Feststellung eines § 10 d-Verlustes, Frist: 1. Der Beginn der Feststellungsfrist für einen Verlustfeststellungsbescheid nach § 10 d EStG bestimmt sich nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO. - 2. § 10 d Abs. 4 Satz 6 EStG gilt nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG nicht, wenn die Feststellungsfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des JStG 2007 bereits abgelaufen war; § 181 Abs. 5 AO hemmt nicht den Ablauf der Feststellungsfrist. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 5.10.2009, IV C 4 - S 2225/07/0004, BStBl 2009 I S. 1189 = SIS 09 30 10) - Urt.; BFH 10.7.2008, IX R 90/07; SIS 08 42 97
I. Dem Kläger und Revisionskläger
(Kläger) entstanden in den Streitjahren 1996 und 1997
Aufwendungen für seine Ausbildung zum Piloten in Höhe von
91.331 DM und in Höhe von 82.289 DM. Am 10.11.2003 reichte der
Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -
) seine Einkommensteuererklärungen und Erklärungen zur
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für die
Streitjahre ein. Das FA lehnte die Bearbeitung der Erklärungen
jeweils mit Bescheid vom 8.1.2004 ab, weil diese erst nach Ablauf
der Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden
Fassung (EStG) eingegangen seien.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg
(vgl. SIS 08 06 69). Das Finanzgericht (FG) führte im
Wesentlichen aus, § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006,
2878) stehe einer gesonderten Feststellung des verbleibenden
Verlustabzugs entgegen, da diese Vorschrift die Anwendung des
§ 181 Abs. 5 Satz 1 der Abgabenordnung (AO)
ausschließe.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung des § 10d EStG und des § 181
Abs. 5 Satz 1 AO.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil und die Bescheide vom
8.1.2004, soweit darin die Feststellung des verbleibenden
Verlustabzugs für die Streitjahre abgelehnt wird, sowie die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den
verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1996 mit 91.331,83 DM und den
verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1997 mit 173.621,51 DM
gesondert festzustellen.
Das FA hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die begehrten Feststellungen des verbleibenden
Verlustabzugs sind entgegen der Auffassung des FG nicht durch
§ 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 ausgeschlossen;
die Vorschrift ist im Streitfall nicht anwendbar.
1. Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums
verbleibende Verlustabzug ist auch dann gemäß § 10d
Abs. 3 Satz 1 EStG gesondert festzustellen, wenn - wie im
Streitfall - eine Einkommensteuerveranlagung für das
Verlustentstehungsjahr nicht durchgeführt wurde und wegen
Ablaufs der zweijährigen Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr.
8 EStG nicht mehr durchgeführt werden darf (vgl. BFH-Urteil
vom 1.3.2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, BStBl II 2007, 919 = SIS 06 19 99).
2. Im Streitfall sind die begehrten
Feststellungen gemäß § 10d Abs. 3 EStG nicht wegen
des Ablaufs der Feststellungsfristen unzulässig.
a) Für die gesonderte Feststellung des
zum 31.12.1997 verbleibenden Verlustabzugs ist die
Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen.
aa) Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1
AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften
über die Durchführung der Besteuerung
sinngemäß. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1, § 181
Abs. 1 Satz 1 AO ist eine gesonderte Feststellung sowie ihre
Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die
Feststellungsfrist abgelaufen ist. Die Feststellungsfrist
beträgt bei der gesonderten Feststellung nach § 10d Abs.
3 EStG vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 181 Abs. 1
Satz 1 AO). Ihr Beginn bestimmt sich nach § 170 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO.
Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr.
1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung
einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die
Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit
Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt,
in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die
Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt.
Steuererklärung i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ist
auch die Erklärung zur gesonderten Feststellung (§ 181
Abs. 1 Satz 2 AO). Für die gesonderte Feststellung nach §
10d Abs. 3 EStG besteht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1
AO eine Erklärungspflicht. Danach hat eine Erklärung zur
gesonderten Feststellung abzugeben, wem der Gegenstand der
Feststellung ganz oder teilweise zuzurechnen ist. Unerheblich ist,
dass die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG nicht
in § 181 Abs. 2 Satz 2 AO erwähnt wird. § 181 Abs. 2
Satz 2 AO enthält - wie sich aus der Verwendung des Wortes
„insbesondere“ ergibt - keine
abschließende Konkretisierung der Erklärungspflicht,
sondern führt zur Klarstellung die wichtigsten
Anwendungsfälle auf (vgl. BTDrucks 10/1636, 46). Die
sinngemäße Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AO hat zur Folge, dass die Feststellungsfrist für die
gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG spätestens
nach Ablauf des dritten Kalenderjahres beginnt, das auf das
Kalenderjahr folgt, auf dessen Schluss der Verlustabzug
verbleibt.
