Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, Aktientausch, Veräußerungspreis, Berücksichtigung eines gefallenen Börsenkurses

Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, Aktientausch, Veräußerungspreis, Berücksichtigung eines gefallenen Börsenkurses: 1. Soweit die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem gemeinen Wert anzusetzen. - 2. Für die Bewertung kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistungspflicht an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Eine Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück. - Urt.; BFH 13.10.2015, IX R 43/14; SIS 15 30 19

Kapitel:
Unternehmensbereich > Betriebsaufgabe, Veräußerung, Anteilsübertragung
Fundstellen
  1. BFH 13.10.2015, IX R 43/14
    BStBl 2016 II S. 212
    DStR 2016 S. 165
    BFH/NV 2016 S. 306
    NJW 2016 S. 735
    BFHE 251 S. 326

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 9.3.2016
    o.V. in NWB 3/2016 S. 160
    Ch. Levedag in GmbHR 3/2016 S. R 40
    J.H. in StuB 3/2016 S. 116
    J. Höring in DStZ 7/2016 S. 221
    E. Ratschow in BFH/PR 4/2016 S. 101
    -/- in GmbH-Stpr 7/2016 S. 217
    H. Plewka in NJW 35/2016 S. 2548
Normen
[EStG] § 17 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 02.10.2014, SIS 15 09 95, Veräußerungspreis, Bewertung, Aktie
Zitiert in... / geändert durch...
  • BGH 14.6.2023, SIS 24 00 70, Steuerhinterziehung, Annahme eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns bei Veräußerung von Anteilen ein...
  • Niedersächsisches FG 5.1.2023, SIS 23 03 95, Rückwirkende Anpassung eines Ehevertrags aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage: Die Rückgängigma...
  • FG Rheinland-Pfalz 30.3.2021, SIS 21 08 08, Steuerliche Behandlung von Earn-Out-Zahlungen bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils: 1. Der Veräuße...
  • BFH 1.12.2020, SIS 21 08 48, Zugehörigkeit einer Managementbeteiligung zum Betriebsvermögen eines freiberuflich tätigen Beraters: Der ...
  • Sächsisches FG 21.10.2020, SIS 21 14 96, Stiftung, deren Haupttätigkeit in der Veräußerung und dem Halten von Beteiligungen besteht, als Finanzunt...
  • BFH 4.2.2020, SIS 20 07 49, Ermittlung der Anschaffungskosten bei Veräußerung eines Teils von zu verschiedenen Preisen erworbenen Stü...
  • BFH 4.2.2020, SIS 20 07 50, Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Veräußerungspreis, rückwirkendes Ereignis nach Erbring...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 28.11.2019, SIS 19 21 94, Verdeckte Gewinnausschüttung bei Irrtum der für die Kapitalgesellschaft handelnden Person: Ein Irrtum der...
  • FG Münster 6.7.2018, SIS 21 05 46, Veräußerungsverlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG bei Liquidation: Ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 4...
  • BFH 13.3.2018, SIS 18 10 57, Zur steuerlichen Berücksichtigung eines im Rahmen der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen verein...
  • FG Münster 11.10.2017, SIS 18 08 85, Änderung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG: Die Ausübung einer Aktienoption erhöht rückwirkend einen...
  • BFH 6.12.2016, SIS 17 07 91, Berücksichtigung der Werthaltigkeit einer Forderung bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns, Vorliegen...
  • BFH 6.12.2016, SIS 16 28 59, Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Rückabwicklung der Veräußerung, rückwirkendes Ereignis...
  • BFH 4.10.2016, SIS 16 27 95, Keine Minderung des Veräußerungsverlusts i.S. des § 17 EStG oder des Verlusts aus privaten Veräußerungsge...
  • FG Hamburg 19.9.2016, SIS 16 24 33, Keine stichtagsbezogene Betrachtung auf den Veräußerungszeitpunkt in Fällen der gewinn- oder umsatzabhäng...
  • Hessisches FG 28.1.2016, SIS 16 08 88, Veräußerungspreis bei Forderungsabtretung als Leistung an Erfüllungs statt: 1. Der Veräußerungspreis i.S....
Fachaufsätze
  • LIT 03 18 97 M. Hils, DStR 24/2016 S. 1345: Nachträgliche Veränderungen des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG - Lit.; M. Hils, DStR 24/2016 S. 1345;...

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 2.10.2014 1 K 1611/11 E = SIS 15 09 95 und der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30.7.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.4.2011 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit 61.250 Stückaktien (zu 34,02 %) an der N-AG beteiligt. Am 28.2.2002 veräußerte und übertrug er seine Beteiligung in zwei Vorgängen. Aus der Übertragung von 13.258 Aktien auf eine KG erzielte der Kläger einen Gewinn, der vorliegend nicht im Streit ist. Die übrigen 47.992 Stückaktien erwarb die U-AG. Als Gegenleistung erhielt der Kläger 174.194 neue Aktien der U-AG zum vereinbarten Ausgabekurs von 24 EUR pro Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung bei der U-AG wurde am 13.12.2002 in das Handelsregister eingetragen. An diesem Tag wurden 174.194 neue Aktien der U-AG dem Depot des Klägers gutgeschrieben. Der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.2.2002 18,69 EUR und am 13.12.2002 2,20 EUR.

