Werbungskostenersatz, Steuerfreiheit, Umzugskostenvergütung bei Auslandseinsatz: 1. § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur Werbungskostenersatz steuerfrei ist (Bestätigung der Rechtsprechung im Urteil vom 27.5.1994 VI R 67/92, BFHE 175 S. 57, BStBl 1995 II S. 17 = SIS 94 21 58). - 2. Vergütungen nach § 11 und § 12 AUV sind nicht steuerfrei. - Urt.; BFH 12.4.2007, VI R 53/04; SIS 07 16 57
I. Streitig ist, ob vom Arbeitgeber nach
§§ 11 und 12 der Auslandsumzugskostenverordnung (AUV)
geleistete Vergütungen gemäß § 3 Nr. 13 Satz 1
des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.
Das Bundesministerium X beließ die an
seine Bediensteten im Rahmen von Auslandseinsätzen
gewährten Umzugskostenvergütungen gemäß
§§ 11 und 12 AUV im Streitjahr steuerfrei. Nach einer
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, dass
diese Leistungen steuerpflichtig seien, und nahm X durch
Haftungsbescheid in Anspruch.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage aus den in EFG
2004, 1582 = SIS 05 00 63 veröffentlichten Gründen statt
und ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die durch X vertretene Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), die Bundesrepublik Deutschland,
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Die Umzugskostenerstattungen sind steuerpflichtiger
Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Sie sind nicht
gemäß § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG von der Steuer
befreit.
1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für
eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf
das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der
durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Danach
sind auch die von X gewährten Ausstattungsbeiträge und
Beiträge zum Beschaffen klimabedingter Kleidung Arbeitslohn.
Die Beiträge sind Teil der Besoldung, was ihren
Entlohnungscharakter belegt. Sie werden daher entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht aus ganz überwiegend
eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt (vgl.
dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2006 VI R 60/02,
BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691 = SIS 06 30 05; vom 22.6.2006 VI
R 21/05, BStBl II 2006, 915 = SIS 06 37 87 betreffend die
Überlassung bürgerlicher Kleidung durch den Arbeitgeber;
s. auch BFH-Urteil vom 29.11.2006 VI R 3/04, BFH/NV 2007, 340 = SIS 07 00 40).
2. Die Umzugskostenvergütungen sind nicht
nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG steuerfrei.
Nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG sind die aus
öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen,
Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder grundsätzlich
steuerfrei. Die Vorschrift ist allerdings nach der Rechtsprechung
des BFH einschränkend dahin auszulegen, dass die
Steuerfreiheit nur im Fall der Abgeltung eines Aufwands eintritt,
der, wenn ihn der Arbeitnehmer selbst getragen hätte, als
Werbungskosten abziehbar wäre (BFH-Urteil vom 27.5.1994 VI R
67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 = SIS 94 21 58). Für
den Senat ist dabei die Erwägung maßgebend, dass Reise-
und Umzugskostenvergütungen im privaten wie im
öffentlichen Dienst nach den gleichen Regeln steuerfrei
gestellt werden müssen. Die Nrn. 12, 13 und 16 des § 3
EStG dürfen hinsichtlich ihres Regelungsgehaltes nicht
unterschiedlich ausgelegt werden. Dies erfordert das
verfassungsrechtliche Gebot, wesentlich gleiche Tatbestände
auch gleich zu behandeln, soweit nicht ein einleuchtender Grund
für eine Differenzierung gegeben ist. Nach Auffassung des
Senats liegt kein sachlicher Grund vor, der es rechtfertigen
könnte, Reise- bzw. Umzugskostenvergütungen aus
öffentlichen Kassen auch insoweit von der Besteuerung
freizustellen, als sie den Aufwand im Sinne des
Werbungskostenbegriffs übersteigen (BFH-Urteil vom 21.10.1996
VI R 71/93, BFH/NV 1997, 286 = SIS 97 09 40; vgl. auch BFH-Urteile
vom 30.6.1995 VI R 26/95, BFHE 178, 171, BStBl II 1995, 744 = SIS 95 19 28; vom 27.4.2001 VI R 2/98, BFHE 195, 298, BStBl II 2001,
601 = SIS 01 12 19).
