1
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I. Im Jahr 2004 war D persönlich
haftender Gesellschafter der seinerzeit noch als D-KG firmierenden
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin);
Kommanditistinnen waren K 1 und K 2. M, der Sohn des D, erwarb im
Jahr 2008 die Kommanditanteile der K 1 und K 2. In den Jahren 2008
und 2009 erwarb M ferner alle Geschäftsanteile an der X-GmbH,
die zuvor als weitere persönlich haftende Gesellschafterin in
die Klägerin eingetreten war. Im April 2009 schied D als
Komplementär aus der Klägerin aus und trat als
Kommanditist in die Klägerin ein. Zu diesem Zeitpunkt waren
die X-GmbH als nicht am Vermögen der Klägerin beteiligte
Komplementärin und M als weiterer Kommanditist an der
Klägerin beteiligt.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
15.5.2009 übertrug D seinen gesamten Kommanditanteil an der
Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen
Versorgungsleistungen auf M und schied aus der Klägerin aus.
Die Abtretung des Kommanditanteils erfolgte dinglich aufschiebend
bedingt mit Wirkung zum Tag der Eintragung der Übertragung der
Kommanditeinlage im Handelsregister, die am 28.5.2009 erfolgte. Der
beurkundende Notar übersandte die Vertragsurkunde vom
15.5.2009 der Grunderwerbsteuerstelle des Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) mit einem bei diesem am
27.5.2009 eingegangenen Kurzbrief. Mit Schreiben vom 28.5.2009 wies
das FA die Klägerin auf den durch den Übertragungsvertrag
vom 15.5.2009 verwirklichten Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a
des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) hin und forderte eine
Aufstellung ihres Grundbesitzes an. Dieser Aufforderung kam die
Klägerin nicht nach.
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3
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Das FA setzte für den durch Vertrag
vom 15.5.2009 bewirkten vollständigen Gesellschafterwechsel
gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG gegen die Klägerin
durch Bescheid vom 18.8.2010 Grunderwerbsteuer in Höhe von
33.200 EUR fest. Nachdem die Klägerin gegen diesen Bescheid
Einspruch eingelegt hatte, hoben D und M durch notariell
beurkundeten Vertrag vom 20.10.2010 über die
„Teilrückabwicklung einer
Kommanditanteilsübertragung“ die gemäß
Vertrag vom 15.5.2009 erfolgte Übertragung des
Kommanditanteils auf M rückwirkend bezüglich eines
Kommanditanteils von 6 % auf, so dass D nunmehr mit 6 % und M mit
94 % an der Klägerin beteiligt waren. An den im Vertrag vom
15.5.2009 vereinbarten Gegenleistungen des M für den ihm
übertragenen Kommanditanteil sollte sich nichts ändern.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Aufhebung der
Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG
begehrte, blieben ohne Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung aus, die Teilrückabwicklung der
Kommanditanteilsübertragung auf M gemäß Vertrag vom
20.10.2010 genüge nicht der von § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
geforderten vollständigen Rückgängigmachung
desjenigen Rechtsvorgangs, der die Tatbestandsverwirklichung des
§ 1 Abs. 2a GrEStG herbeigeführt habe. Zudem habe D
aufgrund dieses Vertrags nicht seine Stellung als Altgesellschafter
zurückerlangt. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG stehe
auch § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen, weil die Übertragung
des Kommanditanteils von D auf M gemäß Vertrag vom
15.5.2009 nicht ordnungsgemäß angezeigt worden
sei.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 2 und
Abs. 5 GrEStG. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des
§ 16 Abs. 2 GrEStG verlangten, dass ein zur Erfüllung des
Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragender
Anteilsübergang in vollem Umfang rückgängig zu
machen sei. Die dem FA vom beurkundenden Notar mit Kurzbrief
übermittelte Abschrift der notariellen Urkunde vom 15.5.2009
habe den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige
genügt.
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 18.8.2010 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.11.2010
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen
Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das FG hat zu Unrecht angenommen, die
„Teilrückabwicklung“ der Übertragung
des Kommanditanteils gemäß Vertrag vom 20.10.2010
erfülle nicht die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2
GrEStG.
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1. Aufgrund der Übertragung der
Kommanditbeteiligung des D auf M gemäß Vertrag vom
15.5.2009 war der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG
erfüllt.
