Bilanzänderung zur anderweitigen Verteilung von Sonderabschreibungen: 1. Der Steuerpflichtige kann innerhalb des Begünstigungszeitraums von fünf Jahren frei wählen, in welcher Höhe er die Sonderabschreibungen nach § 4 FördG im einzelnen Kalenderjahr in Anspruch nimmt. - 2. Im Rahmen einer zulässigen Bilanzänderung kann der Steuerpflichtige ihm zustehende, im Jahr der Bilanzänderung aber noch nicht oder nicht in voller Höhe geltend gemachte Sonderabschreibungen erstmals oder mit einem höheren Betrag in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn er die im Jahr der Bilanzänderung noch nicht ausgeschöpften Sonderabschreibungen in den Bilanzen der Folgejahre schon beansprucht hat. - Urt.; BFH 25.10.2007, III R 39/04; SIS 08 07 20
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren
1996 bis 1998 ein Busunternehmen. Für die Sanierung des
Betriebshofs erhielt sie öffentliche Zuschüsse, die ihre
Aufwendungen zu 85 % deckten. In ihren Bilanzen bildete die
Klägerin in Höhe der Zuschüsse einen Passivposten,
den sie linear abschrieb. Für den Aktivposten
„Betriebshof“ nahm sie lineare Absetzungen für
Abnutzung (AfA) und zusätzlich (für 1996 und 1997)
Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes
(FördG) vom ungeminderten Buchwert vor. Im Ergebnis nahm die
Klägerin damit neben AfA und Sonderabschreibungen auf die um
die Zuschüsse geminderten Herstellungskosten auch
Sonderabschreibungen auf die bezuschussten Herstellungskosten in
Anspruch.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte dies anlässlich einer im Jahr 2000
für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung
fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO). In Tz.
... des Berichts nahm die Prüferin entsprechende Korrekturen
vor. Sie verminderte den Ansatz für Geschäfts- und
Fabrikbauten um die Zuschüsse, strich den Passivposten und
berücksichtigte AfA und Sonderabschreibungen für 1996 und
1997 lediglich von dem um die Zuschüsse geminderten Buchwert.
Insgesamt ergaben sich für die Streitjahre 1996 und 1997
Gewinnerhöhungen, die im Wesentlichen durch die Streichung der
Sonderabschreibungen auf die Zuschüsse verursacht waren.
Für das Streitjahr 1998 führte die Prüfung zu einer
Gewinnminderung, die auf den Mehrsteuern (Umsatz- und
Gewerbesteuer) laut Betriebsprüfung beruhte.
Die Klägerin erkannte die von der
Prüferin angesetzten Werte an. Zum Ausgleich der
Gewinnerhöhungen aufgrund der Bilanzberichtigungen beantragte
sie bereits während der Betriebsprüfung, die
Bilanzansätze für 1996 und 1997 durch Inanspruchnahme
bisher nicht ausgenutzter Sonderabschreibungen nach § 4
FördG bei begünstigten Wirtschaftsgütern zu
ändern. Die Prüferin war dagegen der Auffassung, die
Klägerin könne für die Jahre 1996 und 1997 keine
weiteren Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen, weil sie das in
diesen Jahren noch nicht verbrauchte Sonderabschreibungsvolumen in
der Bilanz 1998 eingesetzt habe. Da sich für das Jahr 1998
jedoch keine Gewinnerhöhung aufgrund einer Bilanzberichtigung
ergebe, könne die Bilanz 1998 nicht geändert
werden.
Das FA setzte die Einkommensteuer und die
Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1996 bis 1998
durch Bescheide vom 28.9.2000 entsprechend den
Prüfungsfeststellungen fest.
Auf die Einsprüche der Klägerin
gegen die Änderungsbescheide wurden die Umsatzsteuerbescheide
1996 bis 1998 geändert und die Umsatzsteuer jeweils
herabgesetzt. Da die Minderung der Umsatzsteuer eine Erhöhung
der Gewinne und damit auch eine Erhöhung der Gewerbesteuer zur
Folge hatte, änderte das FA am 8.2.2002 die Einkommensteuer-
und Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1998 entsprechend.
Die Klägerin reichte daraufhin eine
geänderte Aufstellung ein, wie das in den Jahren 1996 und 1997
noch nicht verbrauchte Sonderabschreibungsvolumen verteilt werden
solle. Außerdem beantragte sie, die Sonderabschreibungen
für die Werkstattausrüstung in Höhe von 5.000 DM in
der Bilanz zum 31.12.1997 rückgängig zu machen und
stattdessen in der Bilanz zum 31.12.1996 zu berücksichtigen.