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung
fest. Er sieht sich in dieser Auffassung durch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.11.1998 2 BvL 10/95
(BStBl II 1999, 502 = SIS 99 08 48) zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG
bestätigt (vgl. dazu auch BFH-Entscheidungen vom 21.10.1994 VI
R 15/94, BFHE 175, 368, BStBl II 1995, 142 = SIS 94 24 04; vom
21.9.2006 VI R 81/04, BStBl II 2007, 114 = SIS 06 41 17; in BFH/NV
2007, 340 = SIS 07 00 40; gl.A. von Beckerath, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 13 Rz B 13/26).
Danach schafft die Bevorzugung der Empfänger von Zuwendungen
aus einer Bundes- oder Landeskasse gemäß § 3 Nr. 12
Satz 1 EStG im Vergleich zur Allgemeinheit der
Einkommensteuerpflichtigen und zu den Empfängern von
Zuwendungen aus anderen - insbesondere privaten - Kassen ein
gleichheitswidriges Steuerprivileg. Für das Verhältnis
zwischen § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG kann aus den im BFH-Urteil
in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 = SIS 94 21 58 genannten
Erwägungen nichts anderes gelten.
3. Die vom BFH vorgenommene
verfassungskonforme Reduktion des § 3 Nr. 13 EStG ist
möglich und deshalb geboten (vgl. dazu Beschluss des BVerfG
vom 3.6.1992 2 BvR 1041/88, 78/89, BVerfGE 86, 288, 320). Sie
verstößt entgegen der Auffassung der Vorinstanz weder
gegen den Wortlaut der Vorschrift noch gegen den klar erkennbaren
Willen des Gesetzgebers.
a) Der Normtext der Vorschrift ist nicht in
dem Sinne klar und unmissverständlich, dass nur eine einzige
Deutung möglich wäre. Zwar enthält § 3 Nr. 13
EStG keine § 3 Nr. 16 EStG vergleichbare Einschränkung
(„soweit sie die beruflich veranlassten Mehraufwendungen
... nicht übersteigen“). Dennoch bedarf es entgegen
der Auffassung des FG nicht des „Hineinlesens des
Werbungskostenbegriffs in den Tatbestand“ der Vorschrift.
Denn der Begriff Reise- bzw. Umzugskostenvergütung erlaubt es
durchaus, die Vorschrift dahin auszulegen, dass nur solche
Vergütungen steuerfrei sind, die Werbungskosten abgelten. Mit
dem Wortlaut ist es zunächst vereinbar, den Begriff im
leistungsrechtlichen Sinn zu verstehen. Danach sind Reise- bzw.
Umzugskostenvergütungen die als solche bezeichneten
Vergütungen, die dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar
nach Maßgabe der reisekostenrechtlichen Vorschriften des
Bundes und der Länder gezahlt werden (R 14 Abs. 2 Satz 1 und
Abs. 3 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - ). Andererseits
ist es möglich, das Merkmal
„Vergütung“ steuerrechtlich in der Weise zu
interpretieren, dass Reise- bzw. Umzugskostenvergütung nur die
Erstattung beruflich veranlassten Aufwands bedeutet (von Beckerath,
a.a.O., EStG, § 3 Nr. 13 Rz B 13/56, 57).
b) Nach der zitierten Rechtsprechung des
Senats handelt es sich bei den nach § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG
steuerfrei gestellten Arbeitgeberleistungen um
Werbungskostenersatz. Ein solcher liegt vor, wenn der Arbeitgeber
dem Arbeitnehmer Aufwendungen als Lohnbestandteil ersetzt, die
ihrer Natur nach Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG sind.
Aus Vereinfachungsgründen wird beim Werbungskostenersatz im
Ergebnis eine Saldierung von steuerbaren Ersatzleistungen des
Arbeitgebers mit Werbungskosten des Arbeitnehmers vorgenommen.