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Gehört zum Vermögen einer
Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und
ändert sich innerhalb von fünf Jahren der
Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass
mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue
Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz
1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks
auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.
Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Auf M sind
aufgrund der in den Jahren 2008 und 2009 vorgenommenen
Anteilsübertragungen sämtliche Anteile am
Gesellschaftsvermögen der Klägerin übergegangen. Die
Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a Satz
1 GrEStG kann - wie im Streitfall - auch in Teilakten über
einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (vgl.
z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.4.2005 II R 61/03,
BFHE 210, 56, BStBl II 2005, 649 = SIS 05 35 97).
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2. Die Steuerfestsetzung für diesen
Erwerbsvorgang ist jedoch gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG aufzuheben. Durch den Vertrag vom 20.10.2010 wurde bewirkt,
dass M nur noch mit 94 % am Gesellschaftsvermögen der
Klägerin beteiligt war. Darin liegt ein Rückerwerb der
Gesellschaftsgrundstücke durch die
„Altgesellschaft“ i.S. des § 16 Abs. 2 Nr.
1 GrEStG, so dass die Steuerfestsetzung für den zuvor
verwirklichten Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG
aufzuheben war.
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a) Gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG
wird unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag sowohl für
den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen
Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die
Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Veräußerer das
Eigentum an dem veräußerten Grundstück
zurückerwirbt. Diese Vorschrift betrifft über ihren
Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2a
GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16
Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gelten, wenn u.a. ein nach § 1 Abs.
2a GrEStG grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang
rückgängig gemacht wird, der nicht
ordnungsgemäß angezeigt worden war. Diese Regelung setzt
die grundsätzliche Anwendbarkeit der
Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf den
Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG voraus (BFH-Beschluss
vom 2.3.2011 II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009 = SIS 11 15 97, unter
B.IV.2.a cc, m.w.N.).
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b) Im Streitfall erfüllt der erneute
Erwerb einer Beteiligung des D am Gesellschaftsvermögen der
Klägerin gemäß Vertrag vom 20.10.2010 die an einen
Rückerwerb i.S. des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu
stellenden Anforderungen.
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Die Kommanditbeteiligung des M hat sich
aufgrund des Vertrags vom 20.10.2010 um 6 % auf 94 % vermindert.
Darin liegt ein nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
begünstigter Rückerwerb, weil innerhalb von zwei Jahren
seit der Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 2a GrEStG die
Änderung des Gesellschafterbestands der Klägerin auf die
gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG nicht
tatbestandsmäßige Größe von 94 % der Anteile
am Gesellschaftsvermögen beschränkt wurde.
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aa) Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG steht nicht entgegen, dass gemäß Vertrag vom
20.10.2010 der M übertragene Kommanditanteil nur zum Teil auf
D zurückübertragen wurde.
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§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt im
Hinblick auf Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG
nicht den Rückerwerb sämtlicher Anteile voraus, deren
Übergang zur Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1
Abs. 2a GrEStG beigetragen hat. Es reicht vielmehr aus, einen
Gesellschafterwechsel, der zur Tatbestandsverwirklichung des §
1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, insoweit rückgängig zu
machen, als dadurch im Ergebnis ein Übergang von weniger als
95 % erfolgt (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9.
Aufl., § 16 Rz 65; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz,
17. Aufl., § 16 Rz 273; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 4. Aufl., § 16 Rz 73; Behrens, DStR 2009, 1611;
a.A. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder vom 25.2.2010, BStBl I 2010, 245 = SIS 10 08 22 Rz 9)
und damit die Voraussetzungen für den fiktiven Übergang
der Gesellschaftsgrundstücke „auf eine neue
Gesellschaft“ wieder entfallen sind. Dies folgt aus dem
systematischen Zusammenhang zwischen § 16 GrEStG und den
Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. § 16 GrEStG ist
eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige
Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG (BFH-Urteile vom 19.3.2003
II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770 = SIS 03 34 41; vom
25.4.2007 II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726 = SIS 07 24 60). Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist
ausschließlich dann erfüllt, wenn - unter näher
bestimmten Voraussetzungen - 95 % der Anteile am
Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.