Das FA wies die Einsprüche der Klägerin gegen die
Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1998 durch
Einspruchsentscheidung vom 14.5.2002 als unbegründet
zurück.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in
EFG 2004, 1878 = SIS 05 00 15 veröffentlicht ist, wies die
Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die Bilanz zum
31.12.1998 könne schon deshalb nicht geändert werden,
weil sie nicht berichtigt worden sei. Auch die Berichtigung der
Bilanzen zum 31.12.1996 bzw. 1997 ermögliche keine
entsprechenden Bilanzänderungen, da ein enger sachlicher
Zusammenhang als Voraussetzung einer Bilanzänderung nach
§ 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur dann
gegeben sei, wenn diejenige Bilanz geändert werden solle, die
zuvor Gegenstand einer Berichtigung gewesen sei. Im Übrigen
habe die Klägerin ihr Wahlrecht hinsichtlich der
Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen durch Ausübung
für das Jahr 1998 verbraucht. An diese Ausübung des
Wahlrechts sei sie gebunden, so dass der begehrte Ansatz der
Sonderabschreibungen in den Bilanzen zum 31.12.1996 bzw. 1997 nicht
mehr möglich sei. Die Klägerin könne auch die Bilanz
zum 31.12.1997 nicht ändern, um die Sonderabschreibungen
für die Werkstattausrüstung rückgängig zu
machen. Denn eine Bilanzänderung sei nur soweit zulässig,
wie die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reiche.
Die begehrte Bilanzänderung würde indes zu einer weiteren
Gewinnerhöhung führen.
Mit der Revision trägt die
Klägerin im Wesentlichen vor: Die Betriebsprüfung habe
für das Jahr 1996 zu einer Bilanzberichtigung in Höhe von
147.360 DM geführt. Da das vorhandene
Sonderabschreibungsvolumen im Jahre 1996 nicht ausgeschöpft
gewesen sei, sei eine entsprechende Bilanzänderung
möglich. Dem stehe nicht entgegen, dass das
Sonderabschreibungsvolumen in einem späteren Wirtschaftsjahr
beansprucht worden sei. Die Änderung der Wertansätze in
der Schlussbilanz 1996 führe wegen des herzustellenden
Bilanzenzusammenhangs zu einer Änderung der
Eröffnungsbilanz 1997. Das Gleiche gelte in Bezug auf die
Schlussbilanz 1997 und die Eröffnungsbilanz 1998. Damit seien
die für 1998 in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen
mangels Abschreibungsvolumens unzulässig mit der Folge, dass
die Rückgängigmachung dieser Sonderabschreibungen
für 1998 keine Bilanzänderung, sondern eine zwingende
Berichtigung der Bilanz zum 31.12.1998 darstelle.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entgegen der Rechtsauffassung des FG sind,
sofern die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der
Sonderabschreibungen nach dem FördG gegeben sind, entsprechend
dem Antrag der Klägerin die von ihr im Jahre 1998 abgesetzten
Sonderabschreibungen auf verschiedene Wirtschaftsgüter im Wege
der Bilanzänderung in den Bilanzen zum 31.12.1996 bzw. 1997 zu
berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die Absetzung
der Sonderabschreibungen des Jahres 1997 in der Bilanz zum
31.12.1996. Die dem Grunde nach zulässigen
Bilanzänderungen führen aufgrund des
Bilanzenzusammenhangs zu entsprechenden Berichtigungen der Bilanzen
der Folgejahre.
1. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der
Steuerpflichtige die Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim FA
ändern, soweit sie den Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der
Vorschriften des EStG nicht entspricht (sog.
Bilanzberichtigung).
Das FA hat die Sonderabschreibungen auf den
Betriebshof gemindert und die Bilanzen für 1996 und 1997
entsprechend berichtigt. Die Klägerin hat diese Werte
übernommen. Damit hat sie eine Bilanzberichtigung i.S. von
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. die Korrektur eines unrichtigen
Bilanzansatzes durchgeführt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 4.11.1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129 = SIS 00 02 30), welche die Möglichkeit einer Bilanzänderung
nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG eröffnet.
2. Im Streitfall findet, da die Klägerin
von ihrem Bilanzierungswahlrecht erst nach dem 31.3.1999, dem Tag
der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) Gebrauch
gemacht hat, § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des
Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601,
BStBl I 2000, 13) Anwendung (§ 52 Abs. 9 EStG; BFH-Urteil vom
31.5.2007 IV R 54/05, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt,
BFH/NV 2007, 1973 = SIS 07 31 53). Danach ist eine Änderung
der Bilanz (nur) zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen
und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach Satz
1 des § 4 Abs. 2 EStG steht und soweit die Auswirkung der
Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht. Die Regelung
greift ein, wenn ein weder dem Grunde noch der Höhe nach
fehlerhafter und somit zulässiger Bilanzansatz durch einen
anderen, gesetzlich wahlweise ebenfalls zulässigen Ansatz
ersetzt werden soll (sog. Bilanzänderung).
a) Entgegen der Auffassung des FG sind im
Streitfall die Voraussetzungen einer Bilanzänderung -
jedenfalls dem Grunde nach - gegeben.
