Argentinien, Anleihen, Verluste: Verluste aus der Veräußerung von Argentinien-Anleihen sind nicht steuerbar. - Urt.; BFH 13.12.2006, VIII R 62/04; SIS 07 06 10
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 18.7.2007, IV B 8 - S 2252/0, BStBl
2007 I S. 548 = SIS 07 24 77
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) veräußerte am 20.1.2003 durch notariellen
Kaufvertrag argentinische Staatsanleihen mit einem Zinssatz von
11,75 v.H. bzw. einem variablen Zinssatz zwischen 8 v.H. und 15
v.H. (Anschaffungskosten 175.008 EUR) zum Preis von 39.243 EUR ohne
Stückzinsabrechnung nach Börsentageskurs an seinen Sohn.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte
eine Neufestsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen des
Klägers unter Berücksichtigung des vom Kläger
erlittenen Veräußerungsverlustes von 135.765 EUR ab, da
der Kursverlust auf der nichtsteuerbaren Vermögensebene
ausgelöst worden sei.
Die hiergegen gerichtete Klage, mit der der
Kläger sinngemäß beantragt hatte, das FA zu
verpflichten, die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum
Solidaritätszuschlag 2003, beginnend mit dem 10.6.2003, auf 0
EUR herabzusetzen, wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG
2004, 1688 = SIS 04 34 84 veröffentlichten Urteil vom
16.6.2004 10 K 2963/03 E als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
Er beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer für 2003
unter Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes
von 135.765 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat
das FA am 22.3.2005 den Einkommensteuerbescheid für 2003
erlassen. Die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes
werden dadurch nicht berührt.
II. Auf die Revision des Klägers ist die
Vorentscheidung schon aus verfahrensrechtlichen Gründen
aufzuheben. Das FG entschied über die Einspruchsentscheidung
vom 14.5.2003 zu den Einkommensteuervorauszahlungen 2003.
Während des Revisionsverfahrens trat der
Einkommensteuerbescheid an die Stelle des Bescheids über die
Einkommensteuervorauszahlungen. Damit liegt dem FG-Urteil ein in
seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde mit der Folge, dass
auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu Senatsurteil
vom 21.12.1993 VIII R 13/89, BFHE 174, 328, BStBl II 1994, 734 =
SIS 94 17 05, sowie Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.1.2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43 = SIS 03 23 11, und vom 28.8.2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10
= SIS 03 42 92).
Der Bescheid vom 22.3.2005 wurde nach §
68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
Gegenstand des Revisionsverfahrens (BFH-Urteil vom 4.11.1999 V R
35/98, BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454 = SIS 00 03 04, m.w.N.). Da
sich hinsichtlich der streitigen Punkte durch die Ersetzung des
Vorauszahlungsbescheids durch den Einkommensteuerbescheid keine
Änderungen ergeben haben und der Kläger auch keinen
weiter gehenden Antrag gestellt hat, bedarf es keiner
Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO.
Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem
Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen
sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die
Entscheidung des Senats (Senatsurteil in BFHE 174, 328, BStBl II
1994, 734 = SIS 94 17 05, sowie BFH-Urteile in BFHE 201, 269, BStBl
II 2004, 43 = SIS 03 23 11, und in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10
= SIS 03 42 92).
III. Der Senat entscheidet aufgrund seiner
Befugnis nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO in der Sache
selbst. Die Klage ist abzuweisen.
Der streitige Veräußerungsverlust
führt nicht zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen
(§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
Zwar fallen die streitigen Argentinien-Anleihen unter § 20
Abs. 1 Nr. 7 EStG. Jedoch fehlt es an einem steuerbaren
Veräußerungsverlust i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr.
4, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.
