Sammelbescheid, Reichweite des Einspruchs, Revisionsverfahren, Klageänderung: Beantragt der Kläger im Klageverfahren, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, und beantragt er im Revisionsverfahren, die Einkommensteuer herabzusetzen, liegt eine unzulässige Klageänderung i.S. der §§ 67, 123 FGO vor. - Die Reichweite eines Einspruchs gegen einen (mehrere Festsetzungen umfassenden) Sammelbescheid richtet sich nach der Beschwer, die sich aus der Begründung des Einspruchs ergibt (Anschluss an BFH-Urteil vom 8.5.2008 VI R 12/05, BFHE 222 S. 196, BStBl 2009 II S. 116 = SIS 08 44 52). - Urt.; BFH 11.2.2009, X R 51/06; SIS 09 30 12
I. Die im Streitjahr 2002 zusammen
veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger)
erhoben gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr
Einspruch. Im Schriftsatz zur Einspruchseinlegung vom 25.11.2003
bezogen sich die früheren Bevollmächtigten der
Kläger auf die „Einkommensteuer 2002“ und
führten aus, der Einspruch richte sich gegen die Höhe der
Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit, die nicht vollständig
anerkannt worden seien.
In der Einspruchsentscheidung half der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) dem Begehren
nur teilweise ab. Die Kläger erhoben mit Schriftsatz vom
5.7.2004 Klage. Im Rubrum des Schriftsatzes wurde als Gegenstand
„wegen Einkommensteuer 2002“ angeführt.
In einem Schreiben der früheren
Bevollmächtigten an das Finanzgericht (FG) vom 10.8.2005
teilten diese mit, zwischen den Beteiligten sei eine
tatsächliche Verständigung getroffen worden, die zum
Abzug weiterer Aufwendungen als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit
führe. Es heißt in diesem Schreiben, die Kläger
wollten im Hinblick auf ein Musterverfahren gegen die Festsetzung
des Solidaritätszuschlags „ihren bisherigen Klageantrag
diesbezüglich erweitern“.
Das FA erließ unter dem 13.9.2005
einen Änderungsbescheid und erklärte den Rechtsstreit in
der Hauptsache für erledigt. Die Steuer wurde nach § 165
Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig
festgesetzt, unter anderem hinsichtlich der beschränkten
Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen gemäß
§ 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der
Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als
vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.
Die Kläger erklärten den
Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt, sondern
rügten unter Hinweis auf ein beim FG Münster
anhängiges Musterverfahren (Az. 12 K 6263/03 E) die
Verfassungswidrigkeit der Festsetzung des
Solidaritätszuschlags. Der Vorläufigkeitsvermerk des
Änderungsbescheids decke ihr Rechtsschutzinteresse nicht ab,
weil er sich nicht auf die einfachgesetzliche Auslegungsfrage
erstrecke, ob Beiträge zu Rentenversicherungen nach
Einführung des Alterseinkünftegesetzes vom 5.7.2004 (BGBl
I 2004, 1427) als Werbungskosten statt als Sonderausgaben zu
behandeln seien, sondern nur die Frage einer Vereinbarkeit dieser
Gesetzesauslegung mit höherrangigem Recht erfasse (Hinweis auf
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2.8.2005 IV A 7 -
S 0338 - 81/05, BStBl I 2005, 843 = SIS 05 35 91, und vom 4.10.2005
IV A 7 - S 0338 - 109/05, DStR 2005, 1901 = SIS 05 44 50).
In der mündlichen Verhandlung beim FG
beantragten die Kläger, das Verfahren bis zum Abschluss des
Musterverfahrens auszusetzen, hilfsweise die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags im Änderungsbescheid vom 13.9.2005
aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr
hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Beiträgen zur
Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den
sonstigen Einkünften vorläufig festzusetzen.
