Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 19.11.2019 - 6 K 360/18 =
SIS 19 21 12 wegen Einkommensteuer
2014 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Hessischen Finanzgerichts vom 19.11.2019 - 6 K 360/18
aufgehoben, soweit es die Einkommensteuer für 2015
betrifft.
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom
01.03.2021 wird dahin geändert, dass weitere Werbungskosten
bei den Einkünften der Klägerin aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 621,03 EUR
berücksichtigt werden.
Die Berechnung der Einkommensteuer 2015 wird
dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens wegen
Einkommensteuer 2014 und die Kosten des gesamten Verfahrens wegen
Einkommensteuer 2015 hat der Beklagte zu tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) war neben A Gesellschafterin und
Geschäftsführerin der B-GmbH (GmbH). Sie bezog von der
GmbH, die ein Restaurant betrieb, für ihre
Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit.
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Über das Vermögen der GmbH wurde
in 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin
wurde mit einem auf §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO)
gestützten Haftungsbescheid für von der GmbH für
verschiedene Voranmeldungszeiträume im Jahr 2013 angemeldete,
aber nicht an das Betriebsstättenfinanzamt abgeführte
Lohnsteuern und Nebenabgaben in Höhe von insgesamt 19.995,08
EUR in Anspruch genommen. Auf diese Haftungsschulden entrichtete
die Klägerin im Streitjahr 2014 insgesamt 13.746,12 EUR und im
Streitjahr 2015 1.312,96 EUR. Den Haftungsschulden lagen teilweise
auch Forderungen gegen die GmbH zugrunde, die dadurch entstanden
waren, dass die GmbH angemeldete Lohnsteuern, die auf den
Arbeitslohn der Klägerin selbst entfielen, nicht
abgeführt hatte.
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Die Klägerin machte ihre Aufwendungen
zur Tilgung der Haftungsschulden als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der
Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) lehnte den
Werbungskostenabzug ab.
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Hiergegen wandte sich die Klägerin mit
ihrer Klage.
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Das FA hat während des Klageverfahrens
geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre
erlassen. Soweit es hier von Bedeutung ist, hat es darin Leistungen
der Klägerin auf die Haftungsschulden für 2014 in
Höhe von 2.650,40 EUR und für 2015 in Höhe von
691,93 EUR als Werbungskosten anerkannt. Diese Beträge
entfielen rechnerisch auf von der GmbH nicht abgeführte
Lohnsteuern Dritter.
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Die Klage hatte mit den in EFG 2020, 346 =
SIS 19 21 12 veröffentlichten
Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung,
bei den Aufwendungen der Klägerin in Zusammenhang mit ihrer
Haftungsinanspruchnahme handele es sich auch insoweit um
Werbungskosten, als die Klägerin für
rückständige Lohnsteuern in Anspruch genommen worden sei,
die sie selbst als Arbeitnehmerin der GmbH betroffen
hätten.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA hat während des
Revisionsverfahrens aus hier nicht im Streit stehenden Gründen
geänderte Einkommensteuerbescheide für 2015 vom
21.08.2020 und vom 01.03.2021 erlassen.
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Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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1.
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die Revision wegen Einkommensteuer 2014
zurückzuweisen,
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2.
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das Urteil des FG aufzuheben, soweit es die
Einkommensteuer für 2015 betrifft und den
Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 01.03.2021 dahin zu
ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 621,03 EUR
berücksichtigt werden.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und zurückzuweisen, soweit das FG der Klage wegen
Einkommensteuer 2014 stattgegeben hat (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die Klägerin ihre Aufwendungen zur Tilgung der
Haftungsschulden auch insoweit als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann,
als sie für Schulden der GmbH wegen nicht abgeführter
Lohnsteuern und Nebenabgaben, die auf ihren eigenen Arbeitslohn
entfielen, in Anspruch genommen wurde.
