Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 26.04.2018 - 4 K
571/16 = SIS 18 09 22aufgehoben.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31.07.2014 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016 wird dahingehend
geändert, dass der Verschonungsabschlag für den Erwerb
des Kommanditanteils anteilig für vier statt für drei
Jahre gewährt wird.
Die Berechnung der Erbschaftsteuer wird dem
Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Der am 02.06.2010 verstorbene Erblasser
wurde von dem Kläger und Revisionskläger (Kläger)
und seinem Bruder je zur Hälfte beerbt. Der Erblasser war zum
Zeitpunkt seines Todes als Kommanditist an einer GmbH und Co. KG
(KG) beteiligt.
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Mit Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am
Betriebsvermögen auf den 02.06.2010 vom 29.07.2013 stellte das
dafür zuständige Finanzamt -
erklärungsgemäß - zunächst einen Wert des
Kommanditanteils in Höhe von 26.020.059 EUR fest, von welchem
auf jeden der beiden Miterben ein hälftiger Anteil von jeweils
13.010.030 EUR entfiel. Der Feststellungsbescheid erging unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ermittelte einen Wert des Erwerbs in Höhe
von 13.131.846 EUR und berücksichtigte u.a. einen
Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr 2010 geltenden
Fassung (ErbStG a.F.) in Höhe von 11.058.525,08 EUR (85 % von
13.010.030 EUR). Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in
Höhe von 1.791.200 EUR setzte es mit Bescheid vom 18.09.2013
Erbschaftsteuer in Höhe von 340.328 EUR gegen den Kläger
fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Der Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am
Betriebsvermögen wurde in der Folgezeit mehrfach
geändert. Zuletzt mit Bescheid vom 03.06.2014 änderte das
für die Feststellung zuständige Finanzamt die gesonderte
und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am
Betriebsvermögen und stellte den Wert des Anteils auf
9.587.352 EUR fest. Es rechnete jedem der beiden Miterben einen
hälftigen Anteil von 4.793.676 EUR zu und hob den Vorbehalt
der Nachprüfung auf.
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Am 01.06.2014 wurde über das
Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Im
Januar 2015 wurden wesentliche Teile des Betriebsvermögens
durch den Insolvenzverwalter veräußert.
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Mit Änderungsbescheid vom 31.07.2014
erfasste das FA den Anteil am Betriebsvermögen in Höhe
von 4.793.676 EUR und gewährte den Verschonungsabschlag nach
§ 13a Abs. 1 ErbStG a.F. lediglich anteilig für drei
Jahre in Höhe von 2.444.774,76 EUR (4.793.676 EUR × 85 %
× 3/5). Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb in
Höhe von 2.274.900 EUR setzte es die Erbschaftsteuer auf
432.231 EUR herauf. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde
aufgehoben. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016 als unbegründet
zurück.
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Mit der Klage begehrte der Kläger die
Berücksichtigung eines Verschonungsabschlags nach § 13a
Abs. 1 ErbStG a.F. in Höhe von 3.259.700 EUR (4.793.676 EUR
× 85 % × 4/5) für vier Jahre statt des angesetzten
in Höhe von 2.444.775 EUR für nur drei Jahre. Nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der
Geschäftsbetrieb der Firma durch den Insolvenzverwalter
zunächst fortgeführt worden, die Produktion sei
unverändert weitergelaufen und die Mitarbeiter des
Unternehmens seien nicht entlassen worden. Bei
Personengesellschaften stelle die bloße Eröffnung des
Insolvenzverfahrens keinen Veräußerungstatbestand dar.
