Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 20.01.2021 - 4 K 270/20
= SIS 21 02 68 aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des
Ablehnungsbescheids vom 28.06.2018 und der dazu ergangenen
Einspruchsentscheidung vom 30.01.2020 verpflichtet, die
Grunderwerbsteuerbescheide vom 02.05.2018 und 07.07.2020
aufzuheben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war an einer
Objektgesellschaft (GmbH) mit 90,1 % beteiligt. Die restlichen 9,9
% hielt eine AG. Die GmbH war Eigentümerin eines Wohn- und
Geschäftshauses.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
22.12.2016 verkaufte die AG ihren Anteil an der GmbH an die
Klägerin zum Kaufpreis von 2.475 EUR. Die Klägerin wurde
bei Vertragsschluss durch ihren alleinvertretungsberechtigten
Geschäftsführer (A) vertreten. Die AG wurde durch eines
ihrer Vorstandsmitglieder (B) vertreten. Nach der
Vertretungsregelung der AG konnte die Gesellschaft nur durch zwei
Vorstandsmitglieder (zusammen) vertreten werden. B handelte daher
zum einen als Vorstand der AG und zum anderen für den
Mitvorstand (C). Insoweit stand seine Erklärung unter dem
Vorbehalt einer nachträglichen Genehmigung, die nach der
ausdrücklichen Regelung im Vertrag mit Zugang beim Notar
wirksam werden sollte. C genehmigte den Vertrag am 23.12.2016. Die
Genehmigung des C ging dem Notar am 30.12.2016 zu.
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Am 30.12.2016 übersandte der
beurkundende Notar eine Kopie des Vertrages an das für die
Besteuerung von Körperschaften zuständige Finanzamt. Bei
dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ging die
Veräußerungsanzeige samt Kopie des Vertrages vom
22.12.2016 am 12.01.2017 ein.
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Mit Bescheid vom 02.05.2018 setzte das FA
gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin
hat gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
12.06.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der GmbH
wieder entgeltlich an die AG zum Kaufpreis von 2.475 EUR ab. Am
19.06.2018 beantragte sie die Aufhebung des
Grunderwerbsteuerbescheids vom 02.05.2018 nach § 16 Abs. 2 Nr.
1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitzeitraum
anwendbaren Fassung (GrEStG). Mit Schreiben vom 28.06.2018 lehnte
das FA den Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung ab. Der
Aufhebung stehe § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen. Der Vertrag vom
22.12.2016 sei erst am 12.01.2017 und damit nicht fristgerecht im
Sinne des § 18 Abs. 3 GrEStG beim FA angezeigt worden. Gegen
die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung legte die Klägerin am
01.08.2018 Einspruch ein.
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Am 29.04.2019 wurde über das
Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren
eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Mit Schreiben vom
13.11.2019 teilte die Klägerin im Einspruchsverfahren mit,
dass sie mit Zustimmung des Sachwalters das durch das
Insolvenzverfahren zunächst unterbrochene Einspruchsverfahren
nach § 85 der Insolvenzordnung, § 74 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) analog, § 240 der
Zivilprozessordnung wieder aufnehme und bat um den Erlass einer
Einspruchsentscheidung.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 30.01.2020
wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf
Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 28.06.2018 als
unbegründet zurück.
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Mit Bescheid vom 07.07.2020 wurde der
Grunderwerbsteuerbescheid aus hier nicht streitigen Gründen
geändert.
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Die Klage auf Aufhebung der geänderten
Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr.
1 GrEStG hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts
(FG) stand der Aufhebung die Frist des § 16 Abs. 5 GrEStG
entgegen. Weder die Klägerin noch der beurkundende Notar
hätten den Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuerstelle des FA
gemäß §§ 18, 19 GrEStG fristgerecht angezeigt.
Das Urteil ist in EFG 2021, 570 = SIS 21 02 68 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision der
Klägerin. Nach ihrer Ansicht steht § 16 Abs. 5 GrEStG
einer Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer nicht entgegen.
Der Erwerbsvorgang sei fristgerecht angezeigt worden. Zwar habe die
Zweiwochenfrist für den Notar nach § 18 Abs. 3 GrEStG
bereits am 05.01.2017 geendet. Gehe man aber mit dem
Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass es ausreiche, wenn entweder
der Notar oder der Steuerschuldner seiner Anzeigepflicht nachkomme,
genüge der Eingang der Anzeige durch den Notar innerhalb der
für die Klägerin geltenden länger laufenden Frist.
