Folgebescheid, Aufhebung nach Änderung des Grundlagenbescheids: 1. Ein Anspruch auf Korrektur eines Folgebescheids nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 muss im gerichtlichen Verfahren im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemacht werden. - 2. Die Aufhebung eines Feststellungsbescheids (Grundlagenbescheid) führt nur dann dazu, dass der bisher in diesem Bescheid beurteilte Sachverhalt nunmehr unmittelbar im Einkommensteuerbescheid (Folgebescheid) beurteilt werden kann, wenn sie als Erlass eines negativen Feststellungsbescheids zu werten ist. Anderenfalls bleibt der betreffende Sachverhalt einer Überprüfung im Einkommensteuerverfahren entzogen. - 3. Wird ein als Grundlagenbescheid wirkender Feststellungsbescheid aufgehoben, ohne dass damit der Erlass eines negativen Feststellungsbescheids verbunden ist, so muss eine von dem Feststellungsbescheid ausgelöste Änderung des Folgebescheids rückgängig gemacht werden. - 4. Ein Antrag auf Änderung eines Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nach Maßgabe des § 171 Abs. 3 AO 1977. - Urt.; BFH 24.5.2006, I R 93/05; SIS 06 40 88
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
verpflichtet ist, Einkommensteuerbescheide zu Gunsten der
Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu
ändern.
Die Kläger sind Eheleute, die für
die Streitjahre (1978 bis 1981) zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt wurden. Der Kläger war in den Streitjahren an einer
GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG) beteiligt. Die Kläger
erklärten in ihren Einkommensteuererklärungen für
die Streitjahre 1978 und 1979, die jeweils im zweiten nachfolgenden
Jahr abgegeben wurden, Verluste aus diesen Beteiligungen sowie
negative Einkünfte i.S. des § 2 des
Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG). Wann die Kläger für
die Jahre 1980 und 1981 Steuererklärungen abgegeben und in
welcher Höhe sie dort Beteiligungsverluste erklärt haben,
ist unbekannt, da nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG)
die Steuerakten für diese Jahre nicht auffindbar sind.
Für die Jahre 1978 und 1979 erließ das FA
Steuerbescheide, in denen es im Hinblick auf die Einkünfte aus
der Beteiligung an der KG den Erklärungen folgte.
Das für die Besteuerung der KG
zuständige Finanzamt (FA B) nahm im Anschluss an eine
Außenprüfung bei der KG an, dass die geltend gemachten
Verluste mangels Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht zu
berücksichtigen seien. Es erließ deshalb am 6.11.1989
einen Bescheid, durch den es eine Feststellung von Einkünften
der stillen Gesellschafter ablehnte.
Am 9.8.1991 erließ das FA B erneut
einen Bescheid, in dem es die Einkünfte der an der KG
Beteiligten für alle Streitjahre auf 0 DM feststellte. Diesen
Bescheid hob es am 20.8.2003 ersatzlos auf. Hintergrund dessen war
nach den Feststellungen des FG der Umstand, dass das FG Berlin in
einem gleich gelagerten anderen Fall die dort ergangenen
Feststellungsbescheide für die Streitjahre aufgehoben hatte,
weil sie nach Ablauf der Feststellungsfristen ergangen seien;
hinsichtlich des seinerzeit ebenfalls streitbefangenen Jahres 1982
hatte das FG Berlin die Gewinnerzielungsabsicht verneint und die
Klage abgewiesen. Diese in einem Musterprozess ergangene
Entscheidung hielt das FA B für auf den Streitfall
übertragbar.
Nachdem das FA über das Ergehen des
vom FA B erlassenen Bescheids vom 6.11.1989 unterrichtet worden
war, änderte es im Juli und August 1990 die
Einkommensteuerbescheide der Kläger für die Jahre 1978
und 1979. In den Änderungsbescheiden wurden die zuvor
angesetzten Einkünfte aus der Beteiligung des Klägers an
der KG nicht mehr berücksichtigt. Im Anschluss an den Erlass
des die KG betreffenden Feststellungsbescheids vom 9.8.1991
erließ das FA am 11.9.1991 erneut Einkommensteuerbescheide
für die genannten Jahre, in denen es die Steuer jeweils
unverändert festsetzte. Nachdem das FA B den
Feststellungsbescheid vom 9.8.1991 aufgehoben hatte, beantragten
die Kläger mit Schriftsatz vom 15.9.2003 eine Änderung
der Einkommensteuerbescheide in der Weise, dass die
ursprünglich berücksichtigten Verluste wieder angesetzt
wurden. Diesen Antrag lehnte das FA ab.
Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen
Erfolg. Das FG Köln entschied, dass nach Aufhebung der die KG
betreffenden Feststellungsbescheide das FA zu einer
eigenständigen Ermittlung der Beteiligungseinkünfte
berechtigt gewesen sei und dass es bei der hiernach gebotenen
Prüfung eine Gewinnerzielungsabsicht zu Recht verneint habe.
Sein Urteil vom 12.9.2005 8 K 378/05 ist in EFG 2005, 1907 = SIS 06 01 02 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügen die
Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen
sinngemäß, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und
das FA zu einer Änderung der Einkommensteuerbescheide 1978 bis
1981 dergestalt zu verpflichten, dass die in den
ursprünglichen Bescheiden berücksichtigten Verluste des
Klägers aus der Beteiligung an der KG wieder angesetzt
werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Dessen tatsächliche
Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung des
Streitfalls nicht zu.
1. Die Kläger haben sowohl im
Klageverfahren als auch im Revisionsverfahren eine
„Aufhebung“ der die Streitjahre betreffenden
Einkommensteuerbescheide vom 11.9.1991 beantragt. Zur
Begründung dieses Antrags berufen sie sich auf § 175 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Korrektur eines
Steuerbescheids nach Maßgabe dieser Vorschrift ist im
gerichtlichen Verfahren durch eine Verpflichtungsklage i.S. des
§ 40 Abs. 1 FGO zu verfolgen (von Beckerath in Beermann/Gosch,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz. 117; von
Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 40
Rz. 47, m.w.N.). In diesem Sinne sind deshalb die von den
Klägern gestellten Anträge auszulegen.
2. Das FG hat zur Begründung der
Klageabweisung ausgeführt, dass negative Einkünfte des
Klägers aus der Beteiligung an der KG bei der Festsetzung der
Einkommensteuer nicht berücksichtigt werden könnten, da
der Kläger insoweit nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung
tätig geworden sei. Darüber könne, nachdem das FA B
den die KG betreffenden Feststellungsbescheid vom 9.8.1991
aufgehoben habe, unmittelbar im vorliegenden Verfahren befunden
werden. Die bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen
lassen indessen keine abschließende Entscheidung darüber
zu, ob diese Beurteilung zutrifft.
a) Ausweislich des angefochtenen Urteils hat
das FA B am 9.8.1991 einen Bescheid erlassen, durch den
festgestellt wurde, dass den am Unternehmen der KG beteiligten
stillen Gesellschaftern kein Anteil am Gewinn oder Verlust der KG
zuzurechnen sei. Dieser Bescheid betraf ersichtlich u.a. die
Beteiligung des Klägers. Der Senat geht hiernach davon aus,
dass das FA B im Jahr 1991 eine gesonderte und einheitliche
Feststellung der Beteiligungseinkünfte für erforderlich
erachtet und deshalb im Bescheid vom 9.8.1991 nicht etwa eine
solche Feststellung abgelehnt, sondern vielmehr Einkünfte in
Höhe von Null festgestellt hat. Dementsprechend hat das FA im
Rahmen der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer den
Bescheid vom 9.8.1991 als bindende (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO
1977) Vorgabe des Inhalts angesehen, dass dem Kläger für
die Streitjahre die erklärten negativen
Beteiligungseinkünfte nicht zuzurechnen seien. Diese
Einschätzung liegt erkennbar auch der Entscheidung des FG zu
Grunde.
b) Im weiteren Verlauf hat das FA B den
Bescheid vom 9.8.1991 aufgehoben. Die Aufhebung ist
bestandskräftig geworden. Das hat nach Ansicht des FG zur
Folge, dass das FA nunmehr im Rahmen der Festsetzung der
Einkommensteuer das Vorliegen der erforderlichen
Einkunftserzielungsabsicht eigenständig prüfen musste und
im Ergebnis verneinen durfte. Dem kann nicht ohne weiteres
zugestimmt werden.
