Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 26.02.2020 - 4 K 594/18 = SIS 20 05 41 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Streitig ist die formelle
Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages der
Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin).
|
|
|
2
|
Die Klägerin ist eine 1995 errichtete
und im selben Jahr ins Handelsregister eingetragene GmbH, deren
Gegenstand die gemeindepsychiatrische Versorgung des Kreises A ist.
Ihr Gesellschaftsvertrag wurde mit Gesellschafterbeschluss vom
xx.xx.2012 im Hinblick auf die Regelung zum Selbstkontrahieren der
Geschäftsführer geändert.
|
|
|
3
|
Im August 2014 teilte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) der Klägerin mit,
dass der Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom xx.xx.2012 nicht
den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche und bat sie, die
gemeinnützigen Zwecke (wörtlich) zu benennen.
|
|
|
4
|
Am xx.xx.2015 beschlossen die
Gesellschafter der Klägerin eine im ... 2015 in das
Handelsregister eingetragene „Neufassung der Satzung“,
wobei zwar Regelungen zur Vermögensbindung im Fall der
Auflösung der Klägerin enthalten waren, aber - wie auch
in der Fassung vom xx.xx.2012 - nicht bei Zweckwegfall.
|
|
|
5
|
Im Juni 2015 beanstandete das FA den
Gesellschaftsvertrag in seiner Neufassung vom xx.xx.2015 und schlug
der Klägerin vor, die Zwecke „Förderung des
öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen
Gesundheitspflege“ sowie „Förderung
mildtätiger Zwecke“ und in § 4 die Verfolgung
mildtätiger Zwecke aufzunehmen. Zudem schlug es - erstmals -
vor, auch die Regelung zur Auflösung der Gesellschaft an die
Mustersatzung anzupassen.
|
|
|
6
|
Mit Bescheid vom 09.12.2016 lehnte das FA
die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen
Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) ab,
weil die Klägerin mit ihrer „Satzung in der Fassung vom
xx.xx.2015“ die satzungsmäßigen Voraussetzungen
nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO nicht
erfülle.
|
|
|
7
|
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch
ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018
zurückwies. Der verfolgte Zweck und die Art der Verwirklichung
seien in dem Gesellschaftsvertrag nicht genau bestimmt. Da eine
Beanstandung des Gesellschaftsvertrages erstmalig im Jahr 2014
erfolgt sei, sei eine Steuerbegünstigung aus
Vertrauensschutzgesichtspunkten erst ab 2015 zu versagen.
|
|
|
8
|
Der hiergegen erhobenen Klage, mit der die
Klägerin begehrte, den Bescheid über die Ablehnung einer
gesonderten Feststellung der Einhaltung der
satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1
AO vom 09.12.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 20.03.2018
aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, einen Bescheid über
die formelle Satzungsmäßigkeit „für den
Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017“ zu erlassen, gab
das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2020, 902 = SIS 20 05 41
veröffentlichten Urteil statt.
|
|
|
9
|
Das Klagebegehren sei auf die Feststellung
der formellen Satzungsmäßigkeit des
Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom xx.xx.2012 und in der
Fassung vom xx.xx.2015 gerichtet, da es im Hinblick auf den
Klageantrag Ziel der Klägerin sei, im anschließenden
Veranlagungsverfahren für die Jahre 2015 bis 2017 als
gemeinnützig beurteilt zu werden. Das vorherige Verwaltungs-
und Einspruchsverfahren und auch die Einspruchsentscheidung seien
so zu verstehen, dass beide Fassungen des Gesellschaftsvertrages
von Anfang an Verfahrensgegenstand gewesen seien. Der
Gesellschaftsvertrag der Klägerin in den Fassungen vom
xx.xx.2012 sowie vom xx.xx.2015 halte aufgrund einer Auslegung
seiner Bestimmungen die satzungsmäßigen Voraussetzungen
nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO ein. Die Satzung
müsse die in § 52 Abs. 2 AO enthaltenen Zwecke nicht
ausdrücklich dem Wortlaut nach wiederholen. Bei der
Änderung im Jahr 2012 habe nicht die gesamte Satzung in
Übereinstimmung mit der Mustersatzung gebracht werden
müssen. Zudem genüge der Gesellschaftsvertrag der
Klägerin angesichts der gewollten und zuvor zuerkannten
Steuerbegünstigung den Anforderungen der
satzungsmäßigen Vermögensbindung.
|
|
|
10
|
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es meint, § 60 Abs. 1 Satz 2 AO
verlange eine wörtliche Übernahme der Mustersatzung.
