I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen
Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
Ist Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Art. 63
Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union) dahin auszulegen, dass er der Vorschrift
eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der bei der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft
Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen
Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 %
(Streubesitzbeteiligungen) stammen, der Bemessungsgrundlage wieder
hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem
vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage
abgezogen worden sind, während hinsichtlich solcher
Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an
Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat
stammen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der
Gewerbesteuer kein Abzug und folglich auch keine
(Wieder-)Hinzurechnung der Dividenden stattfindet?
1
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A. Sach- und Streitstand
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2
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine der Körperschaftsteuer und der
Gewerbesteuer unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts,
die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Jahr 2001
(Streitjahr) war die Klägerin unter anderem (u.a.) an mehreren
ausländischen Kapitalgesellschaften mit Beteiligungsquoten von
jeweils weniger als 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt. Von
diesen Gesellschaften erhielt sie im Streitjahr Dividenden in
Höhe von insgesamt ... DM.
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3
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Des Weiteren war die Klägerin an
verschiedenen Wertpapier-Sondervermögen (Investmentfonds)
beteiligt, von denen sie im Streitjahr ebenfalls
Ausschüttungen erhielt. Die Fondsausschüttungen beruhten
in Höhe von insgesamt ... DM auf Dividenden ausländischer
Kapitalgesellschaften, an denen die Investmentfonds zu weniger als
10 % beteiligt waren.
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4
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Mit Antrag vom April 2004 übte die
Klägerin das Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen
zustehende sogenannte (sog.) Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7
Satz 8 Nr. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der
Fassung (i.d.F.) des Gesetzes zur Umsetzung der
Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
(sog. Korb II-Gesetz) vom 22.12.2003 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I
2003, 2840, Bundessteuerblatt - BStBl - I 2004, 14) - KStG neue
Fassung (n.F.) - dahin aus, dass § 8b Abs. 8 KStG in der in
§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. niedergelegten
Fassung bereits für die Veranlagungszeiträume 2001 bis
2003 gilt. Dies hatte zur Folge, dass 20 % der Dividendeneinnahmen
aus den Streubesitzbeteiligungen an den ausländischen
Kapitalgesellschaften gemäß § 8b Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr
geltenden Fassung (KStG) bei der Ermittlung des für die
Körperschaftsteuer maßgeblichen Gewinns nicht zu
berücksichtigen waren.
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5
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Im Rahmen der Ermittlung der
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer - dem Gewerbeertrag - legte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes in der
für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) im Ausgangspunkt
den nach den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes zu
ermittelnden Gewinn zugrunde. In Anwendung des § 8 Nr. 5 Satz
1 GewStG rechnete das FA diesem Ausgangsbetrag jedoch jene 20 % der
der Klägerin zugeflossenen Ausschüttungen der
ausländischen Kapitalgesellschaften, die bei der Ermittlung
des körperschaftsteuerrechtlichen Gewinns nach § 8b Abs.
1 KStG außer Ansatz zu bleiben hatten, wieder hinzu. Auf
dieser Grundlage stellte das FA den vortragsfähigen
Gewerbeverlust der Klägerin zum 31.12.2001 gesondert
fest.
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6
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Die Klägerin ist der Auffassung, die
Anwendung der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 Satz 1
GewStG für den Erhebungszeitraum 2001 sei wegen
Verstoßes gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit
ausgeschlossen. Sie leitet dies aus dem Umstand ab, dass die
Bestimmung des § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 für
Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften noch
nicht anwendbar gewesen ist, sodass es in diesen Fällen auch
nicht zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG hat kommen
können. Die faktisch vom Sitz der ausschüttenden
Gesellschaft abhängende unterschiedliche zeitliche
Anwendbarkeit der Regelung führe zu einer Diskriminierung der
Auslandssachverhalte. Diese Auffassung hat auch der vorlegende
Senat in einer früheren Entscheidung vertreten (Urteil vom
06.03.2013 - I R 14/07, Sammlung der Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs - BFHE - 241, 185, BStBl II 2015, 349 = SIS 13 18 24; Nichtanwendung auf andere Fälle angeordnet durch gleich
lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder
vom 30.03.2015, BStBl I 2015, 260 = SIS 15 07 70).
