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Sammelbescheid, Reichweite des Einspruchs, Revisionsverfahren, Klageänderung

Sammelbescheid, Reichweite des Einspruchs, Revisionsverfahren, Klageänderung: Beantragt der Kläger im Klageverfahren, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, und beantragt er im Revisionsverfahren, die Einkommensteuer herabzusetzen, liegt eine unzulässige Klageänderung i.S. der §§ 67, 123 FGO vor. - Die Reichweite eines Einspruchs gegen einen (mehrere Festsetzungen umfassenden) Sammelbescheid richtet sich nach der Beschwer, die sich aus der Begründung des Einspruchs ergibt (Anschluss an BFH-Urteil vom 8.5.2008 VI R 12/05, BFHE 222 S. 196, BStBl 2009 II S. 116 = SIS 08 44 52). - Urt.; BFH 11.2.2009, X R 51/06; SIS 09 30 12

Kapitel:
Rechtsbehelfe > Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren
Fundstellen
  1. BFH 11.02.2009, X R 51/06
    BStBl 2009 II S. 892

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 21.10.2009
    nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt
    C.L. in HFR 12/2009 S. 1217
    J.F. in BFH/PR 1/2010 S. 29
Normen
[FGO] § 67, § 118 Abs. 2, § 123
[AO 1977] § 347
Zitiert in... / geändert durch...
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  • BFH 9.12.2009, SIS 10 11 61, Auslegung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Beginn der Drei-Tages-Frist des § 122 ...
  • FG Baden-Württemberg 24.9.2009, SIS 10 07 32, Keine Anwendung der Abwanderungsregelung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz bei bestehendem Arbeitsverhältnis...

I. Die im Streitjahr 2002 zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr Einspruch. Im Schriftsatz zur Einspruchseinlegung vom 25.11.2003 bezogen sich die früheren Bevollmächtigten der Kläger auf die „Einkommensteuer 2002“ und führten aus, der Einspruch richte sich gegen die Höhe der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, die nicht vollständig anerkannt worden seien.

 

In der Einspruchsentscheidung half der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) dem Begehren nur teilweise ab. Die Kläger erhoben mit Schriftsatz vom 5.7.2004 Klage. Im Rubrum des Schriftsatzes wurde als Gegenstand „wegen Einkommensteuer 2002“ angeführt.

 

In einem Schreiben der früheren Bevollmächtigten an das Finanzgericht (FG) vom 10.8.2005 teilten diese mit, zwischen den Beteiligten sei eine tatsächliche Verständigung getroffen worden, die zum Abzug weiterer Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit führe. Es heißt in diesem Schreiben, die Kläger wollten im Hinblick auf ein Musterverfahren gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags „ihren bisherigen Klageantrag diesbezüglich erweitern“.

 

Das FA erließ unter dem 13.9.2005 einen Änderungsbescheid und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Steuer wurde nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig festgesetzt, unter anderem hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.

 

Die Kläger erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt, sondern rügten unter Hinweis auf ein beim FG Münster anhängiges Musterverfahren (Az. 12 K 6263/03 E) die Verfassungswidrigkeit der Festsetzung des Solidaritätszuschlags. Der Vorläufigkeitsvermerk des Änderungsbescheids decke ihr Rechtsschutzinteresse nicht ab, weil er sich nicht auf die einfachgesetzliche Auslegungsfrage erstrecke, ob Beiträge zu Rentenversicherungen nach Einführung des Alterseinkünftegesetzes vom 5.7.2004 (BGBl I 2004, 1427) als Werbungskosten statt als Sonderausgaben zu behandeln seien, sondern nur die Frage einer Vereinbarkeit dieser Gesetzesauslegung mit höherrangigem Recht erfasse (Hinweis auf Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2.8.2005 IV A 7 - S 0338 - 81/05, BStBl I 2005, 843 = SIS 05 35 91, und vom 4.10.2005 IV A 7 - S 0338 - 109/05, DStR 2005, 1901 = SIS 05 44 50).

 

In der mündlichen Verhandlung beim FG beantragten die Kläger, das Verfahren bis zum Abschluss des Musterverfahrens auszusetzen, hilfsweise die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Änderungsbescheid vom 13.9.2005 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften vorläufig festzusetzen.