Darüber hinaus sei Art. 97 § 1f Abs. 2 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) verletzt, da
auch bei nur teilweisen Satzungsänderungen die
vollständige Satzung in Übereinstimmung mit der
Mustersatzung gebracht werden müsse.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
12
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision des FA
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
Eine wörtliche Übernahme der
Mustersatzung sei nicht erforderlich. Das Urteil des FG enthalte
keine Rechtsfehler.
|
|
|
14
|
Das nach § 122 Abs. 2 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Verfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) unterstützt das
Vorbringen des FA, hat aber keinen Antrag gestellt.
|
|
|
15
|
II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der Gesellschaftsvertrag der
Klägerin in der Fassung vom xx.xx.2015 genügt nicht den
Anforderungen an die satzungsmäßige
Vermögensbindung. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind im
Streitfall nicht zu berücksichtigen. Die formelle
Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages in der
Fassung vom xx.xx.2012 ist nicht Verfahrensgegenstand.
|
|
|
16
|
1. Der Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom
xx.xx.2015 genügt nicht den Anforderungen an die
satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1
i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO), da im Gesellschaftsvertrag der
Klägerin in der Fassung vom xx.xx.2015 ausdrückliche
Bestimmungen der Vermögensbindung für den Wegfall des
bisherigen Zwecks der Klägerin fehlen.
|
|
|
17
|
Gemäß § 61 Abs. 1 AO liegt
eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung (§ 55 Abs.
1 Nr. 4 AO) vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei
Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei
Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der
Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung
geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck
steuerbegünstigt ist. Ist der Wegfall des bisherigen Zwecks
als Voraussetzung des Vermögensanfalls überhaupt nicht
erwähnt, ist eine Auslegung der Satzung in der Weise, dass die
Regelung zu einer anderen Art des Vermögensanfalls auf den
Wegfall des bisherigen Zwecks zu übertragen ist, nicht
möglich (vgl. auch Senatsurteil vom 23.07.2009 - V R 20/08,
BFHE 226, 445, BStBl II 2010, 719 = SIS 09 29 85, unter II.2. und
II.3.; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.01.2011 - I R
91/09, BFH/NV 2011, 111 = SIS 11 18 93, Rz 15, und vom 17.09.2013 -
I R 16/12, BFHE 243, 319, BStBl II 2014, 440 = SIS 14 07 72, Rz
13).
|
|
|
18
|
2. Das FG hat diese Grundsätze nicht
beachtet. Eine Bindung an die Feststellungen des FG
gemäß § 118 Abs. 2 FGO besteht nicht, soweit es den
Gesellschaftsvertrag in der Weise ausgelegt hat, dass dieser den
Anforderungen an die satzungsmäßige
Vermögensbindung genügt.
|
|
|
19
|
Zwar gehört die Auslegung der Satzung zu
den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die das
Revisionsgericht im Grundsatz gebunden ist (BFH-Urteil vom
21.07.1999 - I R 2/98, BFH/NV 2000, 297 = SIS 00 52 01, unter
II.2.a). Allerdings ist die Auslegung des FG insoweit
revisionsrechtlich zu beanstanden, als es nur aufgrund der seiner
Auffassung nach gewollten und zuvor tatsächlich zuerkannten
Steuerbegünstigung davon überzeugt war, dass der
Gesellschaftsvertrag im Wege der Auslegung eine steuerlich
ausreichende Vermögensbindung enthalte, obwohl § 61 Abs.