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7
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Außerdem hält die Klägerin
die durch § 36 Abs. 4 GewStG angeordnete Geltung des § 8
Nr. 5 GewStG bereits ab dem Erhebungszeitraum 2001 wegen
Verstoßes gegen den rechtsstaatlichen
Vertrauensschutzgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes)
für verfassungswidrig, soweit von der Hinzurechnung auch
Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an
die Klägerin oder die Investmentfonds erfasst werden, die bis
zum 11.12.2001 (Zeitpunkt der Vermittlungsempfehlung bezüglich
§ 8 Nr. 5 GewStG im Gesetzgebungsverfahren) erfolgt sind.
Insoweit stützt sich die Klägerin auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07
(Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 132, 302,
BStBl II 2012, 932 = SIS 12 29 53).
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8
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Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen
Bescheid antragsgemäß dahin geändert, dass der
vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2001 um den
Hinzurechnungsbetrag von ... DM erhöht wird (Urteil vom
25.01.2018 - 6 K 145/16, EFG 2018, 1041 = SIS 18 06 07).
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9
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des
FA.
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10
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage als unbegründet abzuweisen.
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11
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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12
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B. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) die in der Entscheidungsformel
bezeichnete Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vor und setzt das
Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
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I. Beurteilung nach nationalem Recht
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14
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Auf der Grundlage des (einfachen) nationalen
Rechts ist die Revision begründet; das FG-Urteil ist
aufzuheben und die Klage ist als unbegründet abzuweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
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1. Die für die Beurteilung des
Streitfalls wesentlichen Normen haben folgenden Wortlaut:
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a) Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes
i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz
- UntStFG - ) vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35)
- GewStG -
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Ҥ 6 Besteuerungsgrundlage
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Besteuerungsgrundlage für die
Gewerbesteuer ist der Gewerbeertrag.
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§ 7 Gewerbeertrag
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Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften
des Einkommensteuergesetzes oder des
Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus
Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den
dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden
Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und
vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten
Beträge. ...
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§ 8 Hinzurechnungen
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Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7)
werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei
der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
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...
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5. die nach § 3 Nr. 40 des
Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden
Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten
Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer
Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im
Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die
Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach
Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen
Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden
Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c des
Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 des
Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben.
...
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§ 9 Kürzungen
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Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen
wird gekürzt um
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...
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7. die Gewinne aus Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz
außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren
Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums
ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist
(Tochtergesellschaft) ...
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§ 36 Zeitlicher Anwendungsbereich
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...
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(4) § 8 Nr. 5 ist erstmals für den
Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden.“
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b) Vorschriften des
Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des UntStFG (KStG)
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Ҥ 8b Beteiligung an anderen
Körperschaften und Personenvereinigungen
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(1) Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1
Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes bleiben
bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz.
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...
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(3) Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit
dem in Absatz 2 genannten Anteil entstehen, sind bei der
Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen.
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§ 34 Schlussvorschriften
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...
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(4) § 8b ist erstmals anzuwenden
für
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1. Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1
Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes, auf die bei der
ausschüttenden Körperschaft der Vierte Teil des
Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 4 des
Gesetzes vom 14.7.2000 (BGBl I S. 1034) nicht mehr anzuwenden
ist;“
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c) Vorschriften des Einkommensteuergesetzes
i.d.F. des UntStFG (EStG)
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Ҥ 20
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(1) Zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen gehören
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1. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und
sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht
am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft
verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter
Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an
bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen
Person haben.“
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d) Vorschriften des Gesetzes über
Kapitalanlagegesellschaften i.d.F. des UntStFG (KAGG)
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Ҥ 40
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...