Diese Behandlung der Befreiungsvorschriften als
Werbungskostenersatz entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl.
dazu bereits BFH-Urteil vom 15.10.1982 VI R 229/77, BFHE 136, 542,
BStBl II 1983, 75 = SIS 82 24 35; Drenseck, FR 1989, 261). Das
verdeutlicht vor allem der vom Gesetzgeber mit dem
Steuerreformgesetz - StReformG - 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988,
1093, BStBl I 1988, 224) verfolgte Regelungszweck. Der Gesetzgeber
wollte nämlich in diesem Zusammenhang mit der Erweiterung der
Steuerfreiheit in § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG gleichzeitig eine
abschließende gesetzliche Regelung des steuerfreien
Werbungskostenersatzes treffen (BTDrucks 11/2157, 137; Drenseck, FR
1989, 261; von Bornhaupt, Steuer und Wirtschaft 1990, 46;
Offerhaus, Betriebsberater 1988, 1796). In der Folgezeit blieb der
Gesetzgeber bei dieser Absicht. Mit der Ergänzung des § 3
EStG durch die Nrn. 30 bis 32 (Gesetz zur Änderung des
Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des
Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten -
StRG1990uaÄndG - vom 30.6.1989, BGBl I 1989, 1267, BStBl I
1989, 251) und Nr. 34 (Standortsicherungsgesetz - StandOG - vom
13.9.1993, BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) erweiterte er
lediglich den Katalog der in § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG
geregelten steuerfreien Werbungskosten-Ersatzleistungen. Denn in
der Gesetzesbegründung zum StRG1990uaÄndG heißt es
u.a.: „Mit der Ergänzung des § 3 EStG soll der
Katalog der nach § 3 Nr. 13 und Nr. 16 steuerfreien
Werbungskosten-Ersatzleistungen erweitert werden“.
c) Der Charakter von § 3 Nr. 13 EStG als
Werbungskosten-Ersatzvorschrift hat, wie aufgezeigt, zur Folge,
dass nur solche Aufwendungen steuerfrei ersetzt werden dürfen,
die ihrer Natur nach Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG
sind. Der mit der Vorschrift verfolgte Vereinfachungszweck
rechtfertigt ein gleichheitswidriges Steuerprivileg nicht. Ein
solches wäre aber anzunehmen, wenn Reise- bzw.
Umzugskostenvergütungen aus öffentlichen Kassen im
Gegensatz zu solchen aus privaten Kassen auch insoweit von der
Besteuerung freigestellt würden, als sie den Aufwand im Sinne
des Werbungskostenbegriffs überstiegen. Der
Vereinfachungszweck beschränkt sich allein darauf, dass bei
der Nachprüfung, ob die Erstattung Erwerbsaufwendungen
abdecken, nicht kleinlich verfahren und dem Empfänger ein ins
Einzelne gehender Nachweis nicht zugemutet werden soll (BFH-Urteil
in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 = SIS 94 21 58).
4. Nach diesen Grundsätzen kommt für
die umstrittenen Umzugskostenvergütungen die Steuerbefreiung
nach § 3 Nr. 13 Satz 1 EStG nicht in Betracht. Mit dem Beitrag
zum Beschaffen klimabedingter Kleidung (§ 14 des
Bundesumzugkostengesetzes - BUKG - i.V.m. § 11 AUV) und zur
Ausstattung (§ 14 BUKG i.V.m. § 12 AUV) wird kein Aufwand
abgegolten, der den Werbungskostenbegriff erfüllt.
a) Aufwendungen für umzugsbedingte
Neuanschaffung von bürgerlicher Kleidung sind keine
Werbungskosten. Auch bei der Bekleidung, die bei der ersten
Verwendung an einem Auslandsdienstort mit einem vom
mitteleuropäischen erheblich abweichenden Klima (vgl. §
11 Abs. 1 AUV) erforderlich ist, handelt es sich um
bürgerliche Kleidung. Sie stellt keine typische Berufskleidung
i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG dar (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 10.11.1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288 = SIS 90 04 46) und kann ihr, anders als die Klägerin meint, auch nicht
gleichgestellt werden (BFH-Urteil in BFHE 175, 57, BStBl II 1995,
17 = SIS 94 21 58).
b) Gleiches trifft auf die Kosten für die
Ausstattung zu. Denn der Ausstattungsbeitrag soll dem Berechtigten
die Umstellung auf die sich aus seiner dienstlichen Stellung im
Ausland ergebenden besonderen Anforderungen hinsichtlich der
Wohnung und Kleidung erleichtern. Entsprechende Aufwendungen des
Arbeitnehmers wären nicht als Werbungskosten abziehbar.