Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erzielte im Streitjahr (2018) als Berufssoldat der
Bundeswehr Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit.
|
|
|
2
|
Er wurde durch rechtskräftiges Urteil
des Amtsgerichts C (AG) vom xx.xx.2018 - … wegen
öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 des
Strafgesetzbuchs - StGB - ) schuldig gesprochen und kostenpflichtig
verwarnt. Ferner behielt sich das AG eine Verurteilung zu einer
Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je … EUR vor (§
59 StGB).
|
|
|
3
|
Noch während des laufenden
Strafverfahrens wurde gegen den Kläger ein gerichtliches
Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, welches neben dem im
Strafverfahren behandelten Vorwurf zahlreiche weitere
mutmaßliche Disziplinarvergehen - im Wesentlichen in Gestalt
von Beiträgen auf seinem Social-Media-Account - zum Gegenstand
hatte.
|
|
|
4
|
Ausweislich der Anschuldigungsschrift vom
xx.xx.2019 soll der Kläger unter anderem gegen folgende
Dienstpflichten verstoßen haben:
|
|
|
-
|
außerhalb des Dienstes bei
Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die
erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu
erhalten,
|
|
|
-
|
außerhalb der dienstlichen
Unterkünfte und Anlagen die Achtung und das Vertrauen, die
seine dienstliche Stellung erfordern, nicht ernsthaft zu
beeinträchtigen,
|
|
|
-
|
die dienstliche Stellung des Vorgesetzten
in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu
achten,
|
|
|
-
|
der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu
werden, die sein Dienst als Soldat erfordert.
|
|
|
5
|
Für seine Vertretung in dem
Disziplinarverfahren wandte der Kläger im Streitjahr
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.785 EUR auf, deren Abzug er
als außergewöhnliche Belastungen in seiner
Einkommensteuererklärung beantragte. Zum Nachweis legte er
unter anderem ein Schreiben seines Prozessvertreters vor, nach
welchem im Wehrdisziplinarverfahren die Entfernung aus dem
Dienstverhältnis gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 der
Wehrdisziplinarordnung (WDO) im Raum stehe.
|
|
|
6
|
Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die geltend gemachten
Rechtsanwaltskosten weder als Werbungskosten noch als
außergewöhnliche Belastungen.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt und erkannte die dem
Kläger entstandenen Rechtsanwaltskosten in voller Höhe
als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit an.
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
9
|
Es beantragt,
|
|
die Vorentscheidung aufzuheben und die
Klage als unbegründet abzuweisen.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
|
|
|
12
|
Das FG hat die Rechtsanwaltskosten des
Klägers für seine Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren
zu Recht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) berücksichtigt.
|
|
|
13
|
1. a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den
Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein
Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der
Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr
subjektiv zu dienen bestimmt sind, das heißt wenn sie in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür,
ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die - wertende -
Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen
„auslösenden Moments“, zum anderen
dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre (z.B. Senatsurteile vom 08.03.2022 - VI R 19/20,
BFHE 276, 336, BStBl II 2022, 633 = SIS 22 13 98, Rz 16; vom
14.01.2021 - VI R 15/19, BFHE 272, 42, BStBl II 2021, 453 = SIS 21 04 60, Rz 11 und vom 16.01.2019 - VI R 24/16, BFHE 263, 449, BStBl
II 2019, 376 = SIS 19 05 56, Rz 8).
|
|
|
14
|
b) Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-,
Vertretungs- und Prozesskosten) teilen grundsätzlich die
einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die
Gegenstand des Prozesses waren (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile vom 19.07.2022 - IX R 18/20, BFHE 278, 85, BStBl II
2023, 173 = SIS 22 19 44, Rz 19 und vom 13.04.2010 - VIII R 27/08 = SIS 10 32 08, Rz 10 sowie BFH-Beschluss vom
07.05.2015 - IX B
146/14 = SIS 15 15 19, Rz 4).
Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre
(zum Beispiel das Bestehen eines Erbrechts), so sind die Kosten der
Rechtsverfolgung nicht abzugsfähig (BFH-Urteil vom 17.06.1999 - III R 37/98, BFHE
189, 123, BStBl II 1999, 600 = SIS 99 18 29). Der Abzug von
durch einen Strafprozess verursachten Rechtsverfolgungskosten als
Werbungskosten setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene
Tat in Ausübung und nicht nur gelegentlich der
Berufstätigkeit begangen worden ist (BFH-Beschluss vom
13.12.2016 - VIII R 43/14 = SIS 17 05 84, Rz 16; Schmidt/Krüger, EStG, 42. Aufl., § 19
Rz 110 „Prozesskosten“). Bei zivil- oder
arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht ein Zusammenhang
zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die
Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft (BFH-Urteil vom
06.12.1983 - VIII R
102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314 = SIS 84 07 33, unter
1.).
|
|
|
15
|
c) Die Beurteilung, ob Aufwendungen beruflich
oder privat veranlasst sind, obliegt in erster Linie der
tatrichterlichen Würdigung des FG. Diese ist für das
Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie
verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt
wurde und nicht gegen Denkgesetze verstößt oder
Erfahrungssätze verletzt (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteil vom 28.06.2023 - VI R 17/21, BFHE 280, 568 = SIS 23 15 77, Rz 13, m.w.N.).
|
|
|
16
|
2. Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze ist die Würdigung des FG, nach der die
Rechtsanwaltskosten des Klägers für dessen Vertretung im
Wehrdisziplinarverfahren durch dessen nichtselbständige Arbeit
veranlasst sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
|
|
17
|
Ein hinreichend konkreter
Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften
aus der Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat ergibt
sich schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von
Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen
ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche
Fortkommen auswirken (ebenso zum früheren Dienststrafverfahren
Senatsurteil vom 25.08.1961 - VI 99/59 S, BFHE 73, 591, BStBl III
1961, 482 = SIS 61 03 12 und zu einem Disziplinarverfahren
BFH-Urteil vom 13.12.1994 - VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II
1995, 457 = SIS 95 12 48, unter II.1.).
|
|
|
18
|
a) Ein (behördliches wie gerichtliches)
Wehrdisziplinarverfahren dient ausschließlich der Ahndung von
Dienstvergehen im Sinne des § 23 des Soldatengesetzes (SG)
durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen (§§
15, 58, 108 WDO). Kosten eines Soldaten für seine Verteidigung
in einem solchen Wehrdisziplinarverfahren haben mithin den Zweck,
entweder schon die Feststellung eines Dienstvergehens zu verhindern
und/oder jedenfalls die Verhängung einer, sich auf das
berufliche Fortkommen/die Höhe der Bezüge auswirkenden
Disziplinarmaßnahme ganz oder teilweise abzuwenden. Hieran
ändert sich nichts, falls ein außerdienstliches
Verhalten Anlass für das Wehrdisziplinarverfahren war. Denn
ein solches Verhalten kann nur insoweit Gegenstand eines
Wehrdisziplinarverfahrens sein, als sich aus ihm eine Verletzung
der in den §§ 7 ff. SG geregelten Dienstpflichten des
Soldaten ergibt, insbesondere der in § 17 Abs. 2 Satz 3 SG
geregelten außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht.
|
|
|
19
|
b) Im Streitfall dienten die Aufwendungen im
Zusammenhang mit einem gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahren
unmittelbar der Erhaltung der Einnahmen aus dem
Dienstverhältnis. Denn sämtliche in einem gerichtlichen
Disziplinarverfahren in Betracht kommenden
Disziplinarmaßnahmen (Kürzung der Dienstbezüge,
Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe,
Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem
Dienstverhältnis) hätten bei ihrer Verhängung die
Einkünfte des Klägers aus seinem Dienstverhältnis
gemindert. Zwar dürfen die Wehrdienstgerichte auch einfache
Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 22 WDO
verhängen. Allerdings erfolgt eine Einleitung eines
gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahrens gemäß § 93
WDO nur dann, falls zumindest auch die Verhängung einer
gerichtlichen Disziplinarmaßnahme im Raum steht (§§
41, 98 Abs. 1 Nr. 2 WDO; s. Brinktrine/Oldiges in
Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 4.
Aufl. 2020, § 74 Wehr- und Zivilverteidigungsrecht, Rz 181;
Weiß in Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches
Dienstrecht, Band 1, Yt § 41 WDO Rz 11 und Yt § 93 WDO Rz
22 f. [Stand: Januar 2024]).
|
|
|
20
|
c) Die Vorinstanz hat - anders als das FA
meint - auch zu Recht die zur Abzugsfähigkeit von
Prozesskosten eines Strafverfahrens ergangene Rechtsprechung (z.B.