Nach § 4 FördG können
Steuerpflichtige für begünstigte Investitionen im Jahr
des Investitionsabschlusses und in den folgenden vier Jahren
Sonderabschreibungen bis zu 50 v.H. bzw. bis zu 40 v.H. der
Bemessungsgrundlage in Anspruch nehmen. Den jährlichen Umfang
der Sonderabschreibungen innerhalb des Fünfjahreszeitraums
kann der Steuerpflichtige nach seiner Wahl bestimmen. Er kann die
insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen
gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die Jahre
des Begünstigungszeitraums verteilen und daher z.B. auch
bereits im Erstjahr voll in Anspruch nehmen
(Blümich/Stuhrmann, § 4 FördG Rz 12a). Ändert
der Steuerpflichtige die zunächst in zulässigem Umfang
vorgenommene jährliche Verteilung der Sonderabschreibungen
dadurch, dass er die Höhe der ihm zustehenden Abschreibungen
innerhalb des Fünfjahreszeitraumes anders verteilt, handelt es
sich daher um die Ersetzung eines zulässigen Bilanzansatzes
zugunsten eines anderen, ebenfalls zulässigen Ansatzes und
damit um eine Bilanzänderung i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 2
EStG.
b) Die Klägerin durfte daher für
Investitionen, für die der Fünfjahreszeitraum den
Streitzeitraum umfasste, ihr zustehende Sonderabschreibungen bis
zur Höhe der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG vorgenommenen
jeweiligen Bilanzberichtigungen auf die Jahre 1996 und 1997
verteilen bzw. die Sonderabschreibungen des Jahres 1997 im Jahre
1996 beanspruchen und damit die als Folge der Bilanzberichtigungen
eingetretenen Gewinnerhöhungen - ganz oder teilweise -
ausgleichen. Das gilt auch für die 1998 in Anspruch genommenen
Sonderabschreibungen.
Demnach stellt sich im Streitfall nicht die
vom FG in den Vordergrund seiner Entscheidung gestellte
Rechtsfrage, ob ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang
zwischen einer Bilanzberichtigung und einer Bilanzänderung
i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nur dann gegeben ist, wenn
diejenige Bilanz geändert werden soll, die zuvor Gegenstand
einer Bilanzberichtigung war. Denn die von der Klägerin
gewählten Änderungen der Bilanzen zum 31.12.1996 und 1997
beziehen sich jeweils auf die entsprechenden vom FA vorgenommenen
und von der Klägerin übernommenen Berichtigungen dieser
Bilanzen.
c) Entgegen der Ansicht des FG hat die
Klägerin ihr Recht zur beliebigen Verteilung der
Sonderabschreibungen im Begünstigungszeitraum nicht dadurch
„verbraucht“, dass sie ihr Wahlrecht
hinsichtlich der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen für
das Jahr 1998 (bzw. 1997 betreffend die Werkstattausrüstung)
ausgeübt hat. Denn der Umfang des Abschreibungsvolumens ist
aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtags zu bestimmen, zu dem
der bisherige Ansatz geändert werden soll (vgl. BFH-Urteil vom
24.3.1998 I R 20/94, BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272 = SIS 98 13 24).
Werden Sonderabschreibungen im Rahmen einer
Bilanzänderung anderweitig verteilt, werden die bisherigen
Bilanzansätze rückwirkend geändert. Die
geänderte Schlussbilanz ist der Gewinnermittlung und der
Veranlagung zugrunde zu legen. Nach den Grundsätzen des
Bilanzenzusammenhangs sind nunmehr fehlerhafte Ansätze in den
Bilanzen der Folgejahre zu berichtigen (Crezelius in Kirchhof,
EStG, 7. Aufl., § 4 Rz 250; Blümich/ Wied, § 4 EStG
Rz 1043; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz
483). Die Korrektur eines Wertansatzes in der Schlussbilanz, der
sich auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre auswirkt, ist ein
Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung für die
Steuerfestsetzungen der Folgejahre, bei denen sich der Wertansatz
gewinnerhöhend oder -mindernd auswirkt, so dass auch
bestandskräftige Einkommensteuerbescheide nach § 175 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden können (BFH-Urteil vom
30.6.2005 IV R 11/04, BFHE 210, 196, BStBl II 2005, 809 = SIS 05 40 04, m.w.N.).
3. Das Urteil des FG, das auf einer anderen
Rechtsauffassung beruht, war aufzuheben. Die Sache wird an das FG
zurückverwiesen. Dieses wird zu prüfen haben, ob und in
welcher Höhe der Klägerin für das Streitjahr 1998
Sonderabschreibungen zustehen, die wahlweise in den Jahren 1996 und
1997 in Anspruch genommen werden können. Entsprechende
Feststellungen werden hinsichtlich der Werkstattausrüstung zu
treffen sein, für die die Klägerin ursprünglich
für das Jahr 1997 Sonderabschreibungen in Anspruch genommenen
hatte.