Diese habe im Streitfall erst mit Wirksamkeit des
Rechtsgeschäfts durch Zugang der Genehmigung des Vorstandes C
beim Notar am 30.12.2016 zu laufen begonnen. Beim Eingang der
Anzeige des Notars beim FA am 12.01.2017 sei diese für die
Klägerin geltende Frist noch nicht abgelaufen gewesen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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das FG-Urteil vom 20.02.2021 - 4 K 270/20,
den Ablehnungsbescheid des FA vom 28.06.2018 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.01.2020 aufzuheben und das FA zu
verpflichten, die Grunderwerbsteuerbescheide vom 02.05.2018 und
07.07.2020 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Seiner Auffassung nach hat das FG zu Recht
entschieden, dass § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des §
16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegenstehe. Weder die Klägerin noch
der beurkundende Notar hätten den Erwerbsvorgang der
Grunderwerbsteuerstelle des FA fristgerecht angezeigt. Die
Klägerin selbst habe den Erwerbsvorgang entgegen ihrer Pflicht
aus § 19 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuerstelle des FA
nicht angezeigt. Die fehlende Anzeige sei auch nicht durch eine
ordnungsgemäße, das heißt den gesetzlichen
Anforderungen entsprechende Anzeige des Notars ersetzt worden, da
dessen Anzeige gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG
verspätet beim für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer
zuständigen FA eingegangen sei. Dass im Zeitpunkt des Eingangs
der Anzeige des Notars beim FA die Frist für die
Anzeigenerstattung durch die Klägerin nach § 19 Abs. 3
GrEStG noch nicht abgelaufen gewesen sei, ändere daran
nichts.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2
FGO).
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II. Der Antrag der Klägerin ist
dahingehend zu verstehen, dass sie im Wege der Verpflichtungsklage
begehrt, das FA zur Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide vom
02.05.2018 und 07.07.2020 zu verpflichten.
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Die Klage der Klägerin ist darauf
gerichtet, dass die Festsetzung der Grunderwerbsteuer in den
Bescheiden vom 02.05.2018 und 07.07.2020 aufgrund des
Rückerwerbs der GmbH-Anteile nach § 16 Abs. 1 und 2
GrEStG aufgehoben wird. Dieses Begehren ist als Verpflichtungsklage
in Gestalt der Vornahmeklage zu verfolgen (s. z.B. BFH-Urteil vom
05.06.1991 - II R 83/88, BFH/NV 1992, 267). Der erkennende Senat
deutet den Klageantrag der Klägerin dementsprechend in eine
Verpflichtungsklage um. Die Umdeutung ist auch noch in der
Revisionsinstanz möglich (vgl. BFH-Urteil vom 27.01.2011 - III
R 65/09 = SIS 11 15 79).
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III. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Verpflichtung
des FA, die streitigen Grunderwerbsteuerbescheide aufzuheben
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Voraussetzungen für
die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG sind erfüllt. § 16 Abs. 5 GrEStG steht der
Aufhebung der Steuerfestsetzung nicht entgegen.
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1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
unterliegt der Grunderwerbsteuer unter anderem ein
Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines
oder mehrerer Anteile einer grundstücksbesitzenden
Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung
unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile
der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden
würden, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG
nicht in Betracht kommt.
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2. Erwirbt der Veräußerer das
Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück,
wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für
den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen
Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits
erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb
innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für
den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2
Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch
Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG. Dies folgt
aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG
nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG
bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht
wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war. Diese
Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der
Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die
Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus (vgl. BFH-Urteil
vom 22.05.2019 - II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 =
SIS 19 15 55, Rz 15, m.w.N.).
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3. § 16 Abs. 5 GrEStG schließt den
Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung aus, wenn ein
Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zwar innerhalb
von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig
gemacht, aber nicht fristgerecht und in allen Teilen
vollständig angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) wurde. Die
Vorschrift dient einerseits der Sicherung der Anzeigepflichten aus
§§ 18 und 19 GrEStG und soll andererseits dem Anreiz
entgegen wirken, durch Nichtanzeige einer Besteuerung den in dieser
Vorschrift genannten Erwerbsvorgängen zu entgehen (vgl.
