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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war als Arbeitnehmer beschäftigt. Seine
Arbeitgeberin befand sich im Jahr 2006 in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten. Deshalb übernahm ein Kreditinstitut in einem
mit der Arbeitgeberin geschlossenen Vertrag die Vorfinanzierung der
Arbeitslöhne. Wie vereinbart erwarb das Kreditinstitut dazu
durch gesonderte Forderungskaufverträge u.a. die
Arbeitslohnforderungen des Klägers gegen Auszahlung eines
Betrages in Höhe des jeweiligen Nettolohns für die Monate
Oktober und November des Jahres 2006. Diese Beträge wurden an
den Kläger im Jahr 2006 überwiesen. Die Arbeitgeberin
verpflichtete sich gegenüber dem Kreditinstitut, die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum 1.1.2007
sicherzustellen.
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Nachdem das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde, bewilligte die Agentur für Arbeit im
Februar 2007 Insolvenzgeld für die Monate Oktober bis Dezember
des Jahres 2006 in Höhe von insgesamt 4.337,01 EUR. Wegen des
entgeltlichen Erwerbs der klägerischen Arbeitslohnforderungen
überwies die Agentur für Arbeit im Februar 2007 für
die Monate Oktober und November des Jahres 2006 2.912,10 EUR an das
Kreditinstitut. Der Teilbetrag für den Monat Dezember des
Jahres 2006 in Höhe von 1.424,91 EUR wurde dem Kläger im
Februar 2007 überwiesen. Ihm wurde eine Bescheinigung
über den Bezug des Insolvenzgeldes für den
Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Oktober bis 31.12.2006 zur Vorlage
beim Finanzamt ausgestellt.
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Der Kläger gab in seiner
Einkommensteuererklärung für 2006 Insolvenzgeld in
Höhe der Nettoauszahlungsbeträge der Monate Oktober und
November 2006 an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) erfasste dagegen das gesamte Insolvenzgeld im Streitjahr
2007.
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Die dagegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit
den in EFG 2011, 1064 = SIS 11 09 76 veröffentlichten
Gründen ab.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt, den Gerichtsbescheid des FG
Baden-Württemberg vom 23.12.2010 1 K 4861/08 aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid dahingehend abzuändern, dass
Insolvenzgeld nur in Höhe von 1.424,91 EUR unter Anwendung des
Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung
in der Sache selbst durch Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Denn das FG hat
im Streitjahr 2007 Insolvenzgeld in Höhe von 2.912,10 EUR zu
Unrecht der Einkommensteuer unterworfen.
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1. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG
ist auf das zu versteuernde Einkommen u.a. dann ein besonderer
Steuersatz (sog. Progressionsvorbehalt) anzuwenden, wenn ein
zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums
unbeschränkt Steuerpflichtiger Insolvenzgeld bezogen hat. Nach
§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a 2. Halbsatz EStG ist
Insolvenzgeld, das nach § 188 Abs. 1 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB III) einem Dritten zusteht, dem Arbeitnehmer
zuzurechnen.
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a) Soweit Insolvenzgeld vorfinanziert wird,
das nach § 188 Abs. 1 SGB III einem Dritten zusteht, ist die
Gegenleistung für die Übertragung des
Arbeitsentgeltanspruchs als Insolvenzgeld i.S. des § 32b Abs.
1 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen.
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aa) Das für die Übertragung des
Arbeitsentgeltanspruchs auf den Vorfinanzierenden gezahlte Entgelt
ist nach der arbeitsförderungsrechtlichen Systematik und den
wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten derart mit dem
Insolvenzgeldanspruch verknüpft, dass es auch
einkommensteuerrechtlich als Äquivalent zum eigentlichen
Insolvenzgeldanspruch anzusehen ist. Das
Arbeitsförderungsrecht ermöglicht dem Arbeitnehmer eine
vor dem Eintritt des Insolvenzereignisses liegende Verwertung
künftiger Insolvenzgeldansprüche. Soweit ein Arbeitnehmer
einem Dritten Ansprüche auf Arbeitsentgelt übertragen
hat, geht dieser Anspruch nach § 188 Abs. 1 SGB III
inhaltsgleich auf diesen über. Eine Abtretung kann bereits vor
dem Insolvenzereignis und mithin vor der Entstehung des
Insolvenzgeldanspruchs erfolgen (vgl. § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB
III). Der zukünftig entstehende Anspruch auf Insolvenzgeld
verschafft dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Sicherung, die im
Fall der Abtretung dem Zessionar zugutekommt (Peters-Lange in
Gagel, SGB III, § 188 Rz 5; Schön/Kruse in LPK-SGB III,
§ 188 Rz 16). Kommt es zur Insolvenz, ist der Vorfinanzierende
durch den auf ihn übergegangenen Insolvenzgeldanspruch
gesichert (Krodel in Niesel/Brand, SGB III, § 188 Rz 9).