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Für das Streitjahr 2015 ist die Revision
des FA hingegen begründet. Sie führt aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 FGO), da sich während des Revisionsverfahrens der
Verfahrensgegenstand geändert hat, über dessen
Rechtmäßigkeit das FG entschieden hatte (§ 127
FGO). Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid für
2015 vom 01.11.2019 entschieden. An dessen Stelle sind während
des Revisionsverfahrens Änderungsbescheide getreten - zuletzt
der Änderungsbescheid vom 01.03.2021 -, die nach § 121
Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens
geworden sind. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr
existierender Bescheid zugrunde. Das angefochtene Urteil ist daher
insoweit gegenstandslos geworden und aufzuheben (s. Senatsurteil
vom 22.02.2018 - VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496 =
SIS 18 07 75, Rz 17, m.w.N.). Da sich durch die
Bescheidänderungen hinsichtlich der im Revisionsverfahren
streitigen Punkte keine Änderungen ergeben haben und die
Klägerin auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt hat,
bedarf es allein insoweit keiner Zurückverweisung der Sache an
das FG gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche
Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom
FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die
Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie
vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats in der Sache
(s. Senatsurteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496 = SIS 18 07 75, Rz 17, m.w.N.).
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Der Senat kann auf Grundlage der
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz in der Sache
selbst entscheiden. Der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m.
§ 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens
gewordene Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 01.03.2021 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten
(§§ 100 Abs. 1 Satz 1, 121 Satz 1 FGO). Der Klägerin
steht für 2015 ein weiterer Werbungskostenabzug in Höhe
von 621,03 EUR zu, wie das FG zutreffend entschieden hat.
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1. Das FG ist zu Recht (stillschweigend) davon
ausgegangen, dass die Klage auch für das Streitjahr 2014
zulässig ist, obwohl das FA die Einkommensteuer für 2014
auf 0 EUR festgesetzt hat. Die Klägerin ist ungeachtet der
Nullfestsetzung gemäß § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt,
weil die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4
Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen
sind. Da dies zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sieht
der erkennende Senat insoweit unter Bezugnahme auf sein Urteil in
BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496 = SIS 18 07 75, Rz 19 ff. von
einer weiteren Begründung ab.
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2. Die Vorinstanz hat der Klägerin auch
zutreffend den geltend gemachten Werbungskostenabzug zuerkannt.
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a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den
Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein
Veranlassungszusammenhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die
Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv
zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h.
wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür,
ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die - wertende -
Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen
„auslösenden Moments“, zum
anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre (z.B. Senatsurteile vom 16.01.2019 - VI R 24/16,
BFHE 263, 449, BStBl II 2019, 376 = SIS 19 05 56, Rz 8, und vom
14.01.2021 - VI R 15/19, BFHE 272, 42, BStBl II 2021, 453 = SIS 21 04 60, Rz 11, m.w.N.).
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b) Nach diesen Maßstäben handelt es
sich bei den fraglichen Aufwendungen der Klägerin zur Tilgung
ihrer Haftungsschulden um Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG.
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aa) Die Klägerin wurde vom FA
gemäß §§ 69, 34 AO als Haftende für von
der GmbH angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuern und
Nebenabgaben für Januar bis Dezember 2013 in Anspruch
genommen. Die Haftung beruhte damit auf Pflichtverletzungen, die
der Klägerin aufgrund ihrer nichtselbständigen
Tätigkeit als angestellter Geschäftsführerin der
GmbH zur Last gelegt wurden. Denn sie hatte als
Geschäftsführerin der GmbH dafür Sorge zu tragen,
dass die GmbH ihre steuerlichen Pflichten erfüllte,
insbesondere die einbehaltenen Lohnsteuern an das
Betriebsstättenfinanzamt abführte und die entsprechenden
Nebenabgaben entrichtete. Diesen beruflichen Pflichten ist die
Klägerin jedoch nicht hinreichend nachgekommen.
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Die Inhaftungnahme der Klägerin stand
hiernach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen
Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der
GmbH. Das „auslösende
Moment“ für die von der Klägerin
auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich
im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten
Erwerbssphäre. Die Aufwendungen standen damit in objektivem
Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Sie dienten auch
subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, da
diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als
angestellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen
hatten.