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(2) Auf ausgeschüttete und nicht zur
Ausschüttung oder Kostendeckung verwendete inländische
und ausländische Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens
im Sinne des § 38b Abs. 5 sind § 3 Nr. 40 des
Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 1 und § 37 Abs. 3
des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden.“
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e) Vorschriften des
Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Korb II-Gesetzes (KStG
n.F.)
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Ҥ 34 Schlussvorschriften
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...
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(7) § 8b ist erstmals anzuwenden
für
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...
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[Satz 8] § 8b Abs. 8 und § 21 Abs. 1
Nr. 1 Satz 1 sind anzuwenden:
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1. in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes
vom 22.12.2003 (BGBl I S. 2840) erstmals für den
Veranlagungszeitraum 2004, bei vom Kalenderjahr abweichenden
Wirtschaftsjahren erstmals für den Veranlagungszeitraum
2005;
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2. auf einheitlichen, bis zum 30.6.2004 zu
stellenden, unwiderruflichen Antrag bereits für die
Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003, bei vom Kalenderjahr
abweichenden Wirtschaftsjahren für die
Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004
(Rückwirkungszeitraum). Dabei ist § 8b Abs. 8 in
folgender Fassung anzuwenden:
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“(8) Die Absätze 1 bis 7 sind
anzuwenden auf Anteile, die bei Lebens- und
Krankenversicherungsunternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen
sind, mit der Maßgabe, dass die Bezüge, Gewinne und
Gewinnminderungen zu 80 vom Hundert bei der Ermittlung des
Einkommens zu berücksichtigen sind. ...“
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16
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2. Auf der Grundlage der vorstehenden
Bestimmungen unterliegen die von der Klägerin im Streitjahr
erhaltenen Dividenden aus den ausländischen
Streubesitzbeteiligungen ebenso wie die Ausschüttungen der
Investmentfonds - soweit diese auf Ausschüttungen aus
ausländischen Streubesitzanteilen beruhten - in voller
Höhe der Gewerbesteuer.
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17
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a) Besteuerungsgrundlage für die
Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag.
Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG im Falle einer
Körperschaft der nach den Vorschriften des
Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus
Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den
dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu
berücksichtigen ist (erster Ermittlungsschritt, unten b),
vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG
bezeichneten Beträge (zweiter Ermittlungsschritt, unten
c).
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18
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b) Bei der Ermittlung des nach den
Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden
Gewinns aus Gewerbebetrieb bleiben die der Klägerin von den
ausländischen Kapitalgesellschaften (unmittelbar oder
mittelbar über die Beteiligungen an den Investmentfonds) im
Jahr 2001 zugeflossenen Ausschüttungen in Höhe von 20 %
außer Ansatz. sie werden folglich nur in Höhe von 80 %
berücksichtigt.
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19
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aa) Grundsätzlich blieben nach der
für das Streitjahr geltenden Bestimmung des § 8b Abs. 1
Satz 1 KStG (in Verbindung mit - i.V.m. - § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG) u.a. Dividenden aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften
bei der Ermittlung des Einkommens vollständig außer
Ansatz. Mit dem Korb II-Gesetz vom 22.12.2003 wurde aber in §
8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 1 KStG
n.F. mit Wirkung vom 01.01.2004 eine Sonderregelung für
Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen eingefügt, der
zufolge für diese Unternehmen § 8b Abs. 1 KStG auf
Dividenden aus Anteilen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind,
nicht anzuwenden ist. Zugleich wurde den betroffenen Unternehmen
mit dem sog. Blockwahlrecht (§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG
n.F.) die Möglichkeit eingeräumt, Dividenden - der
Höhe nach begrenzt auf 80 % - rückwirkend bereits
für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 den
Neuregelungen zu unterwerfen (§ 8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F.
des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F.). Die
Klägerin hat von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, sodass bei
ihr für das Streitjahr § 8b Abs. 1 KStG auf Anteile, die
ihren Kapitalanlagen zuzurechnen sind, mit der Maßgabe
anzuwenden ist, dass die Dividenden bei der Ermittlung des
Einkommens zu 20 % außer Ansatz bleiben.