1. Die argentinischen Staatsanleihen
erfüllen nicht die Voraussetzungen einer Finanzinnovation i.S.
von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG.
a) Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 1 EStG zählen zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der
Veräußerung oder Abtretung von Schuldverschreibungen,
Schuldbuchforderungen und sonstigen Kapitalforderungen mit
Zinsscheinen oder Zinsforderungen, wenn Stückzinsen nicht
besonders in Rechnung gestellt werden, soweit sie der rechnerisch
auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Fehlt
es an einer Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie
nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den
Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung als
Kapitalertrag.
Die Zuordnung von Wertpapieren und
Kapitalforderungen zu dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1
Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen hat
ausgehend von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Emission der
Anlage zu erfolgen. Dies ergibt sich aus dem systematischen
Zusammenhang der tatbestandlichen Beschreibung der steuerbaren
Finanzinnovationen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst.
c EStG mit der Regelung der fraglichen Einkünfte ihrer
Höhe nach gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz
1 2. Halbsatz sowie Satz 2 EStG nach Maßgabe der
Emissionsrendite oder des Unterschieds zwischen dem Entgelt
für den Erwerb und den Einnahmen aus der
Veräußerung der Anlage. Beide Merkmale, die
Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die Berechnung der
steuerbaren Einkünfte bilden zusammen den maßgeblichen
Steuertatbestand. Die gesetzliche Ausrichtung der Besteuerung an
der Emissionsrendite bezieht diesen Steuertatbestand auf den
Zeitpunkt der Emission. Folglich ist auch die Typenbestimmung auf
die Ausgestaltung der fraglichen Wertpapiere bzw.
Kapitalforderungen im Zeitpunkt der Emission zu beziehen (vgl. auch
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 14.7.2004
IV C 1 - S 2252 - 171/04, BStBl I 2004, 611 = SIS 04 27 31;
Harenberg, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3, 13151, 13154;
a.A. Haisch, DStZ 2005, 102, 105; Schmitt/Krause, DStR 2004, 2042,
2044: Zeitpunkt der Veräußerung; zum Streitstand
Schalburg, Steuerwarte - StW -, 2005, 123, 127).
b) Die argentinischen Staatsanleihen befanden
sich beim Erwerb durch den Kläger noch nicht im sog.
Flat-Handel. Sie hatten bei ihrer Emission einen 11,75 %igen bis 15
%igen Zinskupon, so dass Stückzinsen besonders in Rechnung
gestellt wurden. Erst mit Zahlungseinstellung Ende 2001 und der
sog. Umschlüsselung durch die Deutsche Börse stellten die
Banken keine Stückzinsen mehr besonders in Rechnung und erst
ab diesem Zeitpunkt wurde der Anspruch auf Zinszahlungen nicht mehr
erfüllt. Dies ändert indes nicht - rückwirkend - den
Charakter der argentinischen Anleihen als festverzinsliche
Wertpapiere (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 611 = SIS 04 27 31; Engelsberger, FR 2002, 1280; Harenberg, FR 2002, 819; a.A.
Schmitt/Krause, DStR 2004, 2042; Haisch, DB 2002, 1736; Wellmann,
DStZ 2002, 179), denn für die Frage der steuerrechtlichen
Einordnung der Anleihen kommt es - wie vorstehend begründet -
auf den Zeitpunkt der Begebung an.
2. Der Verlust aus der Veräußerung
der Argentinien-Anleihen ist auch nicht nach Maßgabe von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 2 EStG zu erfassen.
a) Soweit die Anleihen einen variablen
Zinssatz zwischen 8 v.H. und 15 v.H. aufwiesen, erfüllen sie
zwar dem Gesetzeswortlaut nach den Tatbestand von § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG, da Kapitalerträge in
unterschiedlicher Höhe gezahlt werden sollten. Jedoch
führt dies nicht zu einer Erfassung des streitigen
Veräußerungsverlusts als negative Einnahmen aus
Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Satz 2 1. Halbsatz EStG. Es handelt sich vielmehr um einen -
abgesehen von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG - nicht
steuerbaren typischen Verlust auf der Vermögensebene.
b) Der streitige
Veräußerungsverlust ist nicht als negative Marktrendite
i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG zu
erfassen. Dies folgt aus der speziellen Typik der in § 20 Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG geregelten
Finanzinnovationen.
aa) Im Zeitpunkt der Emission hatten die
Anleihen eine Emissionsrendite.