1 AO ausdrücklich in der Satzung eine genaue Bestimmung der
Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zwecks der
Körperschaft verlangt.
|
|
|
20
|
Die vorherige Handhabung der Beteiligten kann
nicht zur Auslegung der satzungsmäßigen
Vermögensbindung herangezogen werden, weil Regelungen
über die Vermögensbindung bei Wegfall ihres bisherigen
Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden müssen. Die
Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender
Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten
Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises
widersprechen (Senatsurteil in BFHE 226, 445, BStBl II 2010, 719 =
SIS 09 29 85, unter II.2., m.w.N.; BFH-Urteil in BFH/NV 2011,
111 = SIS 11 18 93, Rz 11; Senatsbeschluss vom 07.02.2018 - V B
119/17, BFH/NV 2018, 544 = SIS 18 03 00, Rz 12). Sinn und Zweck der
satzungsmäßigen Vermögensbindung ist, dass
(ausschließlich) aufgrund der Satzung geprüft werden
kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist und
satzungsmäßig die Bindung des steuerbegünstigt
gebildeten Vermögens im Dritten Sektor gewährleistet
bleibt (Jachmann/Unger in Gosch, AO § 61 Rz 10).
|
|
|
21
|
Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt
bleiben, ob Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO die Übernahme der
gesamten in der Mustersatzung bezeichneten Festlegungen auch bei
nur teilweisen Satzungsänderungen verlangt. Die Regelungen des
§ 61 AO zur Vermögensbindung waren bereits vor dem
01.01.2009 verbindlich (Senatsurteil in BFHE 226, 445, BStBl II
2010, 719 = SIS 09 29 85, unter II.4.) und sind hier nicht
erfüllt.
|
|
|
22
|
3. Die Klägerin kann sich hinsichtlich
des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom xx.xx.2015 im Rahmen
der Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit nicht
auf Vertrauensschutz berufen, da das FA im Streitfall erstmals
einen Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO erlassen hat,
wobei auch die negative Feststellung der satzungsmäßigen
Voraussetzungen von dieser Vorschrift erfasst wird (vgl. auch
BT-Drucks. 17/11316, S. 13).
|
|
|
23
|
a) Die Regelungen zu § 60a Abs. 3 bis 5
AO sind vorliegend auf den Fall des erstmaligen Erlasses eines
negativen Feststellungsbescheides nicht anwendbar, da sie einen
bereits erlassenen Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO
voraussetzen (vgl. auch zu § 60a AO i.d.F. des Gesetzes zur
Stärkung des Ehrenamtes vom 21.03.2013, BGBl I 2013, 556
Senatsurteil vom 23.07.2020 - V R 40/18, BFHE 270, 43, BStBl II
2021, 3 = SIS 20 16 14, Rz 15, m.w.N.; vgl. auch BT-Drucks.
17/11316, S. 13).
|
|
|
24
|
b) § 60a Abs. 5 Satz 1 AO ist mangels
Regelungslücke nicht analog anwendbar.
|
|
|
25
|
aa) Eine für eine Analogie erforderliche,
erkennbar planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das
Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten
Teleologie, unvollständig und somit
ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht
einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte
Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden ist der
sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine
gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch
verbesserungsbedürftig, aber doch nicht - gemessen an der dem
Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig
und ergänzungsbedürftig erweist. Ob es sich um eine
ausfüllungsbedürftige Regelungslücke oder lediglich
um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter
Heranziehung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes) zu ermitteln, wobei für den danach
erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes,
insbesondere auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes,
zurückzugreifen ist (BFH-Urteil vom 17.11.2020 - VIII R 20/18,
BFHE 271, 233 = SIS 21 03 47, Rz 22, m.w.N.).
|
|
|
26
|
bb) Eine erkennbar planwidrige
Regelungslücke liegt nach den Wertungen des § 60a AO,
insbesondere seiner Entstehungsgeschichte, im Hinblick auf die
negative erstmalige Feststellung der formellen
Satzungsmäßigkeit nicht vor.