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20
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bb) Entsprechendes gilt für die der
Klägerin im Streitjahr zugeflossenen Ausschüttungen der
Investmentfonds, soweit diese Fondsausschüttungen auf
Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften an
die Fonds beruhten. Gemäß § 40 Abs. 2 KAGG ist u.a.
§ 8b Abs. 1 KStG auf ausgeschüttete inländische und
ausländische Einnahmen des Wertpapier-Sondervermögens im
Sinne (i.S.) des § 38b Abs. 5 KAGG anzuwenden. Zu den -
inländischen und ausländischen - Einnahmen des
Wertpapier-Sondervermögens i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG
gehören insbesondere Dividenden von Kapitalgesellschaften
(Senatsurteil vom 11.08.2021 - I R 38/19, BFH/NV 2022, 334 = SIS 22 01 92). Ist der Anteilsscheininhaber - wie die Klägerin - eine
Körperschaft, die das Lebens- oder
Krankenversicherungsgeschäft betreibt und das sog.
Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 KStG n.F.
ausgeübt hat, so folgt aus dem in § 40 Abs. 2 KAGG
enthaltenen Verweis auf § 8b Abs. 1 KStG, dass vom
Wertpapier-Sondervermögen bezogene Dividenden, die in den
Einnahmen i.S. des § 38b Abs. 5 KAGG enthalten sind, bei der
Ermittlung des Einkommens des Versicherungsunternehmens im Jahr
2001 nach Maßgabe von § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG i.d.F. des
§ 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz 2 KStG n.F. zu erfassen sind.
Soweit die im Streitfall in Rede stehenden Leistungen der Fonds an
die Klägerin auf den Ausschüttungen der
ausländischen Gesellschaften an die Fonds beruhten, bleiben
diese bei der Einkommensermittlung folglich zu 20 %
unberücksichtigt.
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21
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c) Im Rahmen des zweiten Ermittlungsschritts
zur Berechnung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer sind die
im ersten Ermittlungsschritt außer Ansatz gebliebenen 20 %
der Dividenden der ausländischen Kapitalgesellschaften wieder
hinzuzurechnen. Nach § 8 Nr. 5 GewStG werden dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb (u.a.) die nach § 8b Abs. 1 KStG außer
Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) wieder hinzugerechnet,
soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
Die Hinzurechnung erfolgt nur, soweit nicht die Voraussetzungen des
Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllt
sind, was bei den vorliegenden Streubesitzbeteiligungen von weniger
als 10 % nicht der Fall ist. § 8 Nr. 5 GewStG ist nach der
Anwendungsregel des § 36 Abs. 4 GewStG erstmals für den
Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden und erfasst mithin auch die
vorliegenden Streubesitzdividenden, soweit diese nach § 8b
Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, d.h. in Höhe von 20 %.
Im Ergebnis führt die Hinzurechnung dazu, dass die Dividenden
in voller Höhe der Gewerbesteuer unterliegen.
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II. Vereinbarkeit mit Unionsrecht
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1. Die Bestimmung des § 8b Abs. 1 KStG,
die nach den vorstehenden Ausführungen im Zusammenwirken mit
§ 8b Abs. 8 KStG i.d.F. des § 34 Abs. 7 Satz 8 Nr. 2 Satz
2 KStG n.F. und über die Verweisung des § 7 Satz 1 GewStG
dazu führt, dass im ersten Ermittlungsschritt die von den in
Streubesitz stehenden ausländischen Kapitalgesellschaften an
die Klägerin gezahlten Dividenden in Höhe von 20 %
zunächst nicht in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer
eingehen, galt im Streitjahr im Ergebnis nur für Dividenden
aus Auslandsbeteiligungen, jedoch (noch) nicht für ordentliche
Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Ort der
Geschäftsleitung in der Bundesrepublik Deutschland, die im
Jahr 2001 abgeflossen sind.
