Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.04.2017 - 10 K
3059/14 K = SIS 17 13 38
aufgehoben.
Die Körperschaftsteuerbescheide für
2008, 2009 und 2010 vom 15.08.2013, jeweils in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 21.08.2014, werden aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Es handelt sich um jenes Verfahren, das
Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des Senats an den
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 18.12.2019 - I R
33/17 (BFHE 269, 225 = SIS 20 15 46) und des sich
anschließenden EuGH-Urteils L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339
(IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03) gewesen ist.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein nach luxemburgischem Recht errichteter Fonds
für gemeinsame Anlagen (fonds commun de placement - FCP - ) in
der Ausgestaltung eines spezialisierten Anlagefonds (fonds
d’investissement spécialisé - SIF -
), der im Jahr 2008 gemäß dem Luxemburgischen Gesetz vom
13.02.2007 über spezialisierte Investmentfonds aufgelegt
worden ist und der Investmentaufsicht in Luxemburg (Commission de
Surveillance du Secteur Financier - CSSF - ) unterliegt (im
Folgenden SIF-FCP). Der Fonds hat weder Sitz noch
Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland), was ebenfalls für die zwei institutionellen
Anleger des Klägers gilt.
|
|
|
3
|
Bei einem SIF-FCP handelt es sich um eine
von der CSSF genehmigte ungeteilte Gesamtheit von
Vermögensgegenständen, die nach dem Grundsatz der
Risikostreuung strukturiert ist und von einer
Verwaltungsgesellschaft für Rechnung der Gemeinschaft der
Anleger verwaltet wird. Die Haftung der Anleger ist auf ihre
Einlage beschränkt und die Rechte der Anleger werden in ihren
Anteilen verkörpert (vgl. Art. 4 des Luxemburgischen Gesetzes
vom 13.02.2007 über spezialisierte Investmentfonds). Ein
SIF-FCP hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und wird in
Luxemburg nicht besteuert (mit Ausnahme der von den
bürgerlich-rechtlichen Gesellschaften und den
Handelsgesellschaften zu entrichtenden Kapitalverkehrsteuer und der
Zeichnungssteuer), wobei Ausschüttungen in Luxemburg keiner
Quellensteuer unterliegen und bei nichtansässigen
Empfängern nicht besteuert werden (vgl. Art. 66 und 68 des
Luxemburgischen Gesetzes vom 13.02.2007 über spezialisierte
Investmentfonds).
|
|
|
4
|
Der Kläger wurde ohne
Börsennotierung als geschlossener Immobilienfonds
zunächst für zehn Jahre (mit Verlängerungsoption um
ein Jahr) errichtet. Bei Beendigung werden alle
Immobilieninvestitionen, die nicht bereits verwertet wurden,
liquidiert und die Verkaufserlöse an die Anleger
ausgeschüttet. Der Verwaltungsgesellschaft ist es untersagt,
das Portfolio insgesamt oder teilweise in Form einer
Sachausschüttung auszuschütten. Vor Ablauf der
Vertragslaufzeit des Klägers ist - insoweit abweichend zu Art.
8 und 11 des Luxemburgischen Gesetzes vom 13.02.2007 über
spezialisierte Investmentfonds, dass grundsätzlich eine
Anteilsrückgabe möglich ist - ein Rücknahmeverlangen
der Anleger unzulässig. Die Verwaltungsgesellschaft darf
Barerlöse nach ihrem Ermessen entweder ausschütten oder
im Hinblick auf die Rücknahme der Anteile während der
Laufzeit des Klägers oder bei Abwicklung des Klägers
thesaurieren.
|
|
|
5
|
Verwaltet wird der Fonds durch eine
Managementgesellschaft. Hierbei handelt es sich um eine am
25.03.2008 nach luxemburgischem Recht gegründete und im
Luxemburger Handels- und Gesellschaftsregister eingetragene
Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Luxemburg,
der die Genehmigung durch die CSSF erteilt wurde. Zweck der
Managementgesellschaft ist die Einrichtung, Verwaltung und Leitung
des Fonds.
|
|
|
6
|
Die Managementgesellschaft erwarb mit
Vertrag vom 31.03.2008/01.04.2008 im eigenen Namen, jedoch handelnd
als Verwaltungsgesellschaft für Rechnung des Klägers, ein
Immobilienportfolio (1.241 in Deutschland belegene Immobilien aus
dem Vermögen der A AG, die nach dem Erwerb vermietet und
später teilweise verkauft wurden). Besitz, Nutzen und Lasten
der Objekte gingen zum …2008 über. Aus der Vermietung
(sowie der Veräußerung einzelner) der vorgenannten
Immobilien erzielte der Kläger in den Jahren 2008 bis 2010
(Streitjahre) Einkünfte. Im Herbst 2010 tätigte der
Kläger die ersten Ausschüttungen. In den nicht den
Streitzeitraum betreffenden Folgejahren erfolgten weitere
Ausschüttungen.
|
|
|
7
|
Im Juli 2013 reichte der Kläger
Körperschaftsteuererklärungen für die Streitjahre
nach Maßgabe beschränkter Körperschaftsteuerpflicht
ein; zugleich bestritt er, körperschaftsteuerpflichtig zu
sein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) ging
dagegen von einer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht
aus und setzte Körperschaftsteuer fest (im Streitjahr 2009
wegen erlittener Veräußerungsverluste allerdings 0
EUR).