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bb) Der hiernach bestehende erwerbsbezogene
Veranlassungszusammenhang wurde nicht durch private Umstände
aufgehoben (s. dazu Senatsbeschluss vom 20.10.2016 - VI R 27/15,
BFHE 255, 529, BStBl II 2018, 441 = SIS 16 26 05, Rz 17, m.w.N.).
Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang kann nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH insbesondere aufgehoben
werden, wenn der Arbeitnehmer strafbare Handlungen begeht, die mit
seiner Erwerbstätigkeit nur insoweit im Zusammenhang stehen,
als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, er seinen
Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen
Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat
(BFH-Urteil vom 19.03.1987 - IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577;
Senatsurteile vom 18.09.1987 - VI R 121/84, BFH/NV 1988, 353; vom
03.05.1985 - VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392; vom 06.02.1981 - VI R
30/77, BFHE 132, 461, BStBl II 1981, 362 = SIS 81 13 46, und vom
18.10.2007 - VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223 = SIS 08 02 15).
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Das FG hat private Umstände, die den
bestehenden beruflichen Veranlassungszusammenhang
ausschließen könnten, im Streitfall nicht festgestellt.
Sie wurden vom FA auch weder geltend gemacht noch sind sie den dem
Senat vorliegenden Akten zu entnehmen.
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cc) Die berufliche Veranlassung der
Aufwendungen wird schließlich nicht dadurch in Frage
gestellt, dass die Klägerin nicht nur
Geschäftsführerin, sondern auch Gesellschafterin der GmbH
war. Eine steuerlich relevante (Mit-)Veranlassung der Aufwendungen
durch das Gesellschaftsverhältnis ist nicht gegeben, wenn der
Gesellschafter-Geschäftsführer nicht wegen seiner
Stellung als Gesellschafter, sondern gemäß §§
69, 34 AO als (angestellter) Geschäftsführer in Anspruch
genommen wird und darauf beruhende Haftungsschulden tilgt (s.a. FG
des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.07.2013 - 4 K 1508/09, EFG
2013, 1651 = SIS 13 24 63). Hierüber besteht zwischen den
Beteiligten - zu Recht - auch kein Streit.
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3. Das FG hat ferner zutreffend entschieden,
dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG der
Berücksichtigung der Werbungskosten im Streitfall nicht
entgegensteht.
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a) Soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1 (Fassung
2014), 2 bis 5, 7 und 9 sowie Abs. 1a Nr. 1 (Fassung 2015) EStG,
den §§ 10a, 10b EStG und den §§ 33 bis 33b EStG
nichts anderes bestimmt ist, dürfen nach § 12 Nr. 3 EStG
(in den in den Streitjahren geltenden Fassungen) insbesondere die
Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die auf
diese Steuern entfallenden Nebenleistungen weder bei den einzelnen
Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen
werden.
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Die damit geregelte Zuordnung der
Einkommensteuer einschließlich der auf diese Steuer
entfallenden Nebenleistungen zur steuerlich unbeachtlichen
Privatsphäre hat grundsätzlich nur klarstellende
Bedeutung (BFH-Urteile vom 06.10.2009 - I R 39/09, BFH/NV 2010, 470
= SIS 10 06 12, unter II.2.f aa, und vom 28.02.2018 - VIII R 53/14,
BFHE 261, 223, BStBl II 2018, 687 = SIS 18 10 63, Rz 24;
BFH-Beschlüsse vom 21.10.2010 - IV R 6/08 = SIS 11 04 89, Rz 14, und vom 15.02.2012 - I B
97/11, BFHE 236, 458, BStBl II 2012, 697 = SIS 12 07 31, Rz 7).
