Wesentliche Beteiligung, Veräußerung, zeitliche Anwendung nach StSenkG 2001/2002, EU-Recht: Es bestehen ernstliche Zweifel, ob die Anwendungsvorschriften zu § 17 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 vom 23.10.2000 in § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 vom 23.10.2000 und in § 52 Abs. 34 a EStG i.d.F. des StEuglG vom 19.12.2000 mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EGV vereinbar sind. - Urt.; BFH 14.2.2006, VIII B 107/04; SIS 06 20 52
I. Der Antragsteller und
Beschwerdeführer (Antragsteller) erwarb am 10.3.2000 2 v.H. (=
62.400 Shares) des Kapitals einer AG italienischen Rechts (im
Folgenden: I-SpA). Die Anschaffungskosten betrugen insgesamt 60
Mio. Lire (= 60.605,58 DM). Nach Börseneinführung der
I-SpA entsprach der Gesellschaftsanteil des Antragstellers zum
31.12.2000 noch 1,6335 v.H. Nach Ablauf der Spekulationsfrist des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
veräußerte der Antragsteller im Jahre 2001 29.482 Shares
zum Preis von 3.059.476,37 DM.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das
Finanzamt - FA - ) besteuerte den unter Anwendung von § 3 Nr.
40 EStG ermittelten hälftigen Veräußerungsgewinn in
Höhe von 1.513.405 DM gemäß § 17 EStG.
Über den Einspruch gegen die hiernach festgesetzte
Einkommensteuer ist noch nicht entschieden. Den nach Ablehnung
durch das FA beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag, die
Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen, lehnte das FG
mit den in EFG 2004, 1303 = SIS 04 25 28 abgedruckten Gründen
ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit
der er sinngemäß beantragt, den Beschluss des FG
aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid
bezüglich des Teilbetrags von der Vollziehung auszusetzen, der
auf den Gewinn aus der Veräußerung der Kapitalanteile an
der I-SpA entfällt.
Das FA beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen.
II. Die
gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
statthafte Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des FG ist
aufzuheben und die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides
antragsgemäß auszusetzen. Es bestehen bei summarischer
Prüfung ernsthafte Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 FGO, ob
es mit Art. 56 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EGV) vereinbar ist, dass für
die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von
Anteilen an einer ausländischen EU-Körperschaft (hier:
I-SpA) nach § 17 EStG im Jahre 2001 ungünstigere
Voraussetzungen als für eine Veräußerung von
Inlandsbeteiligungen gelten.
1.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO
kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen
Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine
Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte
zur Folge hätte.
a) Ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes
bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach-
und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der
gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel
erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der
Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei
abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt
als rechtswidrig erweisen könnte (ständige
Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
16.6.2004 I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882 = SIS 04 27 46). Dies gilt auch, wenn i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO
ernstlich zweifelhaft ist, ob das von der Finanzbehörde
angewandte nationale Steuergesetz gegen Grundfreiheiten des EGV
verstößt (vgl. BFH-Beschluss vom 17.5.2005 I B 109/04,
BFH/NV 2005, 1782 = SIS 05 40 36).
b) Die
Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 27.5.2004 III B
127/03, BFH/NV 2005, 382 = SIS 05 12 71, m.w.N.), nach der bei der
Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden wegen der
Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Vorschrift die
Geltendmachung eines berechtigten Interesses an der Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes verlangt wird, ist auf die
Geltendmachung von Verletzungen des EGV nicht zu übertragen
(BFH-Beschlüsse vom 5.5.1994 V S 11/93, BFH/NV 1995, 368; vom
24.3.1998 I B 100/97, BFHE 185, 467 = SIS 98 16 92). Die
Grundfreiheiten sind in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes
Recht, das von jedem Gericht unbeschadet der Möglichkeit der
Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens zu beachten ist.
Dagegen besteht für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit
einer Gesetzesnorm die ausschließliche Zuständigkeit des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Dessen Entscheidungen haben in
den Fällen des § 13 Nr. 11 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2
Satz 1 BVerfGG). Sie tritt erst mit der Entscheidung selbst
ein.
2. Auf die
Veräußerung der Anteile an der I-SpA durch den
Antragsteller im Jahre 2001 ist § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F.
des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung 2001/2002 (StSenkG 2001/2002) vom
23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) - § 17 EStG
n.F. - anwendbar, wonach zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an
einer Kapitalgesellschaft zählt, wenn der
Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am
Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1
v.H. (zuvor: 10 v.H.) beteiligt war.
a) Nach der
speziellen Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 34 a EStG i.d.F.
des Steuer-Euroglättungsgesetzes (StEuglG) vom 19.12.2000
(BGBl I 2000, 1790, BStBl I 2001, 3) ist § 17 EStG n.F.,
soweit Anteile an unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften
veräußert werden, erstmals auf Veräußerungen
anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der
Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden,
vorgenommen werden, für das das Körperschaftsteuergesetz
(KStG) i.d.F. des StSenkG 2001/2002 erstmals gilt. Für die
Veräußerung der Anteile an der I-SpA durch den
Antragsteller kommt diese Vorschrift nicht zum Zuge, weil es sich
bei der I-SpA nicht um eine unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft nach § 1 KStG
handelt. Nach der somit einschlägigen generellen
Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StSenkG
2001/2002 gilt § 17 EStG n.F. für die
Veräußerung einer Auslandsbeteiligung deshalb bereits ab
dem Veranlagungszeitraum 2001 und findet somit auf die
Veräußerung der Anteile an der I-SpA durch den
Antragsteller Anwendung.
b) Die
Anwendung von § 17 EStG n.F. auf die Veräußerung
von Auslandsbeteiligungen im Jahre 2001 entspricht nicht nur dem
eindeutigen Wortlaut des § 52 Abs. 34 a und Abs. 1 EStG,
sondern auch dem Willen des Gesetzgebers.
aa) Die
Besteuerung nach § 17 EStG n.F. ist vor dem Hintergrund zu
sehen, dass nach neuem Recht die Belastung von Gewinnen mit
Körperschaftsteuer auf 25 v.H. abgesenkt wurde und die
Ausschüttungsbesteuerung natürlicher Personen dem
Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2
EStG) unterfällt. Demgemäß will § 17 EStG n.F.
verhindern, dass letzterer Besteuerungszugriff durch eine
Veräußerung der Anteilsrechte vermieden wird. Der damit
intendierte Umgehungsschutz (vgl. BRDrucks 90/00, S. 159; BTDrucks
14/3366, S. 118) stellt - vorbehaltlich der
„Bagatellgrenze“ (1 v.H.) - zugleich
konzeptionell die Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und
Veräußerung sicher (vgl. BFH-Urteile vom 1.3.2005 VIII R
25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436 = SIS 05 18 67; vom
27.10.2005 IX R 15/05, BStBl II 2006, 171 = SIS 06 01 82;
Crezelius, DB 2001, 221, 226).
bb) Der
zeitliche Anwendungsbereich von § 17 EStG n.F. ist erkennbar
auf die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens
abgestimmt.
(1) Obwohl bei
kalendergleichem Wirtschaftsjahr das KStG n.F. für die
Kapitalgesellschaft bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 gilt
(§ 34 Abs. 1 KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002), ist das
Anrechnungsverfahren bei offenen Gewinnausschüttungen des
Veranlagungszeitraums 2001 für abgelaufene Wirtschaftsjahre
(2000 und früher) sowohl auf der Stufe der Kapitalgesellschaft
(§ 34 Abs. 10 a Satz 1 Nr. 1 KStG i.d.F. des StSenkG
2001/2002; heute: § 34 Abs. 12, Satz 1 Nr. 1 KStG; dazu -
einschließlich der Möglichkeit sog.
Leerausschüttungen - BFH-Urteil vom 31.5.2005 I R 107/04, BFHE
210, 256, BStBl II 2005, 884 = SIS 05 41 66) als auch auf der Stufe
des Anteilseigners noch anzuwenden (§§ 52 Abs. 4 a Nr. 1,
36 und 50b EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002; s. hierzu BRDrucks
90/00, S. 185, 171 f.). Offene Gewinnausschüttungen des
Veranlagungszeitraums 2002 unterstehen hingegen dem
Halbeinkünfteverfahren (§ 52 Abs. 4 a Nr. 2 EStG i.d.F.
des StSenkG 2001/2002; heute: § 52 Abs. 4 b Nr. 2
EStG).
(2) Hierauf
sollte auch die Anwendung von § 17 EStG n.F. folgerichtig
abgestimmt werden (vgl. Gesetzesentwurf zum StSenkG 2001/2002,
BRDrucks 90/00, S. 172). Dabei wurde zu § 52 Abs. 34 a EStG
i.d.F. des StSenkG 2001/2002 in der Literatur angemerkt, dass die
Vorschrift für den Veranlagungszeitraum 2001 zu einer
„Steuerpause“ führen könne, da §
17 EStG n.F. einerseits bereits ab Veranlagungszeitraum 2001 gelte
(§ 52 Abs. 1 EStG n.F.), andererseits aber erst für
Veräußerungen ab Veranlagungszeitraum 2002 greife
(§ 52 Abs. 34 a EStG n.F.; Schaumburg/Rödder,
Unternehmenssteuerreform 2001, S. 282). Es fehle mithin für
den Veranlagungszeitraum 2001 an einer Fortgeltungsanweisung
bezüglich § 17 EStG a.F.
(3) Der
Gesetzgeber hat daraufhin mit dem StEuglG § 52 Abs. 34 a EStG
neu gefasst. Die Korrektur betraf zum einen die Fortgeltung von
§ 17 EStG a.F. (Halbsatz 2), zum anderen wurde die
Koordination zwischen der zeitlich begrenzten Fortgeltung des
Anrechnungsverfahrens und der - sich daran anschließenden -
erstmaligen Anwendung von § 17 EStG n.F. auf Anteile an
„unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen
Gesellschaften“ beschränkt (Halbsatz 1). Auch wenn
nur die erste Änderung (Halbsatz 2) in der
Gesetzesbegründung erläutert wurde (vgl. BTDrucks
14/4277, S. 48), kann nicht fraglich sein, dass der Gesetzgeber mit
der Präzisierung des 1. Halbsatzes von seiner Konzeption -
d.h. dem systematisch und in zeitlicher Hinsicht abgestimmten
Gleichlauf bei der Besteuerung von Gewinnausschüttungen und
Veräußerungen - nicht abrücken wollte (vgl. auch
Senatsurteil vom 22.2.2005 VIII R 41/03, BFH/NV 2005, 1518 = SIS 05 36 82). Vielmehr wird diese Regelungskonzeption durch das Merkmal
der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht verdeutlicht
und unterstrichen (vgl. auch §§ 27, 43 KStG 1977 und
Abschn. 96 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR- 1995;
Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum
KStG und EStG, § 27 KStG 1999 Tz. 10 ff., und Dötsch in
Dötsch/Eversberg/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., § 43 KStG 1999
Tz. 1 sowie § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG 1997).
3. Nicht durchzudringen vermag die Beschwerde,
insoweit der Antragsteller verfassungsrechtliche Bedenken an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids wegen einer
fehlenden sog. Wertaufstockung zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens
von § 17 EStG n.F. geltend macht. Gleiches gilt für den
Einwand eines sog. strukturellen Vollzugsdefizits.
a) Die Verfassungsmäßigkeit des
Ansatzes der „historischen“, d.h. der
tatsächlichen Anschaffungskosten begegnet auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass hierdurch Wertsteigerungen
besteuert werden können, die in der Zeit vor Eintritt der
Steuerverhaftung der Anteilsrechte eingetreten sind, keinen
ernstlichen Zweifeln. Soweit der Antragsteller auf das aus dem
Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Rückwirkungsverbot verweist,
hat der Senat hierzu mit Urteil vom 1.3.2005 VIII R 92/03 (BFHE
209, 285, BStBl II 2005, 398 = SIS 05 18 68; Verfassungsbeschwerde
eingelegt, Az. beim BVerfG 2 BvR 753/05) eingehend Stellung
genommen. Zwar ging es bei dieser Entscheidung um eine fehlende
sog. Wertaufstockung im Zusammenhang mit der Absenkung der
Beteiligungsgrenze von mehr als 25 v.H. auf 10 v.H. durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/ 2002);
die hierfür maßgeblichen Erwägungen gelten jedoch -
angesichts der vorstehend aufgezeigten Einbindung von § 17
EStG n.F. in den Systemwechsel vom Anrechnungs- zum
Halbeinkünfteverfahren (Systemwechsel) - erst recht für
die Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 1 v.H. durch das StSenkG
2001/2002 (vgl. Wacker, Kommentierte Finanzrechtsprechung - KFR -
F. 3 EStG § 17, 1/05, S. 299, Hinweis IV.4. unter Bezugnahme
auf den Vorlagebeschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228,
BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46).
b) Die Besteuerung des
Veräußerungsgewinns des Antragstellers im Jahre 2001
nach § 17 EStG n.F. ist bei der gebotenen summarischen
Betrachtungsweise auch nicht wegen eines sog. strukturellen
Vollzugsdefizits verfassungswidrig.
aa) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch
ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet
werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch eine
rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt,
kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen
Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Verfassungsrechtlich
verboten ist der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der
materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf
Durchsetzung angelegten Erhebungsregel. Zur Gleichheitswidrigkeit
führt nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von
Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des
widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts (so
BVerfG-Urteil vom 9.3.2004 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II
2005, 56 = SIS 04 13 59, m.w.N.).
bb) Die Gründe, welche das BVerfG in
seinem Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59
zur Feststellung eines strukturellen Vollzugsdefizits zu § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG für die Jahre 1997/1998
veranlasst haben, sind nicht auf § 17 EStG n.F.
übertragbar. Anders als bei § 23 EStG besteht zu §
17 EStG n.F. zum einen das Erfordernis einer
Mindestbeteiligungsquote. Zum anderen ist die
Veräußerung von Aktienbesitz nur eine von mehreren
Besteuerungsalternativen des § 17 EStG. Bei der
Veräußerung einer Beteiligung an einer GmbH kann bereits
aufgrund der Übersendungspflicht der Notare nach § 54 der
Einkommensteuer-Durchführungsrichtlinien (EStDV) an die
Finanzämter anlässlich einer Veräußerung nicht
von einem strukturellen Vollzugsdefizit ausgegangen werden (so
bereits BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, 133, BStBl II 2005, 56,
69 = SIS 04 13 59).
cc) Auch bei
der Besteuerung der Veräußerung von Aktien nach §
17 EStG n.F. kann für das Jahr 2001 ein normatives Defizit bei
den Erhebungsregeln nicht festgestellt werden. Insoweit gilt nichts
anderes als für die Versteuerung privater
Wertpapierveräußerungsgeschäfte i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung ab 1999, deren
Verfassungsmäßigkeit der BFH mit Urteil vom 29.11.2005
IX R 49/04 (BStBl II 2006, 178 = SIS 06 06 75) bejaht hat. Danach
besteht ein normatives Defizit bei den Erhebungsregeln jedenfalls
nach der Einführung des sog. Kontenabrufverfahrens nicht mehr.
Seit April 2005 haben die Finanzämter die Möglichkeit,
gemäß § 93 Abs. 7 und Abs. 8, § 93b der
Abgabenordnung (AO 1977) die Stammdaten für alle
legitimationsgeprüften inländischen Bankkonten und Depots
eines Steuerpflichtigen im Wege der Datenabfrage zu erfahren. Der
Umfang der verfügbaren Daten ergibt sich aus § 24c des
Kreditwesengesetzes (KWG). Die danach anzulegenden Dateien
enthalten auch Daten, welche Sachverhalte aus der Vergangenheit
betreffen können (z.B. Tatsachen aus dem Veranlagungszeitraum
des Streitjahrs). So kann in die Datei des Kreditinstituts die
Nummer eines Depots aufgenommen werden, das bereits im Jahr 2001
oder vorher errichtet worden ist (§ 24c Abs. 1 Nr. 1 KWG),
sowie der Name des steuerpflichtigen Verfügungsberechtigten
(§ 24c Abs. 1 Nr. 2 KWG).
dd)
Insbesondere in Kombination mit der Steuerbescheinigung nach §
24c EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 vom
15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710), die - mit
Wirkung nach dem 31.12.2003 (§ 52 Abs. 39 a Buchst. b EStG) -
die für die Besteuerung nach den §§ 20 und 23 EStG
erforderlichen Angaben enthalten muss, kann das
Kontenabrufverfahren als wirksames Instrument eingesetzt werden, da
eine Nichtvorlage der Jahresbescheinigung auf berechtigtes
Anfordern durch das Finanzamt zumindest einen hinreichenden Anlass
für weitere Ermittlungen darstellen kann (vgl. dazu BFH-Urteil
vom 7.9.2005 VIII R 90/04, BFH/NV 2006, 173, 176 = SIS 05 47 93).
Ebenso ist eine Verifikation denkbar, wenn der Steuerpflichtige in
den Folgejahren Verluste geltend macht (BFH-Urteil in BStBl II
2006, 178, 181 = SIS 06 06 75).
ee) Angesichts
der vorstehenden Ausführungen kann der Senat offen lassen, ob
nach der Systematik des Halbeinkünfteverfahrens bei der
Prüfung des strukturellen Vollzugsdefizits nicht von der
Gesamtheit von Gewinnausschüttungen (Dividendenerträge)
und Veräußerungen mit der Folge ausgegangen werden muss,
dass bereits im Hinblick auf die Belastung der Dividenden mit
Kapitalertragsteuer in Höhe von 20 v.H. (§ 43 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG; dazu Hey, DB 2004, 724, 728; Wacker, BB 2005, 867,
868, m.w.N.) ein signifikantes Erhebungsdefizit auch für die
aus der Anteilsveräußerung erzielten Gewinne zu
verneinen wäre.
ff) Im
Übrigen hat es der Antragsteller versäumt, ein
berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes vorzutragen, welches im Hinblick auf den
Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande
gekommenen Gesetzes bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln
an der Gültigkeit einer Rechtsnorm erforderlich ist (vgl. zu
diesem zusätzlichen Merkmal BFH-Beschluss vom 27.8.2002 XI B
94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18 = SIS 03 01 70, m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung des BFH geht bei Zweifeln an der
Verfassungsmäigkeit der einschlägigen einfach-rechtlichen
Rechtsnorm der Rechtsschutzanspruch nur dann vor, wenn dem
Antragsteller durch die vorläufige Vollziehung des
angefochtenen Bescheids irreparable Nachteile drohen oder er sich
zumindest auf ein besonderes individuelles Interesse berufen kann
(BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 382 = SIS 05 12 71,
m.w.N.).
4. Es bestehen
jedoch ernstliche Zweifel daran, ob die Besteuerung des Gewinns des
Antragstellers aus der Veräußerung ausländischer
Kapitalanteile nach § 17 EStG n.F. in 2001 mit der
Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EGV vereinbar ist.
a) Art. 56 EGV
verbietet Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl zwischen
den Mitgliedstaaten als auch zwischen Mitgliedstaaten und dritten
Ländern. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit
stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) jede Steuerregelung dar,
die zwischen Steuerpflichtigen nach dem Ort ihrer Kapitalanlage
unterscheidet (EuGH-Urteil vom 7.9.2004 Rs. C-319/02
„Manninen“, Slg. 2004, I-7477 = SIS 04 38 00,
Rz. 19). Die Übertragung von Kapitalanteilen wird von der
Kapitalverkehrsfreiheit dabei mitgeschützt (EuGH-Beschluss vom
8.6.2004 Rs. C-268/03 „De Baeck“, Slg. 2004,
I-5961 = SIS 04 39 80; EuGH-Urteil vom 21.11.2002 Rs. C-436/00
„X und Y“, Slg. 2002, I-10829 = SIS 03 11 02).
Vorliegend unterscheidet die Anwendungsregelung zu § 17 EStG
n.F. in § 52 Abs. 1 und 34 a EStG zu Ungunsten des
Antragstellers nach dem Ort der Kapitalanlage, da die
Veräußerung von Anteilen an ausländischen
Kapitalgesellschaften anders behandelt wird als die
Veräußerung von Anteilen an inländischen
Kapitalgesellschaften (vgl. oben II.2.b).
aa) Eine Beschränkung kann nicht deshalb
verneint werden, weil § 17 EStG n.F. nach § 52 Abs. 1 und
34 a EStG ausnahmsweise ab dem 1.1.2001 auch für
inländische Beteiligungen galt, wenn die Anteile im
Kalenderjahr 2001 zu einem Zeitpunkt veräußert wurden,
nachdem die Kapitalgesellschaft ihr dem Kalenderjahr entsprechendes
Wirtschaftsjahr im Einvernehmen mit dem Finanzamt (§ 4a Abs.
1, Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG, § 8b Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStDV)
durch Hauptversammlungsbeschluss mittels Bildung eines
Rumpfwirtschaftsjahres auf ein vom Kalenderjahr abweichendes
Wirtschaftsjahr umgestellt hatte (vgl. zu dieser Möglichkeit
Schüppen/Sanna, BB 2001, 2397, 2398). Da die Anwendung von
§ 17 EStG n.F. auf Auslandsbeteiligungen nach § 52 Abs. 1
und 34 a EStG nicht vom Wirtschaftsjahr der ausländischen
Körperschaft abhängig ist, ist eine Unterscheidung nach
dem Ort der Kapitalanlage gleichwohl gegeben.
bb) Eine diskriminierende Behandlung des
Antragstellers wäre zwar auszuschließen, wenn die I-SpA,
deren Anteile der Antragsteller im Veranlagungszeitraum 2001
veräußerte, ihr dem Kalenderjahr entsprechendes
Wirtschaftsjahr nach italienischem Recht ab dem 1.1.2001 mittels
Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres auf ein vom Kalenderjahr
abweichendes Wirtschaftsjahr umgestellt und der Antragsteller seine
Anteilsrechte in der auf das Kalenderjahr 2001 entfallenden
Zeitspanne des Wirtschaftsjahrs 2001/02 veräußert
hätte. Da jedoch Anhaltspunkte für einen solchen
Geschehensablauf weder von den Beteiligten vorgetragen worden, noch
den Feststellungen der Vorinstanz oder den Verfahrensakten zu
entnehmen sind, kann er der summarischen Prüfung des
Streitfalls nicht zugrunde gelegt werden.
cc) Für das Eingreifen des
Diskriminierungsverbotes kommt es auf das Ausmaß der
Ungleichbehandlung auf Tatbestandsebene nicht an. Auch relativ
geringfügige Beschränkungen unterliegen der
Rechtfertigungskontrolle (vgl. EuGH-Urteile vom 4 April 1974 Rs.
167/73 „Kommission/Frankreich“, Slg. 1974, 359,
Rz. 45/47; vom 5.4.1984 Rs. 177-178/82 „van de
Haar“, Slg. 1984, 1797, Rz. 14; vom 18.5.1993 Rs.
C-126/91 „Yves Rocher“, Slg. 1993, I-2361, Rz.
21: keine „de-minimis-Klausel“). Dementsprechend
findet keine Spürbarkeitsprüfung statt und es wird auch
nicht nach der Intensität der Auswirkung von
Beschränkungen auf den Handel in der Gemeinschaft
differenziert (EuGH-Urteile in Slg. 1993, I-2361, Rz. 21; vom
11.3.2004 Rs. C-9/02 „Lasteyrie du Saillant“,
Slg. 2004, I-2409 = SIS 04 28 61).
dd) Dem FG kann schließlich nicht
gefolgt werden, wenn es eine Diskriminierung des Antragstellers aus
dem Grund verneint, dass mit einer Umschichtung des in einer
Auslandsbeteiligung gebundenen Kapitals auf eine Inlandsbeteiligung
im Jahre 2001 kein finanzieller Vorteil verbunden gewesen
wäre, weil die anschließende Veräußerung der
Inlandsbeteiligung steuerpflichtig gewesen wäre (§§
23 bzw. 17 EStG). Es kann dahinstehen, ob die Erwägung des FG
für sich gesehen tragfähig ist. Sie übersieht
jedenfalls, dass von der Kapitalverkehrsfreiheit auch das Recht
geschützt ist, einmal am Kapitalmarkt investiertes Kapital
für private Konsumzwecke abzuziehen.
b) Die Diskriminierung des Antragstellers ist
nach der gebotenen summarischen Prüfung auch nicht zu
rechtfertigen. Nach dem in der Rechtsprechung des EuGH restriktiv
gehandhabten Rechtfertigungsgrund der Kohärenz ist eine
Steuerregelung nur dann als kohärent anzusehen, wenn ein
zwingender unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
eingeräumten Steuervorteil einerseits und der Besteuerung
andererseits bei demselben Steuerpflichtigen in Bezug auf dieselbe
Steuer besteht (EuGH-Urteile vom 27.6.1996 Rs. C-107/94
„Asscher“, Slg. 1996, I-3089; vom 6.6.2000 Rs.
C-35/98 „Verkooijen“, Slg. 2000, I-4071 = SIS 00 08 51). Es wird eine streng funktionelle Beziehung zwischen
Steuervorteilen und Steuernachteilen verlangt. Zusätzlich
müssen die Regelungen geeignet sein, die Verwirklichung des
mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und dürfen
nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles
erforderlich ist (EuGH-Urteil in Slg. 2004, I-7477 = SIS 04 38 00,
Rz. 19). Zur Erreichung der mit der Maßnahme verfolgten Ziele
darf es keine gleichermaßen geeignete Alternative geben,
welche das kollidierende Interesse, also die betroffene
Grundfreiheit des EGV, in geringerem Maße
beeinträchtigt.
aa) Vorliegend ist für den Antragsteller
die Besteuerung der Veräußerung seiner Anteile an der
I-SpA im Jahre 2001 nach § 17 EStG n.F. nachteilig, da die
Veräußerung einer vergleichbaren inländischen
Beteiligung im Regelfall nicht steuerpflichtig gewesen wäre.
Es ist nicht ersichtlich, welche Begünstigung die betreffende
Benachteiligung des Antragstellers im Sinne einer
Deckungsgleichheit ausgleichen sollte. Zwar lässt sich in der
zeitgleichen Einführung des Halbeinkünfteverfahrens bei
Auslandsbeteiligungen im Jahre 2001 für den Antragsteller ein
Vorteil sehen. Der Nachteil der Einführung des § 17 EStG
n.F. wird hierdurch jedoch nur gemildert, nicht aber deckungsgleich
ausgeglichen.
bb) Die Benachteiligung des Antragstellers ist
bei summarischer Prüfung unter Zugrundelegung der neueren
Rechtsprechung des EuGH außerdem nicht
verhältnismäßig. Aus dem EuGH-Urteil in Slg. 2004,
I-7477 = SIS 04 38 00 (betreffend finnländische
Steuergutschrift für Dividenden) wird allgemein abgeleitet,
dass die Ausgrenzung ausländischer EU-Kapitalgesellschaften
aus dem deutschen Anrechnungsverfahren unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit ebenfalls gegen EU-Recht
verstoßen habe (vgl. nur Englisch, IStR 2004, 680, 684).
Diese Einschätzung ist sowohl vom FG Köln
(Vorlagebeschluss vom 24.6.2004 2 K 2241/02, EFG 2004, 1374 = SIS 04 32 01 unter Hinweis auf die Schlussanträge der
Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Manninen) als auch
im Schlussantrag des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache
Meilicke (IStR 2005, 810) bestätigt worden.
(1) Demgemäß ist im Rahmen des
AdV-Verfahrens davon auszugehen, dass - im Grundsatz - auch
für Ausschüttungen aus einer italienischen
Kapitalgesellschaft der inländische Dividendenempfänger
Anspruch auf eine Steuergutschrift hatte. Ausgehend von ihrem
Anrechnungsverfahren war die Bundesrepublik Deutschland hiernach
verpflichtet, auch in Fällen der Ausschüttung aus einer
EU-Auslandskapitalgesellschaft eine Steuergutschrift nach
Maßgabe der von dieser Gesellschaft geschuldeten bzw.
tatsächlich entrichteten Körperschaftsteuer, wie sie sich
aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen anwendbaren
allgemeinen Regeln und aus dem Satz der Körperschaftsteuer
ergibt, zu gewähren (EuGH-Urteil in Slg. 2004, I-7477 = SIS 04 38 00, Rz. 46 und 54; zur Vorbelastung ausgeschütteter Gewinne
des Jahres 2001 mit Körperschaftsteuer nach italienischem
Körperschaftsteuerrecht, vgl. Hey in Herrmann/Heuer/Raupach,
Einf. KStG, Anm. 301; Bodden, Das deutsche und das italienische
Körperschaftsteuersystem im Europäischen Binnenmarkt, S.
182 ff.; Hilpold/ Steinmair, Grundriss des italienischen
Steuerrechts I, 2005, S. 152; zu den gravierenden Schwierigkeiten
bei der Ermittlung der Körperschaftsteuervorbelastung vgl.
Englisch, IStR 2004, 686).
(2) Wenn die Beschränkung des
Anrechnungsverfahrens auf Ausschüttungen unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtiger Kapitalgesellschaften in
diskriminierender Weise gegen den EGV verstieß, so kann -
jedenfalls bei summarischer Prüfung - für die in §
52 Abs. 34 a EStG vorgesehene Differenzierung im Rahmen des
Übergangs zum Halbeinkünfteverfahren zwischen Anteilen an
inländischen Kapitalgesellschaften und
EU-Auslandskapitalgesellschaften nichts anderes gelten. Mit anderen
Worten: Unter der Prämisse, dass die Ausgrenzung
ausländischer EU-Kapitalgesellschaften aus dem
Anrechnungsverfahren eine diskriminierende Wirkung entfaltete, muss
die Entscheidung des Gesetzgebers, die erstmalige Geltung von
§ 17 EStG n.F. an die erstmalige Nichtgeltung des
Anrechnungsverfahrens zu koppeln (§ 52 Abs. 34 a EStG), auch
für EU-Auslandskapitalgesellschaften beachtet werden.
(3) Da hierbei weiterhin die erstmalige
Anwendung von § 17 EStG n.F. - ebenso wie die letztmalige
Anwendung von § 17 EStG a.F. - nach § 52 Abs. 34 a EStG
im Inlandsfall (Veräußerung von Anteilen an
unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen
Kapitalgesellschaften) nicht daran gebunden ist, ob im Jahre 2001
überhaupt Gewinne von der inländischen
Kapitalgesellschaft offen ausgeschüttet wurden und
demgemäß der Dividendenempfänger das
inländische Anrechnungsverfahren in Anspruch nehmen konnte,
kann es auch für die Anwendung von § 17 EStG a.F./n.F. im
EU-Auslandsfall nicht darauf ankommen, ob und, wenn ja, mit welcher
Vorbelastung die I-SpA Gewinne ausgeschüttet hat oder
hätte ausschütten können. Maßgeblich ist nach
der unmissverständlichen Regelungskonzeption des § 52
Abs. 34 a EStG vielmehr, ob bei abstrakt-systematischer Betrachtung
die Möglichkeit der Vermittlung von Anrechnungsguthaben im
Rahmen des inländischen Anrechnungsverfahrens bestand. Dies
aber war - wie aufgezeigt - zu bejahen, da auch nach italienischem
Körperschaftsteuerrecht ausgeschüttete Gewinne des Jahres
2001 belastet sein konnten.
(4) Die Bedenken zur
Verhältnismäßigkeit werden nicht dadurch
ausgeräumt, dass Generalanwalt Tizzano im Verfahren Meilicke
eine Übergangsregelung befürwortet hat (vgl. IStR 2005,
810; krit. Meilicke, DB 2005, 2658). Abgesehen davon, dass eine
Entscheidung des EuGH hierzu aussteht und er mit einer solchen
Regelung möglicherweise von seinen Grundsätzen in der
Rechtssache Manninen abweichen müsste (Meilicke, DB 2005,
2658), wären im Streitfall auch die von Generalanwalt Tizzano
vertretenen Voraussetzungen für die Gewährung von
Vertrauensschutz bereits deshalb nicht erfüllt, weil zum einen
im Streitfall eine Veräußerung im Jahre 2001 und damit
nach dem 6.6.2000 (Veröffentlichung der Entscheidung des EuGH
in Slg. 2000, I-4071 = SIS 00 08 51) eingetretene Rechtswirkungen
zu beurteilen sind und zum anderen der Antragsteller sich bereits
vor der Veröffentlichung des Vorlagebeschlusses in der
Rechtssache Meilicke (11.9.2004) gegen die Besteuerung nach §
17 EStG (n.F.) mit der Begründung gewandt hat, diese
verstoße gegen EU-Recht.
cc) Im Rahmen einer summarischen Prüfung
kann auch der Überlegung keine ausschlaggebende Bedeutung
zukommen, dass bei schrittweisen Verbesserungen im Rahmen von
Teilreformen gewisse Unstimmigkeiten, die bei Dauerregelungen nicht
hinnehmbar wären, übergangsweise möglicherweise auch
nach Europarecht in Kauf zu nehmen sind (zur Rechtfertigung
schrittweiser Verbesserungen nach nationalem Verfassungsrecht vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 18.6.1975 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121,
140; vom 19.4.1977 1 BvL 17/75, BVerfGE 44, 283, 288 f.; vom
19.4.1977 1 BvL 1-3/76, BVerfGE 44, 290, 296; vom 27.9.1978 1 BvL
4/77, BVerfGE 49, 192, 210; vom 13.6.1979 1 BvL 27/76, BVerfGE 51,
257, 268). Die Besteuerung von Anteilseignern inländischer und
ausländischer Körperschaften ist für den
Veranlagungszeitraum 2001 zwar als eine solche Teilreform zu
werten, durch die einerseits - in der Gesamtschau der Besteuerung
von Veräußerungsgewinnen und Dividendenerträgen -
noch kein Gleichlauf der Besteuerung eintrat, die aber andererseits
gegenüber den bis dahin geltenden Regelungen des nationalen
Rechts, mit denen im Falle der Gewinnausschüttung
überhaupt kein Ausgleich für die Vorbelastung der
Dividenden mit ausländischer Körperschaftsteuer verbunden
war, nach dem Willen des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt der
„Europatauglichkeit“ (BRDrucks 90/00, S. 10,
133) auf den Abbau von Diskriminierungen zielte. Soweit ersichtlich
hatte der EuGH bislang keine Gelegenheit, zu vorübergehenden
Ungleichbehandlungen dieser Art Stellung zu nehmen. Vielmehr hat er
in verschiedenen Entscheidungen stets betont, dass es bei der
Überprüfung von Verstößen gegen die
Grundfreiheiten keine de minimis-Regel gebe (vgl. oben II.4.a dd).
Es muss deshalb auch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben,
ob dieser Grundsatz dann einer Einschränkung unterliegen
könnte, wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließt,
einen EGV-konformen Rechtszustand in Teilschritten und damit im
Wege zeitlich begrenzter Übergangsregelungen herzustellen.
c) Schließlich können ernsthafte
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Einkommensteuerbescheids nicht deshalb verneint werden, weil in
jüngerer Zeit vermehrt die Frage aufgeworfen wird, ob die
Rechtsprechung des EuGH noch Gemeinschaftsrecht auslege (bzw.
fortbilde) oder ob hierin nicht unter Berücksichtigung des
Zuständigkeitsvorbehalts für das Recht der direkten
Steuern (Art. 93 und 94 EGV; vgl. auch Art. 58 Abs. 1 Buchst. a
i.V.m. Abs. 3, Art. 293 EGV) und damit der Steuerhoheit der
Mitgliedstaaten (Art. 105 f. GG) sowie deren
Finanzierungsverantwortung für die EU (Art. 269 EGV) eine
Kompetenzüberschreitung seitens eines Gemeinschaftsorgans im
Sinne eines sog. ausbrechenden Rechtsakts zu sehen sei (Fischer, FR
2005, 457; Kube, IStR 2003, 325; J. Wieland, Europa und seine
Verfassung, Festschrift für Manfred Zuleeg, S. 492; zum
ausbrechenden Rechtsakt vgl. BVerfG-Urteil vom 12.10.1993 2 BvR
2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155, 188). Nach Ansicht des
erkennenden Senats bedürfen diese Bedenken - insbesondere im
Hinblick auf die nach Ansicht des EuGH nur eingeschränkte
normative Wirkungskraft des Prinzips der Kohärenz nationaler
Steuersysteme - zwar einer eingehenden Prüfung (a.A. jedoch
z.B. K. Vogel, Steuer und Wirtschaft 2005, 373; einschr. Ahmann,
DStZ 2005, 75); ihre abschließende Beurteilung muss jedoch -
ebenso wie die hiermit ggf. verbundenen verfahrensrechtlichen
Fragen (dazu Classen in v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 4. Aufl.,
Art. 24 Rdnr. 50; Ahlt/Deisenhofer, Europarecht, 3. Aufl., S. 55
ff.) - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
5. Die Berechnung des auszusetzenden Betrages
wird dem FA übertragen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz
i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).