|
|
|
8
|
Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG)
Münster bestätigte in seinem klageabweisenden Urteil vom
20.04.2017 - 10 K 3059/14 K (EFG 2017, 1110 = SIS 17 13 38) die
finanzbehördliche Rechtsauffassung im Wesentlichen.
|
|
|
9
|
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision
rügt der Kläger die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts.
|
|
|
10
|
Er beantragt,
|
|
|
|
1. das Urteil der Vorinstanz sowie die
Körperschaftsteuerbescheide 2008, 2009 und 2010, jeweils in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.08.2014,
aufzuheben,
|
|
|
|
2. hilfsweise, das Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Körperschaftsteuerbescheide 2008 und 2010
dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer
jeweils auf 0 EUR festgesetzt wird.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Das dem Revisionsverfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag
gestellt.
|
|
|
13
|
II. Die Revision ist begründet und
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klagestattgabe
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Dem Kläger ist aus unionsrechtlichen Gründen die
Steuerbefreiung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 des
Investmentsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden
Fassung (InvStG 2004) zu gewähren.
|
|
|
14
|
1. Nach den Maßstäben des
innerstaatlichen Rechts unterliegt der Kläger der
beschränkten Körperschaftsteuerpflicht.
|
|
|
15
|
a) Nach § 2 Nr. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren
geltenden Fassung (KStG) sind Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre
Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben,
beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Da der
persönliche Anwendungsbereich in § 2 KStG nicht
näher definiert wird, ist der Bedeutungsgehalt der Begriffe
unter Heranziehung des § 1 Abs. 1 KStG, der im Einleitungssatz
dieselbe Formulierung verwendet und sodann eine Aufzählung der
einzelnen Körperschaftsteuersubjekte vornimmt, näher zu
bestimmen (z.B. Senatsurteil vom 03.02.1988 - I R 134/84, BFHE 153,
14, BStBl II 1988, 588 = SIS 88 13 22).
|
|
|
16
|
Ein nicht rechtsfähiges sonstiges
Zweckvermögen des privaten Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1
Nr. 5 KStG stellt danach eine Vermögensmasse dar und
unterliegt - abhängig von Sitz und Geschäftsleitung - der
unbeschränkten oder der beschränkten
Körperschaftsteuerpflicht. Nach der ständigen
Rechtsprechung, der eine konstitutive Unterscheidung zwischen
Zweckvermögen und Vermögensmasse nicht entnommen werden
kann, ist unter einer Vermögensmasse ein selbständiges,
einem bestimmten Zweck dienendes Sondervermögen zu verstehen,
das aus dem Vermögen des Widmenden ausgeschieden ist und aus
dem eigene Einkünfte fließen. Dieses
„Ausscheiden“ aus dem Vermögen des
bisherigen Inhabers muss derart sein, dass es eine gewisse
Sicherheit der Erfüllung des Verwendungszwecks verbürgt.
Besitzt die Vermögensmasse keine eigene Rechtsfähigkeit,
ist sie nur dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie
wenigstens wirtschaftliche Selbständigkeit besitzt (Urteil des
Reichsfinanzhofs vom 07.04.1936 - I A 227/35, RFHE 39, 202, RStBl
1936, 4421; BFH-Urteil vom 19.12.1952 - III 216/51 S,
BFHE 57, 135, BStBl III 1953, 54 = SIS 53 00 33; Senatsurteil vom
05.11.1992 - I R 39/92, BFHE 170, 62, BStBl II 1993, 388 = SIS 93 14 79).
|
|
|
1
|
Der Senat ist sich bewusst, dass das Urteil
stark von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt ist. Es
ist allerdings mit seinen Aussagen zum Zweckvermögen
sachlich-neutral gehalten und stimmt insoweit inhaltlich mit
früheren Urteilen des Reichsfinanzhofs und späteren
Urteilen des Bundesfinanzhofs überein.
|
|
|
17
|
b) Ausländische Gebilde unterliegen der
unbeschränkten oder beschränkten
Körperschaftsteuerpflicht nur dann, wenn sie nach ihrer
wirtschaftlichen und rechtlichen Struktur - ungeachtet einer
gegebenenfalls nach ausländischem Recht bestehenden
Rechtspersönlichkeit - einem deutschen
Körperschaftsteuersubjekt entsprechen (sogenannter
Typenvergleich; ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Urteile
vom 25.10.2016 - I R 54/14, BFHE 256, 66, BStBl II 2017, 1216 = SIS 16 28 18; vom 15.03.2021 - I R 61/17, BFHE 272, 399 = SIS 21 14 06;
vom 18.05.2021 - I R 12/18, BFHE 273, 223, BStBl II 2021, 875 = SIS 21 14 46; Beschluss vom 18.05.2021 - I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021,
1489 = SIS 21 15 36). Der Kläger ist von seinem Typus her mit
einem inländischen Investmentfonds vergleichbar und unterliegt
als ausländisches sonstiges Zweckvermögen der
Körperschaftsteuerpflicht.
|
|
|
18
|
aa) Es ist in der Literatur umstritten, ob die
Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004, wonach das
inländische Sondervermögen als Zweckvermögen im
Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gilt, konstitutiv die
Körperschaftsteuerrechtssubjektivität eines Fonds
begründet (z.B. Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1.