Das FG wies die Klage durch Prozessurteil
des Einzelrichters ab. Seine Entscheidung ist in den EFG 2007, 1187
= SIS 07 14 49 veröffentlicht. Die Aussetzung des Verfahrens
sei nicht geboten, weil das angeführte Musterverfahren zum
Solidaritätszuschlag für den Streitfall nicht
vorgreiflich sei. Die Klage sei im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung nicht mehr zulässig, weil das
Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nach Erlass des
Änderungsbescheids im Klageverfahren entfallen sei. Der
Klageantrag führe zu einer unzulässigen
Klageänderung gemäß § 67 der
Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Klageerweiterung erst nach
Ablauf der Klagefrist vorgenommen worden sei. Es fehle auch die
Durchführung des Vorverfahrens für das geänderte
Klagebegehren.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger. Einspruch und Klage hätten sich gegen den
gesamten Einkommensteuerbescheid und damit auch gegen die
Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet. Das FG habe
zu Unrecht das Klageverfahren nicht ausgesetzt. Das Musterverfahren
sei vorgreiflich, weil die Verfassungsmäßigkeit der
Erhebung des Solidaritätszuschlags im Rahmen der
Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1708/06 beim Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) geprüft werde, welche sich gegen den Beschluss des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.6.2006 VII B 324/05 (BFHE 213, 573,
BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53) richte, der nach dem
vorgreiflichen Verfahren beim FG Münster (12 K 6263/03 E)
ergangen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht wegen der
tatsächlichen Verständigung und deren Umsetzung im
Änderungsbescheid vom 13.9.2005 entfallen. Die Ergänzung
des Klägervortrags sei eine zulässige Klageerweiterung
gemäß § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 1 und Nr. 2
der Zivilprozessordnung.
Erstmals im Revisionsverfahren führen
die Kläger aus, bei der Berechnung des Vorwegabzugs sei der
Gesamtbetrag von 6.136 EUR zu Unrecht um die Einkünfte des
Klägers gekürzt worden, obwohl die Klägerin im
Streitjahr keine Einkünfte erzielt habe. Es komme nur eine
Kürzung in Höhe von 3.068 EUR in Betracht.
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Münster vom 18.11.2005 aufzuheben, die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags im Einkommensteuerbescheid vom 13.9.2005
aufzuheben und unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Verständigung vom 10.8.2005 und der von den Klägern
gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als
vorweggenommene Werbungskosten die Einkommensteuer 2002 auf 103.578
EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Auslegung der Einspruchsschrift ergebe,
dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags nicht
angefochten worden sei. Eine Auslegungsregel, dass bei Anfechtung
eines Steuerbescheids stets auch die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags angefochten werde, existiere nicht und
entspreche nicht der Rechtspraxis. Die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags sei bestandskräftig geworden, so
dass die Aussetzung des Klageverfahrens nicht geboten gewesen sei.
Auch sei kein Vorverfahren durchgeführt worden. Das FG habe
zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis verneint.
II. Die Revision hat keinen Erfolg und wird
deshalb als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2
FGO).
1. Unzulässig ist der erstmals im
Revisionsverfahren gestellte Antrag der Kläger, die
Einkommensteuer 2002 auf 103.578 EUR herabzusetzen, weil die
Rentenversicherungsbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten
bei den sonstigen Einkünften abzuziehen und ein Vorwegabzug
gemäß § 10 Abs. 3 EStG nur in Höhe von 3.068
EUR vorzunehmen sei. Dieser Antrag führt zu einer
unzulässigen Klageänderung im Revisionsverfahren (§
123 Abs. 1 FGO).
a) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1
FGO sind Klageänderungen im Revisionsverfahren
unzulässig. Der Übergang von einer Anfechtungs- zu einer
Verpflichtungsklage ist grundsätzlich eine Klageänderung
gemäß § 67 FGO (vgl. BFH-Entscheidungen vom
19.5.1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703 = SIS 72 04 08 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen einen
Vermögensteuerbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf
Änderung eines Einheitswertbescheids; vom 23.3.1994 I B
170/93, BFH/NV 1995, 36 zum Übergang von einer
Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid zu einer
Verpflichtungsklage auf Festsetzung der Einkommensteuer aus
Billigkeitsgründen; vom 19.5.2004 III R 35/02, BFH/NV 2005, 60
= SIS 05 04 22 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen
einen Zusammenveranlagungsbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf
Durchführung der getrennten Veranlagung; zu einem Ausnahmefall
BFH-Urteil vom 9.8.1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989,
981 = SIS 90 01 55; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 67
Rz 21).
b) Dies gilt auch für die im Streitfall
vorliegende umgekehrte Konstellation des Übergangs von einem
Verpflichtungs- zu einem Anfechtungsbegehren.
aa) Die Kläger haben im FG-Verfahren
beantragt, den Vorläufigkeitsvermerk zum
Änderungsbescheid vom 13.9.2005 wegen der Nichtabziehbarkeit
von Rentenversicherungsbeiträgen auf die Frage der Auslegung
und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts zu erweitern. Die Klage
auf Erlass oder Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks ist
eine Verpflichtungsklage (vgl. Tipke in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 35). Im
Revisionsverfahren haben sie die endgültige Herabsetzung der
Einkommensteuer beantragt. Hierin liegt der Übergang von einer
Verpflichtungs- zu einer Anfechtungsklage.