Senatsurteil vom 18.10.2007 - VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II
2008, 223 = SIS 08 02 15) nicht auf Prozesskosten eines
Wehrdisziplinarverfahrens übertragen. Denn die beiden
Verfahren unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung
wesentlich voneinander. Ein Strafverfahren ist auf die Sanktion der
Verletzung eines von der Rechtsordnung allgemein geschützten
Rechtsguts gerichtet. Deshalb bemisst sich die Strafe in diesem
Fall nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts
und der Schuld des Täters (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 12.10.1971 - 2 BvR 65/71, BVerfGE 32, 40,
unter II.4.b). Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem
Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht daher -
wie bereits dargelegt - nur ausnahmsweise dann, falls dem
Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in
Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat
(BFH-Urteil vom 16.04.2013 - IX R 5/12, BFHE 241, 355, BStBl II
2013, 806 = SIS 13 23 20, Rz 12; BFH-Beschluss vom 13.12.2016 -
VIII R 43/14 = SIS 17 05 84, Rz 16
und Senatsbeschluss vom 10.06.2015 - VI B 133/14 = SIS 15 16 60, Rz 5). Dies ist bei einem
Wehrdisziplinarverfahren anders, bei dem sich
die Disziplinarmaßnahme auf den besonderen Rechts- und
Pflichtenstatus der Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes
bezieht (BVerfG-Beschluss vom 12.10.1971 - 2 BvR 65/71, BVerfGE 32,
40). In diesem Verfahren wird ein - gegebenenfalls strafbewehrtes -
Verhalten allein daraufhin überprüft, ob sich aus ihm
eine ungerechtfertigte und schuldhafte Verletzung von
Dienstpflichten ergibt (s. Brinktrine/Oldiges in:
Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, 4.
Aufl. 2020, § 74 Wehr- und Zivilverteidigungsrecht, Rz
179).
|
|
|
21
|
d) Entgegen der Auffassung des FA
schließt ein strafbewehrter, subjektiver Handlungsvorwurf des
Dienstherrn als Anlass für das Disziplinarverfahren einen
Veranlassungszusammenhang der Rechtsverfolgungskosten zu der
beruflichen Sphäre nicht aus, selbst wenn sich dieser Vorwurf
als zutreffend erweisen sollte (so zum Dienststrafverfahren bereits
Senatsurteil vom 25.08.1961 - VI 99/59 S, BFHE 73, 591, BStBl III
1961, 482 = SIS 61 03 12). Denn nach § 40 der Abgabenordnung
ist es für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich, ob
ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder
zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot
oder gegen die guten Sitten verstößt (s. Senatsurteil
vom 09.12.2003 - VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641 = SIS 04 21 12 und Senatsbeschluss vom 20.10.2016 - VI R 27/15, BFHE 255,
529, BStBl II 2018, 441 = SIS 16 26 05, Rz 16 ). Strafwürdiges
oder verbotswidriges Verhalten ist nicht ohne Weiteres zwingend der
privaten Sphäre zuzurechnen, weil die Besteuerung sich
grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet (s. Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 - GrS 2-3/77, BFHE 124,
43, BStBl II 1978, 105 = SIS 78 00 63, unter II.3.c sowie
Senatsbeschluss vom 20.10.2016 - VI R 27/15, BFHE 255, 529, BStBl
II 2018, 441 = SIS 16 26 05, Rz 15).
|
|
|
22
|
3. Schließlich steht einem
Werbungskostenabzug auch nicht der Umstand entgegen, dass der Bund
dem Kläger die notwendigen Auslagen des
Wehrdisziplinarverfahrens gemäß § 140 WDO in einem
zukünftigen Veranlagungszeitraum gegebenenfalls zu erstatten hat. Denn eine
solche Erstattung hätte nicht die Versagung des
ursprünglichen Abzugs zur Folge, sondern sie wäre eine
steuerpflichtige Einnahme im Jahr des Zuflusses bei der
Einkunftsart, bei der die Aufwendungen zuvor als Werbungskosten
abgezogen wurden (s. Senatsurteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20, BFHE
278, 319, BStBl II 2023, 142 = SIS 22 18 89, Rz 18, m.w.N.).
|
|
|
23
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|
|
|
|