Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 20.01.2022 - 5 K 1179/19 U =
SIS 22 02 58 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der … (Insolvenzschuldnerin). Gegenstand des Unternehmens
der Insolvenzschuldnerin war die Vorbereitung und Durchführung
von Bauvorhaben als Bauherrin für eigene oder fremde Rechnung
sowie die Betreuung von fremden Bauvorhaben für fremde
Rechnung.
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Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde der
Kläger, der zuvor bereits auch als vorläufiger
Insolvenzverwalter eingesetzt war, mit Beschluss des Amtsgerichts X
vom … zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Bereits während des
Insolvenzeröffnungsverfahrens wurden der jeweilige Stand der
Bauvorhaben, die die Insolvenzschuldnerin wegen fehlender
finanzieller Mittel nicht weiterführen konnte, aufgenommen,
Arbeiten abgerechnet und Abwicklungsvereinbarungen mit den
Auftraggebern beziehungsweise Erwerbern der Immobilien
geschlossen.
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Der Kläger stellte der
Insolvenzschuldnerin für seine Leistungen unter dem 01.03.2018
89.260,15 EUR zuzüglich 16.959,43 EUR Umsatzsteuer in
Rechnung. Der Rechnungsbetrag konnte mangels ausreichender Masse
nur anteilig in Höhe von 74.351,35 EUR bedient werden. Im
Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das erste Quartal
2018 vom 12.04.2018 machte der Kläger als Insolvenzverwalter
für die Insolvenzschuldnerin aus der von ihm gestellten
Rechnung, begrenzt auf den tatsächlich von der Masse gezahlten
Betrag, einen Vorsteuerbetrag von 11.871,22 EUR geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) gewährte den begehrten Vorsteuerabzug nur
anteilig in Höhe von 1,43 %. Nach Auffassung des FA sei der
Vorsteuerbetrag in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren
Teil aufzuteilen, da im Rahmen des Insolvenzverfahrens steuerfreie
Umsätze in Höhe von 939.560 EUR und steuerpflichtige
Umsätze in Höhe von 43.546 EUR ausgeführt worden
seien. Es setzte mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom
31.08.2018 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das erste
Quartal 2018 auf - 169,75 EUR fest. Den hiergegen vom Kläger
eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom
11.03.2019 als unbegründet zurück.
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Mit seiner Klage verfolgte der Kläger
sein Begehren weiter. Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung
für 2018 (Streitjahr) gab er mit seiner Rechtsauffassung
entsprechenden Angaben ab. Das FA setzte die Umsatzsteuer für
das Streitjahr hiervon abweichend (zuletzt mit
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 11.07.2019, der nach §
68 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - zum Gegenstand
des Verfahrens wurde) auf - 525,90 EUR fest.
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Die Beteiligten haben im Verlauf des
finanzgerichtlichen Verfahrens eine tatsächliche
Verständigung dahingehend getroffen, dass die zur Tabelle
angemeldeten Forderungen anteilig zu 45 % mit von der
Insolvenzschuldnerin ausgeführten steuerpflichtigen
Umsätzen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang
stehen.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit
der der Kläger zuletzt einen Vorsteuerbetrag von 11.871,22 EUR
nur noch in Höhe von 45 % (5.342,05 EUR) geltend machte, mit
seinem in EFG 2022, 530 = SIS 22 02 58 veröffentlichten Urteil
statt. Nach Ansicht des FG habe die Insolvenzschuldnerin die
einheitliche Leistung des Klägers für ihr Unternehmen und
damit für ihre wirtschaftliche Tätigkeit bezogen. Es
bestehe ein für den Vorsteuerabzug maßgeblicher direkter
und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung
des Klägers und den im Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin angemeldeten Forderungen der
Insolvenzgläubiger. Der vom Kläger bis zur
mündlichen Verhandlung insgesamt geltend gemachte
Vorsteuerbetrag von 11.871,22 EUR sei mit 45 % anteilig in
Höhe von 5.342,05 EUR abzugsfähig, da die vom Kläger
erbrachte Leistung nach Maßgabe der von den Beteiligten
insoweit getroffenen tatsächlichen Verständigung auch
für steuerfreie Umsätze verwendet worden sei.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG sei
von einer Unternehmensfortführung durch den Kläger
während des Insolvenzverfahrens auszugehen. Sämtliche
Handlungen hätten darauf abgezielt, das vorhandene
Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu verwerten und den
Erlös nach Abzug der Kosten zur gemeinschaftlichen
Befriedigung an die Gläubiger zu verteilen. Das Unternehmen
der Insolvenzschuldnerin habe zwar nicht fortgeführt werden
sollen, um es zu erhalten, die Bauvorhaben seien aber noch
abgewickelt worden. Die den ausgeführten Umsätzen
zugrundeliegenden Beweggründe, wie hier die Stärkung der
Masse, könnten nicht maßgeblich sein. Für die
Unternehmensfortführung sei einzig die Tatsache
ausschlaggebend, dass Umsätze ausgeführt worden seien.
Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 02.12.2015 -
V R 15/15 (BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486 = SIS 16 05 55)
entschieden habe, steuerfreie Verwertungshandlungen des
Insolvenzverwalters seien in Bezug auf den Vorsteuerabzug nicht zu
berücksichtigen, führe dies dazu, dass der Vorsteuerabzug
bei Verwertungshandlungen anders zu beurteilen sei als ohne solche
Handlungen. Vorsteuerbeträge seien bei
Unternehmensfortführung nach allgemeinen Grundsätzen zu
beurteilen und nach § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) aufzuteilen. Nur soweit kein direkter und unmittelbarer
Zusammenhang zu den Ausgangsumsätzen hergestellt werden
könne, die Vorsteuerbeträge zu den allgemeinen
Aufwendungen des Unternehmers gehörten und direkt und
unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit
zusammenhingen, seien diese nach dem Gesamtumsatzschlüssel
aufzuteilen. Selbst für den Fall, dass die Voraussetzungen
einer Unternehmensfortführung nicht gegeben seien,
müssten die Vorsteuerbeträge in Höhe von 11.871,22
EUR nach allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG im
Verhältnis der gesamten Umsätze des Besteuerungszeitraums
2018 aufgeteilt werden.
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Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Der Kläger tritt der Revision entgegen
und bringt im Wesentlichen vor, die vom FA vertretene Ansicht, dass
auch in den reinen Abwicklungstätigkeiten des
Insolvenzverwalters eine Fortführung des Unternehmens liege,
sei unzutreffend. Anderenfalls wäre jede Unternehmensinsolvenz
mit einer Unternehmensfortführung verbunden. Auch aus dem
Fortbestand der Unternehmereigenschaft der Insolvenzschuldnerin
könne die Fortführung des Unternehmens nicht abgeleitet
werden. Es sei gerechtfertigt, im Falle der bloßen Abwicklung
und Verwertung keine Unternehmensfortführung anzunehmen und
hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung auf die Qualität
der zur Insolvenztabelle angemeldeten, besser noch auf die vom
Insolvenzverwalter anerkannten Forderungen abzustellen.
Hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung könne jedenfalls
nicht auf die nach der Insolvenzeröffnung erzielten
Umsätze abgestellt werden. Die Vorsteuerbeträge seien
auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 4
UStG im Verhältnis der gesamten Umsätze des
Besteuerungszeitraumes 2018 aufzuteilen, soweit nicht von einer
Unternehmensfortführung ausgegangen werden könne. Eine
Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge
nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug
ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug
berechtigen, sei nur zulässig, wenn keine andere
wirtschaftliche Zurechnung möglich sei. Bei einer reinen
Abwicklungstätigkeit des Insolvenzverwalters lasse sich jedoch
eine wirtschaftliche Zuordnung nach den zur Insolvenztabelle
angemeldeten Forderungen vornehmen. Diese Zuordnung sei
gegenüber der nach dem Gesetz nur subsidiär
zulässigen Anknüpfung an erzielte Umsätze
vorrangig.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision
für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet
worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Das FG hat zutreffend angenommen, dass der
Kläger als Insolvenzverwalter das Unternehmen der
Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt hat, und auf dieser
Grundlage zu Recht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung über
die Leistung des Klägers anteilig mit 45 % in Höhe von
5.342,05 EUR gewährt.