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24
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Dies folgt aus der Anwendungsbestimmung des
§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG, der zufolge § 8b KStG
erstmals auf Bezüge anzuwenden ist, auf die bei der
ausschüttenden Körperschaft das
Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Gesetzes zur weiteren
steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14.07.2000 (BGBl I
2000, 1034, BStBl I 2000, 1192) nicht mehr anzuwenden ist. Bei
offenen Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften
ist § 8b Abs. 1 KStG daher erstmals bei Abfließen der
Ausschüttung im Jahr 2002 anzuwenden (Senatsurteil in BFHE
241, 185, BStBl II 2015, 349 = SIS 13 18 24). Für den Fall der
Ausübung des sog. Blockwahlrechts ergibt sich nichts Anderes
(vgl. Mützler, DB 2007, 1894, 1896).
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25
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2. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage
der Gewerbesteuer einer Körperschaft sind Dividenden aus
Inlandsbeteiligungen, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, folglich
bereits im ersten Ermittlungsschritt in voller Höhe
anzusetzen. Mangels Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG bleibt
kein Teil der Dividende außer Ansatz. Für den zweiten
Ermittlungsschritt führt dies dazu, dass dementsprechend auch
keine (Wieder-)Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG
stattfindet. Denn diese Bestimmung greift nur, wenn und soweit die
Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben.
Im Ergebnis unterliegen im Jahr 2001 abgeflossene Dividenden aus
Inlandsbeteiligungen somit ebenfalls in voller Höhe der
Gewerbesteuer.
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26
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3. Der vorlegende Senat hat in einem
vergleichbaren Fall in dem Umstand, dass die
Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG auf
Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu
Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den
Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der
Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der
unionsrechtlich verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs
widerspricht (Senatsurteil in BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349 =
SIS 13 18 24). Diese Beurteilung erscheint bei nochmaliger
Prüfung zweifelhaft.
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27
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a) Keine Zweifel bestehen allerdings daran,
dass der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56
Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung
des Vertrags über die Europäische Union, der
Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte - EG - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
1997, Nr. C 340, 1), jetzt Art. 63 Abs. 1 des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags
von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die
Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - AEUV - (Amtsblatt der
Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47), im Fall des § 8
Nr. 5 GewStG eröffnet ist. Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch
den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und dritten
Ländern schützt, gilt dies unabhängig davon, ob es
sich bei den Auslandsgesellschaften, von denen die Klägerin
die Dividenden bezogen hat, um Gesellschaften mit Sitz in einem
Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einem Drittstaat gehandelt
hat. Die Kapitalverkehrsfreiheit wird in diesem Fall nicht durch
die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, jetzt Art. 49 AEUV)
gesperrt (vgl. zur Abgrenzung u.a. EuGH-Urteil Test Claimants in
the FII Group Litigation vom 13.11.2012 - C-35/11, EU:C:2012:707,
Randziffer - Rz - 90 ff., IStR 2012, 924 = SIS 12 33 75), weil
sowohl die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG als auch die
Anwendung der von dieser Vorschrift in Bezug genommenen Regelung
des § 8b Abs. 1 KStG nicht an bestimmte Mindestbeteiligungen
anknüpfen, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss
auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren
Tätigkeiten zu bestimmen.
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28
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b) Fraglich ist aber, ob die für das Jahr
2001 angeordnete Hinzurechnung von Dividenden aus
Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG zu einer
Beschränkung des freien Kapitalverkehrs i.S. von Art. 56 Abs.
1 EG führt.
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29
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des
EuGH gehören zu den Maßnahmen, die als
Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, solche, die
geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem
Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in
anderen Staaten abzuhalten (vgl. u.a. EuGH-Urteil X vom 26.02.2019
- C-135/17, EU:C:2019:136, IStR 2019, 347 = SIS 19 01 87).