Als Emissionsrendite ist die vom Emittenten
bei der Begebung einer Anlage, d.h. von vornherein zugesagte
Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw.
Endfälligkeit einer Kapitalforderung mit Sicherheit, d.h.
mindestens, erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 24.10.2000
VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 = SIS 01 01 04,
unter 2.a der Gründe, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei,
dass von vornherein eine bezifferbare Rendite versprochen wird, die
mit Sicherheit erzielt werden kann. Eine Emissionsrendite ist z.B.
auch dann von vornherein bestimmbar, wenn eine Anleihe mit einer
nach genau definierten Zeitabschnitten auf- oder absteigend
gestaffelten Verzinsung ausgestattet ist (vgl. Dötsch, in
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 20 Rdnr. 0 98). Nach
den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen des FG konnte der Kläger eine Rendite von
mindestens 8 v.H. erzielen.
bb) Unabhängig davon, ob der
Steuerpflichtige die Emissionsrendite nachgewiesen hat, ist im
Streitfall aber nicht der Unterschied zwischen dem Entgelt für
den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz
EStG als - negativer - Kapitalertrag anzusetzen.
(1) Es fehlt bei den streitigen Anleihen nach
der Art ihrer Gestaltung an einer typischen Verbindung von
Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des
Kapitals; vielmehr sind Kapitalnutzungsentgelt und Wertentwicklung
des Kapitals rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar. Das
steht der Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1.
Halbsatz EStG (Marktrendite) entgegen.
Nach der grundsätzlichen Systematik des
geltenden EStG soll § 20 EStG das Entgelt für die
Überlassung von Kapital zur Fremdnutzung erfassen. Dabei ist
diese Nutzung des Kapitals als sog. Quelle abzugrenzen von der
Nutzung der Werthaltigkeit der Quelle selbst, welche nur über
§§ 17, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Besteuerung
unterliegt.
Die Besteuerung der Einkünfte aus
Kapitalvermögen wird von dem Grundsatz beherrscht, dass
zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als
Frucht des Kapitals zu differenzieren ist; grundsätzlich
wirken sich Wertveränderungen der Kapitalanlage als solche auf
die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20
EStG nicht aus (Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 =
SIS 01 01 04, unter 3.a der Gründe, m.w.N.). Nur ausnahmsweise
können sich aus Wertsteigerungen Kapitalerträge i.S. von
§ 20 EStG ergeben, wenn und soweit in ihnen Nutzungen
enthalten sind (vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1993 VIII R 13/91, BFHE
171, 48, BStBl II 1993, 602 = SIS 93 15 01, m.w.N.).
Diese systematische Differenzierung zwischen
Kapitalnutzung und Kapitalverwertung bzw. Ertrags- und
Vermögenssphäre stößt auf systematische bzw.
strukturelle Grenzen, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte der
Besteuerung unterworfen werden sollen, bei denen die jeweilige
vertragliche Gestaltung und die ihr zugrunde liegende
wirtschaftliche Intention gerade auf eine Kombination von
Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und
Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gerichtet sind
(vgl. Haisch, DStZ 2005, 102, 106 mit dem Hinweis, dass es im
flat-price von Festzinsanleihen zu einer nicht mehr entwirrbaren
Vermengung von Zinssurrogaten und Wertänderungen auf der
Vermögensebene komme). Die systematisch gewollte umfassende
Abschöpfung des Kapitalnutzungsentgelts kann nicht
gewährleistet werden, da dieses nicht im traditionellen Sinne
von der Wertentwicklung abgrenzbar ist. Dies kennzeichnet die von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG erfassten
Finanzinnovationen.