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1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuer die gesetzlich geschuldete
Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem
anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt
worden sind, abziehen.
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a) Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug
gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für die
Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von
Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der
Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Dies
beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie
2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige, der
„Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke
seiner besteuerten Umsätze verwendet“,
zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und
unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung
bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom
23.11.2023 - V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 9). Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer
Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9
MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen
Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL)
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23.11.2023 - V R 3/22,
BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 9; vom
18.10.2023 - XI R 21/23 (XI R 30/19), BFHE 283, 110 = SIS 24 05 66,
Rz 19; vom 06.12.2023 - XI R 33/21, BFHE 283, 159 = SIS 24 05 68,
Rz 31). Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem
steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG (Art. 169 MwStSystRL)
benannt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile
vom 02.12.2015 - V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486 = SIS 16 05 55, Rz 14; vom 09.02.2012 - V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl
II 2012, 844 = SIS 12 06 37, Rz 19 f.; vom 23.11.2023 - V R 3/22,
BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 9).
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b) Verwendet der Unternehmer einen für
sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in
Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur
Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug
ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1
UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar,
der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden
Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann
die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten
Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Es ist
dabei zunächst Sache des Unternehmers, welche
Schätzungsmethode er wählt; Finanzbehörden und
Finanzgerichte können aber nachprüfen, ob die
Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH-Urteile vom 05.09.2013 -
XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95 = SIS 13 29 90, Rz 29;
vom 03.08.2017 - V R 62/16, BFHE 259, 380, BStBl II 2021, 109 = SIS 17 21 50, Rz 28; vom 11.11.2020 - XI R 7/20, BFHE 271, 273, BStBl
II 2022, 746 = SIS 21 02 54, Rz 10; vom 09.11.2022 - XI R 31/19,
BFHE 279, 227 = SIS 23 02 27, Rz 12). Gemäß § 15
Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils
der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der
Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den
Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur
zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung
möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2020 - XI R 7/20, BFHE
271, 273, BStBl II 2022, 746 = SIS 21 02 54, Rz 10).
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c) Im Insolvenzverfahren eines Schuldners, der
seine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit bereits vor
der Insolvenzeröffnung eingestellt hat, ist es nach der
Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt,
sachgerecht, über den Vorsteuerabzug aus der Rechnung des
Insolvenzverwalters auf der Grundlage der früheren
Unternehmenstätigkeit zu entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteile
vom 02.12.2015 - V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486 = SIS 16 05 55, Leitsatz 1; vom 23.11.2023 - V R 3/22, BFHE 282, 180,
BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 10). Der für den
Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare
Zusammenhang besteht zwischen der einheitlichen Leistung des
Insolvenzverwalters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten
Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 38 der
Insolvenzordnung - InsO - ), die auf die frühere
Umsatztätigkeit zurückzuführen sind, so dass es auf
die einzelnen Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters nicht
ankommt (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2015 - V R 44/14, BFHE 250,
263, BStBl II 2015, 679 = SIS 15 11 13, Rz 15 ff.; vom 02.12.2015 -
V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486 = SIS 16 05 55, Rz 17;
vom 23.11.2023 - V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 10). Eine Berücksichtigung der
Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt mithin nicht in
Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2015 - V R 44/14, BFHE 250,
263, BStBl II 2015, 679 = SIS 15 11 13, Rz 17; vom 21.10.2015 - XI
R 28/14, BFHE 252, 460, BStBl II 2016, 550 = SIS 16 05 52, Rz
36).