BFH-Urteile vom 17.05.2017 - II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II
2017, 966 = SIS 17 11 78, Rz 42 und vom 22.05.2019 - II R 24/16,
BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 = SIS 19 15 55, Rz 18). Den
Beteiligten soll die Möglichkeit genommen werden, die dort
benannten Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen
wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein
solches Geschäft bekannt wird (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2017
- II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966 = SIS 17 11 78, Rz
42).
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4. Die Anzeigepflichten für den Notar
nach § 18 GrEStG und für den Steuerschuldner nach §
19 GrEStG bestehen grundsätzlich selbständig
nebeneinander. Die Wirkungen der Anzeigen können jedoch bei
der Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG unter bestimmten
Voraussetzungen dem anderen Anzeigepflichtigen zugerechnet
werden.
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a) Die Anzeigepflichten gemäß
§§ 18, 19 GrEStG sind innerhalb von zwei Wochen zu
erfüllen, knüpfen jedoch für die verschiedenen
Anzeigepflichtigen an verschiedene Ereignisse an und können
deshalb zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen.
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aa) Ein Notar hat über einen
Rechtsvorgang, den er beurkundet hat, nach § 18 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach der
Beurkundung Anzeige zu erstatten, auch wenn die Wirksamkeit des
Rechtsvorgangs von einer Genehmigung abhängig ist.
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bb) Ein Gesellschafter hat ein
Rechtsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nach
§ 19 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 13
Nr. 5 GrEStG innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von dem
anzeigepflichtigen Vorgang Kenntnis erhalten hat, anzuzeigen.
Voraussetzung dafür ist, dass das Rechtsgeschäft wirksam
ist. Anderenfalls ist der Erwerbsvorgang noch nicht verwirklicht.
Hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer
Genehmigung ab, ist der Erwerbsvorgang erst im Zeitpunkt des
Eintritts der Genehmigung erfüllt (§ 14 Nr. 2 GrEStG). In
diesem Fall beginnt die Frist für die Anzeige nach § 19
Abs. 3 GrEStG erst mit Kenntnis von dem Vorliegen der Genehmigung
(Wachter in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl.,
§ 19 Rz 219; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7.
Aufl., § 19 Rz 23; kritisch zum Auseinanderfallen des
Fristbeginns Wachter in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz,
2. Aufl., § 18 Rz 210, § 19 Rz 221).
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b) Der BFH hat bereits entschieden, dass es
für § 16 Abs. 5 GrEStG ausreicht, wenn einer von mehreren
Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht
ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt (vgl.
BFH-Urteile vom 18.04.2012 - II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II
2013, 830 = SIS 12 17 01, Rz 24; vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE
249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz 23 und vom
22.05.2019 - II R 24/16, BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 = SIS 19 15 55, Rz 19). Danach wirkt die Anzeige des Notars für Zwecke
des § 16 Abs. 5 GrEStG auch für den Steuerschuldner.
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c) Die Urteile sind zwar zu § 16 Abs. 5
GrEStG in der Fassung vor der Änderung durch das Gesetz zur
Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur
EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom
25.07.2014 (BGBl I 2014, 1265) ergangen. Mit Wirkung ab dem
07.06.2013 (vgl. § 23 Abs. 12 GrEStG) wurde der Wortlaut des
§ 16 Abs. 5 GrEStG geändert. Während zuvor § 16
Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht galt, wenn der Erwerbsvorgang
„nicht ordnungsmäßig angezeigt (§§ 18,
19) war“, schließt die im Streitfall
geltende Fassung die Anwendung von § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG
bereits dann aus, wenn der Erwerbsvorgang „nicht fristgerecht
und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis
20) war“. Die Vorschrift verlangt jedoch auch
in der neuen Fassung nicht, dass beide Anzeigeverpflichtete jeweils
ihren Anzeigepflichten „fristgerecht und in allen Teilen
vollständig“ nachkommen. Vielmehr ist
§ 16 Abs. 5 GrEStG weiterhin passivisch formuliert. Es
genügt, dass der Erwerbsvorgang angezeigt
„war“.
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d) Ausgehend vom Wortlaut und Zweck des §
16 Abs. 5 GrEStG reicht es danach aus, dass der Erwerbsvorgang
innerhalb der für den Notar nach § 18 Abs. 3 Satz 1
GrEStG oder der für den Steuerschuldner nach § 19 Abs. 3
Satz 1 GrEStG geltenden Anzeigefrist in allen Teilen
vollständig angezeigt war und zwar unabhängig davon, von
wem und für wen die Anzeige erfolgt ist.
