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Billanzänderung, Zulässigkeit, Bilanzberichtigung

Bilanzänderung, Zulässigkeit, Bilanzberichtigung: 1. War ein Bilanzansatz im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung rechtlich vertretbar, erweist er sich aber im weiteren Verlauf als unrichtig, so kann er unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geändert werden. - 2. Ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG und einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG besteht jedenfalls dann, wenn sich beide Vorgänge auf dieselbe Bilanz beziehen und die Änderung der Bilanz unverzüglich nach der Bilanzberichtigung begehrt wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 31.5.2007 IV R 54/05, BFHE 218 S. 188, BStBl 2008 II S. 665 = SIS 07 31 53). - 3. Besteht Streit über die Zulässigkeit einer Bilanzänderung, so muss der Unternehmer nicht schon mit dem Antrag auf Bilanzänderung eine geänderte Bilanz aufstellen, wenn er den Streit gerichtlich klären lassen will. Er ist vielmehr berechtigt, zunächst diese Klärung zu betreiben und ggf. im Anschluss daran seine Bilanz entsprechend zu ändern (Anschluss an BFH-Urteil vom 27.9.2006 IV R 7/06, BFHE 215 S. 172, BStBl 2008 II S. 600 = SIS 07 03 17; Abgrenzung vom Senatsurteil vom 13.6.2006 I R 84/05, BFHE 214 S. 178, BStBl 2007 II S. 94 = SIS 06 44 14). - Urt.; BFH 17.7.2008, I R 85/07; SIS 08 37 68

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewinnermittlung > Buchführung, Bilanzerstellung
Fundstellen
  1. BFH 17.07.2008, I R 85/07
    BStBl 2008 II S. 924
    LEXinform 0588902

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 12.11.2008
    W.D.H. in DStR 42/2008 S. 2007
    B.R. in StuB 20/2008 S. 804
    M.O.B./A.B. in BB 44/2008 S. 2400
    U.P. in Status:Recht 11/2008 S. 373
    D.G. in BFH/PR 1/2009 S. 5
    C.P. in NWB 52/2008 F. 17 S. 2341
    K.B. in HFR 12/2008 S. 1224
    M.P. in FR 8/2009 S. 377
Normen
[EStG] § 4 Abs. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 20.09.2007, SIS 08 09 05, Bilanzänderung, Bilanzberichtigung, Zulässigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 16.9.2015, SIS 16 05 17, Unbestimmter Urteilstenor: Ein Urteil, welches ein Steuerbescheid dahin abändert, dass die Steuer "unter ...
  • BFH 31.1.2013, SIS 13 08 30, Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs hinsichtlich bilanzieller Rechtsfragen: Das Finanzamt ist im Rahme...
  • Hessisches FG 14.11.2012, SIS 13 08 51, Bewertung von Aktien in Girosammelverwahrung: 1. Bei im Girosammeldepot verwahrten Aktien sind als Ausgan...
  • FG München 23.5.2012, SIS 12 23 67, Bilanzielle Behandlung eines Vermarktungskostenzuschusses im Rahmen eines Medienfonds, Zuschuss als aktiv...
  • FG München 7.3.2011, SIS 11 17 38, Steuerrechtliche Rückwirkung der Ausgliederung einzelner Wirtschaftsgüter, Bewertung ausgegliederter Pens...
  • BFH 23.2.2011, SIS 11 23 47, Besteuerung eines Immobilienfonds mit Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Grundstücken in den Niederla...
  • BFH 26.10.2010, SIS 11 12 84, Ablehnung eines Richters, Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage, subjektiver Fehlerbegriff: 1. Es liegt kei...
  • BFH 25.8.2010, SIS 10 33 56, Gewinnmindernde Rücklage bei unterlassener Abzinsung von Altverbindlichkeiten im Erstjahr: Werden Darlehe...
  • BFH 17.6.2010, SIS 10 36 32, Bildung einer Ansparabschreibung zur Kompensation eines Betriebsprüfungsmehrergebnisses: 1. Eine Rücklage...
  • FG Nürnberg 16.6.2010, SIS 10 33 79, Zeitpunkt der Berücksichtigung von aufgrund einer Außenprüfung festgesetzten Mehrsteuern als Verbindlichk...
  • BFH 19.5.2010, SIS 10 22 25, Rechnungsabgrenzung für Kfz-Steueraufwand: Für in einem Wirtschaftsjahr gezahlte Kfz-Steuer ist ein Rechn...
  • FG Hamburg 16.4.2010, SIS 10 28 86, Vermietungseinkünfte eines geschlossenen Immobilienfonds in den Niederlanden: 1. Sind bei einem geschloss...
  • BFH 7.4.2010, SIS 10 14 76, Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs auf die Beurteilung von Rechtsfragen: Dem Großen Senat wird gemä...
  • BFH 17.3.2010, SIS 10 18 57, Zusage einer Pension ohne ausreichende Erprobung als vGA, Berechnung der Höhe der vGA: 1. Die Erteilung e...
  • BFH 17.2.2010, SIS 10 18 65, Nachforderungszinsen, unterschiedlicher Zinslauf bei Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses; Bilanzänd...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 24.6.2009, SIS 09 31 03, Bestimmung des Teilwerts eines Grundstücks im finanzgerichtlichen Verfahren wegen Aussetzung der Vollzieh...
  • BFH 16.12.2008, SIS 09 12 46, Bildung einer Rückstellung für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen durch Bila...

I. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Genossenschaft, stellte am 15.3.2001 ihren Jahresabschluss für das Streitjahr (2000) auf. Auf der Grundlage dieses Abschlusses setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Körperschaftsteuer für das Streitjahr fest; die Steuerfestsetzung erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

 

Im Rahmen einer anschließenden Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der Steuerbilanzgewinn der Klägerin um 73.786,73 DM und ihr zu versteuerndes Einkommen um 127.658 DM zu erhöhen seien. Die Veränderung des Steuerbilanzgewinns beruht auf einer Minderung der Wertberichtigung von Kundenforderungen (+ 7.000 DM), einer Neubewertung des Wertpapierbestandes (+ 111.868,85 DM), einer Minderung von Verbindlichkeiten gegenüber Kunden (+ 50.000 DM), der Erhöhung einer Umsatzsteuerverbindlichkeit (./. 12.501,16 DM) und einer Erhöhung der Steuerrückstellungen (./. 82.581 DM). Diese Sachbehandlung wird von der Klägerin nicht angegriffen.

 

Die Klägerin wies jedoch im Verlauf der Prüfung darauf hin, dass sie bisher zu Unrecht keine Rückstellung für die Kosten der künftigen Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen gebildet habe. Daraus ergebe sich ein zusätzlicher Rückstellungsbedarf in Höhe von 57.500 DM. Der Prüfer berücksichtigte diesen Aufwand nicht und verwies zur Begründung darauf, dass die Rückstellung in der Handelsbilanz der Klägerin nicht gebildet worden sei. Dem folgte das FA in nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheiden.

 

In dem daraufhin eingeleiteten Klageverfahren begehrte die Klägerin den Ansatz einer Rückstellung für die künftigen Aufbewahrungskosten in Höhe von (nur noch) 55.500 DM. Der dahin gehenden Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 20.9.2007 13 K 3156/05). Sein Urteil ist in EFG 2008, 285 = SIS 08 09 05 abgedruckt.

 

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA eine Verletzung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin begehrte Rückstellung im Rahmen einer Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG gebildet werden darf.

 

1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie muss dabei das Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Zu diesen Grundsätzen gehört, dass für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen eine Rückstellung zu bilden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.8.2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131 = SIS 03 01 98). Hiernach war nach den Feststellungen des FG, die von den Beteiligten nicht angegriffen werden, die Klägerin für das Streitjahr zur Bildung einer Rückstellung in Höhe von 55.500 DM verpflichtet. Dieser Vorgabe entspricht ihre Bilanz für das Streitjahr nicht.

 

2. Dennoch kann, wie das FG zutreffend erkannt hat, diese Bilanz nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG geändert („berichtigt“) werden. Denn für eine Bilanzberichtigung nach Maßgabe dieser Vorschrift ist kein Raum, wenn ein Bilanzansatz zwar bei rückschauender Betrachtung objektiv fehlerhaft ist, nach dem Maßstab des Erkenntnisstandes im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung aber den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (Senatsurteile vom 5.6.2007 I R 47/06, BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818 = SIS 07 31 76; vom 23.1.2008 I R 40/07, BStBl II 2008, 669 = SIS 08 24 13, m.w.N.). Diese Situation liegt, wie der Senat für vergleichbare Fallgestaltungen wiederholt entschieden hat (Urteile in BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818 = SIS 07 31 76; in BStBl II 2008, 669 = SIS 08 24 13), im Streitfall vor.

 

3. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG darf eine Bilanz unabhängig von den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG geändert werden, wenn die Änderung in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht und soweit deren Auswirkung reicht. Die Voraussetzungen für eine solche Bilanzänderung sind, wie das FG ebenfalls richtig erkannt hat, im Streitfall erfüllt.

 

a) Das Begehren der Klägerin geht dahin, dass die bislang nicht ausgewiesene Rückstellung gewinnmindernd gebildet wird. Dieser Vorgang unterfällt dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG.

