Nachzahlungszinsen, Verjährung: 1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei einer wiederholten Änderung der Steuerfestsetzung die Festsetzungsfrist für den gesamten Anspruch des Steuergläubigers auf Nachzahlungszinsen nicht abläuft, solange noch eine, wenn auch nur punktuell wirkende Änderung der Steuerfestsetzung zulässig ist. Teile des Zinsanspruchs unterliegen daher keiner gesonderten Teilverjährung. - 2. Eine Zurückverweisung an das FG ist auch im Beschwerdeverfahren betreffend die AdV zulässig. - Urt.; BFH 14.7.2008, VIII B 176/07; SIS 08 43 38
I. Streitig ist, ob ernstliche Zweifel an
der Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1994
bestehen.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer
(das Finanzamt - FA - ) setzte mit Zinsbescheid vom 31.1.2007
Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung
(AO) in Höhe von 239.940 EUR fest. Hiermit änderte es den
am 7.12.2005 ergangenen Zinsbescheid, in dem unter Abänderung
des Zinsbescheids vom 4.3.1998 Zinsen in Höhe von 202.169 EUR
festgesetzt worden waren. Dem Erlass dieser Zinsbescheide liegt
folgende Entwicklung zugrunde:
Mit Bescheid vom 26.9.1996 setzte das FA
die Einkommensteuer 1994 in Höhe von 1.832.243 DM unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung fest. Zugleich setzte es Zinsen in
Höhe von 22.755 DM fest. Am 31.10.1996, 3.12.1997, 19.12.1997,
8.1.1998 und 4.3.1998 ergingen Steueränderungsbescheide. Auch
die Zinsfestsetzungen wurden jeweils angepasst und mit der
geänderten Einkommensteuerfestsetzung verbunden. Unter dem
17.12.1999 erging ein weiterer
Einkommensteueränderungsbescheid. Die gebotene Anpassung der
Zinsfestsetzung unterblieb jedoch. Der Zinsbescheid vom 4.3.1998,
mit dem Zinsen in Höhe von 28.051 DM festgesetzt wurden, blieb
in der Folgezeit unverändert, obgleich das FA noch häufig
die Festsetzung der Einkommensteuer korrigierte
(Einkommensteueränderungsbescheide vom 24.2.2000, 17.8.2000,
27.11.2000, 23.12.2002, 13.1.2003, 28.10.2003, 6.11.2003).
Grund für die Vielzahl der
Änderungen waren u.a. eine Steuerfahndungsprüfung,
Änderungsanträge oder Einsprüche des Antragstellers
und Beschwerdegegners (Antragsteller) sowie Korrekturen der
Steuerfestsetzung gemäß § 10d des
Einkommensteuergesetzes (EStG), §§ 173, 175 AO.
Erst die Änderung des
Einkommensteuerbescheids vom 6.11.2003 durch den gemäß
§ 10d Abs. 1 Satz 2 EStG ergangenen Bescheid vom 24.2.2005
nahm das FA schließlich zum Anlass, die Zinsfestsetzung zu
korrigieren. Mit Zinsbescheid vom 7.12.2005 änderte es den
Bescheid vom 4.3.1998 in der Weise ab, dass es einem ermittelten
Zinsbetrag von 287 EUR (82 Monate x 0,5 % x 700 EUR; ausgehend von
der mit Bescheid vom 6.11.2003 festgesetzten Einkommensteuer in
Höhe von 2.928.558 DM und der mit Bescheid vom 24.2.2005
festgesetzten Einkommensteuer in Höhe von 2.929.241 DM) bisher
festzusetzende, aber noch nicht festgesetzte Zinsen in Höhe
von 201.882 EUR hinzurechnete.
Mit seinem rechtzeitig eingelegten
Einspruch, über den das FA noch nicht entschieden hat, wandte
sich der Antragsteller gegen die geänderte Zinsfestsetzung mit
der Begründung, die einjährige Festsetzungsfrist sei
bereits abgelaufen. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
(AdV) des Zinsbescheids lehnte das FA ab.
Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG)
gab dem Aussetzungsantrag im Wesentlichen statt. Es setzte die
Vollziehung des zwischenzeitlich ergangenen
Zinsänderungsbescheids vom 31.1.2007, mit dem Zinsen in
Höhe von 239.940 EUR festgesetzt worden waren, in Höhe
eines Teilbetrages von 224.075 EUR aus. Es vertrat die Auffassung,
dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob die Zinsfestsetzungsfrist
für den gesamten Zinsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des
Zinsänderungsbescheids vom 7.12.2005 noch offen gewesen sei.
Soweit im Zinsbescheid Zinsen zu den zwischen dem 17.12.1999 und
dem 13.1.2003 ergangenen Steuerbescheiden geltend gemacht worden
seien, müsse die Rechtmäßigkeit der Festsetzung
angezweifelt werden. Die Festsetzungsfrist für die
Einkommensteuer 1994 sei mit der Rücknahme eines Einspruchs
zum 21.10.2003 abgelaufen und der Nachprüfungsvorbehalt
entfallen. Der Einkommensteueränderungsbescheid vom 28.10.2003
sei damit zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem die Steuerfestsetzung
nicht mehr insgesamt offen gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch
keine Ablaufhemmung für die davor angefallenen Zinsen nach
§ 239 Abs. 1 Satz 3 AO eingetreten. Die Auffassung des FA,
eine unterbliebene Zinsfestsetzung könne auch noch nach vielen
Jahren nachgeholt werden, wenn es zu einer im Vorhinein nicht
absehbaren Änderung der Steuerfestsetzung komme, lasse die
einjährige Festsetzungsfrist leer laufen. Zudem sei der von
§ 239 AO bezweckte Gleichlauf von Steuerfestsetzung und
Zinsfestsetzung gänzlich aufgegeben. Nach diesen
Grundsätzen habe das FA den bereits mit Zinsbescheid vom
4.3.1998 festgesetzten Zinsen von 14.342,24 EUR weitere Zinsen in
Höhe von 287 EUR, die sich aufgrund der Steuerfestsetzung vom
24.2.2005 im Vergleich zur Steuerfestsetzung vom 6.11.2003 ergaben,
hinzurechnen dürfen. Daneben seien auch Zinsen in Höhe
von 1.235 EUR, welche sich aufgrund des Unterschieds zwischen den
Festsetzungen in den Steuerbescheiden vom 6.11.2003 und 28.10.2003
ermittelten, zulässigerweise festsetzbar gewesen.
Schließlich sei es auch zulässig gewesen, die auf den
Unterschiedsbetrag zwischen den Steuerfestsetzungen vom 20.12.2006
und 24.2.2005 entfallenden Zinsen geltend zu machen.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde
macht das FA weiterhin geltend, dass die Festsetzung der Zinsen
innerhalb eines Jahres nach der Änderung der Steuerfestsetzung
zulässig sei. Eine Beschränkung auf
Teil-Zinsansprüche sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die
grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Änderung
der Steuerfestsetzung reiche aus, um den Ablauf der
Zinsfestsetzungsfrist für die gesamten Zinsen zu hemmen. In
der einschlägigen Regelung des § 239 Abs. 1 Satz 3 AO
werde der Begriff „solange“ verwandt, von
„soweit“ sei dort nicht die Rede. Zudem ordne die bei
Änderungen der Steuerfestsetzung eingreifende
Zinskorrekturvorschrift des § 233a Abs. 5 AO nach ihrem
Wortlaut die Hinzurechnung der festzusetzenden - und nicht
der festgesetzten - Zinsen an. Schließlich sei die
Grundannahme des FG, wonach die Frist zur Festsetzung der
Einkommensteuer im Oktober 2003 abgelaufen sei, nicht zutreffend.
Vielmehr sei der Eintritt der Festsetzungsverjährung durch
Änderungsanträge oder Einsprüche des Antragstellers
insgesamt gehemmt gewesen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere
auf das Schreiben des Antragstellers vom 2.8.2001 hinzuweisen, mit
dem die nachträgliche Berücksichtigung zusätzlicher
Kapitaleinkünfte beantragt worden sei. Damit sei eine
durchgehende Ablaufhemmung ausgelöst worden.