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d) Anders kann es aber sein, wenn eine
Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vorliegt
und der Insolvenzverwalter keine wesentlichen Verwertungshandlungen
vornimmt; dann kann es sachgerecht sein, die abziehbare Vorsteuer
nach dem Gesamtumsatz des Insolvenzschuldners während der Zeit
der Insolvenzverwaltung nach Maßgabe der steuerpflichtigen,
steuerfreien und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen
(vgl. dazu BFH-Urteil vom 23.10.2024 - XI R 20/22, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt, bei Verwertungshandlungen in
Höhe von 0,07 % der Gesamteinnahmen im Zeitraum des
Insolvenzverfahrens).
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2. Auf dieser Grundlage hat das FG den
Vorsteuerabzug für die vom Kläger als Insolvenzverwalter
erbrachten Leistungen zutreffend anteilig mit 45 % in Höhe von
5.342,05 EUR bejaht.
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a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
im Streitfall der für den Vorsteuerabzug maßgebliche
direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen
Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter und den im
Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der
Insolvenzgläubiger besteht.
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aa) Der Kläger hat nach den mit
zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht
angegriffenen und den Senat insoweit im Sinne des § 118 Abs. 2
FGO bindenden Feststellungen des FG die Insolvenzmasse der
Insolvenzschuldnerin verwaltet, verwertet und verteilt, um die
Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Das FG hat weiter bindend
festgestellt, dass der Kläger während des
Insolvenzverfahrens für die Insolvenzschuldnerin Abrechnungen
vorgenommen, Forderungen eingezogen und ihr gesamtes Vermögen
verwertet hat.
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bb) Ausgehend davon hat das FG zutreffend
angenommen, dass die einheitliche Leistung des Klägers als
Insolvenzverwalter nicht mit den nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens durchgeführten Verwertungshandlungen des
Klägers in einem für den Vorsteuerabzug
maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht.
Entgegen der Auffassung des FA sind für den Vorsteuerabzug aus
der einheitlichen Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter
die nach Verfahrenseröffnung ausgeführten (steuerfreien)
Verwertungsumsätze vorliegend nicht zu berücksichtigen.
Eine Unternehmensfortführung liegt nicht vor.
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(1) Die Fortführung der bisherigen
Unternehmenstätigkeit bezieht sich auf den „Erhalt des
Unternehmens“ (vgl. § 1 Satz 1,
§§ 217 ff. InsO), aber nicht auf eine lediglich im
Hinblick auf Abwicklungstätigkeiten fortbestehende
Unternehmenstätigkeit (vgl. BFH-Urteile vom 21.04.1993 - XI R
50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696 = SIS 93 19 27, unter
II.1.; vom 19.11.2009 - V R 16/08, BFHE 227, 275, BStBl II 2010,
319 = SIS 09 39 24, unter II.2.a aa; vom 23.11.2023 - V R 3/22,
BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 15). Eine
Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter kommt
danach nur in Betracht, wenn - wovon das FG zutreffend ausgegangen
ist - die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters nicht der
Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des
Insolvenzverfahrens mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung
der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners dient, sondern vorrangig
darauf abzielt, das Unternehmen des Insolvenzschuldners zu erhalten
(vgl. zur nicht auf die Fortführung des Unternehmens
gerichteten „Ausproduktion“ Urteil des
FG Münster vom 04.05.2020 - 5 K 546/17 U, EFG 2020, 1361 = SIS 20 11 89, Rz 35; zur vorübergehenden Vermietung als
„ergänzende
Verwertungsmaßnahme“ BFH-Urteil vom
23.11.2023 - V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 16; zur Unternehmensfortführung dagegen BFH-Urteil
vom 23.10.2024 - XI R 20/22, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt). Von der Fortführung des Unternehmens ist
insbesondere dann auszugehen, wenn - anders als im Streitfall -
nach § 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO in einem Insolvenzplan eine
abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens
getroffen wird (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23.11.2023 - V R
3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57, Rz 17 zur
Konkursordnung). Entgegen dem Revisionsvorbringen des FA kann eine
Unternehmensfortführung während der Dauer des
Insolvenzverfahrens danach nicht schon darin gesehen werden, dass
der Insolvenzverwalter das vorhandene Vermögen mit dem Ziel,
den Erlös nach Abzug der Kosten zur gemeinschaftlichen
Befriedigung an die Insolvenzgläubiger zu verteilen,
verwertet.