Aufl., § 11 InvStG Rz 14; Ebner/Helios, FR 2009, 977;
Fock, DStZ 2006, 503; Hahne, BB 2017, 2010; Zetzsche, IStR 2015, 8)
oder ob dieser Bestimmung (wie auch den entsprechenden
Vorläufervorschriften [§§ 38 Abs. 1, 44 des mit
Ablauf des 31.12.2003 außer Kraft getretenen Gesetzes
über Kapitalanlagegesellschaften]) lediglich deklaratorische
Bedeutung zukommt (Carlé/Hamacher in Korn, § 11 InvStG
Rz 13.2 ff.; Bauderer/Mundel in Haase, InvStG, 2. Aufl., § 11
Rz 16; Lampert in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 1 Rz 92; Neumann,
Die Besteuerung von Publikums-Investmentvermögen, 2011, S. 204
f.; Petzschke, Die Besteuerung deutscher Immobilieninvestments
eines Luxemburger FCP, 2012, S. 120 f.).
|
|
|
19
|
bb) Der Senat schließt sich der zuletzt
genannten Auffassung an.
|
|
|
20
|
aaa) Durch den Abschluss schuldrechtlicher
Investmentverträge zwischen den jeweiligen Anlegern und der
Kapitalverwaltungsgesellschaft entsteht ein Sondervermögen
(§ 30 des Investmentgesetzes in der in den Streitjahren
geltenden Fassung - InvG - ). Da dieses zivilrechtlich
unselbständig ist, stehen die zum Sondervermögen
gehörenden Vermögensgegenstände zivilrechtlich
entweder im Miteigentum der Anleger oder im Eigentum der
Kapitalanlagegesellschaft (§ 30 Abs. 1 Satz 1 InvG); die
Anlagegesellschaft verwaltet insoweit das Sondervermögen
treuhänderisch für die Anleger-Eigentümer
(Ermächtigungstreuhand) oder sie übt die (eigenen)
Eigentümerbefugnisse treuhänderisch für die Anleger
aus (Vollrechtstreuhand; s. Schmitz in
Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1. Aufl., § 30
InvG Rz 5). Dabei widmen die Anleger eines Investmentfonds ihre
Einlage auch einem besonderen Zweck (a.A. Zetzsche, IStR 2015, 11);
dies ist der in § 1 Satz 2 InvG beschriebene
Kapitalanlagezweck („Vermögen zur gemeinschaftlichen
Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in
[bestimmten, gesetzlich aufgeführten]
Vermögensgegenständen angelegt
sind“).
|
|
|
21
|
bbb) Zweifelhaft und in der Literatur streitig
beurteilt wird allein die Frage, ob bei einem Investmentfonds eine
hinreichende wirtschaftliche Verselbständigung gegeben ist.
Auch wenn dies von den Vertretern der Auffassung, dass Fonds keine
sonstigen Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5
KStG darstellen, aus verschiedenen Gründen verneint wird, sind
diese Gründe entweder generell nicht durchgreifend oder sie
sind für die Entscheidung des Streitfalles nicht
rechtserheblich.
|
|
|
22
|
(1) Die fehlende
Zweckvermögenseigenschaft wird zum einen damit begründet,
dass die Wirtschaftsgüter des Investmentvermögens im
zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum der Anleger
verblieben seien und somit nicht auf Dauer das Vermögen der
Widmenden (Anleger) verlassen hätten. Dem ist allerdings nicht
zu folgen.
|
|
|
23
|
Für die steuerliche Beurteilung ist nicht
maßgeblich, dass die Vermögensgegenstände bei der
Miteigentumslösung (vgl. § 30 Abs. 1 InvG) im Miteigentum
der Anleger stehen (so aber wohl Steinberg, DB 1957, 196). Denn
§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG geht davon aus, dass auch ein
Träger, der wegen fehlender Rechtsfähigkeit nicht
zivilrechtlicher Eigentümer von
Vermögensgegenständen ist, ein
Körperschaftsteuersubjekt mit der Folge sein kann, dass ihm
und nicht dem zivilrechtlichen Rechtsträger die
Gegenstände für Zwecke der Ertragsbesteuerung zuzurechnen
sind (Senatsurteile vom 05.11.1992 - I R 39/92, BFHE 170, 62, BStBl
II 1993, 388 = SIS 93 14 79; vom 15.03.2021 - I R 61/17, BFHE 272,
399 = SIS 21 14 06). Aus demselben Grund kommt es auch nicht darauf
an, dass zivil- und aufsichtsrechtlich bei der Treuhandlösung,
die grundsätzlich gemäß § 75 InvG bei
Immobilien-Sondervermögen zur Anwendung kommt, das
zivilrechtliche Eigentum der Kapitalverwaltungsgesellschaft an den
Fondsgegenständen mit einem Treuhandverhältnis zugunsten
der Anleger verbunden ist (s. Klusak in
Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1. Aufl., § 75
InvG Rz 3; Moroni in Moritz/Klebeck/Jesch, KAGB, § 92 Rz 13,
zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Kapitalanlagerecht). Denn
eine zivilrechtliche Treugeberstellung der Anleger (Fremdeigentum
mit Treugeberstellung), die rechtlich gesehen als ein
„Minus“ gegenüber einer
Miteigentümerstellung angesehen werden kann, kann nicht
entscheidungserheblich sein, wenn schon die stärkere
zivilrechtliche Rechtsposition (Miteigentum der Anleger)
steuerrechtlich im Sinne der Ausgangsfrage nicht maßgeblich
ist.