bb) Zwar ist der Vorläufigkeitsvermerk
eine unselbstständige Nebenbestimmung zum
Einkommensteuerbescheid (Senatsurteil vom 25.10.1989 X R 109/87,
BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278 = SIS 90 06 46). Der
Vorläufigkeitsvermerk betrifft unmittelbar den Inhalt
(Regelungsgehalt) des Steuerbescheids, dem er beigefügt ist,
weil er eine Aussage über die Verbindlichkeit und
Endgültigkeit der Steuerfestsetzung trifft. Dies hat zur
Folge, dass ein Streit um die Beifügung oder Erweiterung eines
Vorläufigkeitsvermerks die Rechtmäßigkeit der
gesamten Steuerfestsetzung betrifft und demzufolge bei
Streitigkeiten nicht etwa der Vorläufigkeitsvermerk als
Verwaltungsakt, sondern der Einkommensteuerbescheid insgesamt
Verfahrensgegenstand ist.
Dennoch ist der Übergang vom
ursprünglichen Antrag im Klageverfahren, einen
Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, zum Antrag, die
Einkommensteuer im Revisionsverfahren herabzusetzen, eine
unzulässige Klageänderung i.S. der §§ 67, 123
FGO. Keine Klageänderung läge vor, wenn es sich bei dem
Antrag des Klägers um die rein betragsmäßige
Erweiterung oder Herabsetzung des Begehrens, die
Einkommensteuerfestsetzung zu ändern oder um die Erweiterung
oder Beschränkung des Begehrens, eine weitere
Besteuerungsgrundlage anzugreifen oder den Angriff hiergegen fallen
zu lassen, handeln würde (vgl. Gräber/von Groll,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 67 Rz 7; Tipke in Tipke/
Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 3; Stöcker in Beermann/Gosch,
a.a.O., § 67 Rz 28-37). Der Antrag der Kläger, einen
Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, stellt aber ein davon zu
unterscheidendes Klageziel dar, selbst wenn hierzu auch die
Einkommensteuerfestsetzung als solche anzufechten ist. Denn die
Erweiterung des Vorläufigkeitsvermerks ist ein
„aliud“ im Vergleich zu einer Herabsetzung der
Steuerfestsetzung. Mit der Ermessensentscheidung, die Steuer
vorläufig festzusetzen, wird die Bestandskraft punktuell
hinausgeschoben. Der Antrag, die Steuer auf einen bestimmten Betrag
herabzusetzen, ist eine gebundene Entscheidung, die auf eine
endgültige Steuerfestsetzung gerichtet ist.
cc) Eine Änderung des Klagebegehrens ist
mit den Grundsätzen des Revisionsrechts unvereinbar. Das Wesen
des Revisionsverfahrens besteht darin, die
Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu
überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur
insoweit vor, als sie durch den Klageantrag angestrebt war.
Über ein Begehren, das - wie hier - erstmals im
Revisionsverfahren erhoben wird, ist gerichtlich noch nicht
entschieden, so dass es insoweit an einem Gegenstand der
revisionsrichterlichen Nachprüfung fehlt (ständige
Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 4.4.1974 IV R 7/71, BFHE 112,
331, BStBl II 1974, 522 = SIS 74 02 97; vom 21.4.1983 IV R 217/82,
BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532 = SIS 83 13 29; vom 25.8.1993 XI
R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23 = SIS 93 23 34; vom
19.10.2006 III R 6/05, BFHE 215, 222, BStBl II 2007, 301 = SIS 07 06 39).
2. Die Revision hinsichtlich des
Solidaritätszuschlags ist zurückzuweisen.
a) Die Annahme des FG, der von dem
Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den
„Einkommensteuerbescheid 2002“ eingelegte
Einspruch vom 25.11.2003 habe sich ausschließlich gegen die
damalige Einkommensteuerfestsetzung gerichtet, hält der
revisionsrechtlichen Prüfung stand.
aa) Die Auslegung eines Einspruchs ist
Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen
Feststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§
118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen
und begründeten Revisionsrügen erhoben werden. Das
Revisionsgericht kann die Auslegung durch das FG nur daraufhin
überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln
beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze
verstoßen hat (BFH-Urteil vom 18.1.2007 IV R 35/04, BFH/NV
2007, 1509 = SIS 07 24 17; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., §
118 Rz 48). Revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar
ist indes, ob ein Einspruch auslegungsbedürftig ist. Hieran
fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen
eindeutigen Inhalt hat (vgl. BFH-Urteile vom 28.11.2001 I R 93/00,
BFH/NV 2002, 613 = SIS 02 62 03; vom 19.6.1997 IV R 51/96, BFH/NV
1998, 6; vom 8.5.2008 VI R 12/05, BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116
= SIS 08 44 52).