Wird daher eine nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare
Änderung des Gesellschafterbestands in der Weise beseitigt,
dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der
Anteile am Gesellschaftsvermögen unterschritten wird, ist der
Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht (mehr)
erfüllt. Demgemäß setzt ein Rückerwerb i.S.
des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Bezug auf § 1 Abs. 2a
GrEStG auch nicht voraus, dass - wie vom FG angenommen - die zur
Tatbestandsverwirklichung führende (letzte)
Anteilsübertragung insgesamt rückgängig gemacht
wird.
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Die teilweise Beseitigung der Steuer
auslösenden Änderung des Gesellschafterbestands erfordert
lediglich, dass der frühere Gesellschafter einen Anteil am
Gesellschaftsvermögen erwirbt. Bezüglich des neu
erworbenen Anteils darf die Verfügungsbefugnis auch nicht
teilweise beim zwischenzeitlichen Gesellschafter verbleiben (Loose,
a.a.O., Rz 273; Behrens, DStR 2009, 1611, 1615). Nicht erforderlich
ist demgegenüber, dass der frühere Gesellschafter seine
ursprüngliche Gesellschafterstellung ganz oder zum Teil
rückwirkend zurückerlangt oder schuldrechtlich so
gestellt wird, als ob er Gesellschafter geblieben wäre. Es
genügt vielmehr, wenn er innerhalb von zwei Jahren seit der
Entstehung der Steuer für den Erwerbsvorgang nach § 1
Abs. 2a GrEStG einen Anteil am Gesellschaftsvermögen mit
Wirkung für die Zukunft erwirbt und der Erwerbsvorgang nach
§ 1 Abs. 2a GrEStG nicht verwirklicht worden wäre, wenn
er mit diesem Anteil durchgehend Gesellschafter geblieben
wäre.
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Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem
unmittelbaren Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG.
Es reicht dabei für die Nichtfestsetzung der Steuer oder die
Aufhebung der Steuerfestsetzung für den ursprünglichen
Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus, wenn der
Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten
Grundstück innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der
Steuer für diesen Erwerbsvorgang zurückerwirbt oder die
in § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 GrEStG bestimmten Voraussetzungen
erfüllt sind. Rückwirkende Vereinbarungen sind dabei
nicht erforderlich. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG setzt nicht
voraus, dass der vorangegangene Erwerbsvorgang aufgehoben wird und
deshalb ein Rückerwerb erfolgt; die Vorschrift betrifft in
gleicher Weise den schlichten Rückkauf (BFH-Urteil vom
25.10.1979 II R 35/75, BFHE 129, 203, BStBl II 1980, 129 = SIS 80 00 76; Hofmann, a.a.O., § 16 Rz 42; Loose, a.a.O., § 16
Rz 146, 182; Pahlke/Franz, a.a.O., § 16 Rz 50).
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bb) Diese Voraussetzungen für die auf
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG beruhende Aufhebung der
Steuerfestsetzung für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a
GrEStG sind im Streitfall erfüllt. D hat innerhalb von zwei
Jahren seit der Entstehung der Steuer für diesen
Erwerbsvorgang erneut eine Beteiligung am
Gesellschaftsvermögen der Klägerin erworben, und zwar in
Höhe von 6 %. Im Ergebnis ist somit die in § 1 Abs. 2a
GrEStG bestimmte Grenze von 95 % der Anteile am
Gesellschaftsvermögen, die innerhalb von fünf Jahren
unmittelbar oder mittelbar auf neue Gesellschafter übergehen
müssen, nicht mehr erreicht.
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Allein dies ist für die Erfüllung
der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entscheidend.
Unerheblich ist demgegenüber, dass die von M aufgrund des
Vertrags vom 15.5.2009 zu erbringende Gegenleistung für den
Anteilserwerb nicht deshalb herabgesetzt wurde, weil D eine
Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Klägerin in
Höhe von 6 % erworben hat. Die Gegenleistung für einen
Anteilserwerb spielt im Rahmen des Tatbestands des § 1 Abs. 2a
GrEStG und somit auch im Zusammenhang mit der Nichtfestsetzung der
Steuer oder der Aufhebung der Steuerfestsetzung für einen
dieser Vorschrift unterfallenden Erwerbsvorgang gemäß
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG keine Rolle.