|
|
|
24
|
Entgegen der Auffassung der Revision kommt es
somit auf das investmentrechtliche Treuhandverhältnis für
die Beurteilung der Zweckvermögenseigenschaft des Fonds nicht
an. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die zum
Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände
nach steuerrechtlichen Maßstäben im wirtschaftlichen
Eigentum der Anleger stehen. Allein ein solches wirtschaftliches
Eigentum der Anleger könnte der Zweckvermögenseigenschaft
des Fonds entgegenstehen. Indes kommt die Annahme eines
wirtschaftlichen Eigentums der Anleger nach zutreffender Meinung
nicht in Betracht (z.B. Helios/Löschinger, DB 2009, 1724;
Neumann, ebenda, S. 189; Petzschke, ebenda, S. 114 ff.; a.A. z.B.
Fock, DStZ 2006, 503). Im Falle der Miteigentumslösung stellt
das Eigentum der Anleger an den Vermögensgegenständen des
Fonds eine „leere Hülle“ dar, weil
alle wesentlichen Eigentümerbefugnisse bei der
Kapitalverwaltungsgesellschaft liegen (dazu im Einzelnen Neumann,
ebenda, S. 186 ff.). Und das investmentrechtliche
Treuhandverhältnis stellt kein Treuhandverhältnis im
Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO)
dar, da der Treugeber das Treuhandverhältnis insoweit nicht
mittels Weisungs- und jederzeitigen
Treugutrückforderungsrechten beherrscht (s. allgemein
Senatsurteil vom 24.11.2009 - I R 12/09, BFHE 228, 195, BStBl II
2010, 590 = SIS 10 06 48, m.w.N.), vielmehr die
Kapitalverwaltungsgesellschaft insoweit „das
Sagen“ hat (s. §§ 31, 32 InvG; im
Einzelnen Neumann, ebenda; Petzschke, ebenda, S. 116 f.).
|
|
|
25
|
(2) Zum anderen wird gegen die Annahme der
Zweckvermögenseigenschaft das Rückgaberecht des Anlegers
ins Feld geführt. Der Anleger kann gemäß § 37
InvG verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein
Anteil an dem Sondervermögen ausgezahlt wird. Daraus wird
gefolgert, dass der Anleger mittels seines Rückgaberechts
über das von ihm selbst dem Fonds zur kollektiven Anlage zur
Verfügung gestellte Vermögen disponieren kann, er dieses
insbesondere jederzeit dem Fonds wieder entziehen könne (z.B.
Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1.
Aufl., § 11 InvStG Rz 14; Neumann, ebenda, S. 193). Dies
verhindere eine dauerhafte Bindung des vom Anleger gewidmeten
Vermögens an den besonderen Zweck.
|
|
|
26
|
Es kann im Streitfall offenbleiben, ob dem in
jeder Hinsicht gefolgt werden kann. Denn es spricht einiges
dafür, dass für die Frage der
Körperschaftsteuerrechtssubjektivität des Fonds und damit
dessen Verselbständigung in einem wirtschaftlichen Sinne das
konkrete Fondsvermögen in seiner jeweils aktuellen
Zusammensetzung maßgeblich ist (a.A. Englisch in
Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1. Aufl., § 11
InvStG Rz 14). Denn diese konkreten Wirtschaftsgüter bilden
das Sondervermögen, mit denen am Markt Einkünfte durch
die Verwaltungstätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft
erwirtschaftet werden, und auf die subjektive Zurechnung dieses
Markteinkommens an einen bestimmten Träger kommt es im Rahmen
des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG an. Auf die fraglichen
Wirtschaftsgüter hat der einzelne Anleger keinen unmittelbaren
Zugriff und über deren Einsatz zum Zwecke der
Einkünfteerzielung kann er nicht disponieren. Aufgrund ihrer
weitreichenden Verwaltungsrechte entscheidet allein die
Kapitalverwaltungsgesellschaft über den Erwerb, die
Veräußerung, die Belastung und die Verwendung der
Vermögensgegenstände (vgl. §§ 30 ff. InvG). Das
Investmentsteuerrecht knüpft daran in seiner Grundkonzeption
an und ordnet dem Fonds die aus den zum Sondervermögen
gehörenden Vermögensgegenständen erzielten
Einkünfte als eigene Einkünfte zu. Das
Anteilsrückgaberecht, dessen Ausübung durch einen
einzelnen Anleger im Übrigen typischerweise keine Auswirkung
auf den Fortbestand des Fonds hat - was ebenfalls für dessen
Verselbständigung in einem wirtschaftlichen Sinne spricht -,
hat damit lediglich den Charakter eines Wertersatzes für die
Aufgabe des Anteilsrechts beziehungsweise des formalen
Miteigentumsanteils (Carlé/Hamacher in Korn, § 11
InvStG Rz 13.2).