Denn Personensteuern wie die Einkommensteuer wären wegen ihrer
Anknüpfung an die persönlichen Verhältnisse der
Steuerpflichtigen auch ohne die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG
nicht der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten
Erwerbssphäre, sondern der Sphäre der privaten
Einkommensverwendung zuzuordnen (BFH-Urteil in BFHE 261, 223, BStBl
II 2018, 687 = SIS 18 10 63, Rz 24; Schmidt/Loschelder, EStG, 41.
Aufl., § 12 Rz 38; Brandis/Heuermann/Thürmer, § 12
EStG Rz 195).
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b) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des
§ 12 Nr. 3 EStG schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht
erfüllt. Denn es geht weder um den Abzug von (nachgeforderter)
Einkommen- oder Lohnsteuer (als besonderer Erhebungsform der
Einkommensteuer gemäß § 38 Abs. 1 EStG) noch um den
Abzug darauf entfallender Nebenleistungen, sondern allein um den
Abzug von Zahlungen der Klägerin auf ihre Haftungsschulden,
die auf §§ 69, 34 AO beruhen.
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Solche Haftungsschulden sind jedoch keine
Steuern gemäß § 3 Abs. 1 AO und mithin erst recht
weder Steuern vom Einkommen noch eine sonstige Personensteuer i.S.
von § 12 Nr. 3 EStG.
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Der Haftungstatbestand der §§ 69, 34
AO begründet vielmehr die Pflicht des Haftenden, für eine
zulasten eines anderen begründete Steuerschuld mit dem eigenen
Vermögen unbeschränkt einstehen zu müssen. Die
steuerliche Haftung ist Außen- und Fremdhaftung, also
Einstehenmüssen für die Schuld eines Dritten
gegenüber der Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 12.10.1999 -
VII R 98/98, BFHE 190, 25, BStBl II 2000, 486 = SIS 00 02 76;
Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler - HHSp -, § 69 AO Rz
49; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 69 Rz 1;
Koenig/Kratzsch, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 69 Rz 1).
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c) Nichts anderes gilt, soweit die
Haftungsschulden auf von der GmbH nicht abgeführte Lohnsteuer
und Nebenabgaben der Klägerin selbst entfallen.
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§ 12 Nr. 3 EStG greift auch dann nicht
ein, wenn die Haftung des Geschäftsführers auf von der
vertretenen Gesellschaft einbehaltenen, aber nicht abgeführten
eigenen Lohnsteuern des Geschäftsführers beruht (ebenso
z.B. FG Köln, Urteil vom 20.10.1992 - 8 K 4449/88, EFG 1993,
509 = SIS 93 18 37; Niedersächsisches FG, Urteil vom
18.03.1993 - XI 264/88, EFG 1993, 713 = SIS 93 22 37;
Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 12 Rz 38; Schmidt/Krüger,
a.a.O., § 19 Rz 110
„Haftung“; Brandis/
Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz 700
„Haftungsschuldner“; von
Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz B
700 „Haftung von Geschäftsführern
...“; BeckOK EStG/Straßburger, 12.
Ed. [01.03.2022], EStG § 9 Rz 815; KKB/Merx, § 19 EStG,
7. Aufl., Rz 396 „Haftung“;
Boeker in HHSp, § 69 AO Rz 58; Loose in Tipke/Kruse, vor
§ 69 AO Rz 11; Richter, FR 1988, 350, 351; a.A. Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 322).
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aa) Die Pflicht zur Entrichtung der
(angemeldeten) Lohnsteuer obliegt dem Arbeitgeber (§ 41a Abs.
1 EStG i.V.m. § 43 AO), im Streitfall also der GmbH. Aus der
Sicht der Klägerin handelte es sich damit bei der
Entrichtungsschuld der GmbH um eine fremde Steuerschuld, für
deren Entrichtung sie aus den von ihr als
Geschäftsführerin verwalteten Mitteln der GmbH zu sorgen
hatte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Entscheidungen vom
15.04.1987 - VII R 160/83, BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55; vom 12.07.1988 - VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764 = SIS 89 03 54; vom 08.05.2001 - VII B 252/00, BFH/NV 2001, 1222 = SIS 01 75 04, und vom 07.03.2006 - X R 8/05, BFHE 212, 398, BStBl II 2007,
594 = SIS 06 24 75; Koenig/Kratzsch, a.a.O., § 69 Rz 25).
