Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 12.5.2016 - 12 K 15028/14
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu
tragen.
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I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
8.7.2011 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger)
71 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH von insgesamt vier
Anteilseignern. Einen Anteil in Höhe von 9 % erwarb der
Kläger von K. Der Kläger selbst war zum Zeitpunkt des
Anteilserwerbs bereits zu 29 % an der GmbH beteiligt. Der
beurkundende Notar übersandte jeweils eine Abschrift des
beurkundeten Vertrages am 18.7.2011 einem im Bundesland X gelegenen
Finanzamt (FA-A) - Grunderwerbsteuerstelle - für die in dessen
Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH und einem im Bundesland
Y gelegenen Finanzamt (FA-B) - Grunderwerbsteuerstelle - für
die in dessen Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH.
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Das FA-A wandte sich mit Schreiben vom
21.09.2011 an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -
FA - ) und bat um eine gesonderte Feststellung nach § 17 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für den in der Mitteilung
vom 18.07.2011 bezeichneten Grundbesitz. Nach einer
Außenprüfung gelangte das FA zu der Erkenntnis, dass
durch den Erwerb der Anteile mit Vertrag vom 8.7.2011 der
Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt und es
für die Erstellung des Feststellungsbescheids nach § 17
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG zuständig sei.
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Am 4.2.2013 wurde die GmbH nach Verlegung
ihres Sitzes im Handelsregister des Amtsgerichts, das zum
Zuständigkeitsbereich des FA-B gehört, eingetragen. Davon
hatte das FA ausweislich der Grunderwerbsteuerakten durch eine
elektronische Abfrage am 11.3.2013 erfahren.
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Mit Bescheid vom 15.3.2013 stellte das FA
für den Erwerb der Grundstücke aufgrund der
Anteilsvereinigung vom 8.7.2011 die Besteuerungsgrundlagen
gemäß § 17 GrEStG gesondert fest. Gegen den
Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, mit
notariell beurkundetem Vertrag vom 27.11.2012 habe ein
Rückerwerb der 9 %-Anteile an der Gesellschaft durch K
stattgefunden. Während des Einspruchsverfahrens wurde der
Bescheid vom 15.3.2013 im Hinblick auf eine zunächst
unrichtige Urkunden-Nr. mit Bescheid vom 7.6.2013 geändert. Am
08.01.2014 erteilte das Finanzamt, das im Bundesland Y für die
Grunderwerbsteuer zentral zuständig ist, dem FA die
Zustimmung, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den angefochtenen
Feststellungsbescheid weiter fortführen zu
können.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2014
wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das FA
vertrat die Auffassung, dass § 16 Abs. 2 GrEStG nach § 16
Abs. 5 GrEStG nicht anzuwenden sei, da keine
ordnungsgemäße Anzeige des Anteilserwerbs nach § 18
bzw. 19 GrEStG erfolgt sei. Durch die Anzeigen bei den anderen
Finanzämtern, in deren Bezirk sich die Grundstücke der
Gesellschaft befunden hätten, habe der Notar der
Anzeigepflicht nicht genügt. Eine Weiterleitungspflicht
für die nicht zuständigen Finanzämter innerhalb der
Anzeigefrist habe nicht bestanden.
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Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des
Finanzgerichts (FG) hat das FA die Anwendung des § 16 Abs. 2
GrEStG im Hinblick auf § 16 Abs. 5 GrEStG zu Unrecht
ausgeschlossen. Zwar sei das FA im Zeitpunkt der gebotenen Anzeige
sachlich und örtlich für das im vorliegenden Fall vor der
Festsetzung der Steuer vorgeschriebene Feststellungsverfahren
zuständig gewesen, so dass die Anzeige an die
Grunderwerbsteuerstelle des FA hätte gerichtet werden
müssen. Die bei den Grunderwerbsteuerstellen der
Belegenheitsfinanzämter innerhalb der Anzeigefrist abgegebenen
Anzeigen seien jedoch fristwahrend, da diese aufgrund der
besonderen Umstände des Streitfalls dem von § 16 Abs. 5
GrEStG verfolgten Normzweck genügten. Die Entscheidung ist in
EFG (EFG 2016, 1903 = SIS 16 20 61) veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Es rügt die fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG.
Danach sei die Rückgängigmachung ausgeschlossen, wenn der
Steuerpflichtige zuvor nicht die grunderwerbsteuerbare
Anteilsvereinigung ordnungsgemäß angezeigt habe. Im
Streitfall sei die Anzeige nicht rechtzeitig bei der
zuständigen Finanzbehörde eingegangen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen, § 16 Abs. 5 GrEStG
stünde im Streitfall der Aufhebung des Feststellungsbescheids
nicht entgegen.
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1. Der Erwerb der Anteile der anderen
Gesellschafter durch notariell beurkundeten Vertrag vom 8.7.2011
erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
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a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf
Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer
grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der
Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder
mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand
des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem
Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen
Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die
Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich
in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.1.2015 - II R 8/13, BFHE
248, 252, BStBl II 2015, 553 = SIS 15 05 92, Rz 19, m.w.N.).
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b) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr.
1 GrEStG sind im Streitfall erfüllt. Durch Vertrag vom
8.7.2011 hat der Kläger die restlichen, von ihm bis dahin noch
nicht gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden GmbH erworben. Ab
diesem Zeitpunkt war er Alleingesellschafter. Die
Besteuerungsgrundlagen waren nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
GrEStG gesondert festzustellen, weil die GmbH über Grundbesitz
verfügt, der außerhalb des Zuständigkeitsbereiches
ihres Sitzfinanzamts belegen ist.