|
|
|
27
|
(1) Nach der Begründung des Gesetzgebers
zur Einfügung des § 60a AO löst die Feststellung
nach § 60a AO das bisherige Verfahren der vorläufigen
Bescheinigung ab. Die Feststellung als Verwaltungsakt sollte zu
einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit für die
Körperschaften führen, deren Antrag nicht entsprochen
wurde (BT-Drucks. 17/11316, S. 13, BR-Drucks. 663/12, S. 17).
|
28
|
Weder die frühere vorläufige
Bescheinigung als vorläufige Anerkennung der
Gemeinnützigkeit noch ein Freistellungsbescheid für
vorangegangene Veranlagungszeiträume begründeten nach der
BFH-Rechtsprechung einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand.
Dies galt auch dann, wenn das FA bei gründlicher Prüfung
der ihm vom Steuerpflichtigen eingereichten Unterlagen bereits
für die früheren Veranlagungszeiträume zu dem
Schluss hätte kommen können, dass eine Freistellung von
der Steuer nicht in Betracht kommt (BFH-Beschluss vom 25.10.2000 -
I B 117/00, BFH/NV 2001, 470 = SIS 01 58 66, unter II.1.). Eine
Übergangsregelegung für Fälle der erstmaligen
negativen Feststellung, die Vertrauensschutzgesichtspunkte
enthält, hat der Gesetzgeber nicht getroffen.
|
|
|
29
|
(2) Der Erlass eines erstmaligen negativen
Feststellungsbescheides nach § 60a Abs. 1 AO ist dem
früheren Verfahren bei erstmaliger Versagung der
Steuerbegünstigung im Veranlagungsverfahren vergleichbar. Nach
der Rechtsprechung gab es in diesen Fällen für den
jeweiligen Veranlagungszeitraum keinen Vertrauensschutz (vgl.
BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 470 = SIS 01 58 66, unter II.1. unter
Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13.12.1978 - I R 77/76, BFHE 127,
327, BStBl II 1979, 481 = SIS 79 02 39). Ein bisher nicht
bestehender Vertrauensschutz kann ohne ausdrückliche
gesetzliche Regelung - wie es § 60a Abs. 5 AO für die
Aufhebung bereits erlassener Feststellungsbescheide vorsieht (vgl.
Unger in Gosch, AO § 60a Rz 23) - nicht begründet
werden.
|
|
|
30
|
Bestätigt wird dies durch § 60a Abs.
2 AO, wonach die Feststellung auf Antrag oder von Amts wegen bei
der Veranlagung zur Körperschaftsteuer erfolgt, wenn bisher
noch keine Feststellung erfolgt ist.
|
|
|
31
|
c) Soweit die Verwaltung seit dem
BMF-Schreiben vom 17.12.2002 - IV C 4 - S 0171 - 119/02 (BStBl I
2004, 1059) - angefügt als Nr. 8 zu § 59 des
Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) mit Wirkung ab
21.04.2008, BStBl I 2008, 582 = SIS 08 20 39; ab 31.01.2014 als Nr.
4 zu § 59 AEAO, BStBl I 2014, 290 = SIS 14 08 32 -
Vertrauensschutz für geprüfte Satzungen gewährt, ist
dies im Streitfall unbeachtlich. Denn dies betrifft jedenfalls
nicht das hier in Rede stehende Feststellungsverfahren nach §
60a AO.
|
|
|
32
|
d) Der Regelungsgehalt des erstmaligen
negativen Feststellungsbescheides ist im Feststellungsverfahren
auch nicht aus anderen Vertrauensschutzgesichtspunkten in der Weise
zu beschränken, dass seine Bindungswirkung erst ab einem
Zeitpunkt nach erstmaliger Beanstandung der Satzung oder der
konkreten Satzungsbestimmung durch das FA oder nach Bekanntgabe des
Bescheides eintritt. Denn eine Bindungswirkung aus
Vertrauensschutzgesichtspunkten ergibt sich erst aus § 60a
Abs. 5 AO.