Fehlt es hingegen bei einer Einspruchsschrift
an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des
tatsächlich Gewollten, ist der wirkliche Wille des
Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu
ermitteln. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der
Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der
angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu
kommen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 8.5.2007 X B 43/06, BFH/NV
2007, 1499 = SIS 07 24 08; vom 24.7.2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006,
2269 = SIS 06 44 88; vom 19.7.2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68 =
SIS 06 02 69; vom 27.5.2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II
2004, 964 = SIS 04 36 37; in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 =
SIS 08 44 52). Dies gilt grundsätzlich auch für
Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. z.B.
BFH-Entscheidungen vom 24.8.2006 XI B 149/05, BFH/NV 2006, 2035 =
SIS 06 41 31; vom 6.7.2005 XI B 45/03, BFH/NV 2005, 2029 = SIS 05 45 27; in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52).
bb) Der mit dem Einspruch angefochtene
Bescheid vom 30.10.2003 über Einkommensteuer,
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist ein sog.
Sammelbescheid. Alle Steuerfestsetzungen stehen hierin
selbstständig nebeneinander und sind lediglich in einem
Bescheid verbunden. Die Steuerfestsetzungen können je nach
Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unabhängig voneinander
angefochten werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1509 = SIS 07 24 17; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 347 AO
Rz 77). Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 des
Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) können mit einem
Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die
Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden
Einkommens angegriffen werden. Die Einkommensteuerfestsetzung ist
Grundlagenbescheid für die Höhe des
Solidaritätszuschlags (§ 1 Abs. 5 Satz 2 SolzG). Die
Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags aus
verfassungsrechtlichen Gründen muss sich hingegen gegen die
Festsetzung des Solidaritätszuschlags selbst richten (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53).
cc) Ausgehend von dieser Sachlage ist die vom
FG vorgenommene Auslegung, der mit Schreiben vom 25.11.2003
eingelegte Einspruch sei nicht auslegungsbedürftig und habe
sich ausschließlich gegen die Festsetzung der Einkommensteuer
und nicht gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
gerichtet, nicht zu beanstanden.
Der VI. Senat hat mit Urteil in BFHE 222, 196,
BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52 für die Frage der
Auslegungsbedürftigkeit des Einspruchs gegen einen
Sammelbescheid entscheidend darauf abgestellt, auf welche Beschwer
die Begründung des Einspruchs gestützt wird. Die
Auslegungsbedürftigkeit folgt hiernach nicht schon daraus,
dass der Einspruch sich gegen einen Sammelbescheid richtet und
theoretisch alle darin enthaltenen Festsetzungen angefochten sein
könnten. Ausgehend von diesem Maßstab, dem der Senat
folgt, hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise entschieden, dass der Einspruch vom 25.11.2003 nicht
auslegungsbedürftig war. Die Kläger haben damals zur
Begründung vorgetragen, ihr Einspruchsbegehren sei auf die
Anerkennung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbstständiger Arbeit gerichtet und nicht zu erkennen
gegeben, dass sie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
für verfassungswidrig halten und dessen Festsetzung angreifen
wollen. Für den damaligen Willen der Kläger, mit dem
Einspruch vom 25.11.2003 nur die Einkommensteuerfestsetzung
anfechten zu wollen, spricht im Übrigen der weitere
Geschehensablauf. Die Anfechtung der Festsetzung des
Solidaritätszuschlags wurde erstmals im Schreiben der
früheren Bevollmächtigten vom 10.8.2005 angekündigt
mit der Erklärung, der „bisherige“
Klageantrag werde erweitert.
dd) Die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags dem Grunde nach war jedoch zu diesem
Zeitpunkt bereits bestandskräftig (§ 351 Abs. 1 AO i.V.m.