aa) Nach § 179 Abs. 1 i.V.m. § 180
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 werden einkommensteuerpflichtige
Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an ihnen mehrere
Personen beteiligt und sie diesen Personen steuerlich zuzurechnen
sind. Bedarf es hiernach einer gesonderten Feststellung, so ist
für eine eigenständige Ermittlung jener Einkünfte im
Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer grundsätzlich kein
Raum. Vielmehr können sowohl die Art als auch die Höhe
der Einkünfte dann nur im Rahmen des Feststellungsverfahrens
geprüft werden.
bb) Diese Rechtsfolge tritt unabhängig
davon ein, ob ein Feststellungsbescheid tatsächlich erlassen
und ob er bestandskräftig wird. Zwar entfaltet ein wirksamer
Feststellungsbescheid insoweit Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1
Satz 1 AO 1977), als der von ihm erfasste Sachverhalt nicht im
Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer überprüft
werden darf (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.6.1991 IX
R 57/88, BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821 = SIS 91 21 38; vom
11.5.1993 IX R 27/90, BFHE 171, 486, BStBl II 1993, 820 = SIS 93 24 18). Fehlt es aber an einem solchen Bescheid, so darf das für
die Festsetzung der Einkommensteuer zuständige FA dennoch
nicht in eine eigenständige Ermittlung der
Besteuerungsgrundlagen eintreten, wenn es richtigerweise deren
gesonderter Feststellung bedarf. Die sich aus § 179 Abs. 1 AO
1977 ergebende Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens steht
auch in diesem Fall einer Beurteilung des Sachverhalts unmittelbar
im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung entgegen. Das gilt
unabhängig davon, ob ein rechtlich erforderlicher
Feststellungsbescheid nicht ergangen oder zwar zunächst
erlassen, aber in der Folge aufgehoben worden ist.
cc) Als Ausnahme von dieser Regel bestimmt
zwar § 155 Abs. 2 AO 1977, dass eine in einem
Grundlagenbescheid zu treffende Entscheidung im Folgebescheid
vorweggenommen werden darf. Diese Vorschrift erlaubt aber nur, im
Folgebescheid eine erkennbar einstweilige Regelung zu treffen, die
einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid vorgreift (BFH-Urteil
vom 9.2.2005 X R 52/03, BFH/NV 2005, 1235 = SIS 05 31 51;
Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 155 Rz. 39
f., m.w.N.). Sie eröffnet nicht die Möglichkeit, in einem
Folgebescheid abschließend über Sachverhalte zu
befinden, deren Beurteilung einem Grundlagenbescheid vorbehalten
ist.
Im Streitfall greift im Hinblick auf die
Beteiligungseinkünfte des Klägers § 155 Abs. 2 AO
1977 schon deshalb nicht ein, weil das FA im Rahmen der
Einkommensteuerfestsetzungen keine vorläufige, einem
künftigen Feststellungsbescheid vorgreifende Regelung
anstrebt. Sowohl die Beteiligten als auch das FG gehen vielmehr
ersichtlich davon aus, dass ein Feststellungsbescheid insoweit
nicht mehr ergehen wird. Angesichts dessen ist für eine
Ermittlung jener Einkünfte im Rahmen der Veranlagung zur
Einkommensteuer nur dann Raum, wenn die Einkünfte nicht dem
Regelungsbereich des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977
unterfallen. Über diese Frage ist, wenn hierüber Streit
herrscht, im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu entscheiden
(BFH-Urteil vom 26.7.1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, 340, BStBl
II 1984, 290, 292 = SIS 84 02 46).