bb) Danach begann die Feststellungsfrist
für die gesonderte Feststellung des verleibenden Verlustabzugs
zum 31.12.1997 mit Ablauf des Kalenderjahres 2000; der Kläger
hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Feststellungserklärung
eingereicht. Ihr Ablauf ist gemäß § 171 Abs. 3a AO,
§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO bis zu einer unanfechtbaren
Entscheidung über die Klage gehemmt, da der Kläger
innerhalb der - frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 endenden
- Feststellungsfrist den Ablehnungsbescheid vom 8.1.2004 mit einem
Einspruch angefochten hat.
b) Für die gesonderte Feststellung des
zum 31.12.1996 verbleibenden Verlustabzugs endete die
Feststellungsfrist zwar mit Ablauf des Jahres 2003 (§ 169 Abs.
2 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 181 Abs. 1
Satz 1 AO). Die Einreichung der Feststellungserklärung
für das Jahr 1996 hat keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs.
3 AO bewirkt. Eine gesetzlich vorgeschriebene
Feststellungserklärung ist kein Antrag i.S. dieser Vorschrift;
die Auswirkungen des Einreichungszeitpunkts von
Feststellungserklärungen auf die Feststellungsfrist sind in
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO abschließend geregelt (zu
einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.6.1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445,
BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48). Die Feststellung kann jedoch
gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1 AO erfolgen.
aa) Gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1
AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für
sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die
gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von
Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der
gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist; hierbei bleibt
§ 171 Abs. 10 AO außer Betracht. Das Gleiche gilt, wenn
die gesonderte Feststellung Grundlagenbescheid für einen
weiteren Feststellungsbescheid ist; dies ergibt sich aus § 181
Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. BFH-Urteil vom 12.6.2002 XI R 26/01, BFHE
198, 395, BStBl II 2002, 681 = SIS 02 93 36, m.w.N.).
bb) Die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1996 ist jedenfalls für
diejenige zum 31.12.1997 von Bedeutung; der Feststellungsbescheid
nach § 10d Abs. 3 EStG ist Grundlagenbescheid (vgl. § 171
Abs. 10 AO) für den Feststellungsbescheid nach § 10d Abs.
3 EStG des Folgejahres (BFH-Beschluss vom 4.2.2000 XI B 119/98,
BFH/NV 2000, 948 = SIS 00 57 18, m.w.N., sowie R 10d Abs. 8 Satz 4
EStR 2007). Auch ist die Feststellungsfrist für die gesonderte
Feststellung des zum 31.12.1997 verbleibenden Verlustabzugs - wie
ausgeführt - noch nicht abgelaufen.
c) Entgegen der Auffassung des FG kommt die
einschränkende Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz
2 EStG i.d.F. des JStG 2007, wonach § 181 Abs. 5 AO nur
anzuwenden ist, wenn die zuständige Finanzbehörde die
Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat, im
Streitfall nicht zum Zuge. Gemäß § 52 Abs. 25 Satz
5 EStG i.d.F. des JStG 2007 gilt § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG
i.d.F. des JStG 2007 für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007
noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen; das JStG 2007 ist am
19.12.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 20 Abs. 1 JStG 2007).
aa) Für die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1997 ist § 10d Abs. 4
Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 schon deshalb nicht
einschlägig, weil § 181 Abs. 5 Satz 1 AO mangels Ablaufs
der Feststellungsfrist nicht anwendbar ist.
bb) Für die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1996 gilt § 10d Abs. 4
Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG
i.d.F. des JStG 2007 nicht, weil die Feststellungsfrist zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Jahressteuergesetzes 2007 bereits
abgelaufen war. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt nach seinem
Wortlaut - anders als die in § 171 AO getroffenen Regelungen -
keine Ablaufhemmung der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist,
sondern ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen den Erlass
eines Feststellungsbescheides mit eingeschränktem
Regelungsgehalt, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen
ist (BFH-Urteil vom 31.10.2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl
II 2001, 156 = SIS 01 05 78; a.A. offenbar Bundesministerium der
Finanzen vom 30.11.2007, BStBl I 2007, 825 = SIS 08 05 63, unter
II.).
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Entgegen
der Auffassung des Klägers ist die Sache nicht spruchreif. Das
FG hat nur die Höhe der dem Kläger in den Streitjahren
für seine Ausbildung zum Piloten entstandenen Aufwendungen
festgestellt. Es fehlt aber an tatsächlichen Feststellungen,
die eine Beurteilung ermöglichen, ob es sich bei diesen
Aufwendungen auch um Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) handelt,
die bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers nach
§ 19 EStG in den Streitjahren zu berücksichtigen sind.
Auch hat das FG nicht festgestellt, ob der Kläger in den
Streitjahren Einnahmen oder andere Einkünfte erzielt hat. Zur
Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.