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cc) Wird aufgrund einer
Anteilsübertragung, durch die ein Altgesellschafter aus der
Personengesellschaft ausscheidet, der Tatbestand des § 1 Abs.
2a GrEStG verwirklicht und erfüllt der Anteilsrückerwerb
durch diesen Altgesellschafter wiederum diesen Steuertatbestand,
ist gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG für beide
Erwerbsvorgänge die Steuer nicht festzusetzen bzw. die
Steuerfestsetzung aufzuheben. Diese Rechtsfolge muss erst recht
dann eintreten, wenn - wie im Streitfall - der Rückerwerb
lediglich einen Anteil von 6 % am Gesellschaftsvermögen
betrifft und daher für sich nicht die
Besteuerungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG
erfüllt.
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Entgegen der Auffassung des FG ist es deshalb
ohne Bedeutung, ob D aufgrund des Vertrags vom 15.5.2009 seine
Eigenschaft als Altgesellschafter der Klägerin i.S. des §
1 Abs. 2a GrEStG endgültig verloren hatte und aufgrund des
Rückerwerbs eines Kommanditanteils in Höhe von 6 %
Neugesellschafter der Klägerin i.S. des § 1 Abs. 2a
GrEStG geworden ist.
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c) Der Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG
steht § 16 Abs. 5 GrEStG nicht entgegen.
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aa) Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die
Vorschriften der Abs. 1 bis 4 des § 16 GrEStG nicht, wenn u.a.
ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG
rückgängig gemacht wird, der nicht
ordnungsgemäß angezeigt war (§§ 18, 19
GrEStG). § 16 Abs. 5 GrEStG dient der Sicherung der
Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und wirkt dem
Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser
Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen. Insbesondere
soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen,
einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen
wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein
solches Geschäft bekannt wird (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011,
1009 = SIS 11 15 97, m.w.N.). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl
nach § 18 GrEStG als auch nach § 19 GrEStG besteht, ist
den Zwecken des § 16 Abs. 5 GrEStG schon dann genügt,
wenn nur einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht
ordnungsgemäß nachkommt.
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bb) Unter Berücksichtigung dieses
Normzwecks ist nach der BFH-Rechtsprechung (z.B. Beschlüsse
vom 20.1.2005 II B 52/04, BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492 = SIS 05 18 62, und in BFH/NV 2011, 1009 = SIS 11 15 97, jeweils m.w.N.)
eine Anzeige schon dann i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG
ordnungsgemäß, wenn der Vorgang innerhalb der
Anzeigefristen der §§ 18 Abs. 3 und 19 Abs. 3 GrEStG dem
Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung
eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG prüfen
kann. Dazu muss die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von
Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson (§ 20 Abs. 1
Nr. 1 und Nr. 6 GrEStG) und ggf. der Gesellschaft (§ 20 Abs. 2
GrEStG) ermöglichen; ferner müssen der Anzeige in der
Regel die in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2
GrEStG genannten Abschriften beigefügt werden.
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Um dem Finanzamt die erforderliche
Prüfung zu ermöglichen, ist es für eine
ordnungsgemäße Anzeige eines nach § 1 Abs. 2a
GrEStG steuerbaren Vorgangs erforderlich, dass ihr diejenigen
Rechtsvorgänge eindeutig und vollständig entnommen werden
können, die den Tatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG
ausgelöst oder zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen
haben. Gegebenenfalls sind in die Anzeige - unter Beifügung
der in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG
genannten Abschriften - auch die vorangegangenen und dem Finanzamt
bislang nicht angezeigten Änderungen des
Gesellschafterbestands einzubeziehen, die innerhalb von fünf
Jahren zum Übergang von mindestens 95 % der Anteile am
Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter beigetragen
haben. Ist der Erwerbsvorgang auf diese Weise eindeutig
identifiziert, so kann sich der Steuerpflichtige der Besteuerung
nicht mehr entziehen und den Erwerbsvorgang auch nicht mehr, bevor
er den Finanzbehörden bekannt wird, ohne steuerliche Folgen
wieder aufheben.
