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Festsetzungsverjährungshemmender Antrag

Festsetzungsverjährungshemmender Antrag: Die Abgabe einer Steuererklärung ist auch dann kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO, wenn sie zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) führen soll. - Urt.; BFH 28.8.2014, V R 8/14; SIS 14 28 06

Kapitel:
Verschiedenes > Verjährung, Verwirkung
Fundstellen
  1. BFH 28.08.2014, V R 8/14
    BStBl 2015 II S. 3

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 8.12.2014
    Ch.W. in BFH/PR 1/2015 S. 30
Normen
[AO 1977] § 168 Satz 2, § 169, § 171 Abs. 3
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Bremen, 06.03.2013, SIS 14 10 13, Verjährung, Verjährungsunterbrechung, Steuererklärung, EG, EU, Vorsteuerabzug
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG des Saarlandes 13.11.2023, SIS 24 00 16, Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer verstößt nicht gegen Unionsrecht: 1. Die Vorschri...
  • FG Köln 14.12.2022, SIS 23 08 01, Festsetzungsverjährung eines Freistellungsanspruchs nach § 32 Abs. 5 KStG: 1. Für den gemäß § 32 Abs. 5 S...
  • FG Münster 21.9.2022, SIS 22 18 24, Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit der Höhe der Säumniszuschläge: 1. Vor dem 1.1.2019 verwirkte Säum...
  • BFH 23.5.2022, SIS 22 12 06, AdV-Verfahren, ernstliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge: 1. Bei summarischer Prüfung bestehen ...
  • BMF 1.11.2021, SIS 21 19 03, Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO): Die Regelungen des AEAO zu §§ 26, 30, 89, 108,...
  • BFH 28.7.2021, SIS 21 18 03, Einreichung einer Steuererklärung unmittelbar vor Ablauf der Festsetzungsfrist: 1. Für die Wahrung der Fe...
  • BFH 23.9.2020, SIS 21 01 14, Anforderungen an einen Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO bei Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung: 1. O...
  • FG Bremen 13.7.2020, SIS 21 00 76, Abgabe der Umsatzsteuererklärung kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist, Ablehnungsschreiben der Finanzbeh...
  • BFH 30.3.2017, SIS 17 08 44, Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung durch § 56 Satz 2 EStDV: 1....
  • BMF 5.9.2016, SIS 16 19 72, AEAO, Änderungen September 2016: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 31.1.2014 (BStBl 2014 I S. 2...
  • BFH 20.1.2016, SIS 16 05 75, Ablauf der Festsetzungsfrist, Antragsveranlagung: 1. Fällt das Ende der Festsetzungsfrist auf einen Sonnt...
  • BFH 11.11.2015, SIS 16 00 57, Grundsätzliche Bedeutung, Ablaufhemmung, Untätigkeitseinspruch: 1. § 171 Abs. 3 a Satz 1 Halbsatz 2 der A...
  • BFH 8.9.2015, SIS 15 28 28, Prozesszinsen, Festsetzungsfrist, Verschulden des FA, Verfahrensautonomie, Äquivalenzgrundsatz, Effektivi...
  • BFH 12.8.2015, SIS 16 00 20, Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist durch Antrag des Steuerpflichtigen: Auch wenn ein (unwirksamer) Veran...
  • FG Hamburg 5.2.2015, SIS 15 09 90, Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10 d Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz EStG: Das Finanzamt h...
  • BMF 14.1.2015, SIS 15 00 07, AEAO, Änderung Januar 2015: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 31.1.2014 (BStBl 2014 I S. 290 = ...
Fachaufsätze
  • LIT 03 00 05 Heu, DStRE 24/2014 S. 1505: Abgabe einer Steuererklärung kein festsetzungsverjährungshemmender Antrag - Anmerkung zum BFH-Urteil vom ...
  • LIT 03 01 14 Ch. Hildebrand, BB 48/2014 S.2918: Festsetzungsverjährungshemmender Antrag - BB-Kommentar zum BFH-Urteil vom 28.8.2014, V R 8/14 = SIS 14 28...