|
|
|
27
|
Immerhin kann es auf das
Anteilsrückgaberecht für die Frage der
Zweckvermögenseigenschaft dann nicht mehr entscheidend
ankommen, wenn dieses Recht - für eine gewisse Dauer -
ausgeschlossen oder beschränkt ist (vgl. dazu etwa § 37
Abs. 2, § 95 Abs. 4 Satz 3 InvG). In einem solchen Fall ist
von einer hinreichenden wirtschaftlichen Verselbständigung
auszugehen, da das Erfordernis einer dauernden Zweckbindung nicht
gleichzusetzen ist mit einer immerwährenden Bindung.
|
|
|
28
|
cc) Der Kläger als luxemburgischer FCP
entspricht von seinem Typus her einem inländischen
Investmentfonds und ist daher als sonstiges Zweckvermögen mit
seinen inländischen Einkünften gemäß § 2
Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG beschränkt
körperschaftsteuerpflichtig.
|
|
|
29
|
Denn nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG handelt es sich bei dem Kläger um eine
ungeteilte Gesamtheit von Vermögensgegenständen, die nach
dem Grundsatz der Risikostreuung strukturiert ist und von einer
Verwaltungsgesellschaft für Rechnung der Anleger verwaltet
wird. Eine Verfügungsberechtigung über die
Gegenstände des Sondervermögens steht den Anlegern nicht
zu (zu Einzelheiten des FCP allgemein vgl. Petzschke, ebenda, S. 44
ff. und 106 ff.). Diese sind durch einen Anteilsschein beteiligt
und grundsätzlich besteht nach luxemburgischem Recht auch die
Möglichkeit der Anteilsrückgabe. Dass dieses Recht im
Streitfall für zehn Jahre ausgeschlossen war, ändert zum
einen nichts an der grundsätzlichen typologischen
Vergleichbarkeit des SIF-FCP mit einem deutschen Spezialfonds,
führt zum anderen aber, wie vom FG zutreffend erkannt, zur
Einordnung des Klägers als sonstiges Zweckvermögen im
Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Denn mit dem FG ist im Rahmen
einer Gesamtwürdigung der maßgebenden
Entscheidungskriterien davon auszugehen, dass ein für zehn
Jahre geltender Ausschluss der Anteilsrückgabe zu einer
hinreichenden wirtschaftlichen Verselbständigung eines Fonds
führt.
|
|
|
30
|
dd) § 3 Abs. 1 KStG schließt
entgegen dem Revisionsvorbringen des Klägers dessen
beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht aus.
|
|
|
31
|
Der Große Senat des BFH sieht in §
3 Abs. 1 KStG nur einen Auffangtatbestand für nicht
rechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen,
zu denen auch die sonstigen nicht rechtsfähigen
Zweckvermögen gehören (Beschluss vom 25.06.1984 - GrS
4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08, Rz 112).
Bereits diese Einordnung des § 3 Abs. 1 KStG als
subsidiäre Vorschrift spricht dagegen, einem Gebilde, dessen
Körperschaftsteuerpflicht sich bereits aus der unmittelbaren
Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Nr. 1 KStG
ergibt, aufgrund des § 3 Abs. 1 KStG als nicht
körperschaftsteuerpflichtig anzusehen.
|
|
|
32
|
Ob § 3 Abs. 1 KStG überhaupt, wie
von der Revision vertreten, eine die Körperschaftsteuerpflicht
begrenzende Wirkung zukommen kann, kann im Streitfall aber auch
dahinstehen. Denn eine solche Begrenzung würde voraussetzen,
dass das Einkommen der Vermögensmasse nach dem
Körperschaftsteuergesetz oder nach dem Einkommensteuergesetz
bereits unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu
versteuern ist und die nochmalige Versteuerung desselben Einkommens
bei der körperschaftsteuerpflichtigen Vermögensmasse zu
einer steuerlichen Doppelbelastung führen würde. Eine
Besteuerung des Einkommens - beim Immobilienfonds insbesondere der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - bei den Anlegern
als „anderen Steuerpflichtigen“ kommt
aber entgegen der Meinung der Revision nicht in Betracht. Denn der
Fonds ist (wie oben ausgeführt) selbst als sonstiges
Zweckvermögen Körperschaftsteuersubjekt. Damit anerkennt
das Steuerrecht die Eignung einer nicht rechtsfähigen
Vermögensmasse, eigene Einkünfte zu erzielen (z.B.
Senatsurteil vom 05.11.1992 - I R 39/92, BFHE 170, 62, BStBl II
1993, 388 = SIS 93 14 79). Maßgeblich für die
Beurteilung der Frage, bei welchem Steuerpflichtigen Einkommen im
Sinne des § 3 Abs. 1 KStG zu versteuern ist, sind zudem die
allgemeinen Grundsätze der Einkommenszurechnung (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82, BFHE 141,
405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08). Dem
Körperschaftsteuersubjekt „Fonds“
sind aber nicht nur die Wirtschaftsgüter des
Sondervermögens zuzurechnen, er disponiert auch über die
Einkunftsquellen, etwa die Vermietung einzelner Immobilien, und
erzielt deshalb ein eigenes Markteinkommen (zur persönlichen
Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung z.B.
Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz 20). Eine
Zurechnung der Vermietungseinkünfte beim Anleger ist -
unabhängig von der Qualifizierung des ausländischen Fonds
als Zweckvermögen - ausgeschlossen, weil dem insbesondere die
investmentsteuerrechtliche Sonderregelung in § 2 Abs. 1 Satz 1
InvStG 2004 entgegensteht (Englisch in
Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 1. Aufl., § 11
InvStG Rz 15).
|
|
|
33
|
2. Die Voraussetzungen für die Anwendung
der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 enthaltenen
Steuerbefreiung zugunsten des Klägers sind nach dem Wortlaut
der Vorschrift zwar nicht erfüllt. Denn danach ist nur das in
Satz 1 der genannten Regelung angesprochene inländische
Sondervermögen von der Körperschaftsteuer und der
Gewerbesteuer befreit. Allerdings hat der für die Auslegung
des Unionsrechts zuständige EuGH mit dem aufgrund des
Vorlagebeschlusses des Senats im Rahmen des vorliegenden Verfahrens
ergangenen Urteil L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339
(IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03) entschieden, dass Art. 63 des
Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags
über die Europäische Union und des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft - AEUV -
(Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) dahin
auszulegen ist, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
entgegensteht, nach denen gebietsfremde Spezialimmobilienfonds
für Immobilieneinkünfte, die sie auf dem Staatsgebiet
dieses Mitgliedstaats beziehen, teilweise
körperschaftsteuerpflichtig sind, gebietsansässige
Spezialimmobilienfonds hingegen von dieser Steuer befreit sind.
Damit ist dem Kläger aus unionsrechtlichen Gründen die
Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004
einzuräumen. Entgegen der Auffassung des BMF kann die
Gewährung der Steuerbefreiung nicht von der Voraussetzung
abhängig gemacht werden, dass es zu einer mit
inländischen Strukturen vergleichbaren Anlegerbesteuerung
kommt.
|
|
|
34
|
a) Der Senat und die konkret am vorliegenden
Rechtsstreit Beteiligten sind an die im Revisionsverfahren
eingeholte Vorabentscheidung des EuGH gebunden (s. allgemein z.B.
BFH-Urteil vom 11.02.2003 - VII R 1/01, BFH/NV 2003, 1100 = SIS 03 33 65) und daher nicht befugt, von der Antwort des EuGH
abzuweichen. Der Tenor des EuGH-Urteils L Fund vom 27.04.2023 -
C-537/20, EU:C:2023:339 (IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03) ist im
Lichte seiner Entscheidungsgründe auszulegen (s. allgemein
EuGH-Urteile Bosch/Hauptzollamt Hildesheim vom 16.03.1978 - Rs.
135/77, EU:C:1978:75; Kommission/Italien vom 19.01.1993 - C-101/91,
EU:C:1993:16, Rz 14, HFR 1995, 105; Ehricke in Streinz, EUV/AEUV,
3. Aufl., Art. 267 AEUV Rz 68; Cordewener in
Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung
in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den Bundesfinanzhof,
2018, S. 895, 906).
|
|
|
35
|
b) Gemessen daran kann kein Zweifel bestehen,
dass der EuGH den Ausschluss des Klägers von der
Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 als einen
Verstoß gegen die unionsrechtlich verbürgte
Kapitalverkehrsfreiheit erachtet hat (im Ergebnis ebenso
Patzner/Nagler, IStR 2023, 360, 361 f.; Hagen/Schober, BB 2023,
2135, 2137; Morawitz, DStR 2023, 1007, 1008; Schlund, DStR
kurzgefaßt 2023, 154; Dautzenberg, FR 2023, 724). Um den
Anwendungsvorrang des Primärrechts der Union sicherzustellen,
muss das Tatbestandsmerkmal
„inländisch“ in § 11 Abs. 1
Satz 1 InvStG 2004, auf das Satz 2 der Regelung unmittelbar Bezug
nimmt, zugunsten des Klägers unbeachtet bleiben, die Norm ist
aber im Übrigen zur Anwendung zu bringen (sogenannte
geltungserhaltende Reduktion, vgl. dazu allgemein die ständige
BFH-Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 21.10.2009 - I R 114/08,
BFHE 227, 64, BStBl II 2010, 774 = SIS 10 00 34; vom 03.02.2010 - I
R 21/06, BFHE 228, 259, BStBl II 2010, 692 = SIS 10 12 82; vom
15.01.2015 - I R 69/12, BFHE 249, 99 = SIS 15 11 53, m.w.N.; s.a.
