Gesellschaftsanteil, Veräußerung unter aufschiebender Bedingung, wirtschaftliches Eigentum: Wird ein Gesellschaftsanteil unter einer aufschiebenden Bedingung veräußert, geht das wirtschaftliche Eigentum an dem Gesellschaftsanteil grundsätzlich erst mit dem Eintritt der Bedingung auf den Erwerber über, wenn ihr Eintritt nicht allein vom Willen und Verhalten des Erwerbers abhängt. - Urt.; BFH 25.6.2009, IV R 3/07; SIS 09 33 05
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte zu
1. (Kläger zu 1.) und S waren Komplementäre, die
Kläger und Revisionsbeklagten zu 2. bis 4. (Kläger zu 2.
bis 4.) Kommanditisten der X KG (KG); die Kläger zu 2. bis 4.
sind zugleich die Erben nach S. Weitere Komplementärin war die
X Beteiligungs GmbH.
Mit Vertrag vom 21.12.1993
veräußerten die Kläger und S ihre Anteile an der KG
an die Fa. Y Beteiligungs GmbH (GmbH). Darin war vereinbart, dass
die Kläger und S die Anteile mit dinglicher Wirkung zum
1.1.1994 auf die GmbH übertragen. Der Kaufpreis wurde für
alle Anteile mit 222 Mio. DM veranschlagt; er war in bar und in
Aktien der an der Schweizer Börse notierten Y AG (AG) zu
leisten. Umfang und Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis
bestimmten sich nach der Anlage 1a zum Vertrag. Danach übergab
die GmbH „an Zahlungs Statt“ 18.000 Namensaktien und
2.500 Inhaberaktien der AG. Die Aktien wurden zu den um 5 % sowie
den Gegenwert von 538.200 sfr in DM gekürzten
durchschnittlichen Börsenkursen im Dezember (bis 23.12.1993),
umgerechnet zum durchschnittlichen Devisenmittelkurs (bis
23.12.1993), angerechnet. Die Hälfte der Inhaberaktien war
erst nach einem Jahr „frei verfügbar“, d.h. sie
durften erst nach einem Jahr veräußert werden. Die
Namensaktien waren im ersten Jahr nicht veräußerbar,
danach jährlich 6.000 Stück. Die Aktien waren erstmals
für das Geschäftsjahr 1994 dividenden- und
stimmberechtigt. Die Kläger und S übernahmen die
Aufteilung des Kaufpreises. Der Vertrag stand unter der
aufschiebenden Bedingung, dass das Bundeskartellamt den
Zusammenschluss nicht innerhalb der Frist des § 24a Abs. 2 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) a.F. untersagt
oder vorab erklärt, die Untersagung nicht vornehmen zu
wollen.
Das Bundeskartellamt stimmte der
Übertragung am 25.3.1994 zu. Die Aktien gingen am 15.5.1994
auf die Kläger und S über. Die KG wurde im August 1994
beendet.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom
21.12.1993 hatte die GmbH auch sämtliche Anteile an der X
Beteiligungs GmbH erworben.
In der Feststellungserklärung für
das Streitjahr 1994 wurde ein Veräußerungsgewinn in
Höhe von insgesamt 151.180.234 DM erklärt. Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) stellte die
Einkünfte für das Streitjahr zunächst
erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gesondert und einheitlich fest. Bei einer
Außenprüfung ermittelte das FA einen um 3.970.843 DM
höheren Veräußerungsgewinn, da es die Aktien mit
den Börsenkursen vom 3.1.1994 (erster Börsentag des
Jahres 1994) abzüglich eines Betrags in Höhe von 970.209
DM wegen der fehlenden Dividendenberechtigung für 1993
bewertete; die in der Anlage 1a zum Vertrag vom 21.12.1993
vereinbarten Kürzungen um 5 % und den Gegenwert von 538.200
sfr in DM berücksichtigte es nicht. Das FA änderte daher
den Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr
entsprechend. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben
ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus
den in DStRE 2008, 870 = SIS 07 37 07 veröffentlichten
Gründen statt. Es führte im Wesentlichen aus, der
tatsächlich erzielte Veräußerungspreis sei nicht
nach dem gemeinen Wert der Aktien im Zeitpunkt der
Veräußerung, sondern nach der zwischen den
Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung zu bestimmen. Die
Vertragsparteien hätten zivilrechtlich keinen Tausch mit
Baraufgabe, sondern einen Doppelkauf vereinbart. Es fehle wegen der
bindenden Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis zu einem
bestimmten, im Zeitpunkt der Veräußerung feststehenden
Wert am Tauschcharakter des Leistungsaustauschs.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes
in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat zutreffend davon abgesehen, die
GmbH als Erwerberin der Kommanditanteile zum Verfahren nach §
60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen.
Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO
sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen
Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung
auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt
nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht
klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Gegenstand des
Klageverfahrens ist allein die Höhe des
Veräußerungsgewinns der Kläger und von S; die
Feststellung eines Gewinns aus der Veräußerung eines
Mitunternehmeranteils ist selbständig anfechtbar (vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.7.1974 I R 226/70, BFHE 113,
428, BStBl II 1975, 236 = SIS 75 01 38, sowie BFH-Beschluss vom
6.12.1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314 = SIS 80 01 70, jeweils m.w.N.). Diese Feststellungen berühren die GmbH
als Erwerberin der Anteile nicht und können sie damit nicht in
ihren eigenen Rechten verletzen (vgl. § 40 Abs. 2 FGO). Eine
Klagebefugnis der GmbH ist deshalb insbesondere weder aus § 48
Abs. 1 Nr. 2 FGO noch aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO abzuleiten;
auch § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO vermittelt nur ein
beschränktes Klagerecht (BFH-Beschluss vom 3.3.1998 VIII B
62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998, 401 = SIS 98 14 46). Soweit
der Senat mit Urteil vom 10.11.1988 IV R 70/86 (BFH/NV 1990, 31 =
SIS 89 08 14) entschieden hat, der Erwerber eines
Mitunternehmeranteils sei nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO
klagebefugt, wenn Streit über die Höhe des
Veräußerungspreises bestehe, hält er daran nicht
fest.
2. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass
sich die von den Klägern und S für die
Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile erzielten
Veräußerungspreise nach der im Vertrag vom 21.12.1993
vorgenommenen Bewertung des (Gesamt-)Kaufpreises bemessen.
a) Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG
gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch
Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des
Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer)
des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
aa) Veräußerungsgewinn i.S. des
§ 16 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der
Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten den Wert des Anteils am
Betriebsvermögen übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1
EStG). Der Tatbestand der Veräußerung ist mit der
Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber
verwirklicht. In diesem Zeitpunkt entsteht der
Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, ob
der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder
langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem
Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92,
BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, m.w.N.).
bb) Unter Veräußerungspreis i.S.
des § 16 EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös zu
verstehen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE
172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33). Zum
Veräußerungspreis gehören die Gegenleistung, die
der Veräußerer vom Erwerber für die
Übertragung erhält (BFH-Urteil vom 2.9.1988 III R 117/86,
BFH/NV 1990, 20 = SIS 89 04 14), und Leistungen, die der
Veräußerer zwar nicht als Gegenleistung, aber im
unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Veräußerung vom Erwerber oder - ohne dass dies der
Erwerber veranlasst hat - von einem Dritten erlangt (BFH-Urteil vom
7.11.1991 IV R 14/90, BFHE 166, 527, BStBl II 1992, 457 = SIS 92 09 24, m.w.N.). Soweit die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in
Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit
dem gemeinen Wert (§ 9 des Bewertungsgesetzes - BewG - ) der
erlangten Sachgüter im Zeitpunkt der Veräußerung zu
bewerten (vgl. BFH-Urteil vom 19.1.1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327,
BStBl II 1978, 295 = SIS 78 01 63).
b) Nach diesen Maßstäben
gehören die Aktien der AG zu den von den Klägern und S
erzielten Veräußerungspreisen; sie sind daher bei der
Ermittlung der Veräußerungsgewinne mit ihrem gemeinen
Wert im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen.
aa) Die Kläger und S haben als
Gegenleistung für die Veräußerung ihrer
Mitunternehmeranteile eine Geldleistung und Sachgüter in
Gestalt der Aktien der AG erhalten. Denn im
Veräußerungsvertrag vom 21.12.1993 war vereinbart, dass
der Kaufpreis für alle Anteile in bar und in Aktien zu leisten
ist. Damit haben die Kläger und S sowohl die Geldleistung als
auch die Aktien durch den Abschluss des
Veräußerungsgeschäfts erlangt.
Entgegen der Auffassung des FG und der
Kläger ergibt sich nichts anderes daraus, dass die
Vertragspartner einen (Bar-) Kaufpreis für alle Anteile
vereinbart haben, auf den die Aktien nach dem in der Anlage 1a zum
Veräußerungsvertrag bestimmten Wert anzurechnen waren.