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aa) Nach dem Normzweck des § 16 Abs. 5
GrEStG genügt es, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb der in
§ 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 3 GrEStG vorgesehenen
Anzeigefristen dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es
die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2 bis 3a
GrEStG prüfen kann. Daher muss die Anzeige grundsätzlich
an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts
übermittelt werden (BFH-Urteil vom 22.05.2019 - II R 24/16,
BFHE 265, 454, BStBl II 2020, 157 = SIS 19 15 55). Ist dies der
Fall, kommt es nicht darauf an, ob die Anzeige durch den Notar oder
den Steuerschuldner erfolgt ist. Unerheblich ist auch, ob der
Steuerschuldner Kenntnis davon hatte, ob und wenn ja zu welchem
Zeitpunkt der Notar seiner Anzeigepflicht nach der für ihn -
den Notar - geltenden Frist nachgekommen ist. Maßgeblich ist,
dass dem zuständigen Finanzamt innerhalb einer der
gesetzlichen Fristen der steuerbare Vorgang vollständig
angezeigt wurde. Ist dies der Fall, ist der Normzweck des § 16
Abs. 5 GrEStG erfüllt. Die Vorschrift schließt die
Anwendung des § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG dann nicht mehr
aus.
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bb) Nach den vorstehenden Grundsätzen
reicht es im Sinne des § 16 Abs. 5 GrEStG daher aus, wenn der
Notar eine Anzeige erstattet, die zwar nach der gemäß
§ 18 Abs. 3 GrEStG für den Notar laufenden Frist
verspätet ist, die dem zuständigen Finanzamt aber
innerhalb der nach § 19 Abs. 3 GrEStG für den
Steuerschuldner geltenden Frist zugeht. In einem solchen Fall wird
der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG gewahrt, nämlich auf
Grundlage einer entsprechenden Anzeige dem Finanzamt die
ordnungsgemäße Prüfung des Steuerfalls zu
ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn die Verwirklichung des
Erwerbstatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG von der
Genehmigung einer Vertragspartei abhängt und diese für
die Berechnung der in § 19 GrEStG benannten Fristen für
die Anzeigepflicht eines Beteiligten maßgebend ist. Es ginge
in diesem Fall über den Normzweck des § 16 Abs. 5 GrEStG
hinaus, den Verlust der Rechte aus § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG an
die fehlende Erstattung einer Anzeige des Notars nach § 18
GrEStG zu einem Zeitpunkt zu knüpfen, in dem der
Erwerbsvorgang des Anteilskaufs mangels der erforderlichen
Genehmigung einer der Vertragsparteien noch nicht verwirklicht
worden ist und deshalb die Anzeigepflicht des Steuerschuldners nach
§ 19 GrEStG noch nicht zu laufen begonnen hat. Eine
Gefährdung des Steueranspruchs ist in diesem Fall vor
Entstehung der Steuer nicht zu befürchten.
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5. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Die Ablehnung der beantragten Aufhebung der
Steuerfestsetzung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin
in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin
hat einen Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide aus
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Mit notariell beurkundetem Vertrag
vom 12.06.2018 trat die Klägerin 9,9 % ihrer Anteile an der
GmbH wieder entgeltlich an die AG zum Kaufpreis von 2.475 EUR ab,
sodass der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren nach
Entstehung der Steuerschuld für den vorangegangenen
Erwerbsvorgang erfolgte. Diese Steuer entstand nach § 14 Nr. 2
GrEStG am 30.12.2016 mit dem Zugang der Genehmigung des Verkaufs
der Anteile durch den Mitvorstand C der Verkäuferin beim
Notar. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen. Auch die
zweiwöchige Frist für die Anzeige der Klägerin
begann nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 4, §
14 Nr. 2 und § 13 Nr. 5 GrEStG erst mit Kenntnis von der
nachträglichen Genehmigung des Mitvorstandes C der
Käuferin durch den Notar am 30.12.2016. Die Anzeige des Notars
nach § 18 GrEStG ging bei der Grunderwerbsteuerstelle des FA
am 12.01.2017 und somit noch innerhalb der für die
Klägerin laufenden zweiwöchigen Anzeigefrist ein.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung auf § 90 Abs. 2 FGO.
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