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cc) Aufgrund der dem Finanzamt durch eine
solche Anzeige eröffneten Ermittlungsmöglichkeiten setzt
eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5
GrEStG unter Berücksichtigung des Übermaßverbots
nicht zusätzlich voraus, dass die Anzeige auch die der
betreffenden Gesellschaft gehörenden Grundstücke
bezeichnet. Das Finanzamt ist auch bei insoweit fehlenden Angaben
in der Lage, sich aufgrund des übrigen Anzeigeinhalts die
entsprechenden Informationen aufgrund eigener
Ermittlungsmaßnahmen zu verschaffen. An der davon
abweichenden bisherigen Rechtsprechung, wonach eine
ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG
darüber hinaus auch grundstücksbezogener Angaben bedarf
(BFH-Beschluss in BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492 = SIS 05 18 62), hält der Senat nicht mehr fest.
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dd) Enthält die Anzeige zwar keine oder
nur unvollständige Angaben über die für § 1
Abs. 2a GrEStG maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber
das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen
oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen
Vorgängen, steht § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des
Abs. 2 des § 16 GrEStG nicht entgegen. Dies folgt aus dem Sinn
und dem (Sicherungs-)Zweck der Vorschrift, dem Finanzamt zeitnah
die für die Besteuerung erforderlichen Kenntnisse zu
verschaffen und dem Steuerpflichtigen, der es auf eine spätere
Aufdeckung des Sachverhalts durch das Finanzamt ankommen
lässt, eine nachträgliche Gestaltung mit § 16 GrEStG
zu verwehren. Diesem Sicherungszweck ist bereits durch die
rechtzeitige positive Kenntnis des Finanzamts Genüge
getan.
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29
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ee) Im Streitfall genügt zwar die von dem
beurkundenden Notar an die Grunderwerbsteuerstelle des FA
gerichtete und bei dieser am 27.5.2009 eingegangene Kurzmitteilung
nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige
i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG. Mit dieser Kurzmitteilung wurde
lediglich eine Abschrift der notariellen Urkunde vom 15.5.2009
übersandt. Weder aus dem Text der Kurzmitteilung noch aus dem
Inhalt der notariellen Urkunde vom 15.5.2009 war jedoch
ersichtlich, dass aufgrund der Übertragung des
Kommanditanteils des D auf M unter Berücksichtigung der
vorangegangenen Anteilserwerbe des M innerhalb von fünf Jahren
sämtliche Anteile am Gesellschaftsvermögen der
Klägerin auf diesen übergegangen waren.
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Das FA hat aber innerhalb der Anzeigefrist
vollständige Kenntnis aller maßgeblichen Umstände
erlangt. Nach Eingang der Anzeige hat das FA aufgrund des Inhalts
des ihm übersandten Vertrags vom 15.5.2009 und eigener
Ermittlungen umgehend erkannt, dass und durch welche
Rechtsvorgänge der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG
verwirklicht wurde. Es hat nämlich die Klägerin bereits
einen Tag nach Eingang der Kurzmitteilung des beurkundenden Notars
durch Schreiben vom 28.5.2009 - und damit noch innerhalb der
zweiwöchigen Anzeigefrist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 GrEStG) -
auf den durch Vertrag vom 15.5.2009 verwirklichten Steuertatbestand
des § 1 Abs. 2a GrEStG hingewiesen und bei der Klägerin
eine Aufstellung ihres Grundbesitzes angefordert.
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Aus diesem Geschehensablauf ist ersichtlich,
dass das FA aufgrund der Kurzmitteilung des beurkundenden Notars
das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 2a
GrEStG erkannt hat. Die Klägerin konnte sich aufgrund
positiver Kenntnis des FA hinsichtlich aller maßgebenden
Umstände nicht mehr der Besteuerung entziehen. D und M konnten
den Erwerbsvorgang auch nicht mehr, bevor er dem FA bekannt wurde,
ohne steuerliche Folgen wieder aufheben. In einem solchen Fall ist,
da im Ergebnis der Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG erreicht
wurde, für eine Nichtanwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG
kein Raum.
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Die auf anderen rechtlichen Erwägungen
beruhende Vorentscheidung war daher aufzuheben.
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3. Die Sache ist spruchreif. Da die
Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG erfüllt sind,
waren der Grunderwerbsteuerbescheid des FA vom 18.8.2010 sowie die
Einspruchsentscheidung des FA vom 15.11.2010 ebenfalls
aufzuheben.
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