahre (im Dezember 2005) hinsichtlich der
Einkommensteuerfestsetzungen für 1998 und 1999
Festsetzungsverjährung eingetreten (vgl. auch BFH-Urteil in
BFH/NV 2012, 1132 = SIS 12 15 73, unter II.1.).
|
|
|
30
|
bb) Für das Jahr 2000 wurde eine
Einkommensteuererklärung im November 2001 abgegeben; die
Festsetzungsfrist endete also mit Ablauf des 31.12.2005, und damit
erst nach Erklärungsabgabe für die Streitjahre (am
20.12.2005). Gleichwohl war auch für das Jahr 2000
Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn maßgebend ist
nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auf den Zeitpunkt der gesonderten
Feststellung bzw. deren Ablehnung abzustellen (s. vorstehend unter
II.3.c aa).
|
|
|
31
|
Da § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO
sinngemäß gilt (§ 181 Abs. 5 Satz 3 AO; s.a.
BFH-Urteile vom 1.7.2003 VIII R 92/02, juris; in BFHE 233, 326,
BStBl II 2011, 963 = SIS 11 25 87, unter II.3.c bb; vom 25.5.2011
IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807 = SIS 11 24 28, unter
II.3.c; in BFH/NV 2012, 1132 = SIS 12 15 73, unter II.2.), ist die
Frist nur gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der
Feststellungsbescheid oder der die Feststellung ablehnende Bescheid
den Bereich der Finanzbehörde verlassen hat. Bei dieser Frist
handelt es sich aber nicht um eine Frist, die der Steuerpflichtige
ggf. bis zum Ende ausschöpfen kann. Innerhalb der vorgegebenen
Frist muss der Steuerpflichtige tätig werden, indem er eine
Einkommensteuererklärung oder eine Feststellungserklärung
abgibt.
|
|
|
32
|
Wer allerdings - wie der Kläger - seine
Feststellungserklärung am 20.12.2005 und damit erst zwölf
Tage vor Eintritt der Festsetzungsverjährung für ein
Folgejahr abgibt, für dessen Steuerfestsetzung die abgegebene
Erklärung von Bedeutung sein könnte, kann nicht erwarten,
dass der Feststellungsbescheid noch - wie dies das Gesetz in §
169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 181 Abs. 5 Satz 3 AO
ausdrücklich verlangt - innerhalb der Frist den Bereich der
für die Feststellung zuständigen Finanzbehörde
verlässt. Den Nachteil hat der Kläger zu tragen (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 233, 314, BStBl II 2011, 807 = SIS 11 24 28,
unter II.3.c; vom 22.1.2013 IX R 1/12, BFHE 239, 385 = SIS 13 07 91, unter 2.). Damit ist auch für das Jahr 2000 zum 31.12.2005
Festsetzungsverjährung eingetreten; denn der die Feststellung
ablehnende Bescheid des FA datiert vom 25.1.2006 und hat
ausweislich der Aktenlage den Bereich des FA erst am 26.1.2006
verlassen.
|
|
|
33
|
4. Gleichwohl erweist sich das FG-Urteil aus
anderen Gründen als richtig (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Das
FG hat dem Begehren des Klägers im Ergebnis zu Recht
entsprochen; denn die begehrten Feststellungen der verbleibenden
Verlustabzüge zum Ende der Streitjahre 1995 bis 1997 waren
noch für die Festsetzung des noch nicht verjährten
Folgejahres 2001 von Bedeutung.
|
|
|
34
|
a) Für das Jahr 2001 war im Zeitpunkt der
Erklärungsabgabe (für die Streitjahre) am 20.12.2005
keine Verjährung eingetreten; diese lief erst am 31.12.2006
ab. Die begehrten gesonderten Feststellungen für die
Streitjahre (1995 bis 1997) konnten trotz Ablaufs der für sie
geltenden Feststellungsfristen noch erfolgen, weil sie wegen des
nicht verbrauchten Verlustpotentials von Bedeutung i.S. von §
181 Abs. 5 AO waren.
|
|
|
35
|
Nach den bindenden tatsächlichen
Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich aus
den Streitjahren (1995 bis 1997) ein Verlustpotential in Höhe
von 127.208 DM. Dem stand in den Folgejahren (1998 bis 2000) ein
Verlustabzugspotential in Höhe von 125.623 DM gegenüber
(1998: Einkommen von 5.553 DM, 1999: GdE von 60.060 DM, 2000: GdE
von 60.010 DM). Danach wird das vorhandene Verlustpotential der
Streitjahre nicht vollständig verbraucht und ist damit von
Bedeutung: für 2001 verbleibt nämlich ein nicht
verbrauchter Restverlust in Höhe von 1.585 DM.
|
|
|
36
|
b) Diesem Ergebnis entspricht die
Vorentscheidung. Die Revision war daher zurückzuweisen; denn
das FA hat die Feststellungen zu Unrecht abgelehnt.
|