BFH-Urteile vom 17.07.2008 - X R 62/04, BFHE 222, 428, BStBl II
2008, 976 = SIS 08 37 64; vom 21.10.2008 - X R 15/08, BFH/NV 2009,
559 = SIS 09 08 92).
|
|
|
36
|
c) Die dagegen gerichteten Einwendungen des
BMF bleiben ohne Erfolg.
|
|
|
37
|
aa) Die dem Senat als vorlegendem Gericht vom
EuGH aufgegebene Kohärenzprüfung (EuGH-Urteil L Fund vom
27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339, IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03, Rz 71; zum Gesichtspunkt der Kohärenz z.B. auch
Senatsbeschluss vom 23.11.2021 - I R 5/18, BFHE 275, 219 = SIS 22 05 61 und das dazu ergangene EuGH-Urteil H Lebensversicherung vom
22.06.2023 - C-258/22, EU:C:2023:506 = SIS 23 11 46) hat nicht zur Folge, dass die
vom EuGH festgestellte Ungleichbehandlung zwischen
gebietsansässigen und nicht gebietsansässigen Fonds
gerechtfertigt wäre (insoweit zweifelnd
Brandis/Heuermann/Mann, § 11 InvStG 2004 Rz 18). Der Senat hat
zwar zu prüfen, ob die direkte Zurechnung der
Immobilieneinkünfte an die gebietsfremden Anleger und die
Besteuerung der gebietsansässigen Anleger der
gebietsansässigen Fonds die diesen Fonds gewährte
Befreiung ausgleicht. Jedoch stellt der EuGH zugleich klar, dass
selbst bei Feststellung eines direkten Zusammenhangs zwischen
Steuerbefreiung auf Fondsebene und Besteuerung auf Anlegerebene
noch zu prüfen wäre, ob die Tatsache, dass die
Möglichkeit einer Befreiung der Immobilieneinkünfte von
der Körperschaftsteuer ausschließlich
gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds vorbehalten ist,
nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die
Kohärenz dieses Steuersystems zu gewährleisten. Diese
Verhältnismäßigkeitsprüfung nimmt der EuGH
indes selbst vor und schließt sie mit dem Ergebnis ab,
„dass die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die
durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen
Rechtsvorschriften hervorgerufen wird, … mithin nicht durch
die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems
zu wahren, gerechtfertigt werden“ kann
(EuGH-Urteil L Fund vom 27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339, IStR
2023, 355 = SIS 23 07 03, Rz 75).
|
|
|
38
|
bb) Dass eine geltungserhaltende Reduktion im
Streitfall wegen fehlender Beschränkung des Kapitalverkehrs
nicht erforderlich sei, ist nicht zutreffend. Das vom BMF
angeführte Argument, dass es jeweils nur zu einer
Einmalbelastung mit Ertragsteuer komme (im Falle des Klägers
durch die inländische Körperschaftsteuer auf die
inländischen Immobilieneinkünfte auf der Grundlage einer
beschränkten Körperschaftsteuerpflicht; im Falle des von
der inländischen Steuer befreiten inländischen
Spezialimmobilienfonds mit ausländischen Anlegern durch die
Anlegerbesteuerung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 und 4
InvStG 2004) und die steuerliche Belastung lediglich auf
unterschiedlichen Ebenen eintrete (im Streitfall auf der
Fondsebene, im Falle des inländischen Spezialimmobilienfonds
auf der Anlegerebene), wodurch nur eine formale Ungleichbehandlung
eintrete, die nicht geeignet sei, den Kläger von Investitionen
in deutsche Immobilien oder seine Anleger von Investitionen in
gebietsfremde Spezialimmobilienfonds abzuhalten, hat der Senat in
seinem Vorlagebeschluss dem EuGH selbst unterbreitet
(Senatsbeschluss vom 18.12.2019 - I R 33/17, BFHE 269, 225 = SIS 20 15 46). Der EuGH hat dessen ungeachtet in seinem Urteil L Fund vom
27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339 (IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03) unter Rz 53 ausgeführt, „dass Rechtsvorschriften wie
die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden deutschen eine nach Art.
63 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien
Kapitalverkehrs darstellen“. Der EuGH hat bei
seiner unionsrechtlichen Würdigung auch die Situation
einbezogen, dass bei einem ausländischen
Spezialimmobilienfonds mit inländischen Anlegern zur
beschränkten Körperschaftsteuerpflicht dieses Fonds noch
die Ertragsteuer bei den inländischen Anlegern hinzukomme und
die in § 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG 2004 vorgesehene
Anrechnungsmöglichkeit darauf abziele, diese Doppelbelastung
zu beseitigen. De facto hänge die komplette Beseitigung dieser
Doppelbelastung allerdings von der besonderen steuerlichen
Situation jedes Anteilseigners ab und sei damit unsicher. Im
Übrigen habe die deutsche Regierung in der mündlichen
Verhandlung erklärt, dass die gebietsansässigen Anleger
der gebietsfremden Spezialimmobilienfonds im Vergleich zu den
gebietsansässigen Anlegern der gebietsansässigen
Spezialimmobilienfonds je nach ihrer steuerlichen Situation
benachteiligt werden könnten (EuGH-Urteil L Fund vom
27.04.2023 - C-537/20, EU:C:2023:339, IStR 2023, 355 = SIS 23 07 03, Rz 52). Dass im Streitfall inländische Anleger am
Kläger nicht beteiligt sind, was dem EuGH positiv bekannt war,
ändert nichts daran, dass er offensichtlich wie in
früheren Entscheidungen zur Fondsbesteuerung (z.B. EuGH-Urteil
Fidelity Funds u.a. vom 21.06.2018 - C-480/16, EU:C:2018:480, IStR
2018, 590 = SIS 18 10 15) für die Prüfung einer
Beschränkung des freien Kapitalverkehrs insoweit eine
hypothetische Betrachtung hinsichtlich des Investitionsverhaltens
gedachter Fonds beziehungsweise gedachter Anleger anstellt.