 

1

I. Nach der von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, durchgeführten Steuerberechnung für das Streitjahr 2003 ergab sich zu ihren Gunsten ein Vergütungsanspruch. Am 31.12.2010 ging um 23:07 Uhr per Telefax das Deckblatt einer vom Geschäftsführer der Klägerin unterschriebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein, mit dem sie den von ihr berechneten Vergütungsanspruch im Regelbesteuerungsverfahren geltend machte. Am gleichen Tag wurde in den Nachtbriefkasten des örtlichen Gerichtszentrums die Umsatzsteuerjahreserklärung eingeworfen. Die Umsatzsteuerjahreserklärung lag dem FA am 5.1.2011 vor.

 

 

2

Am 2.5.2011 reichte die Klägerin eine geänderte Umsatzsteuerjahreserklärung ein, aus der sich ein erhöhter Vergütungsanspruch ergab.

 

 

3

Am 2.12.2011 erließ das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid, mit dem es eine Steuervergütung von 625,05 EUR festsetzte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren drohte das FA eine Verböserung an.

 

 

4

Am 13.12.2012 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erging die Einspruchsentscheidung vom 19.12.2012, mit der das FA den Einspruch als unbegründet zurückwies und zugleich den Umsatzsteuerbescheid vom 2.12.2011 aufhob, da dieser erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen sei.

 

 

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in EFG 2014, 806 = SIS 14 10 13 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab. Die reguläre Festsetzungsfrist für das Streitjahr sei am 31.12.2010 abgelaufen. Zuvor habe die Klägerin keinen ablaufhemmenden Antrag nach § 171 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) gestellt. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass der Nachtbriefkasten des Justizzentrums auch als Nachtbriefkasten des FA anzusehen sei, liege nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung kein ablaufhemmender Antrag.

 

 

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Unter Berücksichtigung der zur Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) seien die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten. Das FA müsse eine rechtzeitig vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingegangene Steuererklärung bearbeiten. Lasse das FA eine eingereichte Steuererklärung unbearbeitet, bis Festsetzungsverjährung eingetreten sei, verweigere es das europarechtlich gewährleistete Recht auf Vorsteuerabzug. Dieses werde bereits mit Einreichen der Steuererklärung ausgeübt, ohne dass es auf eine behördeninterne Bearbeitung ankomme. Beschränkungen des Rechts auf Vorsteuerabzug seien an einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu messen. Es sei nicht erforderlich, materiell unrichtige Ergebnisse durch eine enge Auslegung von § 171 Abs. 3 AO zu erzielen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung sei nur erforderlich, wenn der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist nichts unternommen habe. Das FG habe auch die Sachaufklärungspflicht und damit § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, da es den Eingang des Begleitschreibens als verjährungshemmenden Vorgang nicht geprüft habe. Eine Vorlage an den EuGH sei notwendig.

 

 

7

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2003 vom 2.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.12.2012 die Umsatzsteuer auf ./. 8.582 EUR festzusetzen.

 

 

8

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

9

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Wie das FG zutreffend entschieden hat und zwischen den Parteien nicht streitig ist, trat mit Ablauf des 31.12.2010 für das Streitjahr Festsetzungsverjährung ein, soweit keine Hemmung nach § 171 Abs. 3 AO vorliegt. Eine verjährungshemmende Wirkung nach dieser Vorschrift hat das FG zu Recht verneint.

 

 