Diese Anrechnungsabrede hat nicht zur Folge, dass lediglich die von
den Vertragsparteien veranschlagte Höhe des
(Gesamt-)Kaufpreises als Gegenleistung für die
Veräußerung anzusehen wäre. Denn der
Veräußerungspreis ist nicht auf diesen von den
Vertragspartnern angesetzten Betrag beschränkt. Vielmehr ist
der Veräußerungspreis - wie ausgeführt - der
tatsächlich erzielte Veräußerungspreis (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II
1993, 897 = SIS 93 23 33). Tatsächlich haben die Kläger
und S eine Geldleistung und Aktien für die
Veräußerung ihrer Anteile erlangt. Es kommt deshalb
nicht darauf an, ob der Vertrag vom 21.12.1993 zivilrechtlich als
aus Kauf und Tausch gemischter Vertrag oder als Doppelkauf zu
beurteilen ist.
Zudem kann es für die Bestimmung des
Veräußerungspreises keinen Unterschied machen, ob die
Vertragsparteien als Gegenleistung für die
Veräußerung eine Geldleistung und Sachgüter oder -
wie im Streitfall - einen Kaufpreis vereinbaren, auf den die
Sachgüter mit einem von den Vertragsparteien festgelegten Wert
angerechnet werden. Denn sonst hätten es letztlich die
Vertragsparteien in der Hand, die als Gegenleistung für die
Veräußerung zu verschaffenden Sachgüter selbst zu
bewerten, indem sie die Sachgüter mit einem von ihrem gemeinen
Wert abweichenden Wert auf den Kaufpreis anrechnen. Dies
widerspräche jedoch dem auch bei der Besteuerung eines
Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG
maßgeblichen Grundsatz der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (hierzu Beschluss des
Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 =
SIS 93 23 33).
bb) Die Höhe der Geldleistung bestimmt
sich - wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht -
grundsätzlich nach den Regelungen im
Veräußerungsvertrag zu Umfang und Anrechnung der Aktien
auf den Kaufpreis, da nur in der danach verbleibenden Höhe
eine Geldleistung von der GmbH zu erbringen war. Die Aktien sind
als Teil des Veräußerungspreises jedoch mit ihrem
gemeinen Wert (§§ 9, 11 BewG) zum Zeitpunkt der
Veräußerung der Mitunternehmeranteile zu bewerten.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache
ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu
Recht - nicht den gemeinen Wert der Aktien der AG zum Zeitpunkt der
Veräußerung der Mitunternehmeranteile festgestellt.
a) Entgegen der Auffassung des FG wurden die
Anteile erst am 25.3.1994 veräußert. Zwar war im Vertrag
vom 21.12.1993 vereinbart, dass die Anteile mit dinglicher Wirkung
zum 1.1.1994 auf die GmbH übertragen werden. Der Vertrag stand
jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass das
Bundeskartellamt den Zusammenschluss nicht innerhalb der Frist des
§ 24a Abs. 2 GWB a.F. untersagt oder vorab erklärt, die
Untersagung nicht vornehmen zu wollen. Zivilrechtlich ist die
Abtretung der Anteile daher erst mit der Zustimmung des
Bundeskartellamts am 25.3.1994 wirksam geworden (vgl. § 158
Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Vor diesem Zeitpunkt ist
auch das wirtschaftliche Eigentum nicht auf die GmbH
übergegangen. Das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2
Nr. 1 der Abgabenordnung) setzt voraus, dass der Erwerber aufgrund
eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits
eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts
gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht
mehr entzogen werden kann (z.B. BFH-Urteil vom 9.10.2008 IX R
73/06, BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140 = SIS 08 44 63, sowie
Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 54). Der
GmbH konnte jedoch ihre auf den Anteilserwerb gerichtete
Anwartschaft auch gegen ihren Willen wieder entzogen werden, da der
(zivilrechtliche) Anteilserwerb von der Billigung des
Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt abhing; hierauf hatte
die GmbH indes keinen Einfluss.
b) Zur Feststellung des gemeinen Werts der
Aktien zum 25.3.1994 weist der Senat darauf hin, dass die an den
Aktien bestehenden Verfügungsbeschränkungen nur dann
keinen Bewertungsabschlag rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen
des § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BewG vorliegen
(vgl. hierzu z.B. Gürsching/Stenger, BewG und VStG, § 9
BewG Rz 103 f., § 11 BewG Rz 285 ff., jeweils m.w.N.).
Zur Nachholung der erforderlichen
Feststellungen wird die Sache an das FG zurückverwiesen.