Dabei sei auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die
in § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwendeten
Begriffe der „Veräußerung“ und
„Aufgabe“ abzustellen. Eine Betriebsaufgabe i.S. des
§ 16 EStG setze bei Personengesellschaften und
Einzelunternehmen regelmäßig die endgültige
Einstellung der bisher in dem Betrieb entfalteten gewerblichen
Tätigkeit aufgrund eines Aufgabeentschlusses voraus. Der
Betrieb müsse als selbständiger Organismus des
Wirtschaftslebens zu bestehen aufhören. In der bloßen
Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege noch keine
Betriebsbeendigung.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Seiner Auffassung nach stellt die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft eine
Betriebsaufgabe i.S. des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F.
dar. Maßgebender Zeitpunkt i.S. des § 13a Abs. 5 Satz 2
ErbStG a.F. sei der Beschluss über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen einer Personengesellschaft beende zwar
nicht die Mitunternehmerschaft. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz
2 ErbStG a.F. führe im Bereich der Kapitalgesellschaften
jedoch als nachträglichen Versagungsgrund für die
Steuervergünstigung ausdrücklich die Auflösung der
Kapitalgesellschaft an.
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Sowohl die Kapitalgesellschaft als auch die
Personengesellschaft würden im Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens als aufgelöst gelten. Der
Rechtsgedanke des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F.
gelte folglich auch für die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer
Personengesellschaft. Insolvenzrechtlich werde grundsätzlich
nicht zwischen Personengesellschaften und juristischen Personen
differenziert. In beiden Fällen käme es mit der
Insolvenzeröffnung zu einer Zuführung wesentlicher
Betriebsgrundlagen zu anderen betriebsfremden Zwecken, nämlich
der bestmöglichen und gleichmäßigen
Gläubigerbefriedigung. Die Steuerbegünstigung des §
13a ErbStG a.F. solle dem Erwerber jedoch eine
Betriebsfortführung u.a. zur Erhaltung von Arbeitsplätzen
erleichtern. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der
Grund für die Steuerbegünstigung wie bei Aufgabe des
Gewerbebetriebs nachträglich weggefallen. Die Entscheidung des
FG ist in EFG 2018, 1276 = SIS 18 09 22
veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger
eine Verletzung von § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. Die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
einer Personengesellschaft führe ertragsteuerrechtlich noch
nicht zur Aufgabe des Gewerbebetriebs einer Personengesellschaft.
Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibe die
Gesellschaft ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG.
Dementsprechend habe das dafür zuständige Finanzamt auch
für das vollständige Kalenderjahr 2014 eine gesonderte
und einheitliche Feststellung der Einkünfte vorgenommen. Eine
einheitliche Behandlung von Personengesellschaften und
Kapitalgesellschaften sei nicht geboten. Die Vorschriften zur
Nachversteuerung in § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. seien sehr
differenziert und auch an der Rechtsform des erworbenen
Vermögens ausgerichtet.
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Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom
31.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.04.2016
dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 277.395
EUR herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung
des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der
Auffassung des FG führt nicht bereits die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG zum
anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags, sondern erst die
spätere Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen
durch den Insolvenzverwalter.
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1. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F.
bleibt der Wert von Betriebsvermögen, land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an
Kapitalgesellschaften i.S. des § 13b Abs. 4 ErbStG a.F.
insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag).
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a) Der Verschonungsabschlag fällt mit
Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber einen
Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG innerhalb von fünf
Jahren (Behaltensfrist) veräußert, wobei als
Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs gilt
(vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F.). Gleiches
gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs
veräußert oder in das Privatvermögen
überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken
zugeführt werden (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2
Halbsatz 1 ErbStG a.F.).
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b) Beim Erwerb von Anteilen an
Kapitalgesellschaften i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG a.F.
fällt der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die
Vergangenheit weg, soweit der Erwerber den Anteil ganz oder
teilweise veräußert (vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4
Satz 1 ErbStG a.F.). Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft
innerhalb der Frist aufgelöst wird (vgl. § 13a Abs. 5
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F.).
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c) Der Wegfall des Verschonungsabschlags
beschränkt sich in den Fällen des § 13a Abs. 5 Satz
1 Nrn. 1, 2, 4 und 5 ErbStG a.F. auf den Teil, der sich aus dem
Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen
Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich
des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten
Behaltensfrist ergibt (§ 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG a.F.).