dd) Danach könnte eine Zuständigkeit
des FA zur eigenständigen Ermittlung der
Beteiligungseinkünfte nur dann bestehen, wenn die Aufhebung
des Feststellungsbescheids vom 9.8.1991 deshalb erfolgt wäre,
weil nach Ansicht des FA B für diese Einkünfte nicht das
Erfordernis einer gesonderten Feststellung besteht. Wäre die
Aufhebung in diesem Sinne zu deuten, so würde es sich um einen
negativen Feststellungsbescheid handeln, der die
Beteiligungseinkünfte mit bindender Wirkung aus dem
Regelungsbereich des Feststellungsverfahrens entlassen hätte;
dann könnten und müssten jene Einkünfte unmittelbar
im Einkommensteuerverfahren ermittelt werden (BFH-Urteil in BFHE
171, 486, BStBl II 1993, 820, 822 = SIS 93 24 18). Anders wäre
es dagegen, wenn der Feststellungsbescheid ausschließlich aus
sonstigen Gründen - zum Beispiel mangels zutreffender
Adressierung oder wegen Ablaufs der Feststellungsfrist - aufgehoben
worden wäre (ebenso FG Berlin, Urteil vom 9.12.2004 3 K
3241/02, EFG 2005, 1577 = SIS 05 35 59); in diesem Fall bliebe es
dabei, dass die Beteiligungseinkünfte dem Grunde nach
gesondert festgestellt werden müssen und deshalb der
Beurteilung im Einkommensteuerverfahren entzogen sind. Welche von
beiden Gestaltungen im Streitfall vorliegt, lässt das
angefochtene Urteil nicht erkennen, da das FG weder zum Inhalt noch
zum Hintergrund der Aufhebungsverfügung Feststellungen
getroffen hat. Angesichts dessen muss im Revisionsverfahren zu
Gunsten der Kläger davon ausgegangen werden, dass die
streitigen Einkünfte dem Grunde nach gesondert festgestellt
werden müssen.
3. Nach Ansicht des FA kann auch dann, wenn
die streitigen Beteiligungseinkünfte richtigerweise in den
Bereich eines Feststellungsverfahrens gehören, dem Begehren
der Kläger nicht entsprochen werden. In einem solchen Fall
seien nämlich, nachdem es an einer gesonderten Feststellung
fehle, jene Einkünfte nunmehr als nicht vorhanden anzusehen
oder mit Null anzusetzen (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom
18.1.2005 9 K 3270/04 E, EFG 2006, 388 = SIS 06 14 46;
Wüllenkemper, EFG 2005, 507; Müller, EFG 2005, 1909). Dem
ist ebenfalls nicht ohne weiteres zu folgen.
a) Mit der Aufhebung des Bescheids vom
9.8.1991 ist der Grundlagenbescheid, der zuvor für die
Beurteilung der Beteiligungseinkünfte maßgeblich war,
ersatzlos entfallen. Die ihm nachgeschalteten Folgebescheide sind
deshalb nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 entsprechend zu
ändern. Die hiernach gebotene Änderung muss in der Weise
erfolgen, dass die Wirkungen des Grundlagenbescheids
rückgängig gemacht werden (ebenso FG Münster, Urteil
vom 1.12.2004 10 K 553/03 E, EFG 2005, 504 = SIS 05 14 89). Anders
wäre es nur dann, wenn der Bescheid vom 9.8.1991 durch einen
gleich lautenden anderen Feststellungsbescheid ersetzt worden
wäre (BFH-Urteil vom 26.7.1984 IV R 13/84, BFHE 142, 96, 98 f.
= SIS 84 23 42, BStBl II 1985, 3, 4 = SIS 84 23 42; FG Hamburg,
Urteil vom 22.6.1993 V 281/90, EFG 1994, 73); eine solche
Gestaltung liegt nicht vor.
b) Im Streitfall sind allerdings im Anschluss
an den Erlass des Bescheids vom 9.8.1991 die
Einkommensteuerbescheide nicht geändert worden. Das beruht
darauf, dass schon am 6.11.1989 ein Bescheid des FA B ergangen war,
auf den hin das FA im Juli und August 1990 die
Beteiligungseinkünfte mit 0 DM angesetzt hatte. Ob es sich bei
diesem Bescheid ebenfalls um einen Grundlagenbescheid gehandelt
hat, lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen, da es den
genauen Inhalt des Bescheids nicht wiedergibt.