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(2) Auf der Grundlage der den erkennenden
Senat im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen
des FG hat der Kläger das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin
nicht fortgeführt. Das FG hat hierzu revisionsrechtlich
bindend festgestellt, dass sämtliche Handlungen darauf
abzielten, das vorhandene Vermögen der Schuldnerin zu
verwerten und den Erlös (nach Abzug der Kosten) zur
gemeinschaftlichen Befriedigung an die Gläubiger zu verteilen.
Der Kläger habe bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens den
Insolvenzgläubigern mitgeteilt, dass eine Fortführung des
Unternehmens nicht möglich sei. Davon sei er später auch
nicht abgewichen. Die vorhandenen Bauvorhaben seien nicht
weiterbetrieben worden, sondern zusammen mit den Auftraggebern
beziehungsweise Grundstückseigentümern abgewickelt
worden. Die Leistung des Klägers zielte danach nicht darauf
ab, das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin fortzuführen, um
es zu erhalten.
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cc) Der erkennende Senat folgt im Übrigen
nicht der Ansicht des FA, dass für die
Unternehmensfortführung einzig die Tatsache ausschlaggebend
sei, dass der Insolvenzverwalter Umsätze ausgeführt habe,
ohne dass es auf die zugrundeliegenden Beweggründe, wie die
Stärkung der Masse, ankomme. Es führt entgegen der
Auffassung des FA zu keiner Ungleichbehandlung, wenn steuerfreie
Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters anders als bei
Unternehmen, die sich nicht in der Insolvenz befinden, in Bezug auf
die Vorsteueraufteilung und den Vorsteuerabzug nicht zu
berücksichtigen sind. Auf Konkurrenzunternehmen, die sich
nicht in Insolvenz befinden, ist schon deshalb nicht abzustellen,
da diese mit den umsatzsteuerbelasteten Verfahrenskosten einer
Insolvenz nicht belastet sind (vgl. noch zum Konkursverfahren
BFH-Urteil vom 23.11.2023 - V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024,
501 = SIS 24 03 57, Rz 17). Dies gilt auch für in Liquidation
befindliche Unternehmen.
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b) Die Insolvenzschuldnerin hat die im
Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der
Insolvenzgläubiger auch für ihr Unternehmen und damit
für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet. Die
angemeldeten Forderungen sind ausschließlich im Zusammenhang
mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin
entstanden. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im
Streit.
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c) Das FG hat außerdem zutreffend
dahingehend erkannt, dass der vom Kläger als
Insolvenzverwalter insgesamt geltend gemachte Vorsteuerbetrag nach
Maßgabe der von den Beteiligten insoweit getroffenen
tatsächlichen Verständigung gemäß § 15
Abs. 4 UStG anteilig in Höhe von 45 % abzugsfähig ist.
Dies entspricht der tatsächlichen Verständigung der
Beteiligten.
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Soweit das FA dagegen meint, dass selbst
für den Fall, dass die Voraussetzungen einer
Unternehmensfortführung nicht gegeben seien, die im Streit
stehenden Vorsteuerbeträge nach den allgemeinen
Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG nach dem Verhältnis
der gesamten Umsätze des streitigen Besteuerungszeitraums
aufgeteilt werden müssten, ist dem aufgrund der Rechtsprechung
des BFH nicht zu folgen (s. dazu unter II.1.c).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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