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2. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F.
ist aufgrund der weitgehenden Korrespondenz der
Nachversteuerungstatbestände mit den Erwerbstatbeständen
dahingehend auszulegen, dass die Alternative „Aufgabe
eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG“ auch die Fälle erfasst, in denen
eine Aufgabe des (ganzen) Gewerbebetriebs durch eine
Mitunternehmerschaft erfolgt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 16.02.2005 - II R 39/03, BFHE 209, 143, BStBl II 2005, 571 =
SIS 05 29 92).
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Auf die Gründe für die
Veräußerung oder Betriebsaufgabe kommt es für die
Nachversteuerung nicht an (BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II
2005, 571 = SIS 05 29 92). Daher führen z.B. auch die
zwangsweise Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher
Anordnung (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.2010 - II R 3/09, BFHE 229,
369, BStBl II 2010, 749 = SIS 10 18 66), die insolvenzbedingte
Aufgabe des Betriebs (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2010 - II R 35/09,
BFH/NV 2010, 1601 = SIS 10 26 25) oder die insolvenzbedingte
Veräußerung des Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteil
vom 04.02.2010 - II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663 =
SIS 10 09 17) zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.
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3. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen einer KG führt wie die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
einer Kapitalgesellschaft zur Auflösung der Gesellschaft.
Für die KG folgt dies aus §§ 161 Abs. 2 i.V.m. 131
Abs. 1 Nr. 3 des Handelsgesetzbuches, für
Kapitalgesellschaften aus § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes
betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und aus
§ 262 Abs. 1 Nr. 3 des Aktiengesetzes.
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a) Ertragsteuerrechtlich führt die
Auflösung der Kapitalgesellschaft zu einer
Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG (§ 17
Abs. 4 Satz 1 EStG). Erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich
führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft zum
nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags (§ 13a
Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F.). Folglich fällt mit
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
einer Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach §
13a Abs. 1 ErbStG a.F. für den Erwerb eines Anteils an einer
Kapitalgesellschaft anteilig rückwirkend weg (vgl. BFH-Urteil
vom 21.03.2007 - II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321 = SIS 07 20 20).
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b) Demgegenüber führt die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
einer KG ertragsteuerrechtlich nicht zu einer Betriebsaufgabe und
der Erfassung eines entsprechenden Veräußerungsgewinns
i.S. des § 16 EStG (BFH-Beschluss vom 01.10.2015 - X B 71/15,
BFH/NV 2016, 34 = SIS 15 28 38, Rz 25; vgl. Schmidt/Wacker, EStG,
39. Aufl., § 16 Rz 184). Folglich muss das zuständige
Finanzamt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
einheitliche und gesonderte Feststellungen treffen (vgl.
Uhländer in Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und
Steuern, 12. Aufl., Rz 1503).
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Eine Regelung, die § 13a Abs. 5 Satz 1
Nr. 4 Satz 2 ErbStG a.F. entspricht, der zufolge die Auflösung
einer Personengesellschaft zum nachträglichen Wegfall des
Verschonungsabschlags führen würde, enthält §
13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. nicht. In der Literatur wird
gleichwohl überwiegend die Auffassung vertreten, dass bereits
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine
Personengesellschaft eine Betriebsaufgabe i.S. des § 13a Abs.
5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. darstellt (vgl. Jülicher in
Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rz 271;
Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 13a Rz 140; Esskandari in
Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 13a ErbStG Rz 180;
differenzierend Geck in Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG, Rz 122).
Die Finanzverwaltung vertritt dieselbe Auffassung (vgl. R E 13 a.
13 Abs. I Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 vom
16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernr. 1/2019, S. 2, zu dem mit §
13a Abs. 5 ErbStG a.F. wortgleichen § 13a Abs. 6 ErbStG).
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4. Die bloße Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG führt
noch nicht zum nachträglichen (anteiligen) Wegfall des
Verschonungsabschlags.