 

aa) Die Vorschrift regelt der Sache nach, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein zulässiger Bilanzansatz durch einen anderen zulässigen Bilanzansatz ersetzt werden darf (BFH-Urteile vom 14.8.1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, 53, BStBl II 1976, 88, 93 = SIS 76 00 51; vom 9.4.1981 I R 191/77, BFHE 133, 278, BStBl II 1981, 620 = SIS 81 19 14; vom 9.8.1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, 523, BStBl II 1990, 195, 196 = SIS 90 03 15; vom 25.10.2007 III R 39/04, BStBl II 2008, 226, 228 = SIS 08 07 20). Sie greift nicht nur dort ein, wo das Gesetz dem Unternehmer ein Wahlrecht zwischen mehreren Bilanzansätzen einräumt. Vielmehr erfasst sie auch die Ersetzung eines Bilanzansatzes, der nach den Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung der kaufmännischen Sorgfalt entsprach und in diesem Sinne „subjektiv richtig“ ist, durch einen gleichermaßen „subjektiv richtigen“ anderen Bilanzansatz. In diesem Sinne kann die Ersetzung eines „subjektiv richtigen“ Ansatzes durch denjenigen, der sich später als objektiv zutreffend erweist, Gegenstand einer Bilanzänderung sein (ebenso im Ergebnis Stapperfend in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 4 EStG Rz 462; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz 1028).

 

Dem steht das vom FA geltend gemachte bilanzsteuerrechtliche Stichtagsprinzip nicht entgegen. Dieses Prinzip besagt, dass ein Bilanzansatz nur an denjenigen Umständen gemessen werden darf, die bis zum Ende des Bilanzstichtags eingetreten und bis zur Bilanzaufstellung erkennbar geworden sind. Es mag zwar dazu führen, dass ein „subjektiv richtiger“ Bilanzansatz nicht im Wege der Bilanzänderung durch einen anderen Ansatz ersetzt werden darf, der nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung als unrichtig anzusehen wäre (so z.B. Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 4 EStG Rz 462; Wied in Blümich, a.a.O., § 4 EStG Rz 1028; Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 27. Aufl., § 4 Rz 750; a.A. evtl. Crezelius in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 4 Rz 247; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz C 188, m.w.N.). Jedoch ist, wenn eine bestimmte Bilanzierung „subjektiv richtig“ ist, deshalb nicht jede andere bilanzielle Behandlung desselben Sachverhalts notwendig unrichtig. Es liegt vielmehr gerade in der Natur des kaufmännischen Ermessens, dass nicht nur ein einziger, sondern mehrere unterschiedliche Bilanzansätze gleichermaßen „richtig“ sind und steuerlich anzuerkennen wären. Deshalb kann dann, wenn sich der Kaufmann in einem solchen Fall bei der Bilanzaufstellung für eine bestimmte Handhabung entschieden hat, eine später erlangte bessere Erkenntnis Ausgangspunkt einer Bilanzänderung sein.

 

bb) Diese Überlegungen greifen namentlich dann durch, wenn es - wie im Streitfall - um eine Bilanzierung geht, die sich im Lichte einer erst später ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung als aus Rechtsgründen unzutreffend erweist. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als „richtig“ anzusehen, solange nicht die maßgeblichen Umstände in einem bestimmten Sinne geklärt sind (Senatsurteile vom 5.4.2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, 331, BStBl II 2006, 688, 691 = SIS 06 29 98; in BFHE 218, 221, BStBl II 2007, 818 = SIS 07 31 76; in BStBl II 2008, 669, 670); dieser Grundsatz gilt im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG gleichermaßen. Er führt insoweit dazu, dass die höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage jedenfalls dann im Wege einer Bilanzänderung umgesetzt werden kann, wenn die bilanzrechtliche Situation im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung objektiv unklar war. Ob etwas anderes gilt, wenn der Kaufmann sich an einer bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert hat und sich diese Rechtsprechung im weiteren Verlauf ändert, kann im Streitfall offenbleiben.

 

Denn hier hat das FG zu Recht angenommen, dass nicht nur das Unterlassen, sondern auch die Bildung der in Rede stehenden Rückstellung aus der Sicht des Bilanzaufstellungszeitpunkts „subjektiv richtig“ gewesen wäre. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin ihren Jahresabschluss am 15.3.2001 aufgestellt. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der künftige Aufwand für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen Gegenstand einer Rückstellung sein kann, war seinerzeit streitig; die Finanzverwaltung hielt eine solche Rückstellung für unzulässig, während mehrere FG die später vom BFH bestätigte Rückstellungspflicht befürwortet hatten (FG Münster, Urteil vom 17.9.1998 9 K 8064/97 K, EFG 1999, 63; FG Nürnberg, Urteil vom 18.4.2000 I 156/95, EFG 2000, 1306 = SIS 01 69 56). In dieser Situation hätte die Bildung einer Rückstellung ebenso wie der Verzicht auf eine solche der kaufmännischen Sorgfalt entsprochen. Die nunmehr von der Klägerin begehrte Sachbehandlung ist daher ebenso „richtig“ wie die ursprünglich gewählte, weshalb diese Voraussetzung einer Bilanzänderung im Streitfall vorliegt.