Sofern schon die ursprüngliche
Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen auf einem
Grundlagenbescheid beruht haben sollte, wäre zunächst zu
prüfen, ob dieser Bescheid durch die Aufhebung des Bescheids
vom 9.8.1991 wieder aufgelebt ist. In diesem Fall müsste sich
nämlich der Ansatz der Besteuerungsgrundlagen in den
Einkommensteuerbescheiden vorrangig an jenem Bescheid orientieren.
Sollte dagegen schon im Jahr 1989 ein Grundlagenbescheid ergangen
und auch dieser im weiteren Verlauf endgültig außer
Kraft getreten sein, so müsste seine Umsetzung nunmehr
ebenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977
rückgängig gemacht werden; dieser Umstand wäre, wenn
es um die Rechtsfolgen der Aufhebung des Bescheids vom 9.8.1991
geht, in die Betrachtung einzubeziehen. Anders könnte es
schließlich sein, wenn die im Juli und August 1990 erlassenen
Änderungsbescheide nicht auf Grundlagenbescheiden, sondern
darauf beruht haben sollten, dass das FA im Rahmen des
Einkommensteuerverfahrens die in Rede stehenden
Besteuerungsgrundlagen eigenständig überprüft hat
(vgl. dazu auch FG Hamburg, Urteil vom 4.2.2005 I 297/04, EFG 2005,
1241 = SIS 05 24 10). Im letztgenannten Fall wäre zwar schon
im Hinblick auf die Wirkungen des Ablaufs der Festsetzungsfrist
(§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) zweifelhaft, ob die
Änderung der Einkommensteuerbescheide rechtmäßig
war; die Kläger müssten sich aber ggf. entgegenhalten
lassen, dass sie die Änderungsbescheide nicht angefochten
haben. Weitere Ausführungen zu dieser Problematik erscheinen
entbehrlich, solange über den verfahrensrechtlichen
Hintergrund der im Jahr 1990 erfolgten Bescheidänderungen
keine Klarheit herrscht.
c) Mangels ausreichender tatsächlicher
Feststellungen zu dieser Frage ist im Revisionsverfahren davon
auszugehen, dass schon die erstmalige Änderung der
Einkommensteuerbescheide auf der Basis des § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AO 1977 erfolgt ist und deshalb nunmehr ebenfalls
rückgängig gemacht werden muss. Das kann nur in der Weise
geschehen, dass die aus den Bescheiden des FA B abgeleiteten
Besteuerungsgrundlagen nunmehr in derjenigen Art und Höhe
angesetzt werden, in der sie ohne den Erlass des
Grundlagenbescheids hätten angesetzt werden müssen. Auf
dieser Basis wären im Streitfall die von den Klägern
erklärten Beteiligungseinkünfte zu
berücksichtigen.
d) Eine hiernach gebotene Anpassung der
Einkommensteuerbescheide an die Aufhebung des
Feststellungsbescheids kann nicht im Hinblick auf § 177 Abs. 2
AO 1977 unterbleiben. Nach dieser Vorschrift sind zwar, wenn ein
Steuerbescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen geändert wird,
in früheren Steuerbescheiden unterlaufene materielle Fehler zu
berichtigen; das gilt auch bei einer Änderung nach § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 (BFH-Urteil vom 18.12.1991 X R 38/90,
BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504 = SIS 92 12 06). Im Streitfall
liegt aber kein „materieller Fehler“ in diesem
Sinne vor.
aa) Nach § 177 Abs. 3 AO 1977 sind
materielle Fehler i.S. des Abs. 2 der Vorschrift alle Fehler, die
zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft
Gesetzes entstandenen Steuer abweicht. Die „kraft Gesetzes
entstandene“ Steuer ist im Streitfall diejenige, die sich
unter Berücksichtigung sowohl der nicht gesondert
festzustellenden Besteuerungsgrundlagen als auch der
Beteiligungseinkünfte des Klägers ergibt.