Allein vor diesem Hintergrund stellt die
Maßgeblichkeit der Marktrendite gemäß § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 2001 vom 20.12.2001
(BGBl I 2001, 3794) eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des
Binnensystems des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche
Lebenssachverhalte dar, die der grundsätzlichen im
Gesamtsystem des EStG hinsichtlich der
Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 bis 7
EStG) angelegten Differenzierung zwischen sog. Quellenausnutzung
und Quellenverwertung sowie deren unterschiedlicher - wenngleich
z.T. angenäherter (vgl. §§ 17, 23 EStG) - Erfassung
Rechnung trägt.
Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur
Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des
Steuerrechts (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310, 2313, BStBl
I 1994, 50, 53) mit Wirkung ab 1.1.1994 solche Kapitalanlagen, bei
denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier
Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59) und
die sich den Umstand zunutze machen, dass nach bis dahin
gültigem Recht im Privatvermögen zwischen
steuerpflichtigen Kapitalerträgen (insbesondere Zinsen) und
steuerfreien Vermögensmehrungen (insbesondere Kursgewinne)
unterschieden worden war (BTDrucks 12/6078, S. 116), so umfassend
wie möglich einbeziehen. Er wollte sicherstellen,
„dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung
und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher
Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen
zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen gehören“ (BTDrucks 12/5630, S.
59). Damit sollte die Grundlage dafür geschaffen werden,
„dass im Fall der Veräußerung von Wertpapieren
die im Kurs der Papiere und damit im Veräußerungspreis
enthaltenen Erträge auch im Privatbereich der Einkommensteuer
und dem Zinsabschlag unterliegen“ (BTDrucks 12/6078, S.
117). Dieser Zweck sollte insbesondere durch die Erstreckung von
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG auf sog.
Kursdifferenzpapiere ohne eine von vornherein bezifferbare
Emissionsrendite erreicht werden.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG
i.d.F. des StÄndG 2001 ist darauf gerichtet, den
wirtschaftlichen Lebenssachverhalt der Anlage in sog.
Finanzinnovationen zu erfassen, bei denen es typischerweise darum
geht, die wirtschaftliche Nutzung des Kapitalvermögens durch
entgeltliche Überlassung an einen Dritten mit der
Abschöpfung von Kursdifferenzen zu verbinden und dabei auch
etwaige Kursgewinne der Besteuerung zuzuführen. Diese Regelung
ist sachlich als Anpassung der Einkunftsart des § 20 EStG an
neue wirtschaftliche Gestaltungen im Rahmen der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit gerechtfertigt, die zum einen der
wirtschaftlichen Intention der zu erfassenden Finanzinnovationen
Rechnung trägt, zum anderen unter möglichster Wahrung der
systematischen Abgrenzung von § 20 EStG und §§ 17,
23 EStG andererseits den Anforderungen der Praktikabilität
genügt.
Gerade Finanzinnovationen ohne
Emissionsrendite stellen eine Anlageform dar, über die
für eine Überlassung von Kapital auf Zeit ein
möglichst hohes Entgelt im wirtschaftlichen Sinne erzielt
werden soll. Diese Überlassung geschieht - entsprechend der
grundsätzlichen Systematik von § 20 Abs. 2 EStG - im Wege
einer Anschaffung und Veräußerung. Der Anleger stellt
bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung jedoch dem
Emittenten in Gestalt des Entgelts für den Erwerb Kapital zur
Verfügung und erhält dieses Kapital jedenfalls bei
Endfälligkeit zurück. Konstruktiver Bestandteil einer
solchen Finanzinnovation ist die Einbindung von Kursgewinnen. Dabei
besteht die Besonderheit derartiger Gestaltungen darin, dass ein
etwaiger Kursgewinn im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung der
Parteien nicht von dem Nutzungsentgelt für die
Kapitalüberlassung im weitesten Sinne abgegrenzt ist. Insoweit
unterscheiden sich derartige Kursgewinne von den allgemein
gemäß § 20 EStG nichtsteuerbaren
Wertveränderungen der Kapitalanlage als solcher, die
typischerweise in einem Veräußerungsgeschäft
manifest werden.