Dementsprechend wird ein solcher Vorgang auch als
„Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes“ bzw. als
„Vorfinanzierung des Insolvenzgeldanspruchs“
bezeichnet (Peters-Lange, a.a.O., § 188 Rz 70; Krodel, a.a.O.,
§ 188 Rz 14).
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bb) Überdies gebietet der Zweck des
Progressionsvorbehalts die Erfassung der entgeltlichen Verwertung
durch den Arbeitnehmer. Denn der Progressionsvorbehalt
berücksichtigt in verfassungsrechtlich gebotener Weise das
infolge der Lohnersatzleistung erhöhte Leistungsvermögen
des Steuerpflichtigen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
17.1.2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269, BStBl II 2011, 21 = SIS 08 12 30; vom 11.9.1987 VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; BFH-Beschluss vom
29.7.2005 VI B 199/04, BFH/NV 2005, 2002 = SIS 05 44 97).
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b) Die in den Fällen des § 188 Abs.
1 SGB III für die Übertragung des Arbeitsentgeltanspruchs
an ihn gewährten Entgelte hat der Arbeitnehmer im Zeitpunkt
der Auszahlung der vorfinanzierten Beträge i.S. des § 32b
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bezogen.
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aa) Leistungen i.S. des § 32b Abs. 1 Nr.
1 Buchst. a EStG sind „bezogen“, wenn sie nach
den Regeln über die Überschusseinkünfte
gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG
„erzielt“ wurden. Abzustellen ist insoweit also
auf den Zuflusszeitpunkt i.S. des § 11 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil
vom 12.10.1995 I R 153/94, BFHE 179, 262, BStBl II 1996, 201 = SIS 96 08 34). Da die vorfinanzierten Beträge als Insolvenzgeld im
Sinne der Vorschrift anzusehen sind, hat der Arbeitnehmer im
Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht über die
Auszahlungsbeträge Insolvenzgeld i.S. des § 32b Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a EStG bezogen.
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bb) Nichts anderes ergibt sich aus der durch
Art. 1 Nr. 12 Buchst. c des Steueränderungsgesetzes 2003
eingeführten verfahrensrechtlichen Regelung des § 32b
Abs. 4 Satz 3 EStG. Nach dieser Bestimmung hat die Bundesagentur
für Arbeit in den Fällen des § 188 Abs. 1 SGB III
bei der Datenübermittlung an eine amtlich bestimmte
Übermittlungsstelle den Arbeitnehmer als Empfänger der
„im Kalenderjahr gewährten Leistungen“
anzusehen. Hierdurch wird keine Aussage zum Zuflusszeitpunkt
getroffen. Die Regelung des § 32b Abs. 4 Satz 3 EStG setzt den
Zufluss i.S. des § 11 EStG vielmehr voraus. Denn nach den
Gesetzesmaterialien sollte für Zwecke der
Datenübermittlung einzig klargestellt werden, dass der
Arbeitnehmer als Empfänger anzusehen ist (BTDrucks 15/1562,
33). Der gesetzgeberische Anlass, dem Arbeitnehmer auch auf Dritte
übergegangene Insolvenzgelder zuzurechnen, begründet
jedoch keine Suspendierung des allgemeinen Zuflussprinzips für
die in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG genannten
Leistungen.
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cc) Auf § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG
finden §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 2 EStG weder
unmittelbare noch analoge Anwendung.
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Das nach den §§ 183 ff. SGB III
gezahlte Insolvenzgeld ist kein Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zuwendungen wegen anderer Rechtsbeziehungen
oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis
beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
stellen keinen Arbeitslohn dar (BFH-Urteil vom 30.6.2011 VI R
80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948 = SIS 11 29 94, m.w.N.).
Das Insolvenzgeld wird bei Zahlungsunfähigkeit des
Arbeitgebers als Entgeltersatzleistung an Arbeitnehmer gezahlt
(§ 116 Nr. 5 SGB III). Es wird mithin nicht für die
Erbringung einer Dienstleistung, sondern wegen der
Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gezahlt (vgl. auch
BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 93/98, BFHE 193, 555, BStBl II 2001,
199 = SIS 01 05 56, betreffend Konkursausfallgeld).