bb) In welcher Höhe nach den
maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften Einkünfte des
Klägers aus seiner Beteiligung an der KG entstanden sind,
lässt sich nicht aus einem Feststellungsbescheid ableiten, da
ein solcher nach der Aufhebung des Bescheids vom 9.8.1991 nicht
mehr existiert. Ebenso kann im Rahmen der Anwendung des § 177
Abs. 2 AO 1977 nicht ohne weiteres angenommen werden, dass aus der
Beteiligung an der KG keine Einkünfte entstanden sind. Dies
wäre nur dann gerechtfertigt, wenn erstens im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens eine eigenständige Ermittlung jener
Einkünfte erfolgen könnte und zweitens das FG
entsprechende Feststellungen zur Höhe der Einkünfte
getroffen hätte. Sollte hingegen die Beurteilung der
Beteiligungseinkünfte dem Einkommensteuerverfahren entzogen
sein, so muss auch im Zusammenhang mit § 177 Abs. 2 AO 1977
derjenige Ansatz als „richtig“ angesehen werden,
den das FA - im Rahmen einer nach § 155 Abs. 2 AO 1977
zulässigen Schätzung (BFH-Urteil in BFHE 139, 339 f.,
BStBl II 1984, 290, 292 = SIS 84 02 46) - in den bis zum Erlass des
Feststellungsbescheids bestehenden Einkommensteuerbescheiden
berücksichtigt hat. Bei einer anderen Handhabung würde
die Anwendung des § 177 Abs. 2 AO 1977 dazu führen, dass
dem (nur) für den Erlass eines Folgebescheids zuständigen
FA letztlich doch die Kompetenz zur abschließenden
Beurteilung von Sachverhalten zufallen könnte, die
§§ 179 ff. AO 1977 ausschließlich dem
Feststellungsverfahren zuweisen; das wäre nicht
sachgerecht.
4. Schließlich kann die von den
Klägern begehrte Änderung der Bescheide nicht an §
169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 scheitern. Zwar bestimmt diese
Vorschrift, dass nach Ablauf der Festsetzungsfrist eine
Steuerfestsetzung nicht mehr geändert werden darf. Im
Streitfall sind die maßgeblichen Festsetzungsfristen aber
nicht abgelaufen, da ihr Ablauf nach § 171 Abs. 3 i.V.m. Abs.
10 AO 1977 gehemmt wurde.
a) Die Einkünfte des Klägers
mussten, soweit sie aus seiner Beteiligung an der KG resultierten,
gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977
gesondert festgestellt werden. Das ist durch den die KG
betreffenden Feststellungsbescheid vom 9.8.1991 geschehen, durch
den dem Kläger für alle Streitjahre Einkünfte in
Höhe von 0 DM zugerechnet wurden. Dieser Bescheid war im
Verhältnis zu den Einkommensteuerbescheiden des Klägers
Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977. Das ist
zwischen den Beteiligten unstreitig.
b) Nach § 171 Abs. 10 AO 1977 endet,
soweit für die Festsetzung der Steuer ein Grundlagenbescheid
maßgeblich ist, die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von
zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Diese
Regelung gilt nicht nur dann, wenn ein Grundlagenbescheid erstmals
erlassen wird, sondern auch bei einer Änderung oder Aufhebung
eines Grundlagenbescheids. Sie ermöglicht in allen diesen
Fällen eine Anpassung des von dem Grundlagenbescheid
abhängigen Bescheids (Folgebescheid) innerhalb der gesetzlich
bestimmten Zweijahresfrist. Daraus folgt für den Streitfall,
dass die Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 9.8.1991 den
Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuerbescheide
der Kläger insoweit gehemmt hat, als diese nunmehr binnen zwei
Jahren an die neue Rechtslage angepasst werden durften.
c) Nach den Feststellungen des FG wurde der
Feststellungsbescheid vom 9.8.1991 am 20.8.2003 aufgehoben.
Daraufhin haben die Kläger am 15.9.2003 - und damit innerhalb
der in § 171 Abs. 10 AO 1977 bestimmten Zweijahresfrist - eine
entsprechende Änderung der Einkommensteuerbescheide beantragt.
