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I. Streitig ist, ob die Ausübung von
Optionen auf den Erwerb von Aktien, die im Zusammenhang mit der
Veräußerung von GmbH-Anteilen in einem
Geschäftsführervertrag eingeräumt worden sind, zu
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
führt.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war im Streitjahr (1998) verheiratet und wurde mit
seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit
notariellem Vertrag vom 23.12.1997 verkauften die Eheleute ihre
Beteiligungen an der X-GmbH und der Q-GmbH für insgesamt
7.752.756 US-Dollar an die P-GmbH (heute: A-GmbH), eine
Tochtergesellschaft der C-Corporation mit Sitz in den USA. Der
Kläger war am Stammkapital der X-GmbH von 100.000 DM zu 98 %
und am Stammkapital der Q-GmbH von 100.000 DM zu 90 % beteiligt.
Die übrigen Anteile hielt seine Ehefrau. Zugleich schlossen
der Kläger und die P-GmbH und die C-Corporation einen
Geschäftsführervertrag. § 3 dieses Vertrages
lautet:
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(1) Herr X erhält als Vergütung
für seine Tätigkeit ein monatliches Gehalt von DM 19.000
brutto ... (2) Zusätzlich nimmt Herr X an dem Y management
incentive program teil und zwar in dem Umfang, in dem die anderen
Mitglieder der zweithöchsten Führungsebene der
C-Corporation an diesem Bonus-Programm teilnehmen ... (3)
Darüber hinaus wird Herrn X von der C-Corporation ... hiermit
die Option eingeräumt, 15.000 Aktien an dieser zu dem Preis zu
erwerben, welcher der letzten Börsennotierung dieser Aktien an
der NASDAQ-Börse vor Unterzeichnung dieses Vertrages
entspricht. Herr X hat diese Option binnen fünf Jahren nach
Abschluss dieses Vertrages durch einfache Anzeige per Post oder per
Fax geltend zu machen. (4) Mit vorstehender Vergütung ist die
gesamte Tätigkeit des Geschäftsführers abgegolten
...
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Der Börsenkurs der Aktien notierte am
23.12.1997 bei 22,50 US-Dollar je Aktie, d.h. 15.000 Stück x
22,50 US-Dollar = 337.500 US-Dollar.
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Der Geschäftsführervertrag wurde
mit Vereinbarung vom 30.1.1998 in gegenseitigem Einvernehmen aus
betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 1.4.1998 aufgehoben.
Der Kläger erhielt zum Ausgleich für den Verlust des
Arbeitsplatzes eine Abfindung. Außerdem war vereinbart, dass
die Aktienoption unberührt bleibt. Der Kläger machte von
seinem Optionsrecht nach § 3 Abs. 3 des
Geschäftsführervertrages vom 23.12.1997 am 12.7.1998
schriftlich Gebrauch. Die Aktien sind am 26.11.1998 in ein
Bankdepot des Klägers - gegen Zahlung von 337.500 US-Dollar -
eingebucht worden. Ihr Börsenwert betrug an diesem Tag 933.750
US-Dollar. Bei Einbuchung der Aktien in das Depot fielen
Bankgebühren in Höhe von 268 US-Dollar an.
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Der Kläger und seine Ehefrau wurden im
Streitjahr 1998 zunächst erklärungsgemäß, aber
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Aufgrund einer
Außenprüfung beim Kläger änderte der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die angefochtene
Einkommensteuerfestsetzung 1998 und erhöhte den Arbeitslohn
des Klägers wegen des geldwerten Vorteils aus der
Ausübung des Aktienoptionsrechts um 1.007.664 DM. Der
hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers ist mit
Teileinspruchsentscheidung vom 21.12.2007 als unbegründet
zurückgewiesen worden. Der Kläger brachte insoweit
erfolglos vor, dass die in § 3 Abs. 3 des
Geschäftsführervertrages vereinbarte Aktienoption nur zum
Schein in diesen Vertrag aufgenommen worden sei. In Wirklichkeit
handele es sich hierbei um einen Zuschlag zum Kaufpreis. Dieser sei
nur deshalb in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden, weil der
Erwerber wegen des bereits vollzogenen Genehmigungsprozesses im
amerikanischen Mutterkonzern und der verbindlichen Information der
NASDAQ-Börsenaufsicht einer Erhöhung des
Veräußerungspreises im Kaufvertrag nicht mehr habe
zustimmen können. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Aktienoptionen seien dem Kläger im Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis überlassen worden. Der geldwerte
Vorteil aus der Ausübung des Optionsrechts sei deshalb vom FA
zu Recht als Arbeitslohn angesetzt worden (EFG 2011, 49).
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Münster vom 21.4.2010 11 K 262/08 E, F insoweit aufzuheben,
als darin die Versteuerung der Aktienoption vom 23.12.1997 im
Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im
Jahr 1998 bestätigt wird, und das FA zu verpflichten, die
Einkommensteuer 1998 unter Berücksichtigung von
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 251.999 DM
festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Unrecht zu
dem Ergebnis gelangt, dass der geldwerte Vorteil aus der
Ausübung der am 23.12.1997 gewährten Aktienoption zu
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
führt. Denn die getroffenen Feststellungen tragen diese
Würdigung nicht.