 

b) Der von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geforderte enge zeitliche und sachliche Zusammenhang der Bilanzänderung mit einer Bilanzberichtigung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ist im Streitfall gegeben. Denn ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls dann, wenn sich die Bilanzänderung einerseits und die Bilanzberichtigung andererseits auf dieselbe Bilanz beziehen und die Änderung der Bilanz unverzüglich nach der Bilanzberichtigung begehrt wird (BFH-Urteile vom 31.5.2007 IV R 54/05, BFHE 218, 188, 192, BStBl II 2008, 665, 667 = SIS 07 31 53; vom 31.5.2007 IV R 25/06, BFH/NV 2007, 2086, 2087 = SIS 07 35 34; Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 18.5.2000, BStBl I 2000, 587 = SIS 00 07 77). Diese Situation liegt im Streitfall vor:

 

Die Klägerin will ihre Bilanz für das Streitjahr in der Weise ändern, dass die bisher nicht gebildete Rückstellung zusätzlich berücksichtigt wird. Diese Maßnahme führt zu einer Minderung des Gewinns um 55.500 DM. Sie wirkt einer Erhöhung des Steuerbilanzgewinns um 73.786,73 DM entgegen, die sich nach den Feststellungen des FG daraus ergibt, dass in der Bilanz der Klägerin Aktiva (Wertpapiere und Kundenforderungen) zu niedrig bewertet und Passiva (Verbindlichkeiten gegenüber Kunden) mit einem zu hohen Betrag angesetzt sind. Im Ergebnis ist die Klägerin mithin bereit, ihre Bilanz nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen zu berichtigen, wobei sie aber die sich daraus ergebende Gewinnerhöhung durch eine gegenläufige Bilanzänderung zum Teil kompensieren will. Damit stehen beide Maßnahmen in dem von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geforderten engen sachlichen Zusammenhang. Schließlich hat das FG festgestellt, dass die Klägerin die Bilanzänderung schon während der Außenprüfung geltend gemacht hat, so dass der zeitliche Zusammenhang i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenfalls gegeben ist.

 

c) Die von der Klägerin in Anspruch genommene Bilanzänderung ist ungeachtet dessen zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Handelsbilanz bislang nicht entsprechend geändert hat. Denn nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin schon während der Außenprüfung die Bilanzänderung erfolglos geltend gemacht. Besteht indessen Streit über die Zulässigkeit einer Bilanzänderung, so muss der Unternehmer nicht schon mit dem Antrag auf Bilanzänderung eine berichtigte und geänderte Bilanz einreichen, wenn er den Streit gerichtlich klären lassen will. Er ist vielmehr berechtigt, zunächst diese Klärung zu betreiben und erst dann eine entsprechend geänderte Bilanz aufzustellen, wenn die Bilanzänderung rechtskräftig für zulässig erachtet worden ist (BFH-Urteil vom 27.9.2006 IV R 7/06, BFHE 215, 172, 176, BStBl II 2008, 600, 602 = SIS 07 03 17; in BFHE 218, 188, 192, BStBl II 2008, 665, 667). Soweit die bisherige Rechtsprechung des Senats anders verstanden werden kann (z.B. Senatsurteil vom 13.6.2006 I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94 = SIS 06 44 14, m.w.N.), hält der Senat daran nicht fest.

 

4. Mit dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht von dem Urteil des IV. Senats des BFH in BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88 = SIS 76 00 51 ab. Der IV. Senat ist ersichtlich davon ausgegangen, dass in dem dort gegebenen Fall - es ging um die Höhe eines angemessenen Pachtzinses - nur ein einziger Betrag als angemessen angesehen werden konnte und dass die - von einem anderen Betrag ausgehende - tatsächlich vorgenommene Bilanzierung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht vereinbar war. Unter diesen Umständen war jene Bilanzierung nicht nur objektiv, sondern auch im vorstehend erläuterten Sinne „subjektiv“ unrichtig. Die im Streitfall gegebene Situation, in der mehrere Arten der bilanziellen Behandlung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag vertretbar waren, wird von der Entscheidung nicht berührt. Deshalb ist eine Anfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO im Streitfall nicht erforderlich.