Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 23.02.2023 - 5 K 190/22 = SIS 23 07 87 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Die verheirateten Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) lebten zu Beginn des Streitjahres
(2020) gemeinsam mit ihrer Tochter (geboren 2015) in einer
3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von circa 65 m² in
Hamburg.
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Der Kläger war als Teil-Projektleiter
für ein Unternehmen in Hamburg nichtselbständig
tätig. Bis Mitte März des Streitjahres arbeitete er nur
in Ausnahmefällen zu Hause. Zu Beginn der
Corona-Maßnahmen im März des Streitjahres schloss das
Büro seines Arbeitgebers. Der Kläger musste seine
Arbeitsmaterialien abholen und arbeitete ab diesem Zeitpunkt
ausschließlich zu Hause. Zum 30. Juni des Streitjahres
wechselte er den Arbeitgeber und arbeitete seither an vier Tagen
der Woche zu Hause sowie einmal wöchentlich in den ebenfalls
in Hamburg belegenen Räumen seines neuen
Arbeitsgebers.
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Die Klägerin war im Streitjahr als
Sachbearbeiterin in Teilzeit tätig. Zudem fertigte sie ihre
Masterarbeit an. Zunächst arbeitete sie ausschließlich
im Büro ihres Arbeitgebers. Ab Mitte März des
Streitjahres arbeitete sie an vier Tagen der Woche im Homeoffice
und an einem Tag im Büro. Das Arbeiten im Homeoffice war nicht
zwingend, wurde aufgrund der Corona-Pandemie jedoch dringend
empfohlen.
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Über separate Arbeitszimmer
verfügten die Kläger in ihrer 3-Zimmer-Wohnung nicht. Sie
arbeiteten im Wesentlichen im Wohn-/Esszimmer und nutzten den dort
belegenen Esstisch (abwechselnd) als Schreibtisch.
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Aufgrund dieser von den Klägern als
unbefriedigend empfundenen Wohn-/Arbeitssituation (beispielsweise
war die Nutzung zweier großer Bildschirme am Esstisch nicht
möglich) suchten sie ab April des Streitjahres nach einer
größeren Wohnung. Im Mai des Streitjahres mieteten die
Kläger eine circa 110 m² große, ebenfalls in
Hamburg belegene 5-Zimmer-Wohnung, in die sie im Juli des
Streitjahres einzogen. Zwei Zimmer der neuen Wohnung statteten sie
büromäßig aus und nutzten diese - so die
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) für das Streitjahr -
als häusliche Arbeitszimmer.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machten die Kläger unter anderem
Umzugskosten in Höhe von 4.218 EUR als Werbungskosten bei
ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend,
die der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) bei
der Einkommensteuerfestsetzung nicht berücksichtigte. Im
Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens änderte
das FA den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aus hier
nicht streitigen Gründen und setzte unter anderem weitere
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit in Höhe von 1.782 EUR für den Kläger und in
Höhe von 3.391 EUR für die Klägerin an, darunter
jeweils auch Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer. Im
Hinblick auf die geltend gemachten Umzugskosten wies es den
Einspruch als unbegründet zurück.
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Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG
statt. Bei den streitigen Umzugskosten handele es sich um
Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Umzug sei beruflich veranlasst,
da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen
der Kläger geführt habe. Denn in der neuen Wohnung
verfüge jeder Ehegatte über ein eigenes Arbeitszimmer und
könne deshalb zu Hause seiner beruflichen Tätigkeit
ungestört nachgehen.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
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das Urteil des FG Hamburg vom 23.02.2023 -
5 K 190/22 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die von den
Klägern geltend gemachten Umzugskosten rechtsfehlerhaft als
Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
anerkannt.
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1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den
Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein
Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die
Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv
zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, das
heißt, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den
Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen.
Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht,
ist zum einen die - wertende - Beurteilung des die betreffenden
Aufwendungen „auslösenden Moments“,
zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich
relevanten Erwerbssphäre (z.B. Senatsbeschluss vom 10.01.2024
- VI R 16/21, BStBl II 2024, 442 = SIS 24 06 18, Rz 13,
m.w.N.).