10

1. Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 AO insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist. Nach der ständigen BFH-Rechtsprechung ist die Abgabe einer Steuererklärung auch dann kein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO, wenn sie zu einer Erstattung führen soll (BFH-Urteile vom 11.5.1995 V R 136/93, BFH/NV 1996, 1, unter II.1.b aa, und vom 18.2.2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876 = SIS 09 16 37, unter II.4.b bb). Dies gilt auch, wenn die Erklärung zusammen mit einem Begleitschreiben eingereicht wird (BFH-Urteil vom 15.5.2013 IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143 = SIS 13 23 19, unter II.2.b). In seinem Urteil vom 18.6.1991 VIII R 54/89 (BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48) hat der BFH dies damit begründet, dass als „Antrag“ i.S. von § 171 Abs. 3 AO nur solche Willensbekundungen zu verstehen sind, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Die Abgabe von gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen gehört hierzu nicht. Denn damit erfüllt der Steuerpflichtige seine allgemeine Mitwirkungspflicht. Zudem würde, wäre eine Steuererklärung auch als „Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3 AO anzusehen, die zu einer Bevorzugung des pflichtwidrig handelnden gegenüber dem gesetzestreuen Bürger führen (BFH-Urteil in BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143 = SIS 13 23 19, Rz 21, m.w.N.).

 

 

11

2. Diese Rechtsprechung steht nicht im Widerspruch zum Unionsrecht.

 

 

12

a) Die MwStSystRL enthält zur Festsetzungsverjährung keine eigenständigen Regelungen, so dass insoweit die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten fortbesteht.

 

 

13

b) Die Ausgestaltung der nationalen Regelung verstößt nicht gegen allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts.

 

 

14

aa) Es liegt kein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz vor.

 

 

15

Die streitige nationale Regelung gilt nämlich in gleicher Weise für Rechtsbehelfe, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, für die es auf das innerstaatliche Recht ankommt (vgl. EuGH-Urteil vom 19.7.2012, C-591/10, Littlewoods Retail, UR 2012, 772 = SIS 12 25 02, Rdnr. 31). Dem Äquivalenzprinzip wird genügt, wenn z.B. für Steuerbescheide dieselben Änderungsmöglichkeiten zur Durchsetzung der sich aus dem nationalen Recht und dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche bestehen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 6.10.2009 C-40/08, Asturcom Telecomunicationes SL, Slg. 2009, I-9579, EWS 2009, 475, unter Rdnrn. 49 f.; BFH-Urteil vom 16.9.2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151 = SIS 10 36 65, unter II.5.c bb).

 

 

16

bb) Das nationale Recht steht auch im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz.

 

 

17

Der EuGH hat entschieden, dass die Festlegung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist und dass solche Fristen nicht geeignet sind, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (EuGH-Urteil vom 15.12.2011, C-427/10, Banca Antoniana Popolare Veneta, UR 2012, 184 = SIS 11 39 93, Rdnr. 24). So ist z.B. eine Ausschlussfrist von zwei Jahren nicht zu beanstanden, da es diese Frist jedem Steuerpflichtigen grundsätzlich ermöglicht, die Rechte, die er aus der Unionsrechtsordnung ableitet, ordnungsgemäß geltend zu machen (EuGH-Urteil Banca Antoniana Popolare Veneta in UR 2012, 184 = SIS 11 39 93, Rdnr. 25). Der Grundsatz der Effektivität ist auch dann nicht verletzt, wenn für die Finanzverwaltung eine günstigere nationale Verjährungsfrist gilt als für den Einzelnen (EuGH-Urteil Banca Antoniana Popolare Veneta in UR 2012, 184 = SIS 11 39 93, Rdnr. 26).

 

 

18

Danach verstößt die im nationalen Recht gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgesehene Festsetzungsfrist von vier Jahren nicht gegen das Unionsrecht. Eine erweiternde Auslegung von § 171 Abs. 3 AO ist zur Festlegung angemessener Ausschlussfristen nicht erforderlich.

 

 

19

3. Im Streitfall hat das FG die Klage danach zu Recht abgewiesen. Auf die Fragen, ob der Nachtbriefkasten der örtlichen Justizbehörden auch als Nachtbriefkasten des FA anzusehen war und ob das Telefax eine vollständige Übermittlung enthielt, kommt es nicht an.

 

 

20

4. Das FG hat nicht die Sachaufklärungspflicht in Bezug auf das Begleitschreiben zur Steuererklärung verletzt. Denn wie der BFH mit Urteil in BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143 = SIS 13 23 19, unter II.2.b ausdrücklich entschieden hat, ergibt sich auch hieraus kein Antrag i.S. von § 171 Abs. 3 AO.