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30
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Dass die im Jahr 2001 faktisch auf Dividenden
aus Auslandsbeteiligungen beschränkte Hinzurechnung nach
§ 8 Nr. 5 GewStG geeignet ist, gewerbesteuerpflichtige
Anteilseigner von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten, kann
bezweifelt werden. § 8 Nr. 5 GewStG führt nicht dazu,
dass Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz
steuerlich ungünstiger behandelt werden als
Dividendeneinnahmen aus vergleichbaren Inlandsbeteiligungen. Die
Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen gehen vielmehr in
beiden Fällen in gleicher Höhe - jeweils zu 100 % - in
die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein. Ohne die
Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG würden die
Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz im
Jahr 2001 bei der Gewerbesteuer günstiger behandelt werden als
Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen. Denn nur im Fall der
Auslandsbeteiligungen bleiben die Dividenden gemäß
§ 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG bereits im Jahr
2001 im ersten Ermittlungsschritt ganz oder teilweise außer
Ansatz. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG führt
daher lediglich zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Inlands-
und Auslandsinvestitionen, nicht aber zu einer steuerlichen
Diskriminierung von Auslandsinvestitionen, da der Nachteil der
Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG durch den Vorteil der
vorgezogenen steuerlichen Freistellung der Auslandsdividenden
aufgewogen wird. Dass die sich auf die Höhe der Steuer nicht
auswirkenden Unterschiede in den einzelnen Ermittlungsschritten zur
Berechnung der steuerlichen Bemessungsgrundlage geeignet sein
könnten, gewerbesteuerpflichtige Anleger von Investitionen in
Auslandsbeteiligungen abzuhalten, erscheint fernliegend.
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bb) Der Tatbestand einer Beschränkung des
freien Kapitalverkehrs könnte möglicherweise auch mit der
Begründung verneint werden, dass im Hinblick auf die Anwendung
des § 8 Nr. 5 GewStG bei Dividenden aus Auslandsbeteiligungen
in Streubesitz im Jahr 2001 keine objektiv vergleichbare Situation
im Vergleich zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen
bestanden hat (zum Merkmal der Vergleichbarkeit der Situationen im
Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit u.a. EuGH-Urteil
Grünewald vom 24.02.2015 - C-559/13, EU:C:2015:109, BStBl II
2015, 1071 = SIS 15 06 03). Denn infolge der durch § 7 Satz 1
GewStG bewirkten Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG sind nur
Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im ersten
Ermittlungsschritt zur Berechnung der gewerbesteuerlichen
Bemessungsgrundlage begünstigt, in dem die Dividenden ganz
oder teilweise außer Ansatz geblieben sind. Bei
Inlandsbeteiligungen gehen die Dividenden hingegen bereits im
Rahmen des ersten Ermittlungsschritts in vollem Umfang in die
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein.
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c) Nimmt man ungeachtet der vorstehenden
Überlegungen an, dass die Hinzurechnung von
Dividendeneinnahmen aus Streubesitzanteilen an ausländischen
Kapitalgesellschaften nach Maßgabe von § 8 Nr. 5 GewStG
den freien Kapitalverkehr beschränkt, so könnte diese
Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die
Kohärenz des Steuersystems sicherzustellen.
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aa) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein
auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument allerdings
nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine
bestimmte steuerliche Belastung besteht (vgl. EuGH-Urteil STEKO
Industriemontage vom 22.01.2009 - C-377/07, EU:C:2009:29, BStBl II
2011, 95 = SIS 09 08 64), wobei die Unmittelbarkeit dieses
Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung
verfolgte Ziel beurteilt werden muss (EuGH-Urteil Santander Asset
Management SGIIC u.a. vom 10.05.2012 - C-338/11 bis C-347/11,
EU:C:2012:286, IStR 2012, 432 = SIS 12 24 93).