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Mangels vergleichbarer Interessenlage kommt
auch eine analoge Anwendung von §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a
Abs. 1 Satz 2 EStG nicht in Betracht. Nach dieser Bestimmung wird
der Arbeitgeber der Pflicht enthoben, bei Lohnzahlungen für
kalenderjahrübergreifende Lohnzahlungszeiträume die
Arbeitslöhne nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auf das
abgelaufene und das neue Kalenderjahr aufzuteilen (BFH-Urteil vom
22.7.1993 VI R 104/92, BFHE 171, 555, BStBl II 1993, 795 = SIS 93 19 40). Die hierdurch bezweckte Erleichterung der Lohnabrechnung
kann allerdings dann nicht eintreten, wenn es - wie bei der
Gewährung von Insolvenzgeld - gerade an einer Zahlung durch
den Arbeitgeber fehlt.
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Wegen der Auszahlungsmodalität des
Insolvenzgeldes stellt sich zudem die Frage nach der
Zugehörigkeit zu einem einzelnen Lohnzahlungszeitraum nicht.
Denn es wird nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für einen
Insolvenzgeld-Zeitraum von drei Monaten gewährt und nach
§ 337 Abs. 3 Satz 2 SGB III nachträglich in einer Summe
ausgezahlt. Nichts anderes gilt bei einer Vorfinanzierung, bei der
der Anspruch auf das Insolvenzgeld nach § 188 Abs. 1 SGB III
deckungsgleich auf einen Dritten übergeht.
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c) Die Auszahlung des einem Dritten
zustehenden Insolvenzgeldanspruchs an den Dritten bewirkt entgegen
der Ansicht des FG keinen gleichzeitigen Zufluss von Insolvenzgeld
beim Arbeitnehmer.
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Nach den BFH-Urteilen vom 15.11.2007 VI R
66/03 (BFHE 219, 313, BStBl II 2008, 375 = SIS 08 08 36) und vom
16.3.1993 XI R 52/88 (BFHE 171, 70, BStBl II 1993, 507 = SIS 93 12 33) fließt bei einem gesetzlichen Forderungsübergang
gemäß § 115 Abs. 1 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch der übergegangene Arbeitslohn dem
Arbeitnehmer - steuerrechtlich im abgekürzten Zahlungsweg - in
dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitslohn durch eine Zahlung des
Arbeitgebers beim Zessionar eingeht. Mit dem Zufluss des
Arbeitslohns geht wirtschaftlich jedoch die Rückzahlung der
zuvor an den Arbeitnehmer geleisteten Sozialleistungen einher.
Durch diese Erstattung des Arbeitnehmers wird das mit dem
gesetzlichen Forderungsübergang verbundene Ziel der
Rückzahlung der gewährten Sozialleistungen erreicht. Die
aus dieser Rückzahlung folgende geringere steuerliche
Leistungsfähigkeit wird über einen negativen
Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG berücksichtigt
(BFH-Urteil in BFHE 219, 313, BStBl II 2008, 375 = SIS 08 08 36).
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Davon sind die Fälle zu unterscheiden, in
denen ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsentgeltanspruch im Hinblick
auf zukünftig zu erwartende Leistungen eines
Sozialleistungsträgers an einen Dritten entgeltlich
überträgt und sie dadurch wirtschaftlich verwertet.
Insoweit ist seine steuerliche Leistungsfähigkeit um den
Betrag erhöht, den der Dritte an ihn leistet. Dass mit der
Auszahlung des Insolvenzgeldes durch den Sozialleistungsträger
an den Dritten der Arbeitsentgeltanspruch nach § 187 Satz 1
SGB III letztlich auf den Sozialleistungsträger übergeht,
ist insoweit nicht relevant. Denn erst wenn der Arbeitgeber den
Arbeitslohn an den Sozialleistungsträger zahlt, ist nach den
genannten Entscheidungen bei dem Arbeitnehmer ein
Arbeitslohnzufluss anzunehmen, mit dem ein negativer
Progressionsvorbehalt zusammentrifft.
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2. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen
Grundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache
ist spruchreif. Nach den mit Revisionsrügen nicht
angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG wurde dem Kläger
lediglich der auf den Monat Dezember 2006 entfallende Teil des
Insolvenzgeldes im Februar des Streitjahres 2007 durch die Agentur
für Arbeit überwiesen. Folglich ist dieser Betrag im
Streitjahr nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG dem
Progressionsvorbehalt zu unterwerfen.
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