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a) Nach dem klaren Wortlaut des § 13a
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. führen nur
die Veräußerung des Anteils an einer KG, die
Betriebsaufgabe oder die Veräußerung oder Entnahme
wesentlicher Betriebsgrundlagen zum nachträglichen Wegfall des
Verschonungsabschlags. Diese Begriffe sind eng an das
Ertragsteuerrecht angelehnt und entsprechend auszulegen. Die
bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft führt
ertragsteuerrechtlich - wie ausgeführt - nicht zur
Betriebsaufgabe. Für einen eigenen, nur für Zwecke der
Erbschaft- und Schenkungsteuer geltenden Begriff der
Betriebsaufgabe oder Veräußerung, der sich nicht an den
ertragsteuerrechtlichen Begriffen orientiert, besteht kein
Anlass.
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b) Die Auflösung einer KG führt -
anders als bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft - nicht
zum Wegfall des Verschonungsabschlags. Insoweit unterscheidet der
Gesetzgeber ausdrücklich zwischen der Auflösung einer
Kapitalgesellschaft und der Auflösung einer
Personengesellschaft. Entgegen der Auffassung des FG kann die
Regelung des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 ErbStG a.F. auch nicht
auf den Nachversteuerungstatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 1
Nr. 1 ErbStG a.F. entsprechend übertragen werden. Der
Gesetzgeber hat in § 13a Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 ErbStG
a.F. für unterschiedliche Erwerbsvorgänge
unterschiedliche Regelungen getroffen. Dies verbietet es,
vergleichbare Sachverhalte wie die Auflösung der Gesellschaft
entgegen dem Wortlaut und Willen des Gesetzgebers gleich zu
behandeln.
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c) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ist auch nicht mit der Betriebsaufgabe vergleichbar. Im Verlauf des
Insolvenzverfahrens ist es denkbar, dass der Betrieb zunächst
oder dauerhaft fortgeführt wird oder nur unwesentliche
Betriebsgrundlagen veräußert werden, um die
Gläubiger zu befriedigen. Erst wenn der Insolvenzverwalter den
Betrieb endgültig einstellt oder wesentliche
Betriebsgrundlagen veräußert, ist der Tatbestand des
§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. erfüllt.
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d) Auch im Hinblick auf den Zweck des §
13a Abs. 1 ErbStG a.F. folgt nicht, dass die
Steuerbegünstigung bereits mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens wegfallen muss.
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aa) Die Steuerbegünstigung nach §
13a ErbStG a.F. hat zum Ziel, das in besonderer Weise dem
Gemeinwohl dienende Vermögen angemessen zu begünstigen.
Deshalb sollen diejenigen Unternehmen von der Steuer entlastet
werden, bei denen im Zuge des Betriebsübergangs die
Arbeitsplätze weitestgehend gesichert werden (vgl.
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11.12.2007, BTDrucks 16/7918
vom 28.01.2008, S. 33; vgl. auch Wachter, in
Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Aufl., § 13a Rz 408). Die
Arbeitsplatzsicherung ist gegeben, wenn über eine bestimmte
Zeit hinweg der Betrieb nach dem Erwerbszeitpunkt fortgeführt
wird (vgl. Söffing in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, §
13a ErbStG Rz 13.4, Stand [01.03.2020]). Sie und damit auch die
Betriebsfortführung ohne Belastung durch die Erbschaft- und
Schenkungsteuer sind deshalb Ziel und Zweck des § 13a Abs. 5
Nr. 1 ErbStG a.F. (vgl. Söffing in Wilms/Jochum, a.a.O.,
§ 13a ErbStG Rz 13.4 und 145, Stand [01.03.2020]).
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bb) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
führt nicht zwingend und ausschließlich zur Zerschlagung
der Vermögenswerte. Dies folgt unmittelbar aus § 1 Satz 1
der Insolvenzordnung, wonach das Insolvenzverfahren auch dazu
dienen kann, Regelungen zum Erhalt des Unternehmens zu treffen.