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Die Klägerin wurde mit dem
Haftungsbescheid mithin nicht als Steuerschuldnerin
gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG für ihre eigene
Lohnsteuer herangezogen. Der Haftungsbescheid betraf vielmehr nur
ihre Inanspruchnahme als Geschäftsführerin der GmbH
gemäß §§ 69, 34 AO. Dies gilt auch, soweit den
noch im Streit befindlichen Aufwendungen materiell von der GmbH
nicht abgeführte Lohnsteuern der Klägerin selbst zugrunde
liegen. Denn die Klägerin wurde mit der durch den
Haftungsbescheid festgesetzten Haftungsschuld auch insoweit
für eine andere Abgabe als für ihre eigene Lohnsteuer in
Anspruch genommen. Sie hatte mit der Haftungsschuld nicht dieselbe
Abgabe wie die Lohnsteuer zu entrichten, sondern im Wege der
Haftung auf eine fremde Schuld - nämlich die
Lohnsteuer-Entrichtungsschuld der GmbH - zu zahlen (s. BFH-Urteile
in BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55, und in BFHE
212, 398, BStBl II 2007, 594 = SIS 06 24 75).
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Nach § 38 Abs. 3 i.V.m. § 41a Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG hat nicht der Arbeitnehmer, sondern der
Arbeitgeber dessen Lohnsteuer einzubehalten und an sein
Betriebsstättenfinanzamt abzuführen. Damit obliegt die
Pflicht zur Entrichtung der Lohnsteuer nicht dem Arbeitnehmer
(hier: der Klägerin), sondern dem Arbeitgeber, also der GmbH.
Deshalb leistete die Klägerin die vorliegend zu beurteilenden
Aufwendungen trotz der im Streitfall gegebenen
Personenidentität zwischen Steuerschuldnerin und
Haftungsschuldnerin nicht auf eigene Lohnsteuerschulden, sondern
auf die davon zu unterscheidenden Haftungsschulden, die ihrerseits
auf den Lohnsteuer-Entrichtungsschulden der GmbH beruhten.
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bb) Die streitigen Aufwendungen der
Klägerin können schließlich auch deshalb nicht als
nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbare Ausgaben angesehen
werden, weil die Lohnsteuer der Klägerin bereits durch den von
der GmbH durchgeführten Lohnsteuereinbehalt nach § 38
Abs. 1 i.V.m. § 38 Abs. 3 EStG erhoben worden war. Mit der
Duldung des Lohnsteuerabzugs hatte die Klägerin als
Arbeitnehmerin ihre insoweit bestehenden lohnsteuerrechtlichen
Pflichten erfüllt. Sie konnte seitens der Finanzbehörden
gemäß § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG daher nicht mehr
bzw. nicht noch einmal wegen der von der GmbH bereits einbehaltenen
und angemeldeten Lohnsteuern in Anspruch genommen werden. Der
Umstand, dass die GmbH ihrer Entrichtungspflicht nicht nachgekommen
war, ändert daran nichts. Es gab im Streitfall deshalb weder
einen Anlass für die Klägerin, Lohnsteuern und
Nebenabgaben an das FA zu zahlen, noch bestand hierfür
überhaupt eine Rechtsgrundlage. Dementsprechend erlosch
aufgrund der streitgegenständlichen Aufwendungen der
Klägerin - entgegen der Auffassung des FA - auch nicht die
durch den Lohnsteuereinbehalt der GmbH bereits erhobene Lohnsteuer
der Klägerin, sondern lediglich die
Lohnsteuer-Entrichtungsschuld der GmbH.
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4. Die Berechnung der Einkommensteuer für
2015 wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
§ 121 Satz 1 FGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.
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