Dadurch wurde der Ablauf der Frist zur Änderung dieser
Bescheide erneut gehemmt. Das folgt aus § 171 Abs. 3 AO
1977.
aa) Nach dieser Vorschrift läuft eine
Festsetzungsfrist, soweit vor ihrem Ablauf ein Antrag auf
Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer
Steuerfestsetzung gestellt wird, nicht vor der unanfechtbaren
Entscheidung über diesen Antrag ab. Einen solchen Antrag
hatten die Kläger vor Ablauf der in § 171 Abs. 10 AO 1977
bestimmten Zweijahresfrist gestellt. Durch ihn wurde die Frist
für die Anpassung der Einkommensteuerbescheide an die
Aufhebung des Grundlagenbescheids gemäß § 171 Abs.
3 AO 1977 gehemmt.
bb) Der Senat folgt nicht der vom FA - in
Übereinstimmung mit Teilen des Schrifttums (z.B. Rüsken
in Klein, a.a.O., § 171 Rz. 11; evtl. auch Cöster in
Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 171 Rz. 27) - vertretenen
Ansicht, dass ein Antrag auf Anpassung eines Folgebescheids an
einen Grundlagenbescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977)
nicht geeignet sei, die Rechtsfolge des § 171 Abs. 3 AO 1977
auszulösen. Für eine solche Einschränkung bieten
weder Wortlaut und Systematik des Gesetzes noch die Rechtsprechung
des BFH eine Grundlage.
aaa) Der Gesetzeswortlaut ist in diesem Punkt
umfassend. § 171 Abs. 3 AO 1977 spricht von einem
„Antrag“ und enthält als einzige
Einschränkung diejenige, dass der Antrag außerhalb eines
Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellt sein muss. Insbesondere
lässt er nicht erkennen, dass die Vorschrift nur Anträge
auf Maßnahmen erfassen soll, welche die Behörde nicht
von Amts wegen vornehmen muss. Deshalb ist zu Recht anerkannt, dass
zum Beispiel auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 oder auf
§ 174 Abs. 3 AO 1977 gestützte Änderungsanträge
dem Regelungsbereich des § 171 Abs. 3 AO 1977 unterfallen
(Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 171 AO Tz. 11; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz. 16;
Cöster in Pahlke/Koenig, a.a.O., § 171 Rz. 26). Auch jene
Vorschriften erlegen der Behörde indessen eine Pflicht zur
Änderung auf (zu § 174 Abs. 3 AO 1977 vgl. BFH-Urteil vom
28.11.1989 VIII R 83/86, BFHE 159, 418, 420, BStBl II 1990, 458,
459 = SIS 90 10 51, m.w.N.), so dass dieser Gesichtspunkt es nicht
rechtfertigt, § 171 Abs. 3 AO 1977 im Zusammenhang mit
Anträgen auf Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AO 1977 nicht anzuwenden.
bbb) Ebenso lässt sich eine solche
Handhabung nicht auf die Erwägung stützen, dass die Frist
für eine Anpassung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977
in § 171 Abs. 10 AO 1977 abschließend geregelt sei und
dass diese Regelung nicht durch eine zusätzliche Anwendung des
§ 171 Abs. 3 AO 1977 ausgehebelt werden dürfe. Denn
§ 171 Abs. 10 AO 1977 einerseits und § 171 Abs. 3 AO 1977
andererseits verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen; die
erstgenannte Vorschrift dient dazu, der Behörde ausreichend
Zeit zur Umsetzung eines Grundlagenbescheids in Folgebescheide
einzuräumen (BFH-Urteil vom 19.1.2005 X R 14/04, BFHE 208,
410, 413, BStBl II 2005, 242, 243 = SIS 05 13 13), während die
letztere vor allem den Rechtsschutz des Bürgers verbessert:
Sie stellt sicher, dass der Erfolg eines einmal gestellten Antrags
nicht von der Arbeitsweise und -geschwindigkeit der Behörde
abhängt; eine antragsgemäße Entscheidung soll nach
dem Willen des Gesetzgebers nicht allein daran scheitern, dass die
Behörde die Prüfung des Antrags nicht innerhalb der nach
anderen Vorschriften zu bestimmenden Festsetzungsfrist
abschließt. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht
sachgerecht, § 171 Abs. 10 AO 1977 gleichsam einen Vorrang vor
§ 171 Abs. 3 AO 1977 einzuräumen. Vielmehr zeigt gerade
der Streitfall, dass die von § 171 Abs. 3 AO 1977
bekämpfte Gefahr auch dann besteht, wenn der gestellte Antrag
auf eine Anpassung von Folgebescheiden an Grundlagenbescheide
gerichtet ist.