Unerheblich ist, dass mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Personengesellschaft die Verfügungsbefugnis über deren
Vermögen auf den Insolvenzverwalter übergeht. Die
Steuerbegünstigung des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. setzt
nicht die Verfügungsbefugnis des Erwerbers voraus. Zum
begünstigten Vermögen gehören nach § 13b Abs. 1
Nr. 2 ErbStG a.F. u.a. Anteile an Gesellschaften i.S. des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG, und zwar unabhängig
davon, ob der Erwerber mit seinem Anteil wesentlichen Einfluss auf
die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben kann
oder gar mit der Geschäftsführung betraut ist.
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e) Aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH
folgt nichts anderes.
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Zwar führt danach die insolvenzbedingte
Aufgabe des Betriebs (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 1601 = SIS 10 26 25) oder die insolvenzbedingte Veräußerung des
Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteil in BFHE 228, 130, BStBl II
2010, 663 = SIS 10 09 17) zum anteiligen Wegfall des
Verschonungsabschlags. Damit ist jedoch nicht entschieden, dass
bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen einer Personengesellschaft - anders als bei einer
Kapitalgesellschaft - den Nachversteuerungstatbestand des §
13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG a.F. auslöst.
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33
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In dem vom FG zitierten BFH-Urteil in BFHE
209, 143, BStBl II 2005, 571 = SIS 05 29 92 war die Rechtsfrage zu
entscheiden, ob der Wegfall der Steuervergünstigungen des
§ 13a ErbStG a.F. aufgrund einer in der Insolvenz bzw. dem
Konkurs herbeigeführten „erzwungenen“
Aufgabe des Gesellschaftsanteils an der Personengesellschaft mit
dem Sinn und Zweck des Nachversteuerungstatbestandes vereinbar sei
oder nicht. Denn bei Verlust des steuerbegünstigt erworbenen
Vermögens durch Konkurs bzw. Insolvenz innerhalb der
Behaltensfrist könnten sich die höheren Risiken
betrieblich gebundenen Vermögens niedergeschlagen und deswegen
eine Nachversteuerung zu unterbleiben haben. Der BFH hat sich
für eine objektive Sicht entschieden, da sich die
„wahren“ Gründe für eine
Betriebsaufgabe nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen
ließen. Der Wegfall der Vergünstigung tritt damit
unabhängig davon ein, aus welchen Gründen begünstigt
erworbenes Betriebsvermögen veräußert oder ein
Betrieb aufgegeben wird (BFH-Urteil in BFHE 209, 143, BStBl II
2005, 571 = SIS 05 29 92). Dies besagt jedoch nicht, ob bereits die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder erst die
Betriebsaufgabe oder Veräußerung wesentlicher
Betriebsgrundlagen während des Insolvenzverfahrens den
Nachversteuerungstatbestand auslöst.
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5. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache
ist spruchreif. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl.
§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Nach § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG a.F.
beschränkt sich der Wegfall des Verschonungsabschlags auf den
Teil, der sich aus dem Verhältnis der im Zeitpunkt der
schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist
einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt,
zur gesamten Behaltensfrist ergibt. Stichtag des begünstigten
Erwerbs ist im Streitfall der 02.06.2010. Die schädliche
Verfügung erfolgte erst mit der - insoweit unstreitigen -
Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Laufe des
Insolvenzverfahrens im Januar 2015. Zu diesem Zeitpunkt war die
fünfjährige Behaltensfrist noch nicht abgelaufen.
Folglich fällt der Verschonungsabschlag in Höhe von einem
Fünftel statt - wie im Bescheid angenommen - in Höhe von
zwei Fünfteln weg.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO. Die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung folgt aus § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2
FGO. Die Entscheidung, dem FA die Berechnung der Erbschaftsteuer
aufzuerlegen, folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
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