Entscheidend tritt hinzu, dass der EuGH im konkreten
Vorabentscheidungsverfahren ausweislich des Urteilstenors
ausdrücklich auf einen Grundfreiheitsverstoß erkannt
hat. Ob, wie der Kläger geltend macht, von der
Besteuerungsebene abhängige Belastungsunterschiede gegeben
sind, insbesondere eine Besteuerung auf Anlegerebene bei
gleichzeitiger Steuerbefreiung auf Fondsebene immer günstiger
sei als eine Steuerbelastung auf Fondsebene (so Patzner/Nagler,
IStR 2023, 360, 361), kann somit dahinstehen.
|
|
|
39
|
cc) Es kommt nicht in Betracht, dem
Kläger die Steuerbefreiung unter unionsrechtskonformer
Auslegung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 nur unter der
Voraussetzung einer (bestimmten) Besteuerung seiner Anleger zu
gewähren.
|
|
|
40
|
aaa) Das BMF ist der Auffassung, die
Vorschriften des Investmentsteuergesetzes 2004 zur Besteuerung
gebietsfremder Spezialimmobilienfonds seien einer
geltungserhaltenden Reduktion zugänglich und geltungserhaltend
anzuwenden; dies führe zu einer entsprechenden Anwendung der
für die gebietsansässigen Fonds geltenden Vorschriften,
namentlich § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 über die
direkte Zuordnung der Erträge an die Anleger sowie § 15
Abs. 2 Satz 4 InvStG 2004 über die Quellensteuerabzugspflicht
des Fonds.
|
|
|
41
|
bbb) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt
werden. Denn sie läuft darauf hinaus, dass die unionsrechtlich
grundsätzlich gebotene Steuerbefreiung eines
selbständigen Steuerrechtssubjekts - des Fonds - davon
abhängig gemacht wird, dass ein anderes Steuersubjekt - der
Anleger - einer steuerlichen Belastung unterworfen wird, für
die es im nationalen Steuerrecht keine gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage gibt. So begründet die von §
15 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 angeordnete unmittelbare Zurechnung
der - vom Fonds erzielten - Immobilienerträge an den Anleger
des inländischen Spezialimmobilienfonds als beschränkt
steuerpflichtige Einkünfte (sogenannte Voll- oder
Supertransparenz, vgl. Senatsbeschluss vom 18.12.2019 - I R 33/17,
BFHE 269, 225 = SIS 20 15 46) die Steuerpflicht dieses Anlegers.
Auch mit der von § 15 Abs. 2 Satz 4 InvStG 2004 angeordneten
Quellensteuerabzugspflicht des Fonds wird die Besteuerung des
Anlegers - und nicht die des (steuerbefreiten) Steuersubjekts
„Fonds“ - sichergestellt
(Senatsbeschluss vom 18.12.2019 - I R 33/17, BFHE 269, 225 = SIS 20 15 46). Diese belastenden Regelungen können nicht im Wege der
geltungserhaltenden Reduktion in entsprechender Anwendung auf den
Anleger eines nicht gebietsansässigen Spezialimmobilienfonds
übertragen werden, der tatbestandlich von diesen Normen nicht
erfasst wird. Derartiges würde gegen den Grundsatz der
Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO)
verstoßen. Dem Ansatz, dass die geltungserhaltende Reduktion
nicht zur Grundlage einer Belastung von Drittpersonen gemacht
werden kann, entspricht die Rechtsprechung des Senats zu einer
vergleichbaren Problematik. Danach kann der Anwendungsvorrang des
Unionsrechts zwar gegebenenfalls zur geltungserhaltenden Reduktion
einer nationalen Steuernorm führen, nicht aber zur
(eingriffsverschärfenden) Extension einer an diese Norm
anknüpfenden anderen Vorschrift, die ihrerseits
unionsrechtlich unbedenklich ist (Senatsurteil vom 05.05.2010 - I R
104/08, BFH/NV 2010, 1814 = SIS 10 27 32).
|
|
|
42
|
3. Nach alledem war dem Revisionsbegehren im
Hauptantrag zu entsprechen. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004,
der aus unionsrechtlichen Gründen beim Kläger zur
Anwendung kommt, gewährt eine persönliche Steuerbefreiung
(Schäfer in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl., § 11 Rz 39;
Brandis/Heuermann/Mann, § 11 InvStG 2004 Rz 7). In einem
solchen Fall darf ein Körperschaftsteuerbescheid, selbst wenn
mit ihm eine Steuer von 0 EUR festgesetzt wird, nicht ergehen.
Ergeht er dennoch, ist er ersatzlos aufzuheben (Senatsurteile vom
14.09.1994 - I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499 = SIS 95 09 86; vom 15.11.2017 - I R 39/15, BFH/NV 2018, 611 = SIS 18 02 98).
|
|
|
43
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|
|
|
|