§ 42 FGO).
b) Das FG hat demzufolge zutreffend das
Verfahren betreffend Einkommensteuer nicht gemäß §
74 FGO ausgesetzt, weil das Musterverfahren zur
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
nicht vorgreiflich war. Aufgrund der eingetretenen Bestandskraft
konnte sich der Ausgang des Musterverfahrens nicht mehr auf das
Klageverfahren auswirken (Gräber/Koch, a.a.O., § 74 Rz
12, m.w.N.).
c) Zutreffend sind auch die Ausführungen
des FG zur Unzulässigkeit der Klageänderung. Die
Kläger haben erstmals vor dem FG neben der
Einkommensteuerfestsetzung nach Ergehen des Änderungsbescheids
unter dem 13.9.2005 die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
dem Grunde nach angefochten. Hierin liegt die erstmalige Anfechtung
einer weiteren selbstständigen Festsetzung dieses
Sammelbescheids im Klageverfahren. Eine Klageänderung
gemäß § 67 FGO liegt auch vor, wenn im Wege der
Klagehäufung gemäß § 43 FGO ein weiterer
Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981 = SIS 90 01 55;
Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 7; Tipke in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 2; Stöcker in
Beermann/Gosch, a.a.O., § 67 Rz 17). Die Klageänderung
war unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist
bereits abgelaufen war (vgl. zu dieser Einschränkung
Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 11). Es kommt demnach
auf die weitere Revisionsrüge, das FG habe zu Unrecht das
Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Aufhebung der
Festsetzung des Solidaritätszuschlags verneint, nicht mehr
an.
3. Es kann dahinstehen, ob das FG hinsichtlich
des ursprünglichen Antrags, den Vorläufigkeitsvermerk zur
Einkommensteuerfestsetzung im Änderungsbescheid vom 13.9.2005
zu erweitern, zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis verneint
und die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen
hat. Der BFH kann bei mehreren Streitgegenständen über
die Revision zu den einzelnen Streitgegenständen nur
entscheiden, wenn sich die Revisionsrügen gesondert auf die
einzelnen Streitgegenstände beziehen und das Revisionsbegehren
für jeden Streitgegenstand zulässig ist (vgl.
Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 58, und BFH-Urteil vom
8.2.1989 II R 85/86, BFHE 160, 1, BStBl II 1990, 587 = SIS 90 13 53). Die Revisionsbegründung der Kläger enthält zu
dem ursprünglichen Antrag im Klageverfahren, den
Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, keine konkreten
Ausführungen zu etwaigen Rechtsfehlern des FG. Sie führen
lediglich an, das FG sei in seiner Urteilsbegründung auf die
Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge nicht
gesondert eingegangen, ohne dies in der Revisionsbegründung zu
vertiefen. Der Senat versteht die Kläger daher in der Weise,
dass sie insoweit keine Revision erhoben haben.
4. In der Sache weist der Senat auf die
zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BVerfG zu den
einzelnen Begehren der Kläger hin. Die Verfassungsbeschwerde
gegen den BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53 im Nachgang zum Musterverfahren zur Festsetzung des
Solidaritätszuschlags hat das BVerfG nicht zur Entscheidung
angenommen (Beschluss vom 11.2.2008 2 BvR 1708/06, Deutsche
Steuerzeitung 2008, 229). Für Streitjahre vor 2005 und damit
auch für das Streitjahr ist einfachgesetzlich und
verfassungsrechtlich geklärt, dass
Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben und nicht als
vorweggenommene Werbungskosten zu behandeln sind. Das BVerfG hat
auf die verneinende Senatsentscheidung vom 8.11.2006 X R 45/02
(BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574 = SIS 07 04 29) die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss
vom 25.2.2008 2 BvR 325/07, HFR 2008, 753). Es ist zwar noch das
Verfahren 2 BvR 2299/04 beim BVerfG gegen die Senatsentscheidungen
vom 21.7.2004 X R 72/01 und X R 73/01, BFH/NV 2005, 513 = SIS 05 15 72) anhängig. Dieses Verfahren ist jedoch wegen der
vorgenannten Rechtsfrage nach dem Beschluss des BVerfG in HFR 2008,
753 als offensichtlich aussichtslos anzusehen. 1)
Schließlich hat das BVerfG durch Beschluss vom 25.2.2008 2
BvR 587/01 (HFR 2008, 750 = SIS 08 27 91) auch die von den
Klägern zur Höhe des Vorwegabzugs in Bezug genommene
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
1) Anmerkung des BMF: Die
Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 25.9.2009 – 2
BvR 2299/04 – nicht zur Entscheidung angenommen.