 

 

2

Der Kläger ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des Börsenkurses am 13.12.2002 (2,20 EUR/Aktie). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) veranlagte den Kläger und die Klägerin und Revisionsklägerin, seine mit ihm im Streitjahr zusammenveranlagte Ehefrau, zunächst erklärungsgemäß. Aufgrund einer Kontrollmitteilung von Juli 2007 bewertete das FA den Veräußerungspreis nun mit dem Börsenkurs vom 28.2.2002 (18,69 EUR/Aktie) und änderte den Einkommensteuerbescheid entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

 

3

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).

 

 

4

Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30.7.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.4.2011 aufzuheben.

 

 

5

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

6

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Finanzgericht (FG) hat den Veräußerungsgewinn nicht richtig ermittelt.

 

 

7

1. Die Vorinstanz hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Veräußerungsgewinn sei am 28.2.2002 entstanden. Auf diesen Stichtag müssten die als Gegenleistung zu liefernden Sachgüter bewertet werden. Auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung am 13.12.2002 komme es dagegen nicht an. Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Änderungen bei gestundeter Kaufpreisforderung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie setze eine Leistungsstörung voraus. Hier sei der Vertrag aber wie vereinbart erfüllt worden. Die Wertveränderung der Gegenleistungsforderung bis zu deren Erfüllung beeinflusse den Veräußerungspreis deshalb nicht. Andernfalls würde bei jeder aufgeschobenen Gegenleistung die Grundentscheidung für eine Gewinnermittlung am Stichtag in ihr Gegenteil verkehrt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren Rechtsprechung. Ein Bewertungsabschlag sei nicht vorzunehmen.

 

 

8

2. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

 

 

9

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Übertragung von N-Aktien auf die U-AG gegen Übertragung von (neuen) Aktien der U-AG (Aktientausch) eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG darstellt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.10.1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456, BStBl II 1975, 58 = SIS 75 00 36).

 

 

10

b) Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung am 28.2.2002 entstanden ist.

 

 

11

Nach der Rechtsprechung ist der Veräußerungsgewinn nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.9.1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289 = SIS 83 07 21). Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.6.1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640 = SIS 83 18 16; vom 2.10.1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428 = SIS 85 15 15). Der Anspruch auf die Gegenleistung ist bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene Leistung erbracht ist. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18.11.2014 IX R 30/13, BFH/NV 2015, 489 = SIS 15 05 39, m.w.N.). Das war am 28.2.2002 der Fall. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33; BFH-Urteil vom 20.7.2010 IX R 45/09, BFHE 230, 380, BStBl II 2010, 969 = SIS 10 29 64).

 

 

12

c) Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer am maßgebenden Stichtag erlangt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 489 = SIS 15 05 39); dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH-Urteile vom 7.3.1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693 = SIS 95 20 24; vom 2.4.2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658 = SIS 08 35 74). Im Streitfall hat der Kläger als Gegenleistung für die Übertragung der N-Aktien am 13.12.2002.174.194 neue U-Aktien erhalten.

 

 

13

d) Besteht die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern, ist der Veräußerungspreis insoweit mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Grundsätzlich kommt es dafür auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an (vgl. BFH-Urteile vom 19.1.1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295 = SIS 78 01 63, und vom 25.6.2009 IV R 3/07, BFHE 226, 62, BStBl II 2010, 182 = SIS 09 33 05, II.2.a bb). Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 25.8.2009 IX R 41/08 (nicht amtlich veröffentlicht, juris = SIS 09 40 88) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest. Im Streitfall kann offenbleiben, ob die als Gegenleistung geschuldeten neuen U-Aktien schon deshalb am 28.2.2002 nicht bewertet werden konnten, weil sie an diesem Tag noch nicht existierten.

 

 

14

e) Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.

 

 

15

aa) Der Große Senat des BFH hat zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt. Dies erfordert es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des (tatsächlich erzielten) Erlöses maßgebend waren (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33 zu Forderungsausfall). Entsprechendes gilt für die Ermittlung des Veräußerungspreises i.S. des § 17 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 21.12.1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 = SIS 94 15 51, und vom 23.5.2012 IX R 32/11, BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675 = SIS 12 17 05).

 

 

16

bb) Ob diese Grundsätze auch für die Bewertung von Sachgütern, also für die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen bei den wertbildenden Umständen gelten, wird bisher uneinheitlich beurteilt.

 

 

17

Der VIII. Senat des BFH hat für den Fall, dass die Gegenleistung in börsennotierten Aktien besteht, auf den Börsenkurs im Zeitpunkt der Abtretung der Aktien abgestellt (BFH-Beschluss vom 19.9.2012 VIII B 90/12, BFH/NV 2012, 1962 = SIS 12 29 83). Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH.