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1. Zu den Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und
die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das
Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft
zufließen.
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a) Vorteile werden
„für“ eine Beschäftigung gewährt,
wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des
Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil
mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt
wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung
für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 20.5.2010 VI R 12/08, BFHE 230, 136, BStBl II 2010,
1069 = SIS 10 26 88, m.w.N.).
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b) Kein Arbeitslohn liegt allerdings u.a. vor,
wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen
sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender
Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird
(BFH-Urteile vom 22.3.1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II
1985, 529 = SIS 85 18 29; vom 17.6.2009 VI R 69/06, BFHE 226, 47,
BStBl II 2010, 69 = SIS 09 29 90; vom 1.2.2007 VI R 72/05, BFH/NV
2007, 898 = SIS 07 61 66; in BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069 =
SIS 10 26 88; jeweils m.w.N.; Schneider, DB 2006, Beilage Nr. 6, 51
ff.). Als derartige Zuwendungen auf Grund von
Sonderrechtsbeziehungen kommen insbesondere die
Veräußerung und die entgeltliche (zeitlich befristete)
Nutzungsüberlassung von Sachen oder Rechten in Betracht
(BFH-Urteil in BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069 = SIS 10 26 88).
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2. Ob ein Leistungsaustausch zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer
Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem
nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist aufgrund einer in
erster Linie der Tatsacheninstanz obliegenden tatsächlichen
Würdigung zu entscheiden (BFH-Urteile vom 20.11.2008 VI R
25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382 = SIS 09 03 43; in BFH/NV
2007, 898 = SIS 07 61 66). Zwar ist die finanzrichterliche
Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt
auf Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine
Erfahrungssätze überprüfbar. Das FG hat jedoch im
Einzelnen darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in
rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat
(BFH-Beschluss vom 13.3.1997 I B 78/96, BFH/NV 1997, 772). Die
subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines
entscheidungserheblichen Sachverhalts ist nur dann ausreichend und
für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer
logischen, verstandesmäßig einsichtigen
Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den
Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen
getragen werden. Fehlt es an einer tragfähigen
Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen
Entscheidung oder fehlt die nachvollziehbare Ableitung dieser
Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen, so
liegt ein Verstoß gegen Denkgesetze vor (BFH-Urteil vom
11.11.2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34 = SIS 11 01 53, m.w.N.).
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3. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist
vorliegend zu bejahen. Denn der Schluss des FG, dass dem
Kläger die streitigen Aktienoptionen im Zusammenhang mit
seinem Arbeitsverhältnis überlassen worden sind, wird
nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Die Vorinstanz
ist vielmehr dem klägerischen Vortrag gefolgt und davon
ausgegangen, dass der Kläger seine Unternehmensanteile nur an
die C-Corporation veräußerte, weil diese mit den
Aktienoptionen noch „etwas auf den Kaufpreis
draufgelegt“ habe. Auch hat sich das FG den Vortrag des
Klägers, dass „die zusätzliche Geldleistung in
Gestalt der Optionen auf die Aktien nur deswegen nicht als Entgelt
für die Veräußerung der Gesellschaftsanteile
bezeichnet worden sei, weil die Erwerberin den bereits durch die
Aufsichtsgremien in den USA genehmigten Barverkaufspreis nicht habe
erhöhen können“, zu eigen gemacht. In einem
solchen Fall liegt es nahe, dass der streitige Vorteil nicht als
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der
individuellen Arbeitskraft, sondern als zusätzlicher
Veräußerungspreis gewährt worden ist. Dem steht
insbesondere nicht entgegen, dass die Aktienoptionen dem
Kläger in einem Anstellungsvertrag eingeräumt und in
diesem als Tätigkeitsvergütung bezeichnet worden sind.
Denn im Einkommensteuerrecht ist der verwirklichte
Lebenssachverhalt nach seinem wirtschaftlichen Gehalt und nicht
nach seiner äußeren Erscheinungsform zu beurteilen.
Ausschlaggebend ist nicht das formal Erklärte oder
formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte
und das tatsächlich Bewirkte. Belastbare Feststellungen hierzu
hat das FG jedoch nicht getroffen.
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4. Im zweiten Rechtsgang wird das FG
Gelegenheit haben, entsprechende Feststellungen nachzuholen und auf
deren Grundlage erneut und umfassend zu würdigen, ob die
Aktienoptionen und damit letztlich der Vorteil aus der
Ausübung dieses Rechts durch das Arbeitsverhältnis des
Klägers veranlasst war oder als zusätzliche,
gegebenenfalls nach § 17 EStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 der Abgabenordnung steuerbare Gegenleistung für die
veräußerten Unternehmensanteile zu beurteilen ist. Dabei
hat es auch die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers und
insbesondere des Arbeitgebers in den Blick zu nehmen
(Schmidt/Drenseck, EStG, 30. Aufl., § 19 Rz 25).
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5. Angesichts dessen braucht der Senat nicht
zu entscheiden, ob dem FG die von der Revision gerügten
Verfahrensfehler unterlaufen sind (Senatsurteil vom 11.2.2010 VI R
65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628 = SIS 10 08 18,
m.w.N.).
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