 

Das FG wies die Klage durch Prozessurteil des Einzelrichters ab. Seine Entscheidung ist in den EFG 2007, 1187 = SIS 07 14 49 veröffentlicht. Die Aussetzung des Verfahrens sei nicht geboten, weil das angeführte Musterverfahren zum Solidaritätszuschlag für den Streitfall nicht vorgreiflich sei. Die Klage sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr zulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nach Erlass des Änderungsbescheids im Klageverfahren entfallen sei. Der Klageantrag führe zu einer unzulässigen Klageänderung gemäß § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da die Klageerweiterung erst nach Ablauf der Klagefrist vorgenommen worden sei. Es fehle auch die Durchführung des Vorverfahrens für das geänderte Klagebegehren.

 

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Einspruch und Klage hätten sich gegen den gesamten Einkommensteuerbescheid und damit auch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet. Das FG habe zu Unrecht das Klageverfahren nicht ausgesetzt. Das Musterverfahren sei vorgreiflich, weil die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung des Solidaritätszuschlags im Rahmen der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1708/06 beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geprüft werde, welche sich gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.6.2006 VII B 324/05 (BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53) richte, der nach dem vorgreiflichen Verfahren beim FG Münster (12 K 6263/03 E) ergangen sei. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht wegen der tatsächlichen Verständigung und deren Umsetzung im Änderungsbescheid vom 13.9.2005 entfallen. Die Ergänzung des Klägervortrags sei eine zulässige Klageerweiterung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 1 und Nr. 2 der Zivilprozessordnung.

 

Erstmals im Revisionsverfahren führen die Kläger aus, bei der Berechnung des Vorwegabzugs sei der Gesamtbetrag von 6.136 EUR zu Unrecht um die Einkünfte des Klägers gekürzt worden, obwohl die Klägerin im Streitjahr keine Einkünfte erzielt habe. Es komme nur eine Kürzung in Höhe von 3.068 EUR in Betracht.

 

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Münster vom 18.11.2005 aufzuheben, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Einkommensteuerbescheid vom 13.9.2005 aufzuheben und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung vom 10.8.2005 und der von den Klägern gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten die Einkommensteuer 2002 auf 103.578 EUR herabzusetzen.

 

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Die Auslegung der Einspruchsschrift ergebe, dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags nicht angefochten worden sei. Eine Auslegungsregel, dass bei Anfechtung eines Steuerbescheids stets auch die Festsetzung des Solidaritätszuschlags angefochten werde, existiere nicht und entspreche nicht der Rechtspraxis. Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags sei bestandskräftig geworden, so dass die Aussetzung des Klageverfahrens nicht geboten gewesen sei. Auch sei kein Vorverfahren durchgeführt worden. Das FG habe zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis verneint.

 

II. Die Revision hat keinen Erfolg und wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

1. Unzulässig ist der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag der Kläger, die Einkommensteuer 2002 auf 103.578 EUR herabzusetzen, weil die Rentenversicherungsbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abzuziehen und ein Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 EStG nur in Höhe von 3.068 EUR vorzunehmen sei. Dieser Antrag führt zu einer unzulässigen Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 123 Abs. 1 FGO).

 

a) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO sind Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig. Der Übergang von einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage ist grundsätzlich eine Klageänderung gemäß § 67 FGO (vgl. BFH-Entscheidungen vom 19.5.1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703 = SIS 72 04 08 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen einen Vermögensteuerbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Änderung eines Einheitswertbescheids; vom 23.3.1994 I B 170/93, BFH/NV 1995, 36 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen; vom 19.5.2004 III R 35/02, BFH/NV 2005, 60 = SIS 05 04 22 zum Übergang von einer Anfechtungsklage gegen einen Zusammenveranlagungsbescheid zu einer Verpflichtungsklage auf Durchführung der getrennten Veranlagung; zu einem Ausnahmefall BFH-Urteil vom 9.8.1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981 = SIS 90 01 55; Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 67 Rz 21).