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Zu den Werbungskosten können auch
Aufwendungen für einen Umzug gehören. Zwar ist das
Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, so
dass die Kosten für einen Wechsel der Wohnung
grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der
Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als
Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
anzusehen sind. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die berufliche
Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund
für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände
hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Das
Gebot der Rechtssicherheit verlangt zudem, dass sich dies anhand
objektiver Umstände, die typischerweise auf eine berufliche
Veranlassung des Umzugs schließen lassen, feststellen
lässt (vgl. Senatsurteile vom 16.10.1992 - VI R 132/88, BFHE
170, 484, BStBl II 1993, 610 = SIS 93 15 40; vom 24.05.2000 - VI R
147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476 = SIS 00 11 45; vom
23.03.2001 - VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585 = SIS 01 11 31 und vom 23.05.2006 - VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650 = SIS 06 34 03 sowie BFH-Urteil vom 21.02.2006 - IX R 79/01, BFHE 212,
456, BStBl II 2006, 598 = SIS 06 25 21).
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a) Eine derartige (objektivierte) berufliche
Veranlassung wird von der Rechtsprechung beispielsweise anerkannt,
wenn der Umzug die Folge eines Arbeitsplatzwechsels ist und die
für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte
benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert
(Senatsurteil vom 15.10.1976 - VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II
1977, 117 = SIS 77 00 70). Unter letzterer Voraussetzung kann ein
Umzug auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich veranlasst sein; in
einem solchen Fall treten mit einem Umzug (stets) einhergehende
private Begleitumstände regelmäßig in den
Hintergrund und können deshalb vernachlässigt werden. Als
wesentliche Verkürzung der Wegezeit gilt dabei eine
Zeitersparnis von mindestens einer Stunde täglich (z.B.
Senatsurteile vom 16.10.1992 - VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II
1993, 610 = SIS 93 15 40; vom 23.03.2001 - VI R 175/99, BFHE 195,
225, BStBl II 2001, 585 = SIS 01 11 31; vom 23.05.2006 - VI R
56/02, BFH/NV 2006, 1650 = SIS 06 34 03 und vom 07.05.2015 - VI R
73/13 = SIS 15 30 57 sowie BFH-Urteil vom 21.02.2006 - IX R 79/01, BFHE
212, 456, BStBl II 2006, 598 = SIS 06 25 21). Aber auch andere
objektive Gründe für einen Umzug, wie zum Beispiel der
Auszug aus einer oder der Einzug in eine Dienstwohnung
(Senatsurteil vom 22.11.1991 - VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II
1992, 494 = SIS 92 09 41, unter 1.a), können nach der
Rechtsprechung des BFH für eine (nahezu ausschließliche)
berufliche Veranlassung von Umzugskosten streiten (BFH-Beschluss
vom 02.02.2000 - X B 80/99, BFH/NV 2000, 945 = SIS 00 57 15,
m.w.N.).
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b) Der berufliche Veranlassungszusammenhang
ist von der Rechtsprechung dabei stets nur aufgrund objektiver,
außerhalb der individuellen Wohnsituation liegender
Umstände bejaht worden. Steht danach die (nahezu
ausschließliche) berufliche Veranlassung des Umzugs nach
objektiven Kriterien eindeutig fest, ist deshalb auf Motive des
Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung (zum
Beispiel in eine größere Mietwohnung oder ein
Einfamilienhaus) nicht mehr abzustellen. Denn die Motive für
die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind
nahezu stets durch die private Lebensgestaltung geprägt.
Würden sie eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten nie
als Werbungskosten abgezogen werden (z.B. Senatsurteile vom
22.11.1991 - VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494 = SIS 92 09 41, unter 1.c und vom 23.03.2001 - VI R 175/99, BFHE 195, 225,
BStBl II 2001, 585 = SIS 01 11 31, unter 2.).