ccc) Zu einem abweichenden Ergebnis führt
schließlich nicht der Umstand, dass nach der Rechtsprechung
des BFH die Abgabe einer Steuererklärung nicht als Antrag i.S.
des § 171 Abs. 3 AO 1977 gewertet werden kann (BFH-Urteile vom
18.6.1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 = SIS 92 02 48; vom 25.1.1996 V R 42/95, BFHE 179, 480, 483, BStBl II 1996,
338, 340 = SIS 96 09 51; vom 11.5.1995 V R 136/93, BFH/NV 1996, 1,
m.w.N.). Denn zum einen unterscheidet sich die dort beurteilte
Gestaltung von der hier interessierenden dadurch, dass eine
Steuererklärung kein Ausdruck des Willens ist, besteuert zu
werden; vielmehr kommt der Erklärende mit ihr nur seiner
gesetzlich vorgegebenen Mitwirkungspflicht nach. Zum anderen
würde, wenn eine Steuererklärung als
„Antrag“ i.S. des § 171 Abs. 3 AO 1977
angesehen würde, dies möglicherweise zu einer Bevorzugung
des pflichtwidrig handelnden gegenüber dem gesetzestreuen
Bürger führen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 165, 445,
448, BStBl II 1992, 124, 126 = SIS 92 02 48). Beide
Überlegungen greifen im Zusammenhang mit Anträgen auf
Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 nicht
durch, weshalb sich die genannte Rechtsprechung nicht auf diesen
Bereich übertragen lässt. Vielmehr müssen solche
Anträge ebenso wie diejenigen, die auf andere gesetzliche
Änderungsnormen gestützt sind, § 171 Abs. 3 AO 1977
unterfallen.
5. Im Ergebnis hängt die Entscheidung des
Rechtsstreits mithin zunächst davon ab, ob die Aufhebung des
Feststellungsbescheids vom 9.8.1991 durch das FA B im Sinne eines
negativen Feststellungsbescheids zu deuten ist. Wäre diese
Frage zu verneinen, so wäre zudem entscheidungserheblich, ob
die Änderung der Einkommensteuerbescheide im Juli und August
1990 auf zuvor ergangenen Grundlagenbescheiden beruht und ob diese
Grundlagenbescheide heute (wieder) Bestand haben. Zu beiden Punkten
sind weitere Feststellungen notwendig, die im Revisionsverfahren
nicht getroffen werden können. Deshalb wird das Verfahren an
das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO).
Sollte das FG auf Grund der erneuten
Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen, dass nach der derzeit
geltenden Bescheidlage die Beteiligungseinkünfte nicht im
Rahmen einer gesonderten Feststellung zu ermitteln sind, so wird es
im Rahmen des vorliegenden Verfahrens darüber befinden
müssen, ob der Kläger aus seiner Beteiligung an der KG
der Besteuerung unterliegende Einkünfte erzielt hat. In diesem
Fall wird insbesondere die zwischen den Beteiligten streitige Frage
nach der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu
beantworten sein.
6. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die
Prüfung der verfahrensrechtlichen Situation für alle
Streitjahre nach einheitlichen Grundsätzen erfolgen muss.
Insbesondere darf der Umstand, dass die Steuerakten für die
Jahre 1980 und 1981 nicht mehr auffindbar sind, den Klägern
nicht zum Nachteil gereichen. Deshalb könnte, wenn im Hinblick
auf die Streitjahre 1978 und 1979 die Voraussetzungen für eine
Änderung der derzeit geltenden Bescheide nach § 175 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 vorlägen, dieses Ergebnis auf die
übrigen Streitjahre übertragen werden. Die
Möglichkeit, im Rahmen einer etwa notwendigen
materiell-rechtlichen Prüfung die Frage nach der
Einkunftserzielungsabsicht für die einzelnen Streitjahre
unterschiedlich zu beantworten, bleibt hiervon unberührt.