Bei den hier zu beurteilenden
Argentinien–Anleihen fehlt es entsprechend ihrer
konstruktiven Typik jedoch weder an einer Emissionsrendite noch
geht es darum, eine in der wirtschaftlichen Intention der
Kapitalanlage fußende und entsprechend ausgestaltete
Verbindung von Nutzungsentgelt und Kursgewinn in die Besteuerung
der Kapitalnutzung gemäß § 20 EStG einzubeziehen.
Die Argentinien-Anleihen entsprechen der dargelegten besonderen
Typik gerade nicht.
(2) Bei dem streitigen
Veräußerungsverlust geht es vielmehr um einen negativen
Erlös, bei dem offensichtlich und zweifelsfrei feststeht, dass
es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein negatives
Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur
Nutzung handeln kann. Derselbe Gesetzeszweck aber, der es
rechtfertigt, auch Anlagen mit fehlender Emissionsrendite durch
Ansatz der Marktrendite den Einkünften aus
Kapitalvermögen zu unterwerfen, zwingt dazu,
Überschüsse nicht als Kapitalertrag zu behandeln, bei
denen die Veranlassung durch die Kapitalüberlassung zur
Nutzung von vornherein ausscheidet.
Für den Ansatz der Marktrendite als
Ersatz für die Emissionsrendite im Rahmen einer Beweisregel
fehlt es im Streitfall an der erforderlichen Rechtfertigung. Dabei
kann offenbleiben, ob die Emissionsrendite nachgewiesen ist. Ist
eine Emissionsrendite zwar vorhanden, aber nicht festgestellt,
trifft dafür den Steuerpflichtigen die Feststellungslast;
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG greift als
Beweislastregelung ein (vgl. Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl
II 2001, 97 = SIS 01 01 04, unter 2.b der Gründe).
Unabhängig davon fehlt es jedoch für die Heranziehung der
widerlegbaren Typisierung der Emissionsrendite in der Marktrendite
an einem sachlichen Grund, wenn auch ohne Nachweis feststeht, dass
ein negativer Differenzbetrag ohne Einbeziehung eines Ertrags aus
der Kapitalüberlassung zur Nutzung zustande gekommen ist und
so einen reinen Vermögensverlust darstellt. So liegt der Fall
hier.
Insoweit ist der vorliegend geltend gemachte
Veräußerungsverlust einem - negativen - Überschuss
zwischen Kaufpreis und Einlösungsbetrag einer Anleihe
vergleichbar, der allein auf einer Veränderung des
Wechselkurses beruht (vgl. Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II
2001, 97 = SIS 01 01 04, unter 3.a der Gründe). Hierauf hat
der Gesetzgeber in der Weise reagiert, dass in § 20 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 2. Halbsatz EStG bei Wertpapieren und
Kapitalforderungen in einer ausländischen Währung der
Unterschied in dieser Währung zu ermitteln ist. Die
vorliegende Thematik staatlicher Insolvenz konnte der Gesetzgeber
zwar nicht vergleichbar berücksichtigen. Gleichwohl kommt eine
Erfassung im Rahmen der Marktrendite entsprechend der Intention der
gesetzlichen Regelung nicht in Betracht. Sie widerspräche der
der geltenden Besteuerung der Einkünfte aus
Kapitalvermögen zugrunde liegenden Nichtsteuerbarkeit der
privaten Vermögenssphäre. An einer in der Typik der
Finanzinnovation liegenden Rechtfertigung einer Einbeziehung von im
Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus
Kapitalvermögen stehenden Veräußerungsverlusten
fehlt es insoweit.