|
|
|
33
|
Dem steht auch nicht entgegen, dass ggf.
bereits bestandskräftige Freistellungsbescheide infolge der
(überperiodischen) Bindungswirkung (Seer in Tipke/Kruse,
§ 60a AO Rz 7) des negativen Feststellungsbescheides
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO innerhalb nicht
festsetzungsverjährter Zeit (§ 171 Abs. 10 AO) zu
ändern sind. Dies ist lediglich die Folge der bewussten
gesetzgeberischen Entscheidung für die Bindungswirkung eines
(negativen) Feststellungsbescheides, die die
Korrekturmöglichkeiten bereits bestandskräftiger
Freistellungsbescheide erweitert.
|
|
|
34
|
4. Die formelle Satzungsmäßigkeit des
Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom xx.xx.2012 ist nicht
Verfahrensgegenstand.
|
|
|
35
|
a) Über einen etwaigen Antrag auf
Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit des
Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom xx.xx.2012 hat das FA mit
dem negativen Feststellungsbescheid vom 09.12.2016 nicht
entschieden.
|
|
|
36
|
Nach dem Inhalt des Bescheides, der vom
Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen ist
(BFH-Urteil vom 24.03.1998 - I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II
1998, 601 = SIS 98 19 88, unter II.1.b, m.w.N.), betrifft dieser
Bescheid ausdrücklich nur die „Satzung in der Fassung
vom xx.xx.2015“ und nicht auch die Fassung vom
xx.xx.2012. Der Feststellungsbescheid nach § 60a AO ist ohne
Berücksichtigung weiterer Umstände, die der
steuerbegünstigten Körperschaft bekannt sind, aus sich
heraus auszulegen (Senatsurteil in BFHE 270, 43, BStBl II 2021, 3 =
SIS 20 16 14, Rz 28).
|
|
|
37
|
Der gemäß Bescheid vom 09.12.2016
ausdrücklich auf eine bestimmte Satzung beschränkte
Regelungsgegenstand des Feststellungsbescheides entspricht auch dem
Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens. Die Feststellung der
formellen Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a
Abs. 1 Satz 1 AO kann sich der Natur der Sache nach nur auf eine
bestimmte Satzung beziehen. Ist eine solche - wie im Streitfall -
ausdrücklich allein im Feststellungsbescheid genannt,
scheitert eine erweiternde Auslegung auf andere Fassungen am klaren
Wortlaut des Verwaltungsaktes.
|
|
|
38
|
b) An die Auslegung des FG, wonach das
Einspruchsverfahren beide Fassungen des Gesellschaftsvertrages
betreffen soll, ist der Senat nicht gebunden. Revisionsrechtlich
ist in vollem Umfang nachprüfbar, ob ein Einspruch
auslegungsbedürftig ist. Hieran fehlt es, wenn die
Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat
(BFH-Urteile vom 11.02.2009 - X R 51/06, BFHE 226, 1, BStBl II
2009, 892 = SIS 09 30 12, unter II.2.a aa, m.w.N., und vom
28.11.2018 - I R 61/16, BFH/NV 2019, 898 = SIS 19 12 01, Rz 22). So
liegt der Fall hier, da die von einem fachkundigen
Berufsträger vertretene Klägerin ausdrücklich nur
gegen den Bescheid vom 09.12.2016 Einspruch eingelegt hat, der
allein den Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom xx.xx.2015
betrifft.
|
|
|
39
|
5. Über die zwischen den Beteiligten
streitigen Fragen, ob der Gesellschaftsvertrag die in § 52
Abs. 2 AO genannten Zwecke wörtlich übernehmen muss und
ob bei einer Satzungsänderung die gesamte Satzung in
Übereinstimmung mit der Mustersatzung zu bringen ist, ist
somit nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht zu
entscheiden.
|
|
|
40
|
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
|