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c) Davon ausgehend ist eine nahezu
ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine
andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung
(erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines
Arbeitszimmers besteht. Es fehlt insoweit an einem objektiven
Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls
mitveranlasst ist. Denn auch in einem solchen Fall ist wegen des
natürlichen Bestrebens nach einer - von individuellen
Vorlieben geprägten - Verbesserung der Wohnqualität nicht
mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung
des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue,
unter Umständen größere Wohnung (anderen
Zuschnitts) ist. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert - wie
oben dargelegt - jedoch, bei der Frage nach der beruflichen
Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv
feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf
eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche
Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes
Arbeitszimmer einzurichten - anders als bei einem Umzug aus
konkretem beruflichen Anlass (zum Beispiel Arbeitgeberwechsel,
Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen
Fahrtzeitverkürzung) -, nicht gegeben. Die Wahl einer Wohnung,
insbesondere deren Lage, Größe, Zuschnitt und Nutzung,
ist vielmehr vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den zur
Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären
Situation und anderen privat bestimmten Vorentscheidungen des
Steuerpflichtigen abhängig. Dies ist grundsätzlich der
privaten Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2
EStG zuzuordnen.
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Der Senat berücksichtigt bei seiner
Entscheidung durchaus, dass sich die Arbeitswelt erheblich
gewandelt hat. Allerdings ändert auch die zunehmende Akzeptanz
von Homeoffice, Tele- und sogenannter Remote-Arbeit
(ortsunabhängiges/mobiles Arbeiten) nichts daran, dass der
Wunsch, im privaten Lebensbereich in einem (häuslichen)
Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objektiven beruflichen
Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und
Vorlieben beruht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass mit einem
separaten Arbeitszimmer eine wesentliche Verbesserung und
Erleichterung der Arbeitsbedingungen einhergeht und für eine
Vielzahl von Steuerpflichtigen deshalb für ein
ungestörtes Arbeiten „zu Hause“ als
notwendig empfunden wird. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als
Arbeitszimmer vorzuhalten, wird jedoch nicht in einem solchen
Maße durch objektive berufliche Erwägungen
überlagert, als dass diese typischerweise für eine nahezu
ausschließliche berufliche Veranlassung eines
Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, „im neuen
Zuhause“ einen - unter Umständen durch
den Umzug „hinzugewonnenen“ -
gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder
ausschließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die
Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer
„Arbeitsecke“ auszuüben, beruht
auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu
ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Sie mag zwar
auch von beruflichen Erwägungen bestimmt sein, gründet
aber letztlich vorrangig auf privaten Motiven und Vorlieben des
Steuerpflichtigen betreffend die Gestaltung seiner individuellen
Wohnsituation. Dies gilt auch dann, wenn er über keinen
anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatz verfügt,
weil er - wie in Zeiten der Corona-Pandemie - (zwangsweise) zum
Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten war oder er durch
die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren
sucht. Ob es sich um ein steuererhebliches häusliches
Arbeitszimmer handelt, ist wegen des multikausalen
Veranlassungszusammenhangs insoweit ebenfalls unerheblich. Denn
auch mit der Einrichtung eines (häuslichen) Arbeitszimmers
geht nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einher, es
verbessert sich stets auch die private Wohnsituation insoweit, als
der ansonsten mit der Arbeitsecke belastete Wohnraum nunmehr davon
ungestört genutzt werden kann (so bereits Senatsurteil vom
16.10.1992 - VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610 = SIS 93 15 40, unter 2.b).
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2. Die Vorentscheidung ist von anderen
Rechtssätzen ausgegangen und daher aufzuheben. Allein der
Umstand, dass die Kläger umgezogen sind, um in der neuen
Wohnung zwei häusliche Arbeitszimmer einzurichten, trägt
den Schluss des FG, der Umzug sei nahezu ausschließlich
beruflich veranlasst gewesen, nicht. Weitere objektive
Umstände für einen beruflichen Veranlassungszusammenhang
des Umzugs hat das FG nicht festgestellt und sind auch nach dem
Klägervorbringen nicht ersichtlich. Die Klage ist daher
abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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