 

b) Dies gilt auch für die im Streitfall vorliegende umgekehrte Konstellation des Übergangs von einem Verpflichtungs- zu einem Anfechtungsbegehren.

 

aa) Die Kläger haben im FG-Verfahren beantragt, den Vorläufigkeitsvermerk zum Änderungsbescheid vom 13.9.2005 wegen der Nichtabziehbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen auf die Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts zu erweitern. Die Klage auf Erlass oder Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks ist eine Verpflichtungsklage (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 35). Im Revisionsverfahren haben sie die endgültige Herabsetzung der Einkommensteuer beantragt. Hierin liegt der Übergang von einer Verpflichtungs- zu einer Anfechtungsklage.

 

bb) Zwar ist der Vorläufigkeitsvermerk eine unselbstständige Nebenbestimmung zum Einkommensteuerbescheid (Senatsurteil vom 25.10.1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278 = SIS 90 06 46). Der Vorläufigkeitsvermerk betrifft unmittelbar den Inhalt (Regelungsgehalt) des Steuerbescheids, dem er beigefügt ist, weil er eine Aussage über die Verbindlichkeit und Endgültigkeit der Steuerfestsetzung trifft. Dies hat zur Folge, dass ein Streit um die Beifügung oder Erweiterung eines Vorläufigkeitsvermerks die Rechtmäßigkeit der gesamten Steuerfestsetzung betrifft und demzufolge bei Streitigkeiten nicht etwa der Vorläufigkeitsvermerk als Verwaltungsakt, sondern der Einkommensteuerbescheid insgesamt Verfahrensgegenstand ist.

 

Dennoch ist der Übergang vom ursprünglichen Antrag im Klageverfahren, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, zum Antrag, die Einkommensteuer im Revisionsverfahren herabzusetzen, eine unzulässige Klageänderung i.S. der §§ 67, 123 FGO. Keine Klageänderung läge vor, wenn es sich bei dem Antrag des Klägers um die rein betragsmäßige Erweiterung oder Herabsetzung des Begehrens, die Einkommensteuerfestsetzung zu ändern oder um die Erweiterung oder Beschränkung des Begehrens, eine weitere Besteuerungsgrundlage anzugreifen oder den Angriff hiergegen fallen zu lassen, handeln würde (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 67 Rz 7; Tipke in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 3; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 67 Rz 28-37). Der Antrag der Kläger, einen Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, stellt aber ein davon zu unterscheidendes Klageziel dar, selbst wenn hierzu auch die Einkommensteuerfestsetzung als solche anzufechten ist. Denn die Erweiterung des Vorläufigkeitsvermerks ist ein „aliud“ im Vergleich zu einer Herabsetzung der Steuerfestsetzung. Mit der Ermessensentscheidung, die Steuer vorläufig festzusetzen, wird die Bestandskraft punktuell hinausgeschoben. Der Antrag, die Steuer auf einen bestimmten Betrag herabzusetzen, ist eine gebundene Entscheidung, die auf eine endgültige Steuerfestsetzung gerichtet ist.

 

cc) Eine Änderung des Klagebegehrens ist mit den Grundsätzen des Revisionsrechts unvereinbar. Das Wesen des Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als sie durch den Klageantrag angestrebt war. Über ein Begehren, das - wie hier - erstmals im Revisionsverfahren erhoben wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so dass es insoweit an einem Gegenstand der revisionsrichterlichen Nachprüfung fehlt (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 4.4.1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522 = SIS 74 02 97; vom 21.4.1983 IV R 217/82, BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532 = SIS 83 13 29; vom 25.8.1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23 = SIS 93 23 34; vom 19.10.2006 III R 6/05, BFHE 215, 222, BStBl II 2007, 301 = SIS 07 06 39).

 

2. Die Revision hinsichtlich des Solidaritätszuschlags ist zurückzuweisen.

 

a) Die Annahme des FG, der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen den „Einkommensteuerbescheid 2002“ eingelegte Einspruch vom 25.11.2003 habe sich ausschließlich gegen die damalige Einkommensteuerfestsetzung gerichtet, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

 

aa) Die Auslegung eines Einspruchs ist Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit im Revisionsverfahren keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben werden. Das Revisionsgericht kann die Auslegung durch das FG nur daraufhin überprüfen, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 18.1.2007 IV R 35/04, BFH/NV 2007, 1509 = SIS 07 24 17; vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 48). Revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbar ist indes, ob ein Einspruch auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (vgl. BFH-Urteile vom 28.11.2001 I R 93/00, BFH/NV 2002, 613 = SIS 02 62 03; vom 19.6.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 8.5.2008 VI R 12/05, BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52).