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bb) Die Regelung des § 8 Nr. 5 GewStG
verfolgt offenkundig das Ziel, Dividendeneinnahmen aus
Streubesitzbeteiligungen unabhängig von den
körperschaftsteuerrechtlichen Privilegierungen des § 8b
Abs. 1 KStG in vollem Umfang der Gewerbesteuer zu unterwerfen,
wobei die Norm nicht zwischen Dividenden aus Auslandsbeteiligungen
und solchen aus Inlandsbeteiligungen unterscheidet. Vor diesem
Hintergrund erscheint es als kohärent, dass der Nachteil der
Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG im zweiten
Ermittlungsschritt bei solchen Auslandsbeteiligungen zur Anwendung
kommt, für die der über § 7 Satz 1 GewStG auf den
ersten Ermittlungsschritt zur Berechnung der gewerbesteuerlichen
Bemessungsgrundlage durchschlagende Vorteil des § 8b Abs. 1
KStG eingreift.
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Der „Vorteil“ des § 8b
Abs. 1 KStG (i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) und der
„Nachteil“ des § 8 Nr. 5 GewStG stehen aus
jetziger Sicht des Senats - entgegen der Annahme im Senatsurteil in
BFHE 241, 185, BStBl II 2015, 349 = SIS 13 18 24 - in einem
unmittelbaren Zusammenhang und in enger Wechselwirkung. Denn
hinzuzurechnen sind nach § 8 Nr. 5 GewStG exakt „die
nach ... § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
außer Ansatz bleibenden ... Bezüge“. Zur
Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG kann es also nur kommen,
wenn und soweit die Dividenden zuvor nach § 7 Satz 1 GewStG
i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen
worden sind.
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Das vorinstanzliche Gericht hat die
Wechselwirkung von „Vorteil“ und
„Nachteil“ in der Konstellation des Streitfalls
mit der Begründung verneint, § 8 Nr. 5 GewStG verfolge
nicht den Zweck, den Vorteil der vorgezogenen Freistellung der
Dividenden bei der Körperschaftsteuer 2001 durch einen
gewerbesteuerlichen Nachteil infolge der Hinzurechnung der
Dividenden bei der Gewerbesteuer 2001 ganz oder teilweise zu
kompensieren. Es seien zudem Sachverhalte denkbar, in denen sich
der durch § 8b Abs. 1 KStG bewirkte Vorteil der (vorgezogenen)
steuerlichen Freistellung der Auslandsdividenden bei der
Körperschaftsteuer 2001 betragsmäßig beim Anleger
nicht auswirke. Bei dieser Argumentation verkennt das FG jedoch,
dass der durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG
ausgeglichene Vorteil nicht in der durch § 8b Abs. 1 KStG
ausgelösten Verringerung der Bemessungsgrundlage der
Körperschaftsteuer 2001 liegt. Der maßgebliche, durch
die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ausgeglichene Vorteil
ist vielmehr darin zu sehen, dass gemäß § 7 Satz 1
GewStG der Vorteil des § 8b Abs. 1 KStG auf die
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer 2001 durchschlägt.
Sowohl „Vorteil“ (§ 7 Satz 1 GewStG i.V.m.
§ 8b Abs. 1 KStG) als auch „Nachteil“
(§ 8 Nr. 5 GewStG) betreffen die Bemessungsgrundlage der
Gewerbesteuer des identischen Erhebungszeitraums und stehen in
Wechselwirkung miteinander.
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cc) An der in seinem Urteil in BFHE 241, 185,
BStBl II 2015, 349 = SIS 13 18 24 vertretenen Auffassung, die im
vorliegenden Fall gegebene Sachlage sei mit der Konstellation des
EuGH-Urteils STEKO Industriemontage (EU:C:2009:29, BStBl II 2011,
95 = SIS 09 08 64) zu vergleichen, hält der Senat nicht fest.
Zwar hat der jenem EuGH-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt
ebenfalls die zeitlich auf das Jahr 2001 vorgezogene Anwendbarkeit
des § 8b KStG auf Beteiligungserträge aus
ausländischen Kapitalgesellschaftsanteilen zum Gegenstand. In
Bezug auf die unionsrechtliche Beurteilung unterscheidet sich der
vorliegende Sachverhalt jedoch in wesentlichen Punkten von jenem,
der dem EuGH-Urteil zugrunde liegt.
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In dem die Körperschaftsteuer
betreffenden Fall des EuGH-Urteils STEKO Industriemontage
(EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95 = SIS 09 08 64) hatte eine GmbH in
der Bilanz zum 31.12.2001 eine Teilwertabschreibung auf in ihrem
Anlagevermögen befindliche ausländische
Streubesitz-Aktien vorgenommen. Weil es sich um ausländische
Anteile gehandelt hat, war die Regelung des § 8b Abs. 3 KStG,
der zufolge Gewinnminderungen im Zusammenhang mit
Kapitalgesellschaftsanteilen bei der Ermittlung des Einkommens
nicht berücksichtigt werden dürfen, bereits für den
Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar, sodass das FA den
Abschreibungsbetrag dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet
hatte. Hätte es sich um inländische Anteile gehandelt,
wäre die Teilwertabschreibung hingegen im Jahr 2001 auch
steuerrechtlich noch anzuerkennen gewesen und hätte die
Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gemindert. Die
ausländischen Beteiligungen unterlagen damit im Jahr 2001
einer höheren Körperschaftsteuer als entsprechende
Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. Hierin hat der
EuGH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen
(EuGH-Urteil STEKO Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011,
95 = SIS 09 08 64, Rz 26 ff.), der nicht durch den
Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems
gerechtfertigt sei (ebenda, Rz 52 ff.).
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Von dieser Situation unterscheidet sich die
Konstellation der im Jahr 2001 nur für Auslandsbeteiligungen
aus Streubesitz möglichen gewerbesteuerlichen Hinzurechnung
nach § 8 Nr. 5 GewStG vor allem darin, dass es im Ergebnis
nicht zu einer steuerlichen Schlechterstellung der
Auslandssachverhalte kommt. Denn nach § 8 Nr. 5 GewStG wird in
Auslandssachverhalten exakt nur derjenige Betrag wieder zur
Bemessungsgrundlage hinzugerechnet, der im vorangegangenen
Ermittlungsschritt nach § 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 8b
Abs. 1 KStG - ebenfalls nur in Auslandssachverhalten - in Abzug
gebracht worden ist. Wie oben beschrieben, gehen die Dividenden aus
inländischen und ausländischen Streubesitzbeteiligungen
im Erhebungszeitraum 2001 im gleichen Umfang - nämlich jeweils
zu 100 % - in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein. Es
besteht lediglich ein Unterschied in der Berechnungsweise, der
schwerlich als materielle Benachteiligung des Auslandssachverhalts
angesehen werden kann.
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III. Verhältnis zum nationalen
Verfassungsrecht
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Der Umstand, dass jenseits der zur
Vorabentscheidung durch den EuGH gestellten unionsrechtlichen Frage
ein Verstoß des § 8 Nr. 5 GewStG gegen den
rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgrundsatz in Betracht kommt,
soweit von der Hinzurechnung auch vor dem 12.12.2001 vorgenommene
Ausschüttungen umfasst sind (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE
132, 302, BStBl II 2012, 932 = SIS 12 29 53), hindert das
Vorabentscheidungsersuchen nicht. Vielmehr erscheint es
sachgerecht, zunächst die unionsrechtliche Problematik zu
klären, bevor gegebenenfalls eine Entscheidung des BVerfG
über die Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 5
GewStG in der vorliegenden Konstellation einzuholen ist.
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IV. Aussetzung des Verfahrens
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.
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