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2. Die Voraussetzungen für die Aufhebung
der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 16 Abs. 2
Nr. 1 GrEStG liegen dem Grunde nach vor.
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a) Erwirbt der Veräußerer das
Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück,
wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für
den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen
Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die
Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb
von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den
vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch
Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Dies
folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4
GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3
GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig
gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war.
Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der
Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die
Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus. Es genügt
dabei, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von § 1
Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorausgesetzte Quantum von 95 % der
Anteile der Gesellschaft unterschritten wird (BFH-Urteile vom
11.06.2013 - II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752 = SIS 13 20 25, sowie vom 20.02.2019 - II R 27/16, BFHE 264, 352 = SIS 19 09 51, Rz 34, 35).
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b) Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
steuerbare Erwerbsvorgang wurde im Streitfall rückgängig
gemacht. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27.11.2012 hat
der frühere Gesellschafter K seinen Anteil an der GmbH in
Höhe von 9 % zurückerworben. Ab diesem Zeitpunkt war der
Kläger nicht mehr mit mindestens 95 % an der grundbesitzenden
GmbH beteiligt.
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3. Entgegen der Auffassung des FG steht der
Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG
entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht
ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5
GrEStG).
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a) Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1
Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit
der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber
nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19
GrEStG) worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG i.d.F. des
Jahres 2011 den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder
Aufhebung der Steuerfestsetzung aus. § 16 Abs. 5 GrEStG dient
der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19
GrEStG und wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer
Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge
zu entgehen (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2017 - II R 35/15, BFHE 258,
95, BStBl II 2017, 966 = SIS 17 11 78, Rz 42, m.w.N.). Insbesondere
soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen,
einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen
wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein
solches Geschäft bekannt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 258,
95, BStBl II 2017, 966 = SIS 17 11 78, Rz 42).
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b) Die Anzeigepflichten sind innerhalb von
zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu
erfüllen (§ 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3 GrEStG). Soweit
eine Anzeigepflicht sowohl den Steuerschuldner nach § 18
GrEStG als auch den Notar nach § 19 GrEStG trifft, reicht es
für § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn einer der
Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht
ordnungsgemäß nachkommt (vgl. BFH-Urteile vom 18.04.2012
- II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II 2013, 830 = SIS 12 17 01, Rz
24, und vom 03.03.2015 - II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015,
777 = SIS 15 11 54, Rz 23).
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c) Nach § 18 Abs. 5 GrEStG und § 19
Abs. 4 GrEStG sind die Anzeigen an das für die Besteuerung in
den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG an das für
die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten.
Die Anzeige muss grundsätzlich an die Grunderwerbsteuerstelle
des zuständigen Finanzamts übermittelt werden oder sich
zumindest nach ihrem Inhalt eindeutig an die
Grunderwerbsteuerstelle richten. Dazu ist erforderlich, dass die
Anzeige als eine solche nach dem GrEStG gekennzeichnet ist und
ihrem Inhalt nach ohne weitere Sachprüfung - insbesondere ohne
dass es insoweit einer näheren Aufklärung über den
Anlass der Anzeige und ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz
bedürfte - an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist
(BFH-Urteil in BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777 = SIS 15 11 54, Rz
25, m.w.N.).
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d) Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
werden die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1
Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich
die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert
festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieser
Finanzämter liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet
eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieser
Finanzämter liegenden Grundstücks betroffen wird.
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e) Die für die Grunderwerbsteuer
maßgebende Zuständigkeit eines Finanzamts für die
Steuerfestsetzung oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
nach § 17 Abs. 3 GrEStG ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz
3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung und den darauf
beruhenden (landesgesetzlichen) Zuständigkeitsverordnungen
(vgl. BFH-Urteil vom 23.05.2012 - II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579 =
SIS 12 24 23, Rz 16). Bei diesen Verordnungen handelt es sich um
nichtrevisibles Landesrecht (BFH-Urteil vom 19.04.2012 - III R
85/11, BFH/NV 2012, 1411 = SIS 12 21 39, Rz 19).
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f) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen
steht im Streitfall § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des
§ 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegen.
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Weder der Kläger noch der Notar haben dem
für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt die
Anteilsvereinigung rechtzeitig angezeigt. Nach § 17 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 GrEStG war das FA für die gesonderte Feststellung
zuständig, denn in dessen für die Verwaltung der
Grunderwerbsteuer maßgeblichem Zuständigkeitsbereich lag
im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung die Geschäftsleitung der
Gesellschaft. An die entsprechende Auslegung der Verordnung des
Landes X durch das FG ist der Senat gebunden. Die Anzeige
gegenüber den Finanzämtern, in deren Bezirk die
Grundstücke belegen sind, reichte zur Erfüllung der
Anzeigepflicht nicht aus, denn diese waren nicht für die
gesonderte Feststellung zuständig. §§ 18 und 19
GrEStG verlangen ausdrücklich eine Anzeige gegenüber dem
zuständigen Finanzamt.
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4. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist
nicht aufzuheben, weil das FA zum Zeitpunkt des Erlasses wegen der
Sitzverlegung der GmbH nicht mehr zuständig war, denn es
hätte keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden
können (vgl. § 127 der Abgabenordnung).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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