 

Fehlt es hingegen bei einer Einspruchsschrift an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich Gewollten, ist der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner Erklärungen zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, der angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 8.5.2007 X B 43/06, BFH/NV 2007, 1499 = SIS 07 24 08; vom 24.7.2006 IX B 208/05, BFH/NV 2006, 2269 = SIS 06 44 88; vom 19.7.2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68 = SIS 06 02 69; vom 27.5.2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964 = SIS 04 36 37; in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52). Dies gilt grundsätzlich auch für Erklärungen rechtskundiger Personen (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 24.8.2006 XI B 149/05, BFH/NV 2006, 2035 = SIS 06 41 31; vom 6.7.2005 XI B 45/03, BFH/NV 2005, 2029 = SIS 05 45 27; in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52).

 

bb) Der mit dem Einspruch angefochtene Bescheid vom 30.10.2003 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ist ein sog. Sammelbescheid. Alle Steuerfestsetzungen stehen hierin selbstständig nebeneinander und sind lediglich in einem Bescheid verbunden. Die Steuerfestsetzungen können je nach Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unabhängig voneinander angefochten werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1509 = SIS 07 24 17; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 347 AO Rz 77). Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) können mit einem Rechtsbehelf gegen den Solidaritätszuschlag weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Die Einkommensteuerfestsetzung ist Grundlagenbescheid für die Höhe des Solidaritätszuschlags (§ 1 Abs. 5 Satz 2 SolzG). Die Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags aus verfassungsrechtlichen Gründen muss sich hingegen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags selbst richten (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53).

 

cc) Ausgehend von dieser Sachlage ist die vom FG vorgenommene Auslegung, der mit Schreiben vom 25.11.2003 eingelegte Einspruch sei nicht auslegungsbedürftig und habe sich ausschließlich gegen die Festsetzung der Einkommensteuer und nicht gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet, nicht zu beanstanden.

 

Der VI. Senat hat mit Urteil in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52 für die Frage der Auslegungsbedürftigkeit des Einspruchs gegen einen Sammelbescheid entscheidend darauf abgestellt, auf welche Beschwer die Begründung des Einspruchs gestützt wird. Die Auslegungsbedürftigkeit folgt hiernach nicht schon daraus, dass der Einspruch sich gegen einen Sammelbescheid richtet und theoretisch alle darin enthaltenen Festsetzungen angefochten sein könnten. Ausgehend von diesem Maßstab, dem der Senat folgt, hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass der Einspruch vom 25.11.2003 nicht auslegungsbedürftig war. Die Kläger haben damals zur Begründung vorgetragen, ihr Einspruchsbegehren sei auf die Anerkennung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gerichtet und nicht zu erkennen gegeben, dass sie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig halten und dessen Festsetzung angreifen wollen. Für den damaligen Willen der Kläger, mit dem Einspruch vom 25.11.2003 nur die Einkommensteuerfestsetzung anfechten zu wollen, spricht im Übrigen der weitere Geschehensablauf. Die Anfechtung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags wurde erstmals im Schreiben der früheren Bevollmächtigten vom 10.8.2005 angekündigt mit der Erklärung, der „bisherige“ Klageantrag werde erweitert.

 

dd) Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags dem Grunde nach war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig (§ 351 Abs. 1 AO i.V.m. § 42 FGO).

 

b) Das FG hat demzufolge zutreffend das Verfahren betreffend Einkommensteuer nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt, weil das Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht vorgreiflich war. Aufgrund der eingetretenen Bestandskraft konnte sich der Ausgang des Musterverfahrens nicht mehr auf das Klageverfahren auswirken (Gräber/Koch, a.a.O., § 74 Rz 12, m.w.N.).

 

c) Zutreffend sind auch die Ausführungen des FG zur Unzulässigkeit der Klageänderung. Die Kläger haben erstmals vor dem FG neben der Einkommensteuerfestsetzung nach Ergehen des Änderungsbescheids unter dem 13.9.2005 die Festsetzung des Solidaritätszuschlags dem Grunde nach angefochten. Hierin liegt die erstmalige Anfechtung einer weiteren selbstständigen Festsetzung dieses Sammelbescheids im Klageverfahren. Eine Klageänderung gemäß § 67 FGO liegt auch vor, wenn im Wege der Klagehäufung gemäß § 43 FGO ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981 = SIS 90 01 55; Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 7; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz 2; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 67 Rz 17). Die Klageänderung war unzulässig, weil zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist bereits abgelaufen war (vgl. zu dieser Einschränkung Gräber/von Groll, a.a.O., § 67 Rz 11). Es kommt demnach auf die weitere Revisionsrüge, das FG habe zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Aufhebung der Festsetzung des Solidaritätszuschlags verneint, nicht mehr an.

 

3. Es kann dahinstehen, ob das FG hinsichtlich des ursprünglichen Antrags, den Vorläufigkeitsvermerk zur Einkommensteuerfestsetzung im Änderungsbescheid vom 13.9.2005 zu erweitern, zutreffend das Rechtsschutzbedürfnis verneint und die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen hat. Der BFH kann bei mehreren Streitgegenständen über die Revision zu den einzelnen Streitgegenständen nur entscheiden, wenn sich die Revisionsrügen gesondert auf die einzelnen Streitgegenstände beziehen und das Revisionsbegehren für jeden Streitgegenstand zulässig ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 58, und BFH-Urteil vom 8.2.1989 II R 85/86, BFHE 160, 1, BStBl II 1990, 587 = SIS 90 13 53). Die Revisionsbegründung der Kläger enthält zu dem ursprünglichen Antrag im Klageverfahren, den Vorläufigkeitsvermerk zu erweitern, keine konkreten Ausführungen zu etwaigen Rechtsfehlern des FG. Sie führen lediglich an, das FG sei in seiner Urteilsbegründung auf die Abzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge nicht gesondert eingegangen, ohne dies in der Revisionsbegründung zu vertiefen. Der Senat versteht die Kläger daher in der Weise, dass sie insoweit keine Revision erhoben haben.

 

4. In der Sache weist der Senat auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BVerfG zu den einzelnen Begehren der Kläger hin. Die Verfassungsbeschwerde gegen den BFH-Beschluss in BFHE 213, 573, BStBl II 2006, 692 = SIS 06 31 53 im Nachgang zum Musterverfahren zur Festsetzung des Solidaritätszuschlags hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 11.2.2008 2 BvR 1708/06, Deutsche Steuerzeitung 2008, 229). Für Streitjahre vor 2005 und damit auch für das Streitjahr ist einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich geklärt, dass Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben und nicht als vorweggenommene Werbungskosten zu behandeln sind. Das BVerfG hat auf die verneinende Senatsentscheidung vom 8.11.2006 X R 45/02 (BFHE 216, 47, BStBl II 2007, 574 = SIS 07 04 29) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 25.2.2008 2 BvR 325/07, HFR 2008, 753). Es ist zwar noch das Verfahren 2 BvR 2299/04 beim BVerfG gegen die Senatsentscheidungen vom 21.7.2004 X R 72/01 und X R 73/01, BFH/NV 2005, 513 = SIS 05 15 72) anhängig. Dieses Verfahren ist jedoch wegen der vorgenannten Rechtsfrage nach dem Beschluss des BVerfG in HFR 2008, 753 als offensichtlich aussichtslos anzusehen. 1) Schließlich hat das BVerfG durch Beschluss vom 25.2.2008 2 BvR 587/01 (HFR 2008, 750 = SIS 08 27 91) auch die von den Klägern zur Höhe des Vorwegabzugs in Bezug genommene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

 

 

1) Anmerkung des BMF: Die Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss vom 25.9.2009 – 2 BvR 2299/04 – nicht zur Entscheidung angenommen.