 

 

18

Das FG München hat in einem ähnlichen Fall anders geurteilt. Die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH und die nachfolgende Rechtsprechung setzten eine Leistungsstörung voraus. Wertveränderungen der Gegenleistung vollzögen sich jedoch außerhalb des Vertrags und beeinflussten den Anspruch auf die Gegenleistung nicht (FG München, Urteil vom 16.7.2008 9 K 4042/06, EFG 2008, 1611 = SIS 08 36 88 – mit anderer Begründung bestätigt durch BFH-Urteil vom 25.8.2009 IX R 41/08, nicht amtlich veröffentlicht, juris = SIS 09 40 88; so auch die Vorinstanz).

 

 

19

Das Schrifttum spricht sich überwiegend dafür aus, eine bis zum Erfüllungszeitpunkt eingetretene Wertveränderung zu berücksichtigen (so ausdrücklich Reiß in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 16 Rz 254 unter Hinweis auf BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1962 = SIS 12 29 83; ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 16 Rz E 91 (Stand: August 1992); Schmidt/Wacker, EStG, 34. Aufl., § 16 Rz 279; a.A. Bordewin, FR 1994, 555, 560).

 

 

20

cc) Der Senat schließt sich der Auffassung des VIII. Senats an. Der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33) lässt sich nicht entnehmen, dass sie nur für Fälle zivilrechtlicher Leistungsstörungen gelten soll oder dass sich die veränderten Umstände auf den Bestand oder die Durchsetzbarkeit der Forderung ausgewirkt haben müssen (so aber Bordewin, FR 1994, 555, 560). Zwar hat der Große Senat des BFH zur Begründung auch ausgeführt, der Regelung (§ 16 Abs. 2 EStG) liege unausgesprochen die Annahme zugrunde, dass das Veräußerungsgeschäft ohne Störungen abgewickelt werde. Der Gegenschluss, dass eine nachträgliche Veränderung des Veräußerungspreises eine Leistungsstörung voraussetze, ist daraus jedoch nicht zu ziehen, denn der Große Senat des BFH ist bei dieser an das Zivilrecht angelehnten Begründung nicht stehengeblieben. Er hat sich vielmehr für seine Auffassung, wonach auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen sei, auch auf den Willen des historischen Gesetzgebers, den Zusammenhang der Vorschrift mit den Regelungen in § 16 Abs. 4 und § 34 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vorliegend ohne Belang) und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogen. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, auch Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und ihrer Erfüllung bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zu berücksichtigen. Vor allem die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebietet es, im Interesse einer sachgerechten, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen. Das schließt die Bewertung einer Sachleistung am Tag des Gefahrübergangs (Erfüllung) ein, denn vorher hat der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten. Dementsprechend hat der Senat auch entschieden, dass realisierte Währungskursveränderungen die Höhe des Veräußerungsgewinns beeinflussen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 489 = SIS 15 05 39).

 

 

21

Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Erwerber im Streitfall die geschuldete Gegenleistung am 13.12.2002 erbracht und damit seine Verpflichtung aus der Aktionärsvereinbarung vollständig erfüllt hat. Zwar trifft es zu, dass es insofern nicht zu einer vertraglichen Leistungsstörung gekommen ist, denn die Vertragsparteien hatten insoweit auf eine Anpassung der Gegenleistung verzichtet und dem Kläger einseitig das Kursrisiko zugewiesen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger aus dem Vertrag letztlich weniger erhalten hat, als er bei Abschluss des Vertrags annehmen durfte. Aus seiner Sicht unterscheidet sich das Ergebnis deshalb nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der Kaufpreisforderung endgültig ausfällt oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht wird. Lediglich der Grund für die Einbuße ist ein anderer. Darauf sollte es aber nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gerade nicht ankommen.

 

 

22

Darin liegt keine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes, wonach es für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns ankommt (so aber FG München in EFG 2008, 1611 = SIS 08 36 88). Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gilt das Realisationsprinzip bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns uneingeschränkt nur für den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns. Für die Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Zufluss) an. § 16 Abs. 2 EStG (und § 17 Abs. 2 EStG) gehen insofern als speziellere Vorschriften dem Realisationsgrundsatz vor (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33).

 

 

23

dd) Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises nicht mehr. Vereinbarungen, durch welche eine bereits erfüllte Gegenleistung noch einmal geändert wird, wirken nach der Rechtsprechung nur dann auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war (vgl. BFH-Urteile vom 19.8.2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107 = SIS 03 51 63; vom 14.6.2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15 = SIS 05 44 61; in BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675 = SIS 12 17 05). Eine derartige Einschränkung sieht die Rechtsprechung für tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die vor Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung eintreten, jedoch nicht vor.

 

 

24

3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat mit bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die jungen U-Aktien am Tag der Einbuchung in das Depot des Klägers mit 2,20 EUR je Aktie zu bewerten waren. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit; der Senat sieht auch keine Veranlassung, diese Feststellung, die für die Entscheidung des FG nicht tragend war, in Zweifel zu ziehen. Danach kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Die Klage ist begründet.

 

 

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.