Das FA beantragt, den Beschluss des FG
aufzuheben und den Antrag auf AdV als unbegründet
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde
zurückzuweisen und die Vollziehung des Zinsbescheids vom
31.1.2007 aufzuheben.
Es könne zu der vom FG angenommenen
Teilverjährung von Zinsansprüchen kommen. § 239 Abs.
1 Satz 3 AO sei systematisch im Sinne einer
„soweit“-Einschränkung zu reduzieren. Der Wille
des Gesetzgebers gehe nicht dahin, etwaige Unterlassungen der
Finanzverwaltung bei der Zinsfestsetzung nach Eintritt der
Verjährung der Steuerfestsetzung als korrigierbar anzusehen.
Es dürfe nicht vom Zufall abhängen - Änderungen nach
§ 10d EStG oder nach § 175 AO seien wohl kaum
vorhersehbar -, ob das FA für bestandskräftig gewordene
Zeiträume nachträglich Zinsen festsetzen könne. Die
sich aus § 233a Abs. 5 AO ergebende Berechnungsmethodik stehe
dem nicht entgegen. Soweit die Zinsfestsetzung nicht verjährt
sei, könnten noch nicht festgesetzte Zinsen einbezogen werden.
Den Ausführungen des FG zur Festsetzungsverjährung der
Einkommensteuer sei beizupflichten.
II. Die Beschwerde ist begründet. Zu
Unrecht hat das FG ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Zinsbescheids unter dem Gesichtspunkt
der Festsetzungsverjährung bejaht. Ob derartige Zweifel im
Hinblick auf die Berechnung der Höhe der Zinsen bestehen, wird
das FG nach Zurückverweisung der Sache noch zu prüfen
haben.
Nach § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
soll das Gericht auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vollziehung
des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts
bestehen. Derartige Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer
Prüfung gewichtige Gründe gegen die
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts erkennbar werden, die
Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts-
oder Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl.
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.2.2006 VIII B 107/04,
BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523 = SIS 06 20 52, m.w.N.).
1. Nach diesem Maßstab bestehen nach
summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel daran, dass im
Streitfall die Festsetzung des gesamten Zinsanspruchs innerhalb
offener Festsetzungsfrist erfolgte.
Auf die Festsetzung der Zinsen sind die
für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend
anzuwenden. Das bedeutet, dass eine Festsetzung von Zinsen oder
eine Änderung der Zinsfestsetzung nach Ablauf der
einjährigen Zinsfestsetzungsfrist nicht zulässig ist
(§ 239 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die
Festsetzungsfrist beginnt in den Fällen des § 233a AO mit
Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer festgesetzt,
aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt worden
ist (Anlaufhemmung, so § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO). Die
Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die
Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung, ihre Änderung oder ihre
Berichtigung nach § 129 AO noch zulässig ist
(Ablaufhemmung, so § 239 Abs. 1 Satz 3 AO).
Das FA versteht insbesondere die letztgenannte
Regelung so, dass die Festsetzungsfrist für den
gesamten Zinsanspruch nicht abläuft, solange noch eine,
wenn auch nur punktuell wirkende Änderung der
Steuerfestsetzung zulässig ist. Die Änderung der
Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 24.2.2005 löste damit die
einjährige Zinsfestsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 Satz 1
AO aus. Der Zinsbescheid vom 7.12.2005 erging damit
zulässigerweise in der Phase der Anlaufhemmung.
Mit diesem rechtlichen Ansatz befindet sich
das FA in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung im
Fachschrifttum (Baum in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 239 Rz
9; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordung,
§ 239 AO Rz 5; Schwarz in Schwarz, AO, § 239 Rz 4a;
Pahlke/Koenig/ Koenig, Abgabenordnung § 239 Rz 8; Wagner in:
Kühn/ v.Wedelstädt, 18. Aufl., AO, § 239 Rz 4; wohl
anderer Ansicht Hahn, Vollverzinsung, 1988, S. 36). Bei
summarischer Prüfung sind hinreichend gewichtige Gründe,
die diese rechtliche Beurteilung als unsicher oder unklar
erscheinen lassen könnten, weder dem angegriffenen Beschluss
zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
a) Der Wortlaut des § 239 AO gilt als
missraten (vgl. Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 239 AO Rz 5;
Wagner in: Kühn/ v.Wedelstädt, a.a.O., § 239 Rz 4;
Schwarz in Schwarz, a.a.O., § 239 Rz 4a; Heuermann in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler - HHSp -, § 239 AO Rz 10 Fn 2),
insbesondere das Verhältnis zwischen Anlaufhemmung und
Ablaufhemmung bei wiederholter Änderung des Steuerbescheids
gibt zu Zweifeln Anlass. Es fragt sich, ob bei vielfachen - sich
ggf. über viele Jahre erstreckenden - Änderungen der
Steuerfestsetzung jeweils am Ende des Kalenderjahres, in dem die
jeweilige Änderung stattfand, eine neue Jahresfrist für
die Zinsfestsetzung zu laufen beginnt und wann diese - ggf. vielen
- Jahresfristen schlussendlich gemäß § 239 Abs. 1
Satz 3 AO ablaufen (zu dieser Deutungsmöglichkeit vgl. Wagner
in: Kühn/v.Wedelstädt, a.a.O., § 239 Rz 4). Die
diesbezüglich in der Tat gegebenen rechtlichen Unsicherheiten
haften jedoch den Lösungsansätzen des FG wie des FA an
und sind für die streitentscheidende Frage daher nicht
rechtserheblich. Denn Dreh- und Angelpunkt der rechtlichen
Beurteilung ist allein, ob sich die Regelungen der Anlauf- und der
Ablaufhemmung stets auf den gesamten Zinsanspruch beziehen oder auf
Teile dieses Zinsanspruchs mit der Folge der gesonderten
Verjährung des Teilanspruchs. Das FG vertritt ersichtlich
diesen Gedanken der Teilverjährung. Es geht dem Grunde nach
davon aus, dass für Teile des Zinsanspruchs jeweils gesonderte
Festsetzungsfristen an- und ablaufen können. Gegebenenfalls
sind nach Durchführung einer punktuellen Änderung der
Steuerfestsetzung nur noch die auf die Mehr-Steuern entfallenden
Mehr-Zinsen zulässigerweise festsetzbar. Auf früher
festgesetzte Steuerteilbeträge entfallende Zinsen, die
über viele Jahre hinweg nicht in einem Zinsbescheid erfasst
wurden, können dagegen wegen Ablauf der Verjährung nicht
mehr festgesetzt werden.
Indes steht bereits der Wortlaut des §
239 AO der Auffassung, bei Zinsen gemäß § 233a AO
könne eine Teilverjährung im vorstehend beschriebenen
Sinne eintreten, entgegen. Die AO bringt den ihr durchaus
geläufigen Gedanken der Teilverjährung üblicherweise
deutlich im Wortlaut einzelner Bestimmungen mit Begriffen wie
„soweit“ oder „insoweit“ zum
Ausdruck. In diesem Zusammenhang ist auf Regelungen wie § 169
Abs. 2 Satz 2, § 171 Abs. 3 und Abs. 10 AO zu verweisen. Das
FA weist zu Recht darauf hin, dass in § 239 Abs. 1 Satz 3 AO
nur von „solange“, nicht aber von
„soweit“ die Rede ist.
b) Auch der Zweck der in § 239 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 AO enthaltenen Anlauf- und Ablaufhemmung
und ihr systematischer Zusammenhang mit der Zinskorrekturvorschrift
des § 233a Abs. 5 AO sprechen gegen die Möglichkeit einer
Teilverjährung.
Der Zweck der in § 239 AO enthaltenen
Verjährungsregelungen besteht darin, die Korrekturvorschrift
des § 233a Abs. 5 AO, wonach bei jeder Änderung der
Steuerfestsetzung eine Änderung der Zinsfestsetzung zu
erfolgen hat, verjährungsrechtlich abzusichern. Die Anpassung
der Zinsen an den Umfang der zu verzinsenden Hauptforderung soll
nicht daran scheitern, dass die Festsetzungsfrist für die
Steuer regelmäßig vier Jahre, die für die Zinsen
aber nur ein Jahr beträgt (vgl. Entwurf eines
Steuerreformgesetzes 1990 vom 19.4.1988, BTDrucks 11/2157, S. 197).
Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund kann durchaus mit
dem FG davon gesprochen werden, dass das Gesetz mit § 233a
Abs. 5, § 239 Abs. 1 Satz 3 AO den verjährungsrechtlichen
und materiell-rechtlichen Gleichlauf von Einkommensteuerfestsetzung
und Zinsfestsetzung erreichen will (vgl. auch Baum in Koch/Scholtz,
a.a.O., § 239 Rz 9/1). Nur sind diesem Gleichlaufgedanken
nicht notwendigerweise die vom FG gezogenen Schlussfolgerungen im
Hinblick auf die Teilverjährung des Zinsanspruchs zu
entnehmen. Diesem Gleichlauf wird gerade auch dadurch gedient, dass
die Zinsen solange festsetzbar sind, bis die Frist für die
zulässigerweise bereits festgesetzte Steuer noch nicht
insgesamt abgelaufen ist (vgl. hierzu die nachfolgenden
Ausführungen unter II.1.c der Gründe dieses Beschlusses).
Der Gleichlaufgedanke entwertet zudem das vom FG zur
Unterstützung seiner Rechtsauffassung herangezogene Argument,
die kurze Einjahresfrist zur Festsetzung der Zinsen dürfe
nicht vollkommen leer laufen. Denn mit der vom Gesetzgeber in
§ 239 Abs. 1 Satz 3 AO ausschließlich für die
Zinsen gemäß § 233a AO angeordneten Ablaufhemmung,
die den verjährungsrechtlichen Gleichlauf bewirkt, wird die
Geltung der Einjahresfrist für die Nachzahlungszinsen - nicht
aber für andere Zinsen - faktisch suspendiert. Auch das FG
geht ersichtlich davon aus, dass die vollen Zinsen jedenfalls
solange festsetzbar sind, als bei der Einkommensteuer nicht im
Großen und Ganzen Festsetzungsverjährung eingetreten
ist.
c) Unter dem Gesichtspunkt der systematischen
Auslegung des Gesetzes bestätigen die Parallelen zwischen den
Regelungskonzepten der §§ 233a Abs. 5, 239 Abs. 1 Satz 3
AO einerseits und der §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AO andererseits das Ergebnis der Wortlautinterpretation des
§ 239 AO.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH ist der
Bindungswirkung des Grundlagenbescheids für den Folgebescheid
unbedingte Geltung zu verschaffen. Wird etwa ein Grundlagenbescheid
im Festsetzungsverfahren des Folgebescheids übersehen oder
sonst unzutreffend im Folgebescheid ausgewertet, so gebietet die
absolute Anpassungsverpflichtung, die Folgen der Versäumnisse
bei Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids
vollständig zu beseitigen. Weil der geänderte
Grundlagenbescheid die Suspendierung des früheren
Grundlagenbescheids bewirkt, ist der Inhalt des geänderten
Grundlagenbescheids der alleinige Maßstab für die
Anpassung des Folgebescheids. Der Umfang der Änderung des
Folgebescheids bestimmt sich also nicht nach dem Verhältnis
der Änderung des Grundlagenbescheids zum vorausgegangenen
Grundlagenbescheid (BFH-Urteil vom 29.6.2005 X R 31/04, BFH/NV
2005, 1749 = SIS 05 40 15, m.w.N.).
In verjährungsrechtlicher Hinsicht ist
festzuhalten, dass einer weiteren Änderung des Folgebescheids
als Folge der Änderung des unzutreffend ausgewerteten
Grundlagenbescheids keine Teilverjährung im Umfang der
Bindungswirkung des zunächst nicht richtig ausgewerteten -
ersten - Grundlagenbescheids entgegensteht. Denn § 171 Abs. 10
AO bewirkt in seiner Funktion als verjährungsrechtliche
Ergänzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteile
vom 12.8.1987 II R 202/84, BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318 = SIS 87 20 55; vom 4.11.1992 XI R 32/91, BFHE 170, 291, BStBl II 1993,
425 = SIS 93 11 44), dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für
die Folgesteuer insoweit gehemmt ist, als die Folgesteuer auf einem
Grundlagenbescheid beruht oder beruhen kann. § 171 Abs. 10 AO
führt also nicht dazu, dass eine zunächst abgelaufene
Festsetzungsfrist durch den Erlass von Grundlagenbescheiden im
Umfang der von diesen ausgehenden Bindungswirkung stets wieder
erneut in Lauf gesetzt würde. Solange und soweit in offener
Feststellungsfrist ein Grundlagenbescheid, der für die
Festsetzung der Steuer bindend ist, noch zulässig ergehen
kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer
im Ausmaß der Bindungswirkung dieses
Grundlagenbescheids gehemmt und wird diese Bindung durch § 171
Abs. 10 AO auf die Frist von zwei Jahren nach Bekanntgabe des
Grundlagenbescheids ausgedehnt (BFH-Urteile in BFHE 150, 319, BStBl
II 1988, 318 = SIS 87 20 55, und in BFH/NV 2005, 1749 = SIS 05 40 15). Ergeht also zulässigerweise ein geänderter
Grundlagenbescheid, weil die Feststellungsfrist insgesamt oder
jedenfalls punktuell noch offen war, dann ist die Folgesteuer
allein nach Maßgabe des gesamten Inhalts des geänderten
Grundlagenbescheids unter „Bereinigung“
früherer Auswertungsfehler zu ändern.
bb) Überträgt man diese
Grundsätze auf den Streitfall, dann wird bei summarischer
Prüfung deutlich, dass von einer Teilverjährung der
Zinsen nicht auszugehen ist. Der Gesetzgeber will mit den
§§ 233a Abs. 5, 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 AO
verjährungsrechtlich einen den §§ 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, 171 Abs. 10 AO vergleichbaren Rechtszustand hergestellt
wissen.
Einkommensteuerbescheid und Zinsbescheid
stehen im Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid
zueinander. Dies ergibt sich aus der akzessorischen Natur des
Zinsanspruchs und der Regelung in § 233a Abs. 5 AO, die
spezialgesetzlich die Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO verdrängt (vgl. BFH-Beschlüsse vom
31.3.1998 I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318 = SIS 98 16 97; vom
23.12.2002 IV B 13/02, BFH/NV 2003, 737 = SIS 03 23 76; BFH-Urteil
vom 18.5.2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735 = SIS 05 37 94; Kögel in Beermann/Gosch, § 233a AO Rz 119;
Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 233a Rz 41; Heuermann in
HHSp, § 233a AO Rz 66; Baum in Koch/Scholtz, a.a.O., §
239 Rz 9/1).
Wird der Einkommensteuerbescheid
(Grundlagenbescheid) geändert, dann ist die Zinsfestsetzung
(Folgebescheid) zu ändern (§ 233a Abs. 5 Satz 1 AO).
Maßgeblich für die Zinsfestsetzung sind nicht
frühere Einkommensteuerbescheide (Grundlagenbescheide),
sondern ausschließlich der jetzt bestehende
Einkommensteueränderungsbescheid (geänderter
Grundlagenbescheid). Versäumnisse bei der Auswertung des
früheren Einkommensteuerbescheids (Grundlagenbescheid) im
Verfahren der Zinsfestsetzung (Folgebescheid) sind auszugleichen.
Dies ergibt sich aus der Regelung in § 233a Abs. 5 Satz 3
Halbsatz 1 AO, wonach bei einer Änderung der Steuerfestsetzung
den Zinsen auf den Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter und
vorher festgesetzter Steuer die bisher festzusetzenden
Zinsen hinzuzurechnen sind. Bei der Zinskorrektur nach § 233a
Abs. 5 AO sind also die Zinsen, deren Festsetzung trotz
entsprechender Steuerfestsetzung bislang versäumt wurde,
einzubeziehen, damit der gesamte Zinsbetrag für diese
Steuerart dieses Veranlagungszeitraumes (z.B. für eine weitere
Änderung) als Sollbetrag festgesetzt wird (Schwarz in Schwarz,
a.a.O., § 233a Rz 31). Aus der Tatsache, dass in einem
Einkommensteueränderungsbescheid Mehr- oder Mindersteuern
festgesetzt wurden, ohne zugleich die erforderlichen
zinsrechtlichen Konsequenzen in einem geänderten Zinsbescheid
zu ziehen, folgt danach nicht, dass die Mehr- oder Minderzinsen,
deren Festsetzung bislang versäumt wurde, nicht bei einer
späteren erneuten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung
erfasst werden dürfen.
Bei summarischer Prüfung ergibt sich,
dass der Gesetzgeber mit § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3
AO die von § 233a Abs. 5 AO eingeräumten
Korrekturmöglichkeiten verjährungsrechtlich ebenso
absichern wollte wie er es mit § 171 Abs. 10 AO im Hinblick
auf die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
AO getan hat. Die Regelungskonzepte sind weitgehend identisch:
Ergeht zulässigerweise ein
Einkommensteueränderungsbescheid, weil die
Steuerfestsetzungsfrist insgesamt oder punktuell noch nicht
abgelaufen ist, dann ist im Ausmaß der Bindungswirkung des
Einkommensteuerbescheids auch der Ablauf der Zinsfestsetzungsfrist
durchgehend gehemmt. Es ist demnach nicht so, dass eine
zunächst abgelaufene Zinsfestsetzungsfrist durch den Erlass
von Einkommensteueränderungsbescheiden stets wieder erneut in
Lauf gesetzt würde. Die durch Änderung der
Steuerfestsetzung ausgelöste einjährige
Zinsfestsetzungsfrist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 AO stellt sich damit als eine Art Auswertungsfrist nach dem
Vorbild der Auswertungsfrist des § 171 Abs. 10 AO dar, die
durch eine Änderung des Grundlagenbescheids ausgelöst
wird. § 239 Abs. 1 Satz 3 AO verknüpft die
Zinsfestsetzungsfrist mit der Einkommensteuerfestsetzungsfrist auf
dieselbe Weise wie § 171 Abs. 10 AO die Festsetzungsfrist
für die Folgesteuer mit der Feststellungsfrist für den
Grundlagenbescheid verklammert.
Im Unterschied zu den typischen Fällen
des § 171 Abs. 10 AO besteht die Besonderheit bei der
Zinsfestsetzung darin, dass es zu einer lediglich punktuellen
Ablaufhemmung - „soweit“ (vgl. § 171 Abs.
10 AO) - für die Zinsfestsetzung nicht kommen kann. Denn die
Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids in seiner Funktion als
Grundlagenbescheid betrifft nicht einzelne Besteuerungsgrundlagen
des Zinsbescheids (Folgebescheid), sondern sämtliche. Weil der
Zinsbescheid in diesem Sinne vollständig von den
Feststellungen im Steuerbescheid abhängt, kann keine
Teilverjährung der Zinsen eintreten, solange die
Steuerfestsetzung noch zulässigerweise geändert werden
kann. Die Tür für die vom Antragsteller beanstandete
Wiederaufrollung der gesamten Zinsfestsetzung aus Anlass der
punktuellen Änderung der Steuerfestsetzung ist damit - im
Unterschied zur Regelung in § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO (hierzu vgl. BFH-Urteil vom 25.6.1991 IX R 57/88,
BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821 = SIS 91 21 38) - geöffnet.
Das Fehlen einer „soweit“-Einschränkung in
§ 239 Abs. 1 Satz 3 AO und der Wortlaut des § 233a Abs. 5
Satz 3 Halbsatz 1 AO verdeutlichen diesen Unterschied.
cc) Vorliegend sind sämtliche
Änderungen der Einkommensteuerfestsetzung unstreitig in
zumindest punktuell offener Festsetzungsfrist erfolgt.
Maßgeblich ist ohnehin nur die Tatsache, dass ein
Änderungsbescheid ergangen ist. Ob dieser wegen
Verjährung rechtswidrig war, kann im Verfahren gegen den
Zinsbescheid nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2005, 1749 = SIS 05 40 15). Aus der letzten, allein
maßgeblichen Änderungsfestsetzung mussten alle
zinsrechtlichen Folgen gemäß § 233a Abs. 5 AO
gezogen werden. Zur Anpassung der Zinsfestsetzung stand dem FA die
Jahresfrist des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO beginnend mit
Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Änderungsfestsetzung
erfolgte, zur Verfügung. Solange die Frist zur Festsetzung der
Einkommensteuer noch nicht insgesamt abgelaufen war, lief auch die
einjährige Zinsfestsetzungsfrist gemäß § 239
Abs. 1 Satz 3 AO für den gesamten Zinsanspruch nicht ab.
d) Bei summarischer Prüfung können
dem Zinsbescheid auch rechtsgrundsätzliche Erwägungen
nicht erfolgversprechend entgegen gehalten werden. Dem Einwand, der
Eintritt der Verjährung des Zinsanspruchs sei nach dem vom FA
eingenommenen Rechtsstandpunkt überhaupt nicht absehbar,
Rechtsfriede könne nicht eintreten, weil stets mit
Änderungen der Steuerfestsetzung gemäß § 10d
EStG oder gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
171 Abs. 10 EStG gerechnet werden müsse, ist entgegenzuhalten,
dass auch ein ausschließlich oder überwiegend
Beteiligungseinkünfte erzielender Steuerpflichtiger seine
endgültige Steuerbelastung erst dann festzustellen vermag,
wenn auch der letzte Gewinnfeststellungsbescheid nicht mehr
geändert werden kann. Auch der Antragsteller bedurfte keines
Vertrauensschutzes. Er wusste, dass ein als Grundlagenbescheid
wirkender Einkommensteuerbescheid mit einer hohen Steuerfestsetzung
ergangen war und er jederzeit mit der zinsrechtlichen Umsetzung des
Steuerbescheids rechnen musste (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005,
1749 = SIS 05 40 15). Dass sich der Antragsteller des besagten
Zusammenhangs zwischen Steuerfestsetzung und Zinsfestsetzung
durchaus bewusst war, illustriert sein Schreiben vom 29.11.2000. Er
bat darin selbst um die Festsetzung von Zinsen, nachdem das FA die
Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 27.11.2000 zu seinen Gunsten
geändert und er deshalb Erstattungszinsen zu erwarten
hatte.
e) Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit ergeben sich schließlich auch nicht
daraus, dass das FA gegen das Verbindungsgebot des § 233a Abs.
4 AO verstoßen hat. Nach dieser Regelung soll die
Zinsfestsetzung mit der Steuerfestsetzung verbunden werden. Die
Nichtbeachtung des Verbindungsgebots führt jedoch nicht zur
Rechtswidrigkeit der Zinsfestsetzung (vgl. BFH-Urteil vom
10.10.2001 XI R 41/00, BFHE 196, 408, BStBl II 2002, 124 = SIS 02 03 21, zur vergleichbaren Vorschrift des § 152 Abs. 3 AO).
2. Der auf einer anderen Rechtsauffassung
beruhende Beschluss des FG wird aufgehoben. Der Senat entscheidet
nicht selbst über den Aussetzungsantrag, sondern verweist die
Sache an das FG zurück. Eine Zurückverweisung ist auch im
Beschwerdeverfahren betreffend die AdV zulässig. Die Befugnis
zur Zurückverweisung der Sache ergibt sich aus den
§§ 132, 155 FGO i.V.m. § 572 Abs. 3 der
Zivilprozessordnung (BFH-Beschlüsse vom 23.7.2002 X B 209/01,
BFH/NV 2002, 1487 = SIS 02 98 42, m.w.N.; vom 8.6.2007 VII B
280/06, BFH/NV 2007, 1822 = SIS 07 31 96). Die
Zurückverweisung erscheint im Streitfall deshalb
zweckmäßig, weil das FG die Vollziehung des
Zinsbescheids allein wegen der vermeintlichen Teilverjährung
des Zinsanspruchs ausgesetzt und deshalb offengelassen hat, ob die
komplizierte Berechnung der Höhe der Zinsen Fehler aufweist,
die eine AdV rechtfertigen könnten. Da sich auch das
Beteiligtenvorbringen bislang nur zur Frage der Teilverjährung
verhielt, erscheint es sachgerecht (vgl. dazu BFH-Beschluss vom
8.7.1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657 = SIS 80 03 39), dass das erstinstanzliche Gericht die Prüfung der
Zinshöhe nachholt.