Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 1.12.2015 1 K 1387/15 E = SIS 16 04 07 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten um die
Steuerbarkeit einer Ausgleichszahlung für rechtswidrig
erbrachte Mehrarbeit.
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Die zusammenveranlagten Kläger und
Revisionskläger (Kläger) erzielten im Streitjahr 2012
u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der
Kläger stand als Feuerwehrbeamter im Dienst der Stadt A. In
den Jahren 2002 bis 2007 betrug die wöchentliche Dienst- bzw.
Arbeitszeit des Klägers entgegen geltenden Rechts teilweise
mehr als 48 Stunden. Die Stadt A gewährte dem Kläger
daher im Februar und Oktober 2012 für die rechtswidrig
geleistete Mehrarbeit eine Ausgleichszahlung in Höhe von
14.537,16 EUR. In der Steuererklärung für das Jahr 2012
gab der Kläger die erhaltene Zahlung als Entschädigung
bzw. Arbeitslohn für mehrere Jahre an. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) bezog den Betrag als nach
§ 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere
Jahre in die Veranlagung der Kläger ein. Ein entsprechender
Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 erging am
27.12.2013. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 10.4.2015 als unbegründet
zurückgewiesen.
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Die nachfolgend erhobene Klage wurde vom
Finanzgericht (FG) mit seiner in EFG 2016, 291 = SIS 16 04 07
veröffentlichten Entscheidung als unbegründet
abgewiesen.
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Mit ihrer Revision bringen die Kläger
vor: Die empfangene Zahlung sei kein Arbeitslohn. Denn sie beruhe
auf einer schuldhaften Verletzung der Arbeitgeberpflichten des
Dienstherrn und sei als Schadensersatz einzuordnen. Der Gerichtshof
der Europäischen Union (EuGH) habe in seiner Entscheidung
Fuß vom 25.11.2010 C-429/09 (EU:C:2010:717) dargelegt, dass
der vorrangig durch Freizeitausgleich zu erfüllende Anspruch
ein Schadensersatzanspruch sei. Auch das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) habe in seiner Entscheidung vom 26.7.2012 2 C 70/11 (NVwZ
2012, 1472) darauf verwiesen, dass der Geldausgleich nur in
Anlehnung an die zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit
geltenden Stundensätze für Mehrarbeit zu gewähren
sei. Die Zahlung stelle sich nicht als Frucht der Arbeitsleistung
dar. Die Zahlung sei daher keine Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft. Dies folge
schon aus dem erheblichen Zeitablauf zwischen Erbringung der
Leistung und Zahlung der Entschädigung. Die
Entschädigungszahlung habe vielmehr einen Schaden im
Privatvermögen ausgeglichen. Denn der Kläger habe nur
einen Anspruch auf Freizeitausgleich geltend machen können.
Wenn dieser - aus welchen Gründen auch immer - nicht
gewährt werden könne, führe das nicht zu
Arbeitslohn. Die Sachlage sei nicht mit der Abgeltung verfallenen
Urlaubs vergleichbar. Statt dessen liege eher eine
Entschädigungszahlung für entgangene Urlaubsfreude wie im
Reisevertragsrecht vor.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, das Urteil des FG Münster vom 1.12.2015
und die Einspruchsentscheidung vom 10.4.2015 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2012 vom 27.12.2013 dahingehend zu
ändern, dass Einnahmen in Höhe von 14.537,16 EUR nicht
der Besteuerung zu unterwerfen sind.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
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Das FG hat zutreffend die dem Kläger
zugeflossene Entschädigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4,
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4
der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) als steuerbaren
Arbeitslohn eingeordnet.
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1. Zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen,
Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine
Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 LStDV sind Arbeitslohn alle Einnahmen,
die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen;
es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form
die Einnahmen gewährt werden.
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a) Eine Veranlassung durch das individuelle
Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem
Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis
zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen
Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im
weitesten Sinne als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des
Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.5.2014 VI R 73/12, BFHE
245, 230, BStBl II 2014, 904 = SIS 14 18 26; vom 19.11.2015 VI R
74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303 = SIS 16 01 45, und VI R
47/14, BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301 = SIS 16 01 44; Eisgruber
in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 19 Rz 62; Schmidt/Krüger,
35. Aufl., § 19 Rz 45; Blümich/Geserich, § 19 EStG
Rz 190).
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b) Kein Arbeitslohn liegt allerdings vor, wenn
die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund
sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender
Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird
(ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 1.2.2007
VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898 = SIS 07 61 66; vom 30.6.2011 VI R
80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948 = SIS 11 29 94, und vom
20.11.2011 VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382 = SIS 09 03 43, m.w.N.). Daher führen Schadensersatzleistungen des
Arbeitgebers nicht zu steuerbarem Arbeitslohn. Bei wertender
Betrachtung erweist sich etwa der Ersatz des dem Arbeitnehmer aus
einer auf schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers beruhenden
fehlerhaften Besteuerung entstandenen Schadens nicht als Frucht
seiner Arbeitsleistung. Vielmehr wird ein dem Arbeitnehmer in
dessen Privatvermögen entstandener Schaden ausgeglichen. Der
Arbeitnehmer erhält die Zuwendung nicht, weil er eine
Arbeitsleistung erbracht hat, sondern weil ihm gegen den
Arbeitgeber ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensausgleich
zusteht. Dass dieser Anspruch ohne das Arbeitsverhältnis nicht
entstanden wäre, ist unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom
20.9.1996 VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144 = SIS 97 02 27; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, Rz D 86; Schmidt/Krüger,
a.a.O., § 19 Rz 100 Stichwort
„Schadensersatz“).
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c) Die Beantwortung der Frage, ob eine
Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt
in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG.
Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen
Einkunftsart oder dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen ist,
kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen
Umstände des Einzelfalls entschieden werden (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 898 = SIS 07 61 66; in BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948 = SIS 11 29 94, und in
BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382 = SIS 09 03 43, m.w.N.). Die
Tatsachenwürdigung des FG ist revisionsrechtlich bindend,
soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und
nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von
Erfahrungssätzen beeinflusst ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
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2. Nach Maßgabe der vorgenannten
Rechtsgrundsätze ist das FG ohne Rechtsfehler im Rahmen seiner
tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die
an den Kläger geleistete Entschädigungszahlung
steuerbaren Arbeitslohn darstellt.
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a) Das FG ist in seiner Entscheidung unter
Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls
zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Leistung der
Stadt A als Frucht der Arbeitsleistung des Klägers darstellt.
Der Kläger hat die streitige Zahlung nach den Feststellungen
des FG ausschließlich für die gegenüber der Stadt A
geleisteten (zusätzlichen) Dienste im Rahmen seines
Dienstverhältnisses erhalten. Der Kläger hat die Zahlung
sowohl dem Grund als auch der Höhe nach nur für die von
ihm geleistete Mehrarbeit und nicht etwa unabhängig davon
für eine Verletzung der Arbeitgeberpflichten der Stadt A
erhalten. Dies belegt nach den Feststellungen auch die konkrete
Berechnung der Entschädigungszahlung im Einzelfall durch den
Arbeitgeber des Klägers in Anlehnung an das Gesetz über
die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten. Zudem konnte das FG seine
Entscheidung auf den Umstand stützen, dass die Zahlung
(unstreitig) nicht geleistet worden wäre, wenn die
rechtswidrige Mehrarbeit nicht erbracht worden wäre. Sachgrund
für die Zahlung war mithin nicht eine einen
Schadensersatzanspruch begründende Handlung der Stadt A,
sondern allein die Erbringung der Arbeitsleistung des Klägers.
Damit war auf der Grundlage der Feststellungen des FG die Annahme
steuerbaren Arbeitslohns ohne Rechtsfehler möglich (für
die Steuerbarkeit auch Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer
Lohnsteuer, Stichwort „Mehrarbeitsentlohnung“;
Datev, Lexikon für das Lohnbüro 2015, Stichwort
„Mehrarbeitslohn/Mehrarbeitszuschläge“).
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b) Die Ausführungen des FG lassen auch
unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen der
Kläger keine Rechtsfehler erkennen.
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aa) Insbesondere führt die Entscheidung
Fuß des EuGH (EU:C:210:717) zu keiner anderen Beurteilung der
Rechtslage. Auch wenn die Entschädigung des Klägers nach
den Gründen der genannten Entscheidung Ausfluss eines
unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs ist, steht dies einer
Einordnung als Arbeitslohn nicht entgegen. Denn nach § 2 Abs.
1 Satz 2 LStDV ist es unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder
in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Diese Einordnung
durch das nationale Recht ist auch unionsrechtskonform. Nach dem
EuGH-Urteil Fuß (EU:C:2010:717, Rz 93 und 94) richten sich
die Rechtsfolgen des unionsrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach
nationalem Recht. Insoweit ist es dem betroffenen Mitgliedstaat
freigestellt, auf welche Art und in welcher Form der Schadensersatz
gewährt wird, also ob dies in Gestalt von Freizeitausgleich
oder steuerbarem Arbeitslohn erfolgt.
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bb) Im Übrigen steht einem Beamten
für die unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit neben einem
möglichen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zugleich
ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch aus den Grundsätzen
von Treu und Glauben in Verbindung mit den Regeln über den
Ausgleich von Mehrarbeit zu (vgl. BVerwG-Urteile vom 26.7.2012 2 C
29/11, BVerwGE 143, 381, und in NVwZ 2012, 1472). Dieser
Ausgleichsanspruch gehört als Ausfluss aus dem
beamtenrechtlichen Dienstverhältnis zu den Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit, so dass auch insoweit die
rechtliche Würdigung des FG ohne Rechtsverstoß erfolgt
ist.
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cc) Der zeitliche Abstand zwischen Leistung
und Zufluss der Einnahmen steht der Steuerbarkeit nicht entgegen.
Für die Einordnung als steuerbarer Arbeitslohn kommt es allein
auf die Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis
an. Der Zeitpunkt des Zuflusses hat für die Frage der
Steuerbarkeit keine Bedeutung.
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3. Ob vom FA die Tarifermäßigung
(§ 34 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) zu Recht
gewährt worden ist, kann wegen des im finanzgerichtlichen
Verfahren geltenden Verböserungsverbots offenbleiben (zum
Verböserungsverbot vgl. Gräber/Ratschow